Ich kann leider nicht die ganze Diskussion verfolgen, möchte nur an dieser Stelle sagen, dass ich mich sehr über die Leidenschaft und gleichzeitige Sachlichkeit freue.
Ich stimme Olome ja grundsätzlich gerne zu, in diesem Falle glaube ich aber, er liegt falsch. Denn der Westen, allen voran die USA und Deutschland, aber auch GB/F haben kein wirkliches Interesse an einem Waffengang in Syrien.
Zunächst: Es lohnt nicht. In Syrien ist nichts zu holen. Es hat ein bissl Öl, aber das ist nicht üppig, und im Zeitalter des Fracking wirklich kein überlebenswichtiges Argument. Im Prinzip also können die Syrer machen was sie wollen, solange sie es in ihren Grenzen tun, interessiert es keinen besonders.
So ist es auch schon Jahre gegangen. Ob sich Assad pro oder contra Saddam gestellt hat, hat doch niemanden wirklich interessiert. Selbst als Syrien in Libanon einmarschiert ist, hat sich keiner drum gekümmert (ganz anders als Saddam nach Kuwait marschiert ist!).
Denn zum sehr überschaubaren Nutzen kommen auf der anderen Seite die immensen Kosten: Syrien ist ein ähnlich logistischer Albtraum wie Afghanistan oder Somalia. Beides Interventionen, die nicht gerade für ihren durchschlagenden Erfolg bei vertretbarem Aufwand an Mensch, Material und Dollars bekannt sind.
In Somalia ist man ohne Erreichen der Ziele abgerückt und hat einen failed state in komplettem Chaos zurückgelassen, in Afghanisten kündigt sich ähnliches an, und auch Irak ist alles andere als übern Berg.
Sicherheitspolitisch hat sich das Ganze wohl auch nur sehr begrenzt gelohnt. Den Anschlägen in New York folgten noch welche in London und Madrid, auf Bali und Djerba, etc. pp. und auch wenn es gelungen ist Osama Bin Laden zur Strecke zu bringen - dass Terroristen dort nun keine sicheren Rückzugsräume mehr hätten, ist doch ein frommer Wunsch. Und nach Abzug der ISAF dürften sich die Bedingungen für Al-Qaida dort noch einmal verbessern.
Kosovo hatte Olome genannt, wo ein böse gefakedtes Massaker als Katalysator zur militärischen Eingreifoption fungierte. Aber hier war auch die Situation, dass der Westen auf einen vertretbaren Vorwand wartete, um endlich eingreifen zu dürfen. Auf dem Fußballplatz nennt man das eine Konzessionentscheidung. Wenn der Schiri im Rückblick merkt, bei einem klaren Foul einen Elfmeter verweigert zu haben, zeigt er bei der nächsten halbwegs gelungenen Schwalbe auf den Punkt.
Das böse Foul im Strafraum war das Massaker von Srebrenica unter den Augen der holländischen UN-Blauhelmsoldaten, die damit regelrecht vorgeführt wurden. Hier hätte die internationale Gemeinschaft handeln müssen, hat es aber (auch damals wegen Russland als Schutzmacht) nicht auf die Reihe gekriegt. Die nächste Schwalbe war dann dieses inszenierte Massaker in Kosovo, und nun holte man nach, was man rechtmäßigerweise schon längst hätte tun müssen: dem Belgrader Warlord mit der militärischen Macht des Westens die Grenzen aufzeigen.
Hier in Syrien ist man (zumindest in Deutschland und den USA, GB/F stehen da etwas anders) eigentlich ein klammheimlicher Assad-Sympathisant. Man mag ihn nicht, aber schätzt ihn als vertrauten Feind. Er hält im Zweifelsfall die Füße still, und garantiert Stabilität in einem zwischen Drusen, Kurden, Sunniten, Schiiten, Alawiten und auch ein paar Christen konfessionell und auch ethnisch heterogenen Land.
