Buchkritiken - Das Topic für Leseratten, Teil 2

Branka

Knochenbrecher
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:D

Ok, ist mir nur als erstes in den Sinn gekommen, als ich den Titel gelesen habe :)
 

Sir Kameldar

Palantíri-Sammler
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Hallo ihr alle!

Ich fahr bald in den Urlaub und ich hab noch nichts zu lesen :c:
Und leider hab ich auch nichts im Kopf, dass ich unbedingt demnächst mal lesen wollte...

Deshalb würde ich mich sehr sehr über eure Vorschläge freuen :) Ich bin eigentlich ziemlich umgänglich was Bücher angeht, lese alles von Simon Beckett ( z.B. Whispers Of The Dead ) bis zu hier allen bekannten Sachen wie Song of Ice and Fire. Aber mein letztes Buch war z.B. Das Haus an der Moschee von Kader Adolah, was mir auch sehr gut gefallen hat.

Also könnt ihr eigentlich alles empfehlen was euch in letzter Zeit viel Freude bereitet hat :)
 

Mantis

Heilende Hände
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Hallo Kameldar,

Wenn dir Simon Beckett gefällt, versuchs doch auch mal mit "Totengleich" von Tana French. Auch empfehlen kann ich die Stieg Larsson Trilogie, aber die kennst du vielleicht auch schon...

Ansonsten... ich fange gerade an Marten ´t Hart für mich zu entdecken, habe aber noch nicht genug von ihm gelesen um zu wissen ob ich ihn auch weiterempfehlen könnte. Einfach mal ausprobieren? ;)

Hoffe geholfen zu haben, und: ich wünsch´ dir nen schönen Urlaub :)

Grüsse

Mantis
 

Astaldo

Vampireslayer
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Wie wärs mit Ken Folletts "Säulen der Erde" und "Tore der Welt".
 

Sir Kameldar

Palantíri-Sammler
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"Säulen der Erde" und der "In the Woods" von Tana French sinds jetzt geworden... Danke euch :)
 

Schuck

Fürst des Chaos
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Infinite Jest by David Foster Wallace.

Einleitung
Bin auf das Buch aufmerksam geworden als ich im Spiegel einen Artikel über die erst 2009, also erst 13 Jahre nach dem Original, erschienene deutsche Übersetzung gelesen habe.
Wieso es so lange gedauert hat, scheint auf der Hand zu liegen: knapp 1000 Seiten Text + 100(!) Seiten Fußnoten im Englischen Original, 1550 Seiten lt. Amazon in der deutschen Übersetzung.
Kurz das Buch ist ein Ungetüm, selbst als Taschenbuch sehr sperrig, allein die schiere Menge an Text ist beeindruckend.

Nach dem Artikel im Spiegel war ich schon sehr interessiert am Buch und da ich sowieso eine Lektüre für den anstehenden Snowboardurlaub brauchte gleich gekauft. Das war im Januar...
Zudem wollte ich es mir einfach mal wieder beweisen, weil ich mir dachte, wenn ich es schaffe, dieses Buch zu lesen, dann kann ich eigentlich alles lesen. ;)

Zum Buch

Zu Anfangs dachte ich, ich hätte mir vielleicht zu viel vorgenommen, dermaßen verloren kam ich mir vor. Wallace springt wild zwischen verschiedenen Zeiten, Erzählern und Erzählsträngen und die ersten 200+ Seiten hatte ich keine Ahnung wie diese zusammengehören sollen. In einer Review auf Amazon hab ich gelesen, der Anfang des Buches besteht aus einer Aneinanderreihung von 17 Kurzgeschichte und sei eine Zumutung für den Leser. :p
Noch dazu ist das Buch sprachlich auch nicht ohne, Wallace hat eine Schwäche für exotische Wörter, darunter auch viele Lehnswörter aus dem Deutschen. Es ist schon witzig, wenn einem in einem englischen Roman auf einmal der Begriff Brockengespenstphänomen über den Weg läuft. Achja, zu allem Überfluß erfindet Wallace auch gerne mal Wörter. Insgesamt sollte man schon über sehr gute Englischkenntnisse verfügen um es mit dem Buch aufzunehmen, wie gelungen die dt. Übersetzung ist, kann ich leider nicht sagen, aber ich vermute sie wird bei weitem nicht an das Original heranreichen können.

Auch sonst ist der Roman sehr unkonventionell, so wir der Text durch knapp 400 Fußnoten am Ende des Buches ergänzt. Die meisten Fußnoten sind nur kürzere Anmerkungen, aber es gibt auch Fußnoten die sich über mehrere Seiten erstrecken und ihrerseits wieder Fußnoten besitzen. :eek:
Viele Hintergründe und fürs Verständnis der Handlung wichtige Fakten erfährt man auch nur aus den Fußnoten.
Diese Fußnotenorgie und das damit verbundene hin- und herblättern kann man durchaus als nervig empfinden, ich hingegen hab mich jedes Mal gefreut, wenn ich wieder eine Anmerkung lesen durfte. :)


Wenn man sich erstmal an die Eigenheiten des Buches gewöhnt hat, liest es sich sehr flüssig und strotzt nur so vor interessanten Charakteren, witzigen Details und irrsinnigen Annekdoten. Trotz eines gewissen Anspruchs und der erwähnten Eigentümlichkeit macht es schier unendlichen Spaß das Buch zu lesen.

Das Setting

Das Buch spielt in einer nicht zu fernen Zukunft, grob im Jahre 2011, was von Erscheinungsjahr 1996 aus 15 Jahre in der Zukunft liegt. Viele technische Neuerungen im Buch wirken daher heute fast schon wieder anachronistisch, obwohl sie für 96 noch Zukunftsmusik waren. Heute spielt das Buch quasi in einer Parallel-Gegenwart.
In der Welt von Infinite Jest haben sich die USA, Mexiko und Kanada zu einem Staat, der Organization of North American Nations (O.N.A.N.) zusammengeschlossen, die Bevölkerung ist fast völlig dem Konsum verfallen und von Werbung und Entertainment sediert. So wurde z.B. auch die normale Zeitrechnung abgeschafft und begonnen Jahresnamen an Firmen zu verkaufen. Der Großteil des Buches spielt im Year of the Depend Adult Undergarment.

Die Handlung

Aus den scheinbar zusammenhanglosen Einzelhandlungen bildet sich mit der Zeit ein immer dichter werdendes großes Ganzes und es ist sehr erfüllend für den Leser, das Puzzle Stück für Stück zusammenzusetzen und immer mehr Zusammenhänge zu verstehen. :)

Im wesentlichen gibt es drei große Handlunskomplexe.
Der erste dreht sich um Hal Incandenza, einem 17 Jährigen Tennistalent, der an der Enfield Tennis Academy (ETA) auf seinen Abschluss und eine Karriere im Profi-Tennis zusteuert. Er ist zudem hochbegabt und lernt so z.B. seit frühster Kindheit zum Spaß das OED auswendig. Leider hat er ein kleineres Drogenproblem. Wenn es in Infinite Jest eine Hauptperson gibt, so ist es wohl Hal.
Die Akademie wurde zudem von seinem (mittlerweile verstorbenen) Vater, einem genialen Optiker und Regisseur obskurer Avantgarde-Filme, gegründet und wird mittlerweile von seiner Mutter und deren Halbbruder geführt. Dann gibt es auch noch seine zwei Brüder, der eine Profi-Footballer, der andere schwerstbehindert.
So aussergewöhnlich die Familie auch klingen mag, im Grunde genommen ist sie einfach nur screwed-up, was sich im Laufe des Romans noch zu genüge zeigen wird.

Der nächste Komplex dreht sich um das Ennet House Drug and Alcohol Recovery House, unweit der ETA gelegen und den dort lebenden Betreuer Don Gately. Einst selbst Drogensüchtig und mit krimineller Vorgeschichte, muss er sich dort mit einer Reihe verrückter süchtiger herumschlagen.

Der dritte Strang dreht sich um Remy Marathe von den Assassins des Fauteuils Roulants (A.F.R.), den Wheelchair Assassins, einer Quebecer Separatistengruppe und Hugh Steeply vom Office of Unspecified Services, dem amerikanischen Geheimdienst. Beide sind sie hinter einer gewissen Form des Entertainment her, das noch eine große Rolle im Buch spielen soll.


Wirklich viel passieren tut in dem Buch nicht, d.h. die Erzählung mäandert in so viele Richtungen, dass die Haupthandlung nur sehr langsam vorankommt und kaum laufen alle Stränge zusammen und es wird richtig spannend, ist das Buch auch schon zu Ende. Ein ähnlich unbefriedigendes Ende kannte ich bisher nur vom Felix Krull.
Dennoch ist das Buch so ideenreich, gut geschrieben und teilweise einfach nur verrückt, dass es nie langweillig zu lesen ist und auch das Ende ist für mich deshalb noch verzeihbar.


