Wer hier übrigens Edge of Tomorrow noch nicht gesehen hat, ändere dies bitte
Da man um das Hauptkonzept nicht drumrumkommt, sobald man sich den Trailer oder auch nur das Kinoplakat etwas genauer angesehen hat (ich habe beides nicht getan und war von der Wendung darum auch wirklich überrascht, und nebenbei, die Trailer taugen nichts): Ja, es geht um Zeitschleifen. Es ist die Hook von "Täglich grüßt das Murmeltier", und das kann man als geklaut betrachten, wenn man das möchte.
Muss man aber nicht. Denn: Bei aller Großartigkeit hat das Murmeltier einen Nachteil, einen essentiellen Teil guten Kunstkinos, der fehlt und dessen Mangel einem vermutlich erst auffällt, nachdem man seine Integration hier bewundern durfte.
Ich rede, selbstverständlich, von Energierüstungen
Das hier ist nicht Täglich grüßt das Murmeltier. Dies ist Täglich grüßt das Murmeltier meets Starship Troopers, und diese Mischung funktioniert reibungslos.
Popcornkino ist ja normalerweise ein eher abschätziger Begriff, hier, in diesem speziellen Fall, allerdings voll zutreffend und ohne negative Konnotation.
Erstens ist die Geschichte, obwohl grundlegend simpel, gut erzählt. Das Setting wird gut aufgebaut, aus der Hook wird alles rausgeholt, was man rausholen kann, und bevor die ganze Angelegenheit langweilig wird, kommt rechtzeitig die Wendung. Ich habe mich in diesem Film kein einziges Mal gelangweilt; die Kombination aus Action- und Ruhesequenzen ist nahezu perfekt komponiert.
Zweitens, und an der Stelle verbeuge ich mich vor den Machern: Die Charaktere sind gut ausgearbeitet. Jeder einzelne von ihnen, und bitte nehmt euch einen Moment, um darüber zu reflektieren. Edge of Tomorrow ist ein Actionfilm. Kein Mensch geht in einen Actionfilm, um sich gut entwickelte Charaktere anzuschauen, mit dem Ergebnis, dass sich die Macher in der Regel auch keine Mühe geben, die ganze Sache auszuarbeiten. Und das macht die Filme, obschon kommerziell immer noch erfolgreich, flacher, als sie sein müssten. Natürlich schaue ich mir Pacific Rim an, weil ich riesige Mechas sehen will, die gegen Kaiju kämpfen, aber dass die Charaktere derartige Reißbrettfiguren sind, tut trotzdem weh.
Und Edge of Tomorrow weigert sich einfach, diesen Weg zu gehen. Natürlich gibt es hier den engstirnigen Kommandanten, der unserem Protagonisten das Leben schwer macht, aber dieser Kommandant hier hat vollkommen nachvollziehbare Gründe, den Protagonisten nicht ausstehen zu können. Wir sind dabei, als diese Gründe passieren.
Emily Blunts Figur ist die eigentliche Heldin der Geschichte. Einen guten Kopf größer als Cruise, die bessere und erfahrenere Kämpferin, wortkarg, humorlos, und mit einer eigenen Geschichte und Motivationen ausgestattet. Und, den Göttern sei es gedankt, sie dient nicht als Love Interest. Wie könnte sie das? Cruise erlebt den selben Tag immer wieder und lernt sie dadurch immer besser kennen, aber für sie gilt das nicht. Sie kennt seine Figur erst seit einem Tag und trägt jede Menge Altlasten mit sich herum, also wäre es unrealistisch, wenn sie sich in ihn verliebt. Also tut sie das nicht. Punkt.
Auch die ganzen Nebenfiguren sind einfach stimmig, sowohl das Angriffssquad, mit dem Cruise arbeitet, und vor allen Dingen der Staff Sergeant, den ich mitsamt seinem hässlichen Oberlippenbart am liebsten eingepackt und mitgenommen hätte, so genial war seine Darstellung.
Und allen voran ist da Cruise selbst. Man muss den Mann nicht unbedingt mögen, aber was er ohne Zweifel ist, ist ein begnadeter Schauspieler. Und gerade am Anfang, wenn deutlich wird, dass seine Figur eben nicht der typische Actionheld ist, sondern ein charismatischer Blender, der alles tun würde, um nicht an die Front zu müssen... diese Figur hat Angst. Wird zum ersten Mal in eine Energierüstung gesteckt, weiß nicht mal, wie sie ihre Waffe entsichern soll, schwitzt und stottert, und von diesem Punkt an beginnt die Charakterentwicklung. Und die ist zwar durchaus vorhersehbar, aber sie lässt sich genug Zeit, um glaubwürdig zu bleiben. Ich glaube dieser Figur alles, was sie sagt und tut, und das ist eine ziemliche Leistung von Seiten Cruises.
Und hab ich den Humor eigentlich schon erwähnt? Ich hab den Humor noch gar nicht erwähnt.
Dieser Film bringt einen zum Lachen. Und nein, er ist keine Komödie, und nein, es ist nicht das Lachen über schlechte Filme. Hier gibt es Situationskomik, reichlich und tief, tiefschwarz. Cruise stirbt in diesem Film. Oft. Sehr, sehr oft. Again and again, und nach einer Weile mit einer eher genervten Resignation als mit Angst und Schrecken. Stellenweise, weil seine Ausbilderin ihm regelmäßig eine Kugel durch den Kopf jagt, wenn er sich beim Training verletzt. Hey, er kommt eh wieder, also warum Zeit verschwenden?
"Ich glaub, ich hab mir das Rückgrat gebrochen..." Peng!
"Ich hab mir den Knöchel ver..." Peng!
"Ich bin ein bisschen erschöpft, könnten wir... whoa, legen Sie das Ding we-" Peng!
Das ganze ist gekoppelt mit aufrichtig packenden Actionsequenzen, sieht ganz generell fantastisch aus, selbst und vor allem in 3D, und ist einfach großartig unterhaltsam. Einen halben Stern Abzug gibt es für das aufgeklebte Ende, aber selbst das ändert einfach nichts an dem Spaß, den ich vorher mit dem Film hatte.
Hochgradige Empfehlung