Natürlich hortet er Massenvernichtungswaffen, was ihn als solches schon zu einem Widerling macht, und er unterstützt offen Terrorgruppen wie die Hisbollah, er destabilisiert Libanon, um anschließend als Schutzmacht dort einzumarschieren, seine Geheimdienste morden politische Gegner im In- und Ausland. Von Folter und Menschenrechtsverletzungen ganz zu schweigen.
Aber er hat den Fundi-Islam im Griff, er macht keinen Unsinn an der Golan-Grenze, und zuckt auch nicht, wenn die Hisbollah von Israel angegriffen wird. Er hat im Irak nicht interveniert, und man durfte vermuten, dass außer Empörung auch nichts weiter von ihm kommt, wenn es notwendig sein sollte, den Iran militärisch am Bau der Atombombe zu hindern.
Jede andere syrische Regierung wäre was das angeht, eine Unbekannte, mit der man in dieser Region eben ungern umgeht, wo Berechenbarkeit ein unschätzbares Gut darstellt. Der Wahnsinn ist ja präsent genug.
Von daher suchte der Westen absolut gar keinen Vorwand, in Syrien endlich einzugreifen, sondern im Gegenteil suchte man händeringend Vorwände dort NICHT eingreifen zu müssen.
Es hat schon unzählige Massaker an Zivilisten gegeben, ethnische und religiöse Säuberungen, dabei auch mit Sicherheit schon "dosierter" Giftgaseinsatz. Automatische Waffen gegen Demonstranten, Artillerie gegen Zivilisten, Scharfschützen gegen Reporter und Luftwaffe gegen Schulen und Krankenhäuser.
Wer einen "Vorwand" gebraucht hätte, dem wäre die Wahl zwischen all den Abscheulichkeiten wohl schwer gefallen, aber das wäre auch das einzige Problem gewesen. Nein, der Westen will da nicht rein, und hat dafür verdammt gute Gründe. (Und so sehr es Putin ärgern mag, das russische Veto ist noch nicht mal der gewichtigste darvon).
Ist dieser Gifteinsatz denn wirklich schwerwiegend genug, wider alle diese guten Gründe doch zu intervenieren? Oder sollte man sich weiter hinter der prinzipiellen Unbeweisbarkeit solcher Tatsachen verstecken, und damit weiteres Nichtstun begründen. Oder frank und frei zugeben, zu einem Eingreifen nicht in der Lage zu sein?
Das sind für mich die brennenden Fragen. Und ich teile die Haltung der westlichen Regierungen, dass sich - egal wo auf der Welt - der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten nirgendwo lohnen darf. Wer Menschen wie Schädlinge behandelt, und einfach vernichtet, der muss wissen, dass er sich damit gegen die Zivilisation als solche stellt, und sich alle Staaten, denen Menschenrechte etwas bedeuten, zum Feind macht.
Vor allem aber: Dass es sich nicht lohnt. Dass der Einsatz dieses Zeugs zwar kurzfristig vielleicht Geländegewinne ermöglicht, aber schon mittelfristig so viele Probleme einbringt, dass es zum Minusgeschäft wird, und langfristig zuverlässig die Macht und/oder den eigenen Kopf kostet.
Denn wenn es sich erst rumspricht, dass man Tabun, Sarin, VX und Co im Prinzip ungestraft einsetzen kann, dann werden wir diese Bilder zukünftig in unerträglicher Regelmäßigkeit aus allen Krisengebieten der Welt geliefert bekommen. Überhaupt werden weltweit viel größere Bestände aufgebaut werden, und damit stiege auch das Risiko, dass dieses Teufelzeug in falsche Hände gerät.
Was nun zu tun ist, ist wirklich schwer zu entscheiden, aber es muss sichergestellt werden, dass Assad diesen Einsatz mit Macht und/oder Leben bezahlt. Und dazu ist das effektivste Mittel zu wählen. Vielleicht reicht ja auch eine gut programmierte Drohne.
ZORA