Fazit

Das Buch ist sehr interessant für Leser, die eine Herausforderung suchen und bereit sind sich mit den Eigenheiten des Buches anzufreunden. Solche Leser werden für den Leseaufwand mehr als ausreichend entschädigt. Je schwieriger ein Gipfel zu besteigen ist, desto größer ist der Triumph, wenn man endlich auf dem Gipfel steht. :)

Nicht zu empfehlen ist das Buch für Leser, die eine durchgehende Handlung mit richtigem Ende oder gar Happy End erwarten oder leicht zugängliche Unterhaltung suchen.

Kurz: Das Buch ist reichlich unkonventionell, ausschweifend exzentrisch und dabei für die einen wahnsinnig unterhaltsam, für andere todlangweillig. Es ist wohl eines der Bücher, die man entweder liebt oder hasst.

I'm lovin' it. :):)
 

Windsong

Succubus
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Die Fortsetzung von Cvon ist erschienen

Für alle, die mich nicht kennen (ich war in den letzten Jahren selten im Forum), der Autor, Guido Krain, ist mein Mann und einige alte Forumsuser kennen uns auch persönlich von den Treffen und Rollenspielrunden. Und da treue Fans und Freunde einige Jahre warten musten: es ist soweit!

Allen, die lange darauf gewartet haben (und allen, die noch gar nicht davon gehört haben), möchte ich hier kurz und begeistert mitteilen, dass der zweite Teil des Ushovar-Zyklus erschienen ist. Die Fortsetzung von "Cvon" heißt "Tia-Lhor" und ist, wie Cvon auch, über Amazon erhältlich. Damit ist dieser Teil der Geschichte dann auch in sich geschlossen ;)

Allgemein sind wir mit Fantasy-Buch.de wieder aktiver und planen als nächstes einen weiteren Kurzgeschichtenband aus der Elfenmond-Welt, diesmal geht es um Götter und Legenden.
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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Roubini/Mihm: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Ich hab jetzt keine Ahnung, ob das Topic hier auch für Fachbücher gedacht ist, wenn nicht, bitte verschieben bzw. in ein neues Topic auslagern.

Mit dem Buch von dem Wirtschaftswissenschaftler Nouriel Roubini und dem Wirtschaftsjournalisten Stephen Mihm bin ich jetzt so gut wie durch.
Wie der Titel vermuten lässt, geht es um die aktuelle Wirtschaftskrise. Die Arbeitsteilung zwischen beiden Autoren sah wohl so aus, dass Roubini das Fachwissen lieferte und Mihm die Formulierungen.
Roubini gilt als einer der wenigen, die die Wirtschaftskrise vorher öffentlich vorher gesagt haben, worauf im Buch auch mehrfach verwiesen wird. Die Sprache des Buches ist sehr einfach und gut verständlich für die komplexe Materie, erinnerte mich an vielen Stellen aber unangenehm an den heutigen Polit- und Mediensprech.
Inhaltlich setzt sich dies aber nicht fort. Roubini beginnt zunächst mit einem Abriss über frühere Wirtschaftskrisen, um zu belegen, dass Krisen im Kapitalismus die Regel und nicht die Ausnahme sind. Er führt auch aus, dass sie praktisch immer gleich ablaufen. Die Ähnlichkeiten zwischen der aktuellen Krise und früheren werden gleich anschließend dargelegt.
Weitere Kapitel geben eine Einführung in die unterschiedlichen volkswirtschaftlichen Theorieschulen von den liberalen Klassikern über Marx, Keynes und den Neoliberalen bis hin zur Gruppe der von Roubini sogenannten "Österreicher" mit dem namhaftesten Verteter Schumpeter.
Die verschiedenen Ansätze zum Umgang mit Krisen werden diskutiert, um zu Roubinis eigener Lösung vorzustoßen: Bessere Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte, flankiert von der Zerschlagung aller großen, weltweit agierenden Finanzkonzerne und dem Abbau der weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der großen Volkswirtschaften.

Fazit: Das Buch bietet eine klare und schonungslose Analyse in einer verständlichen Sprache, bietet neue Gedanken, die im medialen und politischen Mainstream nicht vorkommen und gibt auch zahlreiche Anstöße, selber weiterzudenken.
Zudem ist es auch für Laien geschrieben. Wer den Wirtschaftsteil einer Zeitung lesen kann, wird das Buch auch verstehen, denn viele Begriffe werden dort anschaulich erklärt.:)
Von daher kann ich es empfehlen.:up:
 

Lisra

Schmusekater
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Fingersmith von Sarah Waters

Es kommt nicht wirklich oft vor, dass ich ein Buch in einem Wort zusammenfassen kann, aber in diesem Fall ist es ohne weiteres möglich: Enttäuschend.

Aufgewachsen in einer Familie aus Kleinkriminellen bekommt unsere Heldin die Möglichkeit an einem Trickbetrug mitzuwirken, der ihr und allen anderen das Große Geld bescheren kann. Was kann schon schiefgehen?

Fingersmith wirbt mit zwei Dingen: Einer Geschichte voller Diebereien und Betrug und Lesben. In Dickens-London.
Es ist also nicht verwunderlich, dass ich mir für den Preis von fünfzig Pence + Versand eine gebrauchte Kopie schicken lies. Enttäuschend. Es geht dabei nicht einmal darum, dass der größte Teil des Settings von Oliver Twist inspiriert ist (eine "Familie" von Dieben), dass die Romanze zwischen zwei Frauen nur ein Lockmittel ist, nein, es geht vor allem darum, wie extrem albern die Plottwists sind. Es ist immer eine gute Idee den Leser mit roten Heringen und anderen Täuschungen an der Nase herumzuführen, aber man muss trotzdem am Ende in der Lage sein die tatsächlichen Geschehnisse glaubwürdig zu machen. In Fingersmith schlägt dieser Versuch fehl. Dabei stechen vor allem zwei Dinge heraus.

-Die Art und Weise wie das "Betrogene Betrüger" Konzept aufgelöst wird

-Das auflösen des "Traumas" der sekundären Hauptperson. Ich bin sicher es war als Kommentar über die etwas (ha!) seltsame Sexualmoral zu der Zeit gedacht, aber es wird nicht stark genug gezeichnet, sodass es lächerlich statt tragisch wirkt.
Sie wurde gezwungen ihrem Ziehvater und seinen Freunden erotische Literatur vorzulesen. Das wars.

Je nach dem wie wichtig das einem ist, zählt auch die Art und Weise wie die aufkommende Beziehung zwischen den Frauen unterbrochen wird dazu. Einerseits ist es ein elendes Klischee und andererseits eine Ausrede sich nicht tiefer damit zu beschäftigen.

Der Schreibstil hingegen ist solide. Die Beschreibungen von London sind atmosphärisch, das Grauen von Arbeitshäusern und Anstalten kommt gut heraus, und es gibt einige sehr schön beschriebene emotionale Momente. Leider werden diese durch den extrem idiotischen Plot und das irritierende Ende ruiniert.

Wie gesagt, enttäuschend.
 

Lisra

Schmusekater
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Anstatt mich brav mit einer Wettbewerbsstory zu beschäftigen, schreib ich lieber etwas über die Bücher die ich neulich gelesen habe.. :shine: Ich bin freizügig mit Spoilern, seid gewarnt.

Mogworld von Yahtzee Croshaw
In der englischsprachigen Internetwelt ist Yahtzee seit einer ganzen Weile für seine bissigen Spielereviews bekannt. Ein Bonus dieses Erfolgs war die Möglichkeit endlich einen richtigen Roman veröffentlichen zu können und nicht bloß wie die meisten anderen nur Entwürfe zu schreiben die niemand liest. Um es kurz zu machen: Es ist nett.

Mogworld erzählt die Geschichte von Jim, einem arglosen Zauberlehrling, der 60 Jahre nach seinem Tod in Folge einer Streiterei zwischen akademischen Feldern von einem Nekromanten wieder zum Leben erweckt wird. Leider hat er seinen freien Willen behalten und obendrein spielen die Naturgesetze verrückt, sterben wie gewohnt ist nicht mehr möglich, was Jim erfährt nachdem er sich enthusiastisch vom höchsten Turm der dunklen Festung geworden hat. Nach einer Begegnung mit den Deleters, seltsamen Engelwesen, und verschiedenen Komplikationen vis a vis seinem Arbeitsplatz in der dunklen Festung, zieht Jim mit einer Handvoll nerviger Kumpane los um herauszufinden was los ist und um endlich zu sterben.

Wenn es darum geht etwas zu beschreiben, dann ist der Drang immer groß einen seltsamen Vergleich anzubringen, und im Fall von Mogworld würde er ungefähr so aussehen: Stellt euch Terry Pratchett auf dem Horizont eines Mittzwanzigers und mit deutlich weniger sophistication vor, dann habt ihr eine grobe Vorstellung des Schreibstils. Fast das gesamte Buch wird in der ersten Person erzählt. Jim als Erzähler kommentiert hemmungslos und drastisch das Geschehen um ihn herum und manchmal werden Witze auf kosten des Narrativs gemacht. Man kommt der Figur so sehr nahe, was dadurch behindert wird, dass Jim nicht der sympathischste aller Protagonisten ist. Es unterstreicht aber die Seltsamkeit der Welt in der er jetzt „leben“ muss.
Es gibt auch sonst einiges woran man sich stören kann. Die Nebenfiguren sind ziemlich einseitig, alle Eigennamen sind albern und die Tatsache, dass der Autor es schafft als das im Rahmend er Erzählung zu begründen ist sehr geschickt zwischen billig und genial angesiedelt. Mogworld ist ein Computerspiel und Jim und seine Freunde sind NPCs. Die Enthüllung in der Erzählung selbst kommt ziemlich spät, aber die meisten Leser, denn ich denke niemand außerhalb einer Zielgruppe wird diesen Roman kaufen, werden das jedoch schon vorher gewusst oder nach vielleicht hundert Seiten verstanden haben.
Alles in allem ein netter, nicht überragender, absurder Roman der die Frage beantwortet „wie fühlt sich ein MMORPG für den NPC an?“. Muss man nicht lesen, kann man aber.

Loosing Christina Trilogy von Caroline B. Cooney
Vor einigen Tagen hing ich in tvtropes rum, wie man das so tut wenn es spät Abends ist, man Ferien hat und nicht müde genug ist um zu schlafen. Irgendwann führte mich meine ziellose Wanderung zu einer Übersicht über Kinder und Jugendliteratur und dann zu dieser Serie, die zwischen 89 und 91 erschien und von der ich noch nie gehört hab – ebenso wenig wie von der Autorin, obwohl die offenbar mehrere Dutzend Bücher geschrieben hat.
Die Story ist schnell erzählt: Christina lebt auf einer kleinen Insel vor der Küste von Maine und kommt zwecks Junior High School Besuchs aufs Festland. Niemand in der kleinen Stadt mag die Inselbewohner jedoch sonderlich und Wohnraum ist teuer. Christinas Eltern sind deshalb sehr froh, dass der neue Direktor der High School und seine Frau Christina und drei andere Kinder von der Insel bei sich aufnehmen wollen, nachdem sie ein riesiges Anwesen am Rande des Ortes gekauft haben.
Christinas Freude währt jedoch nicht lange, die Shevvingtons sind nämlich nicht gerade die nettesten Menschen im Ort und schnell findet sich Christina auch in der Schule ausgegrenzt wieder. Dann passieren jedoch merkwürdige Dinge und ihre Zimmergenossin Anja scheint langsam ihren Verstand zu verlieren…

… weniger dramatisch ausgedrückt bedeutet das: Die Shevvingtons unterziehen die Kinder/Jugendlichen die ihnen unterstellt sind einer sadistischen Folter. Sie nutzen die Eigenheiten des Hauses und vor allem die Macht, die sie als Erwachsene und Authoriätspersonen über die Kinder und innerhalb der Gemeinschaft machen. Die Trilogie erzählt sowohl von Christinas Kampf gegen ihre Peiniger als auch von dem vergeblichen Versuch sich Gehör zu verschaffen, den Problemen die man mit 13 hat und der Sozialdynamik unter Jugendlichen, doch mit jedem Kapitel sieht es mehr so aus, als würde sie entweder in eine Klinik eingewiesen, oder einen Doppelmord begehen. Wie es am Ende ausgeht verrate ich aber nicht.

Die Romane setzten sich in den gerade mal 3x~230 Seiten mit einer Menge ernster Themen auseinander. Die Sprache ist oft einfach, manchmal ein wenig poetisch aber nie primitiv, wie das manche Kinderbücher an sich haben. Christinas Emotionen und die später immer chaotischer werdenden Sinneseindrücke gingen mir zumindest sehr nahe. Wie in einem erwachsenen Psychothriller liegt über der gesamten Erzählung der Mantel das etwas unheimliches, etwas Böses vor sich geht, aber weder Christina noch der Leser wissen oft was es ist, oder warum es passiert.
Besonders erwähnen muss ich aber die Charakterisierung der Bösewichter. Gerade in Büchern die sich auf Charaktertiefe berufen ist es nicht immer einfach nicht zumindest irgendeine positive Empfindung für den Antagonisten zu haben, selbst wenn er/sie/es böses tut. Man kann Mitleid haben, das Motiv nachvollziehen können, oder Sympathie empfinden. Dann gibt es Figuren, die zwar recht eindimensional sind, aber trotzdem eine sehr, sehr starke Wirkung auf den Leser haben. Im Bereich der Kinder/Jugendliteratur ist das für mich deutlichste Beispiel Dolores Umbridge aus der Harry Potter Serie. Die schiere Menge ein kleingeistigen Bösen das diese Figur verkörpert, die sadistische Freude an dem kleinen Stück Macht das man ihr verliehen hat, weckt in Buch und Film nicht nur bei emotionalen Spaten wie mir Abscheu und Hass. Die Shevvingtons sind genauso. Die Kleinlichkeit, die Art und Weise wie sie immer lächeln und freundlich dabei sind, das perverse Ausnutzen aller Privilegien und der Mangel jedweden guten (oder schlechten) Grundes für ihr Handeln macht sich verabscheuungswürdig, unmenschlich, böse. Mit jedem Kapitel wurde ich fassungsloser, wie man mit kleinen Schritten und einem Lächeln Stolz, Selbstachtung, Würde und am Ende den Verstand eines Menschen untergraben kann. For giggles.

Es ist nicht die realistischste Reihe, aber darum geht es auch gar nicht. Es geht um das erleben der Gefühlswelt, am Ende um eine Karthasis, und um die Warnung, dass Erwachsene nicht automatisch gut sind. Wer nichts gegen Kinderliteratur hat, oder einfach nur daran interessiert ist zu sehen, wie man einen guten Psychothriller für Kinder/junge Jugendliche schreiben kann, der sollte sich die Bücher ansehen. Sie sind gebraucht für ein paar Cent+Versand zu finden.

Coming Soon:
The Magician’s Apprentice von Trudi Canavan
 
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El Gaucho

Aus den 9 Höllen
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Ha, toll, ein weiterer Mogworld-Leser! :D
Das Buch war vor ein paar Tagen in meinem Briefkasten. Deswegen habe ich deine Review noch nicht gelesen (spoilergefahr?), aber die ersten drei Kapitel haben mich überzeugt!
 

Eowil

Skeptiker
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So, nicht so sicher welches Topic denn das perfekte ist, aber Leseratten klingt passend:

Hier gibt es 150 Science Fiction und Fantasy Kurzgeschichten aus den letzten 5 Jahren TOR Magazine bis zum 7. August, umsonst, als gebündelter Download -- für PDF, Epub und Kindle.

Dazu muss man sich zwar anmelden, ist aber mit keinen weiteren Tücken verbunden! Hiero

Edit:
Um es noch ein wenig anzupreisen... es ist zwar alles englisch und "nur" digital, aber dafür sind da mehrere Hugo Award-Gewinner dabei. Die Namen einiger Autoren dürften vielen vertraut sein, John Scalzi, Charles Stross, Kij Johnson, Rachel Swirsky oder Charlie Jane Anderson.
 
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Aldarion

Kammerjäger
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@Eowil: Danke, guter Link! Der Download wurde verlängert, habe es gleich genutzt - dann kommt mein ungenutzt rumliegender Kindle endlich mal zu Ehren :)
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Die ersten beiden Rezis zur Hexer - Saga von Andrzej Sapkowski.


Der letzte Wunsch


Geralt ist ein Hexer, ein zum jagen von Monstern ausgebildeter, mit speziellen Zaubern ausgestatteter und genetisch modifizierter Mutant, der immer dann gerufen wird, wenn Not am Mann ist oder die Bevölkerung nicht selbst mit dem jeweiligen Monster fertig wird. Keine schlechte Berufung also, wenn man nicht auch noch mit den Vorurteilen seiner Mitmenschen und einigen Nebenwirkungen zu kämpfen hätte. Doch Geralt hat sich daran gewöhnt und tut einfach seinen Job. Oder er würde es zumindest, wenn die Vorsehung nicht andere Pläne mit ihm hätte, wovon in den folgenden Kurzgeschichten berichtet wird.

Liest man sich die obige Beschreibung durch, könnte man eine gewisse Formel erwarten, die sich dann durch die Geschichten zieht. Geralt kommt in eine Stadt/einen kleinen Ort, hört von dem Problem, sucht das Monster und tötet es. Dem ist allerdings nicht so. Sieht man von der ersten (und vielleicht auch zweiten) Geschichte ab, folgt keine der vorliegenden sechs kurzen Erzählung dieser Formel und sogar die klassische Action (Schwertkämpfe etc.) wird nach der dritten (und besten) Geschichte des Sammelbands zurückgeschraubt und man konzentriert sich eher auf die Dialoge und andere Aspekte der Handlung.

Andrzej Sapkowski beweist schon in diesem ersten Sammelband sein Gespür für clevere Gespräche und seine Belesenheit, wie in den einen oder anderen Satz deutlich wird und dies macht auch einen Hauptanteil des Leseerlebnisses aus, welches "Der letzte Wunsch" und seine Folgebände darstellen. Gemixt wird das ganze mit vielen Anspielungen auf dieses oder jenes Märchen, die als Vorlage für die ersten drei Geschichten dienen und einer sehr bodenständigen, teilweise auch sehr derben Sprache und fertig ist die Grundlage für kommende Geschichten im Universum des Hexers.

Denn Sapkowski schafft es, dass sich die Welt des Hexers trotz ihrer fantastischen Grundlage "real" anfühlt. Er lässt seine Figuren real sprechen, real agieren ( trotz ihres teilweise bösartigen Verhaltens, sind einige Figuren schon jetzt vielschichtiger als gedacht) und real fluchen (und das nicht zu knapp) wenn es die Situation erfordert. Die Atmosphäre in den Geschichten ist weniger fantastisch als mittelalterlich bodenständig und mit den Hexer Geralt hat sie die passende Hauptfigur gefunden, der sich als Außenstehender in dieser nicht gerade freundlichen Welt zurechtfinden muss.

Dafür dass es die ersten Gehversuche eines Autors sind, sind fast alle Geschichten (die zweite schwächelt) gut geschrieben und vergnüglich zu lesen, allerdings sind sie noch nicht so ausgereift und tief wie die Erzählungen im zweiten Band "Das Schwert der Vorsehung". Trotzdem sticht auch schon hier ein echtes Kleinod heraus, nämlich die dritte Geschichte "das kleinere Übel" in der der Hexer vor ein wirklich schweres moralisches Dilemma gestellt wird und die an Spannung und Tiefe ihresgleichen sucht. Die restlichen Geschichten sind auch spannend und unterhaltsam zu lesen, aber stehen alle im Schatten dieser einen Geschichte, die darauf hindeutet welche Höhen die Reihe um den Hexer Geralt einst erklimmen wird und als schon ein sehr frühes Meisterstück über allen anderen emporragt und Lust auf mehr macht.

Zum Schluss bleibt schlichtweg zu sagen, dass "Der letzte Wunsch" eine klare Kaufempfehlung für alle Freunde der bodenständigen und der lebendigen Sprache ist und schon jetzt eine Menge verspricht. Er stellt den Beginn einer langen, aber sich lohnenden Reise in einem der interessantesten, wenn nicht gar dem besten Fantasy-Universum aller Zeiten dar.

Und man wird sie insgesamt nicht bereuen.

Vier von fünf Sternen.

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Das Schwert der Vorsehung

Die Jagd auf einen Drachen ist eröffnet. Normalerweise würde den Hexer Geralt dies nicht weiter stören, stehen Drachen bei ihm doch nicht auf der Liste von zu jagenden Monstern und er verspürt auch nicht den Drang sich zu bereichern. Doch als der Name einer ganz bestimmten Zauberin fällt, lässt er alles stehen und liegen, um sich der Jagdgemeinschaft des jungen König Niedamirs anzuschließen. Natürlich wird dabei einiges nicht so laufen wie geplant...

Das beschreibt gut den Inhalt der ersten Geschichte des zweiten Kurzgeschichtenbandes um den Hexer Geralt "Die Grenze des Möglichen", welche sich als temporeiche und aberwitzige Fantasygeschichte entpuppt, die es mit den Besten des Genres mit Leichtigkeit aufnehmen. Auch die restlichen Geschichten des Bandes stellen im Allgemeinen eine Steigerung dar (sieht man von der zweiten Geschichte "Ein Eissplitter" einmal ab), was durch einen ganz einfachen Trick erreicht: die meisten Geschichten drehen sich um Geralt selbst und sein Verhältnis zu seiner Umwelt, wie er sich in seiner Welt zurechtfindet und wie diese auf ihn reagiert, wie er nach dem Sinn in seinem Leben sucht und dabei zum Teil nicht bereit ist das Opfer zu bringen, was es mit sich bringt im Leben wirklich Glück zu finden. Dies verleiht ihn eine unglaubliche Tiefe und macht ihn als Figur für den Leser greifbarer und hilft auch ungemein, sich für ihn in den nicht gerade wenigen wirklich emotionalen Momenten des Buches für Geralt und alle Nebenfiguren zu erwärmen.

"Das Schwert der Vorsehung" ist im Großen und Ganzen also ganz anders aufgebaut als sein Vorgänger und genau das macht es so wunderbar zu lesen. Die Action ist zwar immer noch vorhanden, wurde aber zugunsten der spritzigen Dialogen und der tiefen Themen jeder Geschichte zurückgeschraubt, damit Letztere sich besser entfalten zu können. Und was soll man anderes sagen, außer dass die Mischung aufgeht und alle Geschichten (selbst die immer noch gute, aber trotzdem schwache "Ein Eissplitter") ein Erlebnis für sich ist und man den Kauf absolut nicht bereuen wird, wenn man mit den bereits bekannten Derbheiten Sapkowskis zurechtkommt, die ja auch einen großen Teil des Humors ausmachen (der den Rezensenten selbst nach acht Jahren immer noch zum lachen bringt)? "Das Schwert der Vorsehung" macht schlicht alles besser was "Der letzte Wunsch" schon gut gemacht und bringt eigentlich schon hier die Geschichte des Hexers zu einem Ende, mit den üblichen offenen Fragen für eine Fortsetzung, die ja in Formen der fünf Romane erschienen ist.

Trotzdem könnte man schon hier die Reise mit Geralt beenden, angesichts des wundervollen Endes, welches sich in der letzten Geschichte "Etwas mehr" abspielt. Doch am Ende sind einen die Figuren so sehr ans Herz wachsen, dass man weiterreiten wird, um sie bis ans Ende ihres Weges zu begleiten. Eines Weges der lang und steinig sein wird und bei dem es noch offen ist, ob er sich wirklich gelohnt hat. Doch bis dahin darf man sich mit dem Wissen zufrieden geben, dass die Saga des Hexers mit diesem Sammelband ihren ersten Höhepunkt erreicht hat, dem hoffentlich noch viele folgen werden.

Fünf von fünf Sternen.
 
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Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Die Rezis zu den Romanen der Hexer-Reihe


Das Erbe der Elfen

Geralt und Ciri sind glücklich. Trotz all der Unbill die sie beide erleiden mussten sind sie, der Hexer und die ehemalige Prinzessin, nun endlich miteinander vereint, Beschützer und Beschützte, Ziehvater und Ziehtochter. Geralt tut das, was er kennt und gelernt hat: er versucht Ciri zur Hexerin auszubilden. Das gelingt ihm und seinen Mithexern auch. Doch natürlich gibt es auch das eine oder andere Problem (viele von denen sie alle als unaufgeklärte Männer nichts wissen) und deswegen rufen sie Hilfe in die Ordensburg der Hexer, während überall außerhalb der abgeschotteten Festung sich die Zeichen für einen größeren Konflikt verdichten.

"Das Erbe der Elfen", der erste echte Roman um den Hexer Geralt und sein Mündel Ciri, ist ein gut geschriebenes, mit vielen schönen Charakterszenen angereichertes, aber nicht sonderlich von der Handlung getriebenes Buch. Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass es keine Handlung im eigentlichen Sinn gibt, vieles wird zwar angedeutet doch der Fokus liegt ganz klar auf der Ausbildung Ciris zu einer Hexerin, dann ihrer "Umschulung" und wie es ist ein pubertierendes Mädchen zu sein (zumindest aus der Sicht des Autors). Das liest sich durchaus unterhaltsam und angenehm, vor allem da Ciri ein recht sympathischer Charakter ist, doch hat es wenig mit dem Hexer Geralt zu tun, der nicht viele eigene Szenen hat und im Grunde das letzte Drittel des Buches damit verbringt dem Bisschen Handlung und Action hinterherzurennen, die im Buch zum Schluss hin etwas auftauchen. Das muss man mögen oder zumindest das langsame Tempo akzeptieren, denn dann bekommt man einen guten Auftakt einer Romanserie, der vielleicht nur das große Luftholen vor dem richtigen Start der Handlung ist, die Intrigen, Abenteuer und vielleicht sogar dieselbe Tiefe verspricht, die man im zweiten Kurzgeschichtenband "Das Schwert der Vorsehung" serviert bekam. Das wird sich zeigen müssen, so bekammt man auf jeden Fall ein stilistisch sehr ausgereiftes Buch, mit vielen großartigen Charaktermomenten, geschliffenen (manche würden vielleicht würden sogar sagen zu geschliffenen und cleveren) Dialogen und den üblichen ironischen, teils sehr derben Humor, den man von Sapkowski aus seinen Kurzgeschichten gewohnt ist.

"Das Erbe der Elfen" kommt vielleicht noch nicht an die Brillanz der Kurzgeschichten aus "Schwert der Vorsehung" heran, doch für sich genommen ist es trotz der dünnen Handlung in der Summe seiner Teile ein "gutes" Buch, das Lust auf mehr macht und einen auf jeden Fall nach dem zweiten Band "Die Zeit der Verachtung" greifen lässt (und sei es auch nur in der Hoffnung weniger von Ciri und mehr von Geralt zu lesen).

Vier (von fünf) Sterne(n), mit dem Blick nach oben gerichtet, da das Potenzial zur Steigerung vorhanden ist.

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Die Zeit der Verachtung

Die Zeichen stehen auf Krieg. Die Könige des Nordens treffen die letzten Vorbereitungen für den nächsten Krieg gegen Nilfgaard und die nördlichen Zauberer versammeln sich um über diesen geheimen Plan zu beraten. Auch die Zauberin Yennefer und Geralts Ziehtochter Ciri zieht es in die Stadt Luxia, in der das Treffen stattfinden soll, doch auch aus ganz anderen. Geralt ist ihnen dicht auf den Fersen, denn natürlich werden sie von den Häschern des geheimnisvollen Drahtziehers verfolgt, der ebenfalls Ciri ob nun für den Kaiser von Nilfgaard oder seine eigenen Zwecke in seine Händen bekommen möchte. Alle Fäden laufen in Luxia zusammen und die daraus folgenden Ereignisse werden das Leben aller Beteiligten wohl für immer verändern.

"Die Zeit der Verachtung" knüpft direkt an die Ereignisse aus "Das Erbe der Elfen" an und besitzt auf fast derselben Anzahl von Seiten doppelt soviel Handlung wie der Vorgängerband, eine löbliche Verbesserung, denn irgendwann will man ja auch, dass die im ersten Teil angedeutete Geschichte endlich Fahrt aufnimmt. Und das tut sie auch, langsam aber stetig und sie enthält alles was man heute von guter Fantasy (vor allem in ihrer düsteren Ausprägung, wobei die Hexerromane schon in den frühen 90er erschienen) erwartet: geschliffene Dialoge, Intrigen, Charaktermomente und Action, gut genug dosiert, um nicht zu ermüden und gerade so spannend zu sein. Es ist also ein gutes Buch und wem die Vorgängerbände gefallen haben, der kann hier wohl auch zugreifen, denn was könnte einem nicht an dem Roman gefallen?

Ganz einfach: Das Buch handelt weiterhin hauptsächlich nicht um den Hexer Geralt, dessen Verwicklungen weiterhin nur eine Nebenhandlung darstellen, sondern um Ciri. Ciri, die im Gegensatz zu Geralt noch kein gefestigter Charakter ist, sich erst noch entwickeln muss und daher aus einer schriftstellerischen Perspektive wohl den interessanteren Charakter darstellt, doch was ein Autor gutheißt, muss dem Leser noch lange nicht gefallen und ab hier werden sich wohl die Geister scheiden, denn man kann absehen, dass ihre Entwicklung einen großen, wenn nicht gar den Löwenanteil der Geschehnisse im Verlauf der nächsten Bücher einnehmen wird und man sich entweder damit anfreundet oder frustriert die Serie sein lassen wird, denn ist dies nicht die Geschichte um den Hexer Geralt? Möchte man nicht viel lieber davon lesen, wie er sich gegen die Welt schlägt und den Mächtigen zeigt was für ein harter Hund er ist, anstatt einer pubertierenden, unsicheren und von allen Seiten gejagten und von der Welt gequälten Rotznase (um mal einen oft verwendeten Begriff aus den ersten beiden Romanen zu verwenden) auf ihren weiteren Leidensweg zu folgen, der ab diesem Buch nur noch schlimmer werden kann (und Ciri muss schon in diesem Buch mehr durchmachen, als Geralt jemals in den Geschichten davor einzustecken hatte)?

Das muss jeder für sich selbst entscheiden und zum Glück ist Ciri ein sympathischer Charakter, was ihren Weg zu lesen erleichtern dürfte und vielleicht geht das Experiment ja auf und die folgenden drei Bände übertreffen sogar den bisherigen Höhepunkt der Reihe um den Hexer, den Kurzgeschichtenband "Das Schwert der Vorsehung". Dies wird man allerdings nur erfahren, wenn man auch die weiteren Bände liest. So wurde zumindest mit den ersten beiden Romanen ein gutes Fundament gelegt, "Das Erbe der Elfen" stellte die Charaktere eingehend vor, "Die Zeit der Verachtung" verhalf der Handlung endlich zu einen guten Start, welches weiterhin einen "guten" Eindruck vermittelt und auch diesem Band zur gleichbleibenden Wertung von vier (von fünf) Sternen verhilft.

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Feuertaufe

Krieg ist ausgebrochen und das Kaiserreich Nilfgaard hat ihn scheinbar schon gewonnen, denn ein großer Teil des Nordens befindet sich inzwischen schon unter seiner Kontrolle. Doch im Süden regt sich noch Widerstand, was den Hexer Geralt, der sich nach seinem Kampf mit dem Zauberer Vilgefortz so gut es geht erholt hat, könnte das nicht weniger kümmern. Er hat nur ein Ziel: Ciri, die im Süden verschwunden zu sein scheint (und in Wirklichkeit Teil einer Räuberbande ist) zu finden und zu retten, koste es was es wolle. So bricht er also mit seinem Freund Ritterssporn auf und schon bald schart sich eine bunte Schar um die beiden, eine Gruppe merkwürdiger Gefährten, die während ihrer Reise nach Nilfgaard eine Menge Abenteuer erleben wird.

Freunde des Hexers dürfen in diesem Band schon einmal zu jubeln beginnen, denn "Feuertaufe" dreht sich zum größten Teil wirklich um Geralt und seiner Suche nach Ciri, das heißt, es ist fast alles beim Alten. Und doch auch wieder nicht, denn der ansonsten so ruhige Monsterjäger zeigt in diesem Band erstaunlich viele Gefühle und eine Unruhe, die man so noch nie von ihm gekannt hat. Ein schöner Charakterzug, der die Figur wieder näher an den Leser heranbringt. Was aber noch umso mehr funktioniert ist die Dynamik der Gruppe, die sich im Laufe des Buches einspielt und einen Hauptanteil des Spaßes des Buches ausmacht. Denn wie alle Freunde streiten und zanken sie sich, vertragen sich wieder und halten in den richtigen Momenten zusammen, ein kleiner Lichtblick in der düsteren Umgebung durch die sie wandeln, die aufzeigt was für eine hässliche Angelegenheit der Krieg doch ist und wozu Menschen werden, wenn sie sich fürchten oder wem sie sich in Zeiten der Furcht zuwenden ( hier sei als Beispiel ein im Buch vorkommender Hexenprozess genannt, den Sapkowski voller Genuss parodiert und den Unsinn einer solchen Sache deutlich zum Ausdruck bringt).

Und damit dürfte die wichtigsten Punkte des Buches genannt worden sein. Es wird gekämpft, es wird gewandert, wie bei den Kesselflickern geflucht und gelacht, klassische Abenteuerkost, in der der Plot vorangetrieben (und einige interessante Geheimnisse verraten) und die Charaktere der Figuren entwickelt wird und das alles wie immer mit viel Ironie gewürzt und mit einem flott zu lesenden Stil vorgebracht. "Feuertaufe" hält mit Leichtigkeit das Niveau seiner beiden Vorgängerromane und bereitet dem Leser für einige Stunden viel Vergnügen, bringt ihn zum lachen oder zum nachdenken oder lässt ihn gespannt zur nächsten Seite blättern, denn wie auch seine Vorgänger ist "Feuertaufe" das was man im Englischen einen "Pageturner" nennt, ein Roman welches man erst aus der Hand legt, wenn man es zu Ende gelesen hat oder zu müde dafür ist.

Ein gutes Buch wie seine Vorgänger, welches vom Rezensent ohne nachzudenken vier (von fünf) Sterne(n) erhält. Wie immer wohlverdient. Wie immer in der Hoffnung, dass das nächste Buch noch besser wird.

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Der Schwalbenturm

Für Ciri ist das lustige Räuberleben zu Ende, als der Kopfgeldjäger Leo Bonhart die Bande aufspürt und einen nach den anderen massakriert. Ciri wird von ihm gefangen genommen und kann irgendwann fliehen. Wie und wann erzählt sie einen alten Einsiedler, mit dem sie bald eine tiefe Freundschaft verbindet. Derweil zieht es Geralt weiterhin Richtung Süden, verfolgt von den Häschern derjenigen, die ihn und Ciri Übles wollen und mit einer Mordswut im Bauch. Und das Schicksal selbst scheint ihn weiterhin nicht wohlgesonnen zu sein, denn es liegt ihn noch mehr Steine in den Weg, einer größer als der andere und auf den ersten Blick unüberwindbar. Doch Geralt schreckt das nicht und er macht weiter und wohin das alles führt, wird der Leser im Verlauf der Geschichte erfahren.

