Politik, 12. Staffel

Darghand

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"Kollateralschäden" ist eine Vokabel der moralischen Verrohung, und jedesmal, wenn ich sowas lese oder höre - womöglich noch im Kontext der Sicherheit "unserer" Handelswege - befällt mich akute Unlust, mich überhaupt noch weiterhin an der Diskussion zu beteiligen. Deshalb nur eine Anmerkung: auch in den USA gab es schon eine Zeit, in der das öffentliche Bekanntwerden von massenhafter Anwendung von Folter andere Reaktionen hervorrief als Applaus für die Helden, die doch nur ihrer patriotischen Pflicht nachgingen.
 

Danol

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Ich kann diese moralische Überempfindlichkeit nicht nachvollziehen. Politik ist nunmal nicht das Teletubbieland, militärische Einsätze sind zum Schutz eigener Interessen oft notwendig, gleichzeitig sind sie aber fast zwingend mit Kollateralschäden verbunden. Wenn wir Weltpolitisch nicht untergehen wollen, werden wir zwingend weiterhin Kollateralschäden verursachen, egal ob das moralisch ok ist oder nicht. Was ich auch vollkommen in Ordnung finde, schließlich sind unsere Regierung und unser Militär dazu da unsere Interessen zu vertreten und durchzusetzen, nicht die afghanischer Dörfler oder somalischer Piraten oder serbischer Völkermörder.
 

Darghand

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Banalitäten der Machtpolitik, Zynismus und rassistisch grundierte Abwertungen, aus der Geschichte bekannt als nützliche Zutaten des gesellschaftlichen Fortschritts. Wie Du einerseits die Machtfülle des Staates in der Kindererziehung beklagen und andererseits für die Staatsräson argumentieren; einerseits von unseren freizubombenden Handelswegen fabulieren und andererseits den Anarchosyndikalismus als gangbare Alternative anführen kannst, ist mir ehrlich gesagt völlig schleierhaft. Entgeht mir da die feine Ironie?
 

Astaldo

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Ich kann diese moralische Überempfindlichkeit nicht nachvollziehen. Politik ist nunmal nicht das Teletubbieland, militärische Einsätze sind zum Schutz eigener Interessen oft notwendig, gleichzeitig sind sie aber fast zwingend mit Kollateralschäden verbunden. Wenn wir Weltpolitisch nicht untergehen wollen, werden wir zwingend weiterhin Kollateralschäden verursachen, egal ob das moralisch ok ist oder nicht. Was ich auch vollkommen in Ordnung finde, schließlich sind unsere Regierung und unser Militär dazu da unsere Interessen zu vertreten und durchzusetzen, nicht die afghanischer Dörfler oder somalischer Piraten oder serbischer Völkermörder.

Soso das Militär ist dazu da unsere Interessen durchzusetzen. Welche Interessen müssen denn durch das Militär durchgesetzt werden? Sind die Interessen nicht am Ende gegen eine große Mehrheit gerichtet, wenn ich das Militär dazu benötige, diese durchzusetzen. Demzufolge könnte man ja glatt behaupten, das man von 1933-1945 im Prinzip auch nur unsere Interessen durchgesetzt hat.

Wenn diese Logik zutreffen würde, dann versteh ich nicht wie die ganzen Nichtraucher die Raucher mit Verboten etc belästigen, denn da wird ja auch immer argumentiert, das Interesse/die Freiheit des einzelnen endet da wo er den anderen schädigt. Der Staat schützt schon so einige Interessen der Deutschen und nimmt billigend in Kauf, dass er damit andere schädigt, z.b. durch Subventionen oder Zölle.

Wenn der Beitrag Ironie sein sollte, dann ist die aber super verpackt.
 

Gala

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@Danol:
Politik ist nunmal nicht das Teletubbieland
Genau das ist das Problem. Je mehr man sich mit Politik beschäftigt, desto mehr versteht man, warum Gerüchte kursieren, das viele Politiker drogensüchtig sind und warum man z.B. im Bundestag Spuren von Kokain gefunden hat.

In der Politik hat man es mit unmenschlichen Zuständen zu tun. Diplomatie verlangt zum Teil extremste, unmenschlichste Selbstverleugnung.

Wenn ich z.B. morgen Kanzler wäre, müßte ich z.B. plötzlich den chinesischen Diktatoren die Hände schütteln. Hände, an denen das Blut der chinesischen Dissidenten klebt, z.B. vom Tianamen Platz. Eine absolut gruselige Vorstellung. Wie die Merkel das macht und anscheinend überhaupt gar keinen Anstoß daran nimmt, ist einer der Gründe, warum ich von unser Kanzlerin nicht viel halten kann. Wie hält die das aus ? Oder, wenn sie das tatsächlich belastet, wie steckt die das weg ?

Oder dieses Interview, das ich zwischen Sahra Wagenknecht und diesem Juraprofessor von der FDP kürzlich gesehen habe, ich habe mir den Namen nicht gemerkt. Ich habs gar nicht ausgehalten. Der hat angedeutet, man sollte in Griechenland eine Militärdiktatur errