Politik, 11. Staffel

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Olome Keratin

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Sieht so aus, als stünde der Beschluss zum Krieg gegen Syrien bereits fest. Und, tut mir leid, mir soll keiner erzählen, das sei so nicht geplant gewesen. Das Muster ähnelt auffallend den früheren westlichen Interventionen. Wenn jetzt binnen Tagen Militärschläge gegen Syrien erfolgen können, dann bedeutet das nichts anderes, als dass die Angriffseinheiten bereits vor dem angeblichen Giftgas-Angriff verlegt wurden. Wenn nun keinerlei Untersuchungsergebnisse abgewartet werden und auch nicht im Geringsten versucht wird, eine Lösung im UN-Sicherheitsrat zu erreichen, dann riecht das einfach viel zu sehr nach absichtlicher westlicher Inszenierung. Außerdem sind sich bereits sehr viele Akteure sehr einig - USA, GB, Frankreich, Türkei, Deutschland. Zu einig für die kurze Zeit seit dem Angriff, jedenfalls für meinen Geschmack.

Vermutlich werden die ersten Attacken sich an das Schema Kosovo und Libyen halten, also Angriffe aus der Luft und weitreichende Geschütze. Ich glaube bloß nicht, dass dadurch der Krieg entschieden wird. Insbesondere die Beteiligung der Türkei könnte mittelfristig auf Boden-Offensive hinauslaufen. Das wiederum könnte zur offenen Intervention Irans und möglicherweise auch des Iraks auf syrischer Seite führen, zusätzlich natürlich zur Hisbollah und finanziert und aufgerüstet durch Russland und China. Ich weiß nicht, was mit den westlichen Außenpolitikern los ist, aber sie sind gerade dabei, eine Fackel in die Pulverkammer zu werfen.:c:
 

Astaldo

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Bei uns war heute eine bitterböse Karikatur in der Zeitung.

Stehen 2 vor der US-Flagge.
Sagt der eine: Bereiten Sie sich auf einen Einsatz in Syrien vor.
Antwort: "Och nö Chef, kein Öl, kein Gas, nur Menschen".

Naja Untersuchungsergebnisse ist eh relativ. Die UN-Leute wurden gleich mal von Heckenschützen beschossen und sind in die Basis zurückgekehrt. Je länger es dauert umso schwieriger wird ein Beweis des Einsatzes von Giftgas. Man könnte natürlich nun behaupten, dass sowas eher Assad hilft als den Rebellen, weil ohne Nachweis ein möglicher Eingriff des Westens auch kippen könnte. Außerdem könnte ein Nachweis von UN-Seite auch die Russen dazu bewegen ihre Meinung zu ändern.
 
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Eowil

Skeptiker
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Welche Muster, Olome? Milosevic, Gaddafi, Assad? Drei Despoten im Mittelmeerraum, deren einziger Freund Moskau war, werden von der NATO bombadiert. Dass die den Syrern jetzt nicht noch 4 Wochen Zeit geben um die neuen russische Abwehrsysteme vielleicht doch noch zurechtzumachen ist doch kein Wunder...

@Astaldo: Wir sind uns doch schon einig, dass es in Syrien kein Öl gibt und die USA trotzdem angreifen, dass also die Karikatur in meinen Augen ins Leere läuft...

Für die USA ist, wie hier schonmal festgestellt, ein Status Quo zwischen den Rebellen und Assad die strategisch beste Lösung, ein ewiger Bürgerkrieg. Das die Eingreifen ist eine R2P Entscheidung, ein Schlag und Symbol gegen Massenvernichtung und Genozid. Ich kann verstehen dass ihr das alle nur durch die Irak-2003-Brille seht, ist völlig legal, aber machtpolitisch bringt es den USA nichts, die würden ihre Flotten lieber im Pazifik schippern lassen...
 

Astaldo

Vampireslayer
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Glaub der Punkt der Karikatur soll sein, dass es bis jetzt gedauert hat, dass man daran denkt was zu machen. Es mussten erst Chemiewaffen eingesetzt werden. Solange hat es bei Gaddaffi und Libyen nicht gedauert.

Das ist es ja auch was die Glaubwürdigkeit des Westens so untergräbt. Wenn keine Rohstoffe zu "sichern" sind, dann kann es ewig dauern bis was gemacht wird. Man hatte seine abschreckenden Beispiele wie Somalia. Ich will keinen Einsatz der nur von Macht- bzw. anderen Interessen motiviert ist, sondern weil man es ehrlich leid ist was da passiert.

Der andere Fehler war halt von vornherein, dass Obama gesagt hat beim Einsatz von Chemiewaffen ist Schluss. Jetzt kann er ja nicht mehr zurückziehen, wenn er in Zukunft noch andere Staaten wirksam abschrecken will.
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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Ich kann leider nicht die ganze Diskussion verfolgen, möchte nur an dieser Stelle sagen, dass ich mich sehr über die Leidenschaft und gleichzeitige Sachlichkeit freue.

Ich stimme Olome ja grundsätzlich gerne zu, in diesem Falle glaube ich aber, er liegt falsch. Denn der Westen, allen voran die USA und Deutschland, aber auch GB/F haben kein wirkliches Interesse an einem Waffengang in Syrien.

Zunächst: Es lohnt nicht. In Syrien ist nichts zu holen. Es hat ein bissl Öl, aber das ist nicht üppig, und im Zeitalter des Fracking wirklich kein überlebenswichtiges Argument. Im Prinzip also können die Syrer machen was sie wollen, solange sie es in ihren Grenzen tun, interessiert es keinen besonders.

So ist es auch schon Jahre gegangen. Ob sich Assad pro oder contra Saddam gestellt hat, hat doch niemanden wirklich interessiert. Selbst als Syrien in Libanon einmarschiert ist, hat sich keiner drum gekümmert (ganz anders als Saddam nach Kuwait marschiert ist!).

Denn zum sehr überschaubaren Nutzen kommen auf der anderen Seite die immensen Kosten: Syrien ist ein ähnlich logistischer Albtraum wie Afghanistan oder Somalia. Beides Interventionen, die nicht gerade für ihren durchschlagenden Erfolg bei vertretbarem Aufwand an Mensch, Material und Dollars bekannt sind.

In Somalia ist man ohne Erreichen der Ziele abgerückt und hat einen failed state in komplettem Chaos zurückgelassen, in Afghanisten kündigt sich ähnliches an, und auch Irak ist alles andere als übern Berg.

Sicherheitspolitisch hat sich das Ganze wohl auch nur sehr begrenzt gelohnt. Den Anschlägen in New York folgten noch welche in London und Madrid, auf Bali und Djerba, etc. pp. und auch wenn es gelungen ist Osama Bin Laden zur Strecke zu bringen - dass Terroristen dort nun keine sicheren Rückzugsräume mehr hätten, ist doch ein frommer Wunsch. Und nach Abzug der ISAF dürften sich die Bedingungen für Al-Qaida dort noch einmal verbessern.

Kosovo hatte Olome genannt, wo ein böse gefakedtes Massaker als Katalysator zur militärischen Eingreifoption fungierte. Aber hier war auch die Situation, dass der Westen auf einen vertretbaren Vorwand wartete, um endlich eingreifen zu dürfen. Auf dem Fußballplatz nennt man das eine Konzessionentscheidung. Wenn der Schiri im Rückblick merkt, bei einem klaren Foul einen Elfmeter verweigert zu haben, zeigt er bei der nächsten halbwegs gelungenen Schwalbe auf den Punkt.

Das böse Foul im Strafraum war das Massaker von Srebrenica unter den Augen der holländischen UN-Blauhelmsoldaten, die damit regelrecht vorgeführt wurden. Hier hätte die internationale Gemeinschaft handeln müssen, hat es aber (auch damals wegen Russland als Schutzmacht) nicht auf die Reihe gekriegt. Die nächste Schwalbe war dann dieses inszenierte Massaker in Kosovo, und nun holte man nach, was man rechtmäßigerweise schon längst hätte tun müssen: dem Belgrader Warlord mit der militärischen Macht des Westens die Grenzen aufzeigen.

Hier in Syrien ist man (zumindest in Deutschland und den USA, GB/F stehen da etwas anders) eigentlich ein klammheimlicher Assad-Sympathisant. Man mag ihn nicht, aber schätzt ihn als vertrauten Feind. Er hält im Zweifelsfall die Füße still, und garantiert Stabilität in einem zwischen Drusen, Kurden, Sunniten, Schiiten, Alawiten und auch ein paar Christen konfessionell und auch ethnisch heterogenen Land.

Natürlich hortet er Massenvernichtungswaffen, was ihn als solches schon zu einem Widerling macht, und er unterstützt offen Terrorgruppen wie die Hisbollah, er destabilisiert Libanon, um anschließend als Schutzmacht dort einzumarschieren, seine Geheimdienste morden politische Gegner im In- und Ausland. Von Folter und Menschenrechtsverletzungen ganz zu schweigen.

Aber er hat den Fundi-Islam im Griff, er macht keinen Unsinn an der Golan-Grenze, und zuckt auch nicht, wenn die Hisbollah von Israel angegriffen wird. Er hat im Irak nicht interveniert, und man durfte vermuten, dass außer Empörung auch nichts weiter von ihm kommt, wenn es notwendig sein sollte, den Iran militärisch am Bau der Atombombe zu hindern.

Jede andere syrische Regierung wäre was das angeht, eine Unbekannte, mit der man in dieser Region eben ungern umgeht, wo Berechenbarkeit ein unschätzbares Gut darstellt. Der Wahnsinn ist ja präsent genug.

Von daher suchte der Westen absolut gar keinen Vorwand, in Syrien endlich einzugreifen, sondern im Gegenteil suchte man händeringend Vorwände dort NICHT eingreifen zu müssen.

Es hat schon unzählige Massaker an Zivilisten gegeben, ethnische und religiöse Säuberungen, dabei auch mit Sicherheit schon "dosierter" Giftgaseinsatz. Automatische Waffen gegen Demonstranten, Artillerie gegen Zivilisten, Scharfschützen gegen Reporter und Luftwaffe gegen Schulen und Krankenhäuser.

Wer einen "Vorwand" gebraucht hätte, dem wäre die Wahl zwischen all den Abscheulichkeiten wohl schwer gefallen, aber das wäre auch das einzige Problem gewesen. Nein, der Westen will da nicht rein, und hat dafür verdammt gute Gründe. (Und so sehr es Putin ärgern mag, das russische Veto ist noch nicht mal der gewichtigste darvon).

Ist dieser Gifteinsatz denn wirklich schwerwiegend genug, wider alle diese guten Gründe doch zu intervenieren? Oder sollte man sich weiter hinter der prinzipiellen Unbeweisbarkeit solcher Tatsachen verstecken, und damit weiteres Nichtstun begründen. Oder frank und frei zugeben, zu einem Eingreifen nicht in der Lage zu sein?

Das sind für mich die brennenden Fragen. Und ich teile die Haltung der westlichen Regierungen, dass sich - egal wo auf der Welt - der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten nirgendwo lohnen darf. Wer Menschen wie Schädlinge behandelt, und einfach vernichtet, der muss wissen, dass er sich damit gegen die Zivilisation als solche stellt, und sich alle Staaten, denen Menschenrechte etwas bedeuten, zum Feind macht.

Vor allem aber: Dass es sich nicht lohnt. Dass der Einsatz dieses Zeugs zwar kurzfristig vielleicht Geländegewinne ermöglicht, aber schon mittelfristig so viele Probleme einbringt, dass es zum Minusgeschäft wird, und langfristig zuverlässig die Macht und/oder den eigenen Kopf kostet.

Denn wenn es sich erst rumspricht, dass man Tabun, Sarin, VX und Co im Prinzip ungestraft einsetzen kann, dann werden wir diese Bilder zukünftig in unerträglicher Regelmäßigkeit aus allen Krisengebieten der Welt geliefert bekommen. Überhaupt werden weltweit viel größere Bestände aufgebaut werden, und damit stiege auch das Risiko, dass dieses Teufelzeug in falsche Hände gerät.

Was nun zu tun ist, ist wirklich schwer zu entscheiden, aber es muss sichergestellt werden, dass Assad diesen Einsatz mit Macht und/oder Leben bezahlt. Und dazu ist das effektivste Mittel zu wählen. Vielleicht reicht ja auch eine gut programmierte Drohne.

ZORA
 

Darghand

Einer von vielen
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ein Schlag und Symbol gegen Massenvernichtung und Genozid.

Ja, und genau das ist auch das Problem: es bleibt ein Symbol, ebenso wie die Liquidierung von Gaddafi ein Symbol geblieben ist. Da keine westliche Macht über die Ressourcen verfügt, Syrien einer dauerhaften Besatzung durch friedenssichernde Truppen zu unterwerfen, wird der Ablauf derselbe wie von den anderen Kriegsschauplätzen bekannte sein: Luftschläge und Fernartillerie, um die eigenen Verluste klein zu halten, und Kooperation mit Gruppierungen, die nach Informationen der eigenen Geheimdienste am ehesten dazu taugen, irgendeine halbwegs stabile Nachkriegsordnung zu etablieren.

Afghanistan wird als unter Taliban-Aufsicht beackertes Mohnfeld hinterlassen; der Irak als fragiles Staatsgebilde, dessen innerer Frieden sich durch eine seit 2003 im Grunde nicht abreißende Kette von Bombenanschlägen auszeichnet; Libyen steht größtenteils unter Warlord-Verwaltung und dem dortigen Einsatz verdanken wir die Destabilisierung der kompletten Sahelzone inklusive Mali und die Verteilung des Inhalts von Gaddafis' Waffenlagern quasi überall im Nahen Osten.

Man kann's auch abkürzen: seit die sogenannten Enthauptungsschläge erfunden wurden, haben sie nicht funktioniert, und sie erzeugen seither mehr von dem, zu dessen Bekämpfung sie dienen sollten. Ich sehe keinen Grund, warum das in Syrien anders sein sollte, zumal die eher demokratisch orientierte Opposition in dem Gemengelage aus von Saudi-Arabien finanzierten Jihadisten und von Iran unterstützten Milizen wie Hisbollah längst und gründlich marginalisiert wurde. Da eine Besatzung ein reines Hirngespinst ist und bleibt, stellt sich die Frage, wer denn die geeigneten Bündnispartner für die Drecksarbeit am Boden sein sollen, und welcher Wahnidee diese anhängen.
 

Olome Keratin

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@Eowil: Nun, ich hatte eigentlich schon Beispiele genannt. Das Muster, das ich meine, ist, wenn man seitens der USA und/oder ihrer Satelliten-Staaten einen Waffengang gegen ein Land wagen will, für das es laut eigener Nachkriegsordnung (UN-Charta) keinen Kriegsgrund gibt, dann nutzt man die sog. "humanitäre Aktion" bzw. neuerdings "responsibility to protect", um zwar keinen völkerrechtlich haltbaren, aber zumindest von einem Teil der eigenen Bevölkerung moralisch akzeptierten Kriegsgrund zu schaffen. Wenn dazu Informationen kräftig zurechtgebogen oder eben komplett zusammenfabuliert werden müssen, dann muss es eben so sein. Beispiele: 2. Golfkrieg, Kroatien-Krieg, Kosovo-Krieg, Afghanistan-Krieg, Irak-Krieg, Libyen-Krieg. Im Vorfeld erfolgt natürlich erstmal eine gründliche Dämonisierung des künftigen Kriegsgegners, dann die Konstruktion eines konkreten Vorfalls, dann die Erklärung der unzureichenden Kooperationsbereitschaft des künftigen Gegners und schließlich die Intervention.

Und da du dich ja nach Experten richten wolltest: Zweifel an Beweisvideos

@Zora: Du unterstellst eine Menge Fachwissen um geostrategische und militärische Zusammenhänge bei den Entscheidungsträgern der westlichen Staaten. Grundsätzlich sollte man zwar davon ausgehen, dass Entscheidungen von solcher Tragweite nicht von kompletten Idioten getroffen werden (sollten), aber die ganzen politischen Entscheidungsträger wurden gewählt und in den allermeisten Fällen nicht wegen außenpolitischer oder militärischer Expertise, sondern als innenpolitische Interessenvertreter bestimmter Bevölkerungsgruppen. Von Außenpolitik und Militär hat dieser Typus Berufspolitiker heutzutage praktisch keine Ahnung mehr. Es gibt in dieser Hinsicht auch keinen Unterschied zwischen Deutschland, wo mir bei diesem Befund vermutlich die meisten Leute zustimmen würden, und Frankreich, Großbritannien, USA usw. Was zählt, sind politische Gründe, darunter fallen Annahmen über das, was dem heimischen Wähler gefallen dürfte, den Erwartungen der Medien zu entsprechen, Gesichtswahrung, die Furcht vor internationaler Isolation (wenn wir einen Fehler machen, ist es egal, wenn den alle anderen auch gemacht haben werden), wirtschaftliche Interessen, Imagepflege.
Dass bei diesen Motiven für außenpolitische Entscheidungen nun mehrfach geradezu katastrophale Ergebnisse rausgekommen sind, hast du bei deinem Streifzug durch die Nachbarstaaten ja selbst erwähnt. Für die verantwortlichen Politiker hatte das aber praktisch keine Konsequenzen. Entsprechend kann es durchaus sein, dass sie, sich ihrer bisherigen Fehlentscheidungen nicht bewusst, nun die nächste treffen.
Außerdem, wenn du der Meinung bist, der Westen suche krampfhaft nach Gründen sich rauszuhalten, wie willst du erklären, wenn es in den nächsten Tagen doch zu einem Militärschlag kommt? Und wenn du dafür humanitäre Gründe anführen willst: Wieso hat der Westen es dann geschafft, über das Niederwalzen der bahrainischen Demonstrationen geflissentlich hinweg zu sehen?

Und ich teile die Haltung der westlichen Regierungen, dass sich - egal wo auf der Welt - der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten nirgendwo lohnen darf. Wer Menschen wie Schädlinge behandelt, und einfach vernichtet, der muss wissen, dass er sich damit gegen die Zivilisation als solche stellt, und sich alle Staaten, denen Menschenrechte etwas bedeuten, zum Feind macht.
Na gut, das Deutsche Reich hat dafür geblutet, der Irak mit einigen Jahren Verzögerung auch, aber wo bleibt die Bestrafung für die anderen Einsätze von Giftgas, bspw. für die französisch-spanische Vergasung der Rif-Kabylen in den 1920ern? Ok, im französischen Fall kann man sagen, das haben dann 19 Jahre später die Deutschen übernommen. Und die Spanier? Außerdem, wenn man sich die Zuliefer-Staaten beim Iran-Irak-Krieg anschaut, bleibt halt kaum jemand mit weißer Weste übrig. Die Skandinavier und Schweizer werden sich bedanken, wenn sie all diese Interventionen für die Menschenrechte in Zukunft alleine stemmen müssen.
 

Matthew McKane

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@Olome: Sehe ich ganz genauso, seit Anbeginn dieses Bürgerkrieges heisst es ständig: "Wenn er Giftgas einsetzt, dann überschreitet er eine rote Linie."

Und bereits direkt nachdem Obama das erste mal davon gesprochen hat, gab es die ersten vereinzelten Opfer mit "giftgasähnlichen Symptomen" Und genau jetzt, wo Obama nochmal betont, dass er nichts machen kann, solange er nicht sicher ist dass Giftgas eingesetzt wird, setzt Assad absichtlich medienwirksam Giftgas ein?

Warum sollte denn Assad Chemiewaffen einsetzen? Welchen Grund hat er denn, die "internationale Gemeinschaft" auf den Plan zu rufen, wenn diese ihm doch die ganze Zeit versichert, dass er machen kann was er will, solange er die "rote Linie" nicht überschreitet?

Wenn es nur Assads Propaganda ist, dass dieser Bürgerkrieg von ausländischen Mächten geschürt wurde wie kommen dann die Aufständischen überhaupt an Waffen? Wenn doch Waffen nur von Regierungen an Regierungen verkauft werden dürfen? Die müssen doch durch "fremde Mächte" unterstützt werden. Oder sind Raketen und schwere Artillerie in Syrien seit jeher frei verkäuflich?

Was würde Frau Merkel anders machen als Assad wenn militante Aufständische anfangen würden, mit Waffengewalt Städte unter ihre Kontrolle zu bringen? Oder wenn "fränkische Separatisten" plötzlich Straßensperren errichten?

Wir haben doch den gleichen Film in anderer Besetzung schon zu oft gesehen.

Vermutlich wurde Manning nur desshalb demonstrativ hart bestraft, damit die Leute, die wissen wo das Giftgas herkam, auf jeden Fall die Klappe halten.
 
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David

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Aber du glaubst doch nicht ernsthaft, dass der Westen den Rebellen auch noch Giftgas gegeben hat, dass sie im Namen Assads einsetzen können ? :wunder:
(Selbst wenn man die Moral mal beiseite lässt, das Gas hätten die auch gegen Israel einsetzen oder an sonstwen verkaufen können..)

Wie man einen Krieg rechtfertigt den man unbedingt will, haben wir doch im Irak gesehen: Man wiederholt bestimmte Lügen einfach so oft, bis sie genug Wähler glauben, damals die angeblichen Massenvernichtungswaffen und die Verbindung zu 9/11.
Und nach 100.000 Toten braucht man eigentlich keine <1000 weiteren Tote (die nur mit anderen Waffen umgebracht wurden) um ein Eingreifen aus "humanitären Gründen" zu rechtfertigen. An der geringen Erfolgsaussicht eines solchen Eingriffs ändert die Art der Ermordung dieser Menschen auch nichts.

Ich kann mir zwar auch nur schwer vorstellen, dass Assad selber einen Giftangriff befohlen hat, aber mir würden auf Anhieb einige Szenarien einfallen, wie es dazu gekommen sein könnte, von einem außer Kontrolle geratenem Militär bis hin zu Rebellen die Giftgas erbeutet und eingesetzt haben. Wobei auch eine Fehleinschätzung der US-Absichten seiten Assads nicht ganz ausgeschlossen werden kann.

Und ich sehe auch nicht was wir in Syrien gewinnen können, nach Afghanistan, Irak und auch Ägypten wird sich niemand Illusionen über das Ergebnis eines Sturzes Assads machen, und nur um Russland eins auszuwischen lohnt sich ein Krieg auch nicht wirklich.
Allenfalls könnte man über diesen Krieg um drei Ecken einen Krieg gegen Iran bekommen, so dass Syrien praktisch nur ein Zwischenschritt wäre. Ich frage mich nur, ob die USA für einen so großen Konflikt im Moment die Motivation und die Mittel haben.

Am wahrscheinlichsten finde ich, dass es wie Astaldo schon gesagt hat für Obama kein Zurück mehr gibt nachdem er eine rote Linie definiert hat. Der Verdacht, dass diese überschritten sein könnte, könnte btw. auch schon reichen um zu handeln, weil man sonst (nicht zuletzt in der US-Innenpolitik) als jemand dastehen könnte, den man leicht hinters Licht führen kann.
Wenn bei den Untersuchungen herauskommt, dass es doch kein Giftgas war, müssen das ja noch lange nicht alle glauben, sondern sie könnten es auch für eine billige Ausrede halten, auf die Obama reingefallen ist. Naturwissenschaftliche Erkentnisse spielen in der Politik ja generell keine große Rolle.
 
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Matthew McKane

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Allenfalls könnte man über diesen Krieg um drei Ecken einen Krieg gegen Iran bekommen, so dass Syrien praktisch nur ein Zwischenschritt wäre.

Darüber habe ich auch schon nachgedacht, da komme ich dann zu dem Schluss, dass Israel durchaus Interesse daran haben könnte, dass "der Westen" in der Region militärisch aktiv wird.
 

David

Moderner Nomade
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Da gehts ja um die Hilfe für einen Verbündeten, das ist meiner Meinung nach eine etwas andere Situation. Solange sie behaupten können nichts direkt damit zu tun gehabt zu haben, wird es ihnen egal gewesen sein was die irakische Armee gegen Iran macht.
Und dass die Wahl der US-Bündnispartner mehr als einmal nach hinten losgegangen ist, wissen wir ja spätestens seit den Taliban.

Ich könnte mir btw. schon vorstellen dass man als "ultima ratio" auch Massenvernichtungswaffen unter falschen Namen einsetzt, aber eben nur dann, wenn es keine einfacheren Wege gibt sein Ziel zu erreichen.
Denn das Risiko dass der Schwindel auffliegt ist immer gegeben wie man ja gerade in Sachen Spionage sieht. Da muss man Nutzen und Risiken abwägen, ein Mitarbeiter der trotz aller Sicherheits-Überprüfungen Skrupel hat hunderte Unschuldige zu ermorden reicht ja schon.

Und in Syrien gab es eben schon vorher 100.000 Tote und kleinere Verdachtsfälle in Sachen Giftgas. Zusammen mit etwas Propaganda ala Irak würde das locker als Kriegsgrund reichen, da muss man nicht selber unnötige Risiken eingehen um in den Krieg eingreifen zu können.

Was mich in dem Zusammenhang wundert ist übrigens dass man im Irak nicht wenigstens ein paar Kanister Giftgas platziert hat um etwas zum Vorzeigen zu haben. Das wäre im Vergleich zu dem was den USA an anderer Stelle unterstellt wird (und auch zu dem was sie wirklich getan haben) eine Kleinigkeit gewesen.


@Matthew McKane:
Ich könnte mir auch vorstellen, dass man in Israel jetzt erstmal ziemlich besorgt über mögliche Vergeltungsaktionen ist. Deshalb würde es mich nicht wundern wenn Israel ohne Vorwarnung versucht die Massenvernichtungswaffen mit Luftschlägen zu vernichten. Man stelle sich vor, Syrien würde es irgendwie schaffen eine Ladung Giftgas nach Tel Aviv zu bringen..
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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@Olome: Ich glaube schon, dass die Neigung für militärische Abenteuer auch in den Chefetagen unserer Regierungssitze abnimmt. Der Traum der "Machbarkeit" nimmt kontinuierlich ab. Und das Bewusstsein der Kosten nimmt zu. Und die Lust der Bevölkerung an solchen Experimenten tendiert gegen Null. Es gibt keine Begeisterung weder in den US noch in GB/F und schon gar nicht in D. Es fällt doch auf, dass die Bundesregierung gerade vor der Wahl so tut, als ginge sie das ganze gar nichts an. Die Haltung der Kanzlerin, dass es wohl kaum Zweifel gäbe, dass es
a) einen Giftgasangriff gegeben habe (interessanterweise war in den ö/r Medien lange von einem Giftgas"anschlag" die Rede!)
b) dieser Angriff auf das Konto von Baschar al Assad gehe
wurde erst aus einem Telefongespräch mit Premier Cameron bekannt. So etwas spricht doch Bände!

Wahlen werden hier in D gewonnen, indem man sich heraushält, wie Schröder aus dem Irak-Krieg. Den Traum der Deutschen, ihre Zukunft als neutrale, demilitarisierte Großschweiz gestalten zu können, bedient die LINKE immer noch, die Grünen haben ihn ausgeträumt. Aber das Volk findet den eigentlich immer noch gut. Bei den Amis finden wir die Tendenzen zum Isolationismus tendenziell verantwortungslos, bei uns selber bemerken wir sie nicht einmal.

Natürlich ist die Lage in den USA und GB/F ein bisschen anders, aber so richtig Begeisterung ist Umfragen zufolge nirgendwo ausgebrochen. Mag sein, dass die führenden Politiker keine Außenpolitischen Genies sind, aber anzunehmen, sie seien Vollidioten und noch um einiges dümmer als wir Laien, halte ich doch für gewagt. Schließlich haben sie ja auch entsprechende Berater, die wirklich Experten auf ihrem Gebiet sind.

So stellt sich für mich als Kernproblem die "Rote Linie" dar, die Obama öffentlich gezogen hat. Tatsächlich habe ich sie damals schon kritisch gesehen, allerdings unter umgekehrtem Vorzeichen: Denn er hat damit Assad praktisch ein Freibrief für völlig ungehemmtes Morden, Bombardieren, Foltern und Vertreiben gegeben. Die Botschaft lautete ja eindeutig: Assad, solange du dein Giftgas im Bunker lässt, halten wir die Füße still, egal welche Gräuel uns berichtet werden.

Diesen makaberen "Spiel"-Raum hat Assad ja nun auch weidlich ausgenutzt. Wäre sein Land strategisch nicht so schlecht einzusehen, irgendein verlässlicher Bündnispartner für den Westen in Sicht, die iranisch/russische Unterstützung nicht so inbrünstig - man hätte schon längst etwas unternehmen müssen.

Nachdem er die rote Linie nun mehrfach mal mit dem einen, mal mit dem anderen Zeh überschritten wurde, und nun ein beherzter Schritt unternommen wurde, gilt eine neue Logik: Nicht die dessen, was sicherheitspolitisch vor Ort sinnvoll und machbar ist, sondern ob globalpolitisch die Doktrin der Abschreckung noch funktionieren soll.

Massenvernichtungswaffen sind einfach zu praktisch, wenn man den Feind mit geringem Aufwand in großem Stil Schaden zufügen will. Da sie zwar nicht von jedem Teenager im Chemiebaukasten, aber doch von jedem halbwegs entwickelten Land in verwertbaren Mengen hergestellt werden können, hilft gegen diese Versuchung nur die weltweite Ächtung und eine glaubwürdige Abschreckung.