In "Der Schwalbenturm" teilen sich Geralt un Ciri die Anzahl der Momente in denen sie vorkommen gerecht auf, womit sich also niemand darüber beschweren braucht, dass der oder die andere zu kurz kommt. Beides haben jedoch eines gemein: es wird düsterer und härter für sie. Vor allem Ciri muss einiges durchstehen, was ihren Leidensweg aus "Die Zeit der Verachtung" wie einen leichten Spaziergang aussehen lässt und man dürfte bei dem was sie erlebt, doch ein- oder zweimal schlucken, womit "Der Schwalbenturm" trotz der jugendlichen Protagonistin endgültig beweist, dass die Serie eher etwas für erwachsene Leser isst (oder zumindest für die Widerstandsfähigeren unter den jüngeren Semestern) und man als empfindsamer Mensch wirklich sehr mit Ciri leiden wird. Abgesehen davon schreitet die Handlung weiterhin voran und es werden die ersten Weichen für das Finale im letzten Band "Die Dame vom See" gelegt, hier und da gibt es trotz des wirklich sehr düsteren auch ein kleines bisschen etwas zu lachen und auch die Action fehlt nicht.

Und doch würde der Rezensent das Buch etwas schwächer als seine Vorgänger einschätzen, was am etwas gehetzten Eindruck der Handlung liegt. Zwar schreitet der Plot voran, doch an manchen Stellen erscheint einen das schon zu schnell abgefasst. Wichtige Ereignisse, wie die Flucht Geralts und seiner Gefährten aus der Armee von Rivien, werden schnell in erzählter Form abgehandelt, wichtige und im Konzept starke (dafür aber auch bestimmt grausige) Szenen, die Ciris Leidensweg verdeutlichen, werden ebenfalls knapp zusammengefasst und übersprungen, damit das Buch nicht an Tempo einbüßt oder aber vielleicht auch, damit vorankommt und sich nicht zu sehr an den oben genannten Details aufhält und das Buch und damit die Serie wohl auf mindestens einen weiteren Band vor dem großen Finale streckt (und man darf wohl durchaus überlegen, ob man unbedingt einen Folterroman mit dem Titel "Die Leiden der jungen Ciri" lesen möchte). Vielleicht hatte der Autor, Andrzekj Sapkowski, aber auch einfach nur Mitleid mit seiner Hauptfigur und wollte ihr nicht noch mehr zumuten, als er sowieso schon tat, was ja auch durchaus verständlich sein kann. So oder so, das Buch wirkt etwas gehetzt, ungeduldig, so als müsste man hier alle Ereignisse abhaken, damit Sapkowski sich endlich in "Die Dame vom See" noch einmal richtig austoben kann.

Man weiß es nicht und wird es wohl auch nie erfahren. Am wichtigsten ist jedoch, dass "Der Schwalbenturm" kein schlechtes Buch ist und trotz seiner Schwächen immer noch die Wertung der Vorgängerbände halten kann, da es sich weiterhin gut und vergnüglich liest und man einfach gerne mit Ciri, Geralt und ihren Freunden weiterhin ihre Welt erkundet und mit ihnen fiebert, wie man es bei allen guten Büchern tut. Trotz aller Hetzte bleibt es bei vier (von fünf) "guten" Sternen und immerhin hakt es alle wichtigen Handlungsstränge ab, damit die große Sage um den Hexer und seiner Vorherbestimmung in "Die Dame vom See" endlich ihr Ende finden wird.

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Die Dame vom See

Ciri ist vom Regen in die Traufe gekommen. Ihren Häschern in ihrer Welt entkommen, ist sie nun die Gefangene in einer Welt die von Elfen beherrscht wird und die mit Nachdruck darauf bestehen dass sie ihr Schicksal erfüllt, sich also von ihren König schwängern lässt und den Retter der Welten zur Welt bringt. Ciri hat da natürlich andere Pläne.
Unterdessen überwintern Geralt und seine Freunde im Fürstentum Toussaint und fast scheint es so, als würde das beschauliche Leben in diesem Märchenland den Hexer für immer vereinnahmen wird, als etwas geschieht was alles ändert...

"Die Dame vom See", der letzte Band der Saga um Geralt und Ciri, ist schwieriger zu bewerten als seine Vorgängerbände. Diese waren zwar immer gut und unterhaltsam, kamen jedoch nie an den Kurzgeschichtenband "Das Schwert der Vorsehung" dran, in dem die Figuren und Themen zu Gänze ausgelotet und die Entwicklung des Charakters Geralt, der einiges an Farbe und Tiefe gewann, vorangetrieben und zu einem Ende gebracht wurde. Die folgenden Romane orientierten sich mehr an den ersten Kurzgeschichtenband "Der letzte Wunsch" und boten wie gesagt gute Unterhaltung mit einigen nachdenklichen Ansätzen. "Die Dame vom See" beginnt nun zu experimentieren, was am Ende einer so langen und großen Reihe wie dieser mächtig nach hinten losgehen und sie selbst zu Fall bringe könnte.

Der Autor, Andrzej Sapkowski, treibt sein Spiel mit verschiedenen Zeitebenen, ungezählten Perspektiven anderer Charakter und mehr fantastischen Elementen als jemals zuvor auf die Spitze und das scheinbar aus voller Absicht, um wohl eine Aussage zum Ausdruck zu bringen, die mit der Sehnsucht nach einer besseren Welt, der Angst vor der Zukunft oder der Verklärung der Vergangenheit scheinbar aufräumen möchte, damit der Leser erkennt, dass keine Welt besser (vielleicht sogar schlechter) ist und man sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren soll und es die oft als schwach und nutzlos verachteten Gefühle wie die Liebe und andre menschliche Regungen sind, die den Menschen zum Menschen und diese Welt zu einem schönen Ort machen, die sich immer noch zum besseren entwickeln kann, da nichts ewig ist und auf dunkle auch wieder gute Zeiten folgen. Das ist jedoch nur eine Interpretation, die dem Rezensenten beim lesen kam und vielleicht wollte Sapkowski einfach noch einmal seine Fantasie freien Lauf lassen, doch eine tiefere Aussage würde zumindest erklären, warum das Buch selbst dann noch weitergeht wenn die Geschichte eigentlich schon ab 460 Seiten zu Ende sein müsste, obwohl das Buch über 600 Seiten dick ist.

Auf jeden Fall, ob nun mit oder ohne Botschaft, ist "Die Dame vom See" das am besten geschriebene Buch der Reihe, angereichert mit mehr großartigen Szenen, als in allen Büchern zuvor und einem würdigen Finale, wie man es sich all die Bücher gewünscht hat. Und vor allem gelingt es Sapkowski so gut wie alle Handlungsstränge zu einem Ende zu führen, sodass das keine Fragen mehr offen sein sollten (und wenn, wurden sie bisher würdig von den "Witcher-Spielen" würdig auf ihre Art beantwortet) und man die Hexer-Reihe als eine der komplettesten Serien aller Zeiten bezeichnen könnte.

Doch zurück zu dem Spiel mit Perspektiven, Zeitebenen und den fantastischen Elementen. Es gibt wohl nur zwei Möglichkeiten: entweder liebt man sie und akzeptiert sie als Bauteile eines sorgsam aufgebauten Meisterwerks mit einer Gesamtausgabe oder als nutzlose Ablenkungen, die die Handlung verlangsamen und das Buch unnötig strecken und damit alles kaputtmachen, was so sorgsam aufgebaut wurde, obwohl nichts davon von ungefähr kommt und nichts davon nicht in den anderen Büchern bereits angedeutet worden war, wie man fairerweise sagen muss.

Entweder wird man es lieben oder hassen, der Rezensent jedenfalls, erschien all dies passend und nichts kam von ungefähr und ich bin der Meinung, dass die "Dame vom See" zum ersten Mal seit langem wieder das Niveau erreicht hat, welches Sapkowski "In das Schwert der Vorsehung" aufgestellt hat. Vor allem wegen der Gesamtaussage, sei sie nun eingebildet oder echt, gewinnt das Buch an mehr Tiefe wie seit langem nicht mehr und wird dadurch zum besten Roman der ganzen Serie, wenn nicht gar das Meisterwerk Sapkowskis, trotz einiger kleiner Längen am Schluss (der sich wie gesagt über zweihundert Seiten zieht). "Die Dame vom See" schließt die Saga um den Hexer und die Hexerin rund ab, endet traurig und schön zugleich und macht sie mit diesem Band endgültig zu einer der besten Reihen aller Zeiten, selbst wenn die vorherigen Bände nicht das Niveau von "Die Dame vom See" erreichen, so sind sie doch alle Teile des großen Ganzen, in dessen Verlauf man mitgefiebert, gelacht und tief berührt war, vielleicht sogar ein klein wenig weinen musste.

So, wie es sein sollte, wenn man gute Fantasy, gute Literatur im Allgemeinen liest und nach ihren Konsum das Gefühl hat, an einer langen Reise teilgenommen zu haben, die ihr Ende fand und die man gerne wieder auf sich nehmen wird, um noch einmal ihre größten Momente, die härtesten wie auch die schönsten, noch einmal erleben und beim nächsten Mal noch einmal auf eine andere Art und Weise betrachten zu können, ohne dass sie an Intensität einbüßen.

Fünf (von fünf) Sterne(n), wohlverdient, trotz oder gerade wegen der gewagten Experimente des Autors am Ende.
 

Falk

ChickenWizzardwing
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Super Zusammenfassung, Zelon. :up: Da bekomme ich fast Lust, die Reihe ein drittes Mal zu lesen. :D Besonders die Dame vom See muss ich nochmal neu auf mich wirken lassen. Ich muss gestehen, ich hatte mit den diversen Raum- und Zeitebenen so meine Probleme.
 

Chinasky

Dirty old man
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Ich gebe mal einen Lesetipp, bevor ich das Buch überhaupt ganz durch habe: "Spektrum" von Sergej Lukianenko.

Als Genre würde ich sagen: Ein philosophischer Fantasy-Science-Fiction.

Setting ist Folgendes: Martin Dugin ist eine Art multiversaler Detektiv. Oder Bote. Sowas in der Art. In einer unbestimmten, aber nicht allzufernen Zukunft hat eine himmelweit überlegene Alienrasse Tore überall im Universum installiert, durch welche die Menschen (und anderen intelligenten Rassen) von einem Planteten zum anderen, von einer Galaxie in die andere, von einer Welt in die andere reisen können. Jeder der will, kann durch diese Tore reisen - wohin er mag. Es gibt allerdings ein klitzekleines Problem dabei: die Rückkehr ist nicht unbedingt gesichert. Denn ob jemand transportiert wird, entscheiden die sogenannten Schließer. Sie lassen sich für jeden Transport bezahlen - und zwar mit einer Geschichte. Wenn ihnen die Geschichte, die ihnen jemand erzählt, gefällt, lassen sie einen reisen. Wenn nicht - dann nicht. Nun sind sie allerdings ziemlich verwöhnt, haben ja inzwischen schier unendlich viele Geschichten gehört - und wenn man es nicht schafft, ihre Trauer (Langeweile) mit seiner Geschichte zu überzeugen, dann... Tja, dann kommt man halt nicht von der Welt weg, in der man sich gerade befindet.

Martin ist jemand, der's scheinbar drauf hat. Ihm fallen immer die richtigen Geschichten ein, um die Schließer zu befriedigen, und so arbeitet er also als Detektiv, der z.B. in fremde Welten ausgerissene alimentepflichtige Väter zurückholt, oder auch einfach nur kleinere Gegenstände, Briefe und so weiter von Welt zu Welt transportiert.

Eines Tages bekommt er den Auftrag, ein 17-jähriges Mädchen aus gutem Hause zu suchen, welches überraschend plötzlich von zuhause weg lief...

Was anfangs wie ein ziemlich simpler Job aussieht, entwickelt sich zu einem spannenden und aufwendigen Trip durch die Welten. Mit ihren jeweils eigenen Kulturen.

Mehr sei nicht verraten. (Und da ich ja noch nicht bis zum Ende gekommen bin mit dem Buch, weiß ich auch ehrlich noch gar nicht genau,, welches Geheimnis das Mädchen hat.)

Was macht das Buch besonders? Ersteinmal mag ich die Erzählweise und den Stil. Kler erkennbar ist der literarische Anspruch, sobald gleich am Anfang Puschkin zitiert wird. Der Autor nimmt sich Zeit für Detailbeobachtungen und will offensichtlich keinen "Thriller" abliefern, der möglichst spannend und möglichst schnell und möglichst nach Verfilmung schreibend ist. Statt dessen darf man erstmal an einem gemeinsamen Abendessen von Martin und seinem geliebten Onkel teilnehmen und bekommt dargelegt, warum es sinnvoll ist, für so einen Abend weder eine Literflasche noch eine Halbliterflasche Vodka bereitzustellen, sondern eine mit 0,7 Litern Inhalt. Ich liebe es, wenn Alltagsprobleme, die man selbst noch nie gehabt hat, einem literarisch so dargelegt werden, daß man merkt: in anderen Kreisen entwickeln sich ob solcher Fragen ganze Brauchtümer und Traditionen... :)

Inhaltlich gibt's bist jetzt (ich bin ungefähr bei der Hälfte angelangt) noch keine Love-Story! Hallo?! Irgendein Love-interest steckt heutzutage in praktisch jeder Geschichte. In "Spektrum" - bisher jedenfalls noch nicht. Und das ist großartig, denn so wird man nicht von der eigentlichen Geschichte abgelenkt - die zu großen Teilen darin besteht, daß Martin mit fremden Rassen in Kontakt kommt und man lernt, die Welt aus deren Perspektive kennenzulernen. Wie sieht z.B. eine Welt aus, in welcher die Beuteltierartige Hermaphroditen die dominierende Art sind und darüber hinaus i.d.R. nicht älter als ein halbes Jahr werden? Warum haben ausgerechnet diese Wesen die Bürokratie auf einen ganz neuen Level gebracht, die von Einreisenden das Ausfüllen buchdicker Anmeldezettel mit Fragen wie: "Welche Länge hat Ihr Dickdarm?" verlangt?
Die Phantasie Lukianenkos ist hier so reichhaltig, daß man sich vor Begeisterung immer mal wieder auf den Schenkel klopft, wenn eine besonders abgedrehte Idee ganz en passant geschildert wird. Darüber hinaus sind die Geschichten, die Michael den "Schließern" erzählt, echte erzählerische Perlen. Von Mal zu mal haben sie mehr mit der Rahmenhandlung zu tun und außerdem fängt man als Leser an zu argwöhnen, ob nicht die Schließer vielleicht langsam die Anforderungen an eine gelungene Geschichte immer weiter hochschrauben - man bangt also immer mit, ob die Geschichte auch gut genug sei - nicht nur nach den eigenen Maßstäben, sondern auch nach denen der rätselhaften Torwächter.

Wie auch immer: Wenn die zweite Hälfte des Buches so gut ist wie die erste, habe ich für mich einen neuen Autor entdeckt, dessen Werke ich mir reinpfeifen will. Ich hatte ja schon "Wächter der Nacht" aus seinem Wächter-Zyklus als Kinoverfilmung gesehen, fand das auch ganz nett, aber nicht so überragend, daß ich da jetzt nach der Romanvorlage gesucht hätte. Auf "Spektrum" stieß ich jetzt nur, weil ich bei audible.de ein Abo hab und mal nach einem schön langen Hörbuch gesucht hatte... Und dann sollte es noch von David Nathan gesprochen sein, weil ich den durch die Stephen-King-Lesungen zu schätzen gelernt hatte.

Also ja: Ich lese das Buch nicht, ich lasse es mir vorlesen. Und das ist auch gut so. :D
 

Darghand

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Ken Bruen - Jack Taylor-Reihe

Es war lange überfällig, mal was zu dieser Reihe zu schreiben, auch wenn ich noch nicht alle Bände kenne. Darauf gestoßen bin ich, weil auf dem Einband ein Gütesiegel allererster Klasse prangt - "übersetzt von Harry Rowohlt". Warum ist das so? Darum: "Ich werd doch nicht dafür bezahlt, 'Sandwich' mit 'Sandwich' zu übersetzen, wenn's doch 'Klappstulle' heißt!" Also Liebe zur Sprache, und ein ziemlich untrügliches Gespür für feine Literatur, denn so richtig schlecht war bisher noch nichts von dem, was Harry Rowohlt übersetzte und ich in Händen hielt.

Der Handlungsrahmen der Bücher ist knapp: Jack Taylor, Ende 40, ein irischer Polizist und Säufer, fliegt bei der Polizei raus und setzt sich in seine Lieblingskneipe in Galway. Bank und Tisch in der Ecke sind von nun an sein "Büro", denn Taylor hat - unbegründet, wie er findet - einen Ruf, Dinge zu finden oder aufzudecken. Außerdem kann er sich dort an den geliebten sahnigen Pints und einer Kugel Jameson festhalten. Der Mann ist kaputt - keine Familie, der Vater lange tot, eine Mutter, die ihn hasst; ein paar kipplige, stets von Suff und seiner raubeinigen Art bedrohte Freundschaften und dazu den rabenschwarzen Blues auf der Seele. Taylor trauert dem alten Irland hinterher, hat sich dessen gute und schlechte Angewohnheiten bewahrt und mit dem neuen Celtic Tiger irgendwie arrangiert. Was ihn zusammenhält, sind Alk, Kippen (später auch Koks, Betablocker und andere Chemie) und Bücher; Bücher, die er zur Flucht aus der Realität nutzt. Man bekommt also durch die Lektüre gleich Hinweise darauf, welchen Büchern man sich als nächsten widmen kann oder sollte. Dem Blues und seinem verkorksten Leben begegnet Taylor mit ätzendem, trockenen Humor ohne billige Selbstironie.
Wie in den klassischen hard boiled Detektiv-Romanen der schwarzen Serie erzählt Taylor selbst in der ersten Person. Sein moralischer Kompass ist untrüglich, seine Wahl der Mittel nicht zimperlich, sein Gespür für die Zusammenhänge und die Schuldigen oft richtig und -darin liegt auch die Tragik - manchmal fatal. Die Bullen sind korrupt und/oder gewalttätig, die Frauen verzweifelt bis tough, die Außenseiter - Penner, Alkis, Landfahrer, Alte - ziehen den Kopf ein, bleiben unter sich und erscheinen mehr Mensch geblieben zu sein als die Angehörigen der irischen Restgesellschaft.

