Habe mich gerade durch "The good wife" durchgeglotzt.
Ich weiß nicht, wie man solche Serien in 45-Minuten-Häppchen auf Jahre verteilt gucken kann, aber wenn man sich pro Staffel ein Wochenende Zeit nimmt, also noch genug Zeit zum Schlafen hat - dann ist das eine sehr gute Serie. Zumindest für Leute, die sich mit dem us-amerikanischen Rechtsystem und dem Politsystem auseinandersetzen mögen.
Heldin ist Allicia Florrick, die Frau des State's Attorney (so, wie ich das verstanden habe, eine Art bundesstaatlicher Generalstaatsanwalt), der gleich in der ersten Folge wegen eines Skandals, in den Prostituierte involviert sind, in den Knast einzieht. Darauf angewiesen, sich und ihre Kinder fortan allein zu versorgen, nimmt sie nach einer 14-jährigen "Erziehungspause" ihren alten Job als Anwältin wieder auf.
Die Serie (Producer übrigens: Ridley Scott!) ist eine interessante Variante der "Büro"-Serien, die man so kennt. Ein bißchen "Suits", ein bißchen "Mad Men", ein bißchen "House of Cards". Wie in "Homeland" steht eine Frau im Mittelpunkt und wie in den erwähnten Serien spielt das Privatleben eine wesentliche Rolle. Family values - DAS Thema der amerikanischen Unterhaltungsindustrie... Ich finde allerdings, dass die Verquickung von Beruf, Politik und Familie in diesem Fall besonders gut gelungen ist. Inspirierend dürfte für die Serie das Ehepaar Clinton gewesen sein. Die Parallelen (und Unterschiede) werden häufig genug auch explizit erwähnt und überhaupt ist diese Serie sehr nah an realen Geschehnissen dran, beispielsweise wird die NSA-Sache inklusive Snowden ebenso ausführlich thematisiert wie die Zusammenarbeit großer us-amerikanischer Internetunternehmen mit "Schurkenstaaten".
Interessant ist, dass die Serie, obwohl Politik eine ihrer wichtigsten Zutaten ist, sich politisch nicht einem bestimmten Lager zuordnen läßt. Vielmehr transportiert sie eine interessante Art von Politikverdrossenheit, indem sie Politik als ein einziges Geschacher in Zeiten der Meinungsumfragen, Kampagnenfinanzierungen und Totalüberwachung beschreibt, in dem Inhalte null Bedeutung mehr haben.
Übrigens ist das hier mal wieder ein Beispiel dafür, dass US-Serien nicht mit der Zeit immer schwächer werden müssen (wie m.M.n. z.B. "True Blood"), sondern sich immer weiter steigern können. Während in den ersten zwei Staffeln das Prinzip "ein wichtiger Gerichtsfall pro Folge" allzu systematisch durchgezogen wurde, verlagerte sich der Schwerpunkt in den letzten 2 Staffeln immer mehr auf den Mikrokosmos, der um die Heldin herum etabliert wurde: ihr Leben ist nicht eine Abfolge von juristischen Fällen, die sie vor Gericht zu verfechten hat, sondern es zeichnen sich inzwischen weitere "Schicksalsbögen" ab. Solche dramaturgischen Entwicklungen sind wirklich nur in TV-Serien möglich.
Dass die Nebendarsteller hier mal wieder genial ausgedachte Figuren sind, bedarf inzwischen bei guten us-Serien kaum mehr der Erwähnung. Ich habe mein Faible für smarte bisexuelle Inderinnen entdeckt, die Darstellerin der Ermittlerin Kalinda
Archie Panjabi hat nicht zu unrecht für ihre Rolle 'nen Emmy eingefahren. Auch Leute wie
Alan Cumming in seiner Rolle als Kampagnenleiter und Spin doctor Eli Gould oder
Carrie Preston als genialisch-verwirrte Anwältin liefern großartige Leistungen ab.
Für Leute mit Zeit (jede Staffel hat 22 Folgen!) unbedingt ein Tipp meinerseits!