Diese Glaubwürdigkeit steht jetzt auf dem Spiel, und auch wenn der Angriff von außen für Syrien selbst keine Lösung bietet - diese Abschreckungsdoktrin aufzugeben, wäre wohl für den Rest der Welt eine noch größere Katastrophe.

ZORA

EDIT: Das Iran-Argument halte ich für unzutreffend. Denn niemand will in Syrien einmarschieren, und was macht es für einen Sinn, wenn man ohnehin im Irak militärisch präsent ist. Eine Offensive im kurdischen Bergland zu starten ist strategischer Nonsens. Ich vermute sogar, das Gegenteil ist richtig: Momentan werden die Truppen aus Irak und Afghanistan abgezogen, um für eine wirklich große Nummer, nämlich den Iran, genügend Ressourcen verfügbar zu haben, falls es sein muss. Diese Syrien-Episode kommt da extrem ungelegen, und man wird versuchen, sie so kurz und ressourcenschonend wie irgend möglich hinter sich zu bringen. Ob das gelingt ist allerdings zweifelhaft, spätestens, wenn Israel mit Giftgasraketen beschossen wird, muss von amerikanischer Seite erheblich nachgelegt werden, und der Regionalkonflikt wird sich kaum unter dem Deckel halten lassen.
 
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Gala

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Von einer Tendenz der USA zum Isolationismus ist mir nichts bekannt.
 

Matthew McKane

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Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass der mögliche Giftgasangriff auf keinen Fall auf das Konto Assads geht. Desweiteren davon, dass die westlichen Geheimdienste davon wissen und dass es auch irgendwann rauskommt.

Nennt mich einen Verschwörungstheoretiker, aber Geschichte wiederholt sich.
Die "bösen" sind nicht einfach so böse. Da stecken immer irgendwelche Interessen dahinter.

Und Assad ist zur Zeit der Letzte, dem ein Giftgasangriff auf die eigene Bevölkerung was bringt.
 

Maus

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Wenn Syrien Giftgasraketen nach Israel schickt und eine davon trifft, dann brauchen die USA nix mehr zu tun, dann legen die Israelis Syrien in Schutt und Asche. Für genau den Fall haben die ihr nukleares Arsenal. Und bei Giftgas reagieren die auch nimmer rational...
 

Astaldo

Vampireslayer
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@Matthew: Ja aber aus welchem Grund sollte da jemand was inszenieren? Weit und breit hört man, das keine Sau da auch nur einen Mann reinschicken will, nicht Deutschland, nicht GB, nicht die USA etc..
Der einzige wahnwitzige Grund wäre, dass man dringend eine Gelegenheit sucht um eine neue Waffe im Einsatz testen zu können oder seine Lager an Altbeständen ein wenig reduzieren möchte.

http://www.n-tv.de/politik/politik_...-Berlin-nicht-raushalten-article11241556.html

Mit dem Artikel geh ich weitgehend konform. Die Kanzlerin labert Stuss, dass die Weltgemeinschaft jetzt handeln muss, aber Deutschland möchte nur von der Tribüne zuschauen. Dann soll sie halt schweigen, verurteilen und politische Lösungen vorschlagen.

Die USA haben ja auch schon zugegeben, dass der Sturz Assads nicht das Ziel eines Einsatzes wäre.
 

Rhonwen

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Ein anderer Blickwinkel:
Durch meine Arbeitskontakte bekomme ich gerade mit, dass viele Libanesen in meiner Stadt und anderen Städten, in denen ich Freunde in Schulen habe, in den Libanon zurückgehen samt Kindern, um im Falle eines bewaffneten Konfliktes im Libanon bereit zu sein. Bisher weiß ich von etwa 300 Personen allein im Umkreis von weniger als 150 km.
 

Maus

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@Rhonwen: die gehen MIT Kindern zurück, um zu kämpfen? Ich hab schon Probleme damit, dass überhaupt jemand dahin geht um zu kämpfen (ich kann mir die Motivation aber schon vorstellen); nur verstehe ich nicht wieso die Kinder mitnehmen? Da würde ich mir den Luxus erlauben, meine Familie hier in Sicherheit zu wissen und im Libanon meiner wie auch immer gearteten Verpflichtung nachzukommen...
Oder hab ich das einfach falsch verstanden?
 
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