Die Bücher sind recht schmal. Es lassen sich drei von ihnen in den üblichen Schwedenkrimi-Wälzern unterbringen. Die Sprache ist dürr und man sollte die Bücher langsam und genau lesen. Von sämtlichem Geschehen erfährt man nur durch Jacks vernebelten Filter hindurch und der Mann hält sich nicht mit langen Beschreibungen auf. Knappe Anmerkungen, wie dass er am Lachen eines Mannes merkt, dass dieser sich ein Stückchen Seele bewahrt hat und ein Stadtteil die heruntergekommenere Kopie des gegenüberliegenden ist, müssen reichen. Mord und Gewalt passiert nebenher; wer gerne liest, wie sich das ermittelnden Personal durch Indiziensuche dem Täter nähert, ist hier falsch.

Ich mag die Bücher jedenfalls sehr, zumal mir die Flut an Leichenbeschauer-Thrillern und Schwarten über den x-ten Ermittler, der doch wieder nur ein schwedischer Cop mit ein bisschen Drumrum ist, nicht mehr zusagt.

Erschienen sind sämtliche Bände bislang bei atrium, mit einem schönen, festen Softcover-Einband mit Prägedruck. dtv bringt die Bände als günstigere Taschenbücher nocheinmal raus; Teil 1 bis 3 sind schon erhältlich.

Und: die Bücher wurden verfilmt. Die sechsteilige Serie läuft ab Montag, den 27. Oktober um 22 Uhr im ZDF. :up: Hier ist der Trailer zu finden, und ich kann jetzt schon sagen, dass mir Taylors' Mantel nicht gefällt.
 
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Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Rezension zum ersten Teil der "Hussiten-Trilogie" von Andrzej Sapkowski

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Narrenturm

Schlesien im Jahre 1425. Reinmar von Bielau, von seinen Freunden Reynevan genannt, genießt die Freuden der körperlichen Liebe mit seiner Geliebten, Adele von Sterz. Leider ist die junge Burgunderin immer noch verheiratet und so versuchen die sauberen Verwandten des gehörnten Ehemanns, die sauberen Gebrüder Sterz, den studierten Medicus einen Kopf kürzer zu machen. Reynevan ist also auf der Flucht, versucht dann wieder Kontakt mit der Geliebten aufzunehmen, trifft neue Freunde wie Feinde und gerät ohne es zu wollen zwischen die Fronten des sich langsam anbahnenden vierten Hussitenkrieges.

Die Welt scheint sich in einen Narrenturm, ein mittelalterlicher Vorläufer der gemeinen Irrenanstalt, zu verwandeln und keiner der Insassen ist sich dessen wohl bewusst.

"Narrenturm" ist der Start einer weiteren Trilogie, die der Autor Andrzej Sapkowski nach Ende seiner Fantasyreihe um den Hexer Geralt von Riva in Angriff nahm. Wie man schon beim in die Hand nehmen merkt ist es ein dickes Buch.
Ein Wälzer von über 700 Seiten, plus Anhang, in dem die zahlreichen polnischen und lateinischen Sprichwörter, Liedtexte, Gebete und Beschimpfungen für den unkundigen Leser übersetzt werden, der auch so schon mit den zahlreichen Anspielungen und leiblichen Auftritten fiktiver wie auch realer Persönlichkeiten zurechtkommen muss, gewürzt mit einem kleinen bisschen "moderner" Popkultur, da auch die Werke des amerikanischen Horrorautors H.P. Lovecraft hier eine Erwähnung finden.

Kenner von Sapkowskis Schaffen nehmen natürlich auch die auch nicht geringen Anspielungen und Implementierungen von europäischer Mythologie und magischen Geheimwissen zur Kenntnis, welche in der Welt von "Narrenturm" nicht nur abergläubisches Geschwätz sondern ein tatsächlicher Teil der Welt sind. Damit wird "Narrenturm" also ein Historienroman mit fantastischen Elementen, was gut zum eher heiteren Ton passt, der an Schelmenromane wie dem großartigen "Simplicissimus" erinnert, von dem das Buch auch den episodenhaften Aufbau übernommen zu haben scheint.

Auf jeden Fall möchte Andrzej Sapkowski wohl jeden klarmachen, dass er den größten hat.

Damit ist natürlich sein Wissensschatz zu den weiter oben erwähnten Themen gemeint, von denen man jedoch nicht das Gefühl bekommt, dass sie nur des Selbstzwecks wegen enthalten sind. Denn "Narrenturm" ist nicht nur angesichts des großen Seitenumfangs und Anspielungen ein großes Buch, nein, Andrzej Sapkowski holt auch in den Bereichen Philosophie, Theologie und Gesellschaftskritik die dicken Geschütze hervor und ist bereit den Leser auch damit zu bombardieren. Das bedarf einiger Vorbereitung, weswegen "Narrenturms" episodenhafter Aufbau technisch gesehen noch keine richtige Handlung ergibt. Es wird nur angedeutet, angefangen, kurz angesprochen und die dünne Handlung um Reynevan, der nur mit einem Körperteil (seinen Herzen, versteht sich) denkt, dient nur dazu die Figuren an die richtigen Orte zu bringen, damit der Leser die wichtigen Informationsschnipsel erhält, die er für das weitere Verständnis des Buches benötigt, während Reynevan und Komparsen natürlich nichts damit anzufangen wissen.

Wer also einen richtigen Plot erwartet, sollte von "Narrenturm" die Finger lassen, wenn er nicht bereit ist sein Vertrauen in die beiden Folgebände zu stecken. Angesichts solch thematischer Schwere, stellt sich einen natürlich die Frage, ob die Lektüre des Buches sich als trockener Exkurs in Geschichte im Stil eines Akademikers gestaltet, dem nur fanatische Liebhaber des Mittelalters etwas abgewinnen können.

Glücklicherweise lautet die Antwort "nein".

"Narrenturm" ist in einem beschwingen Schreibstil geschrieben, der sich flüssig liest und dem Leser mit ironischen Augenzwinkern diese leicht persiflierte Version des Mittelalters kurz vor der Renaissance näher bringt und ungemein dazu beiträgt dass man ab und schmunzeln wenn nicht gar laut auflachen muss. Denn bei aller angestrebter Größe, scheint sich "Narrenturm" immer noch als Unterhaltungstoman zu verstehen und wenn man sich mit den vielen Anspielungen, Seitenhieben und Derbheiten anfreunden kann, wird man auch gut unterhalten werden, trotz der Mängel in der Handlung und dem Fakt dass die Figuren etwas einseitig sind (allen voran Reynevan selbst, was aber bei seiner Rolle als "Schelm" zu erwarten ist).

"Narrenturm" ist kein Buch für jedermann und wenn da nicht der Schreibstil Sapkowskis wäre, könnte man es fast als zu verkopft bezeichnen. Der Autor ging mit diesem Roman auf jeden Fall ein Risiko ein. Ob es sich am Ende gelohnt hat, werden die anderen beiden Bücher der Reihe zeigen. Den Rezensenten, selbst ein Freund von all den Themen die im Buch angesprochen worden sind, hat das Buch trotz der strukturellen Schwächen ganz gut gefallen und daher erhält "Narrenturm" vier liebestolle Seufzer, die zwischen fünf schnellen Ave Marias hervorgebracht werden.

Mal sehen, ob der Turm am Ende zusammenbricht.
 
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Christa

Universaldilettantin
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@Zelon

Du schreibst "Hussisten-Trilogie" - ist da ein Tippfehler drin und Du meinst "Hussiten"?

Dann hab ich da noch 'ne Frage. Ich lese eigentlich nur historische Romane oder zwischendurch mal Fantasy (Die Zwerge, Die Magier oder Drizzt). Könnte mir dieses Buch evtl. gefallen?

Was ich nicht so gerne mag, da überfliege ich dann ganz gegen meine Lesegepflogenheiten auch mal ganze Seiten, ist, wenn seitenlang Kriegsgetümmel beschrieben wird. In den letzten 2 - 3 Romanen, die ich gelesen habe, kämpften die Staufer entweder gegen die Nassauer oder gegen die Welfen oder gegen wen auch immer. Also von Krieg hab ich im Moment genug.

Ich hab gerade gesehen, dass es das bei ebay gäbe.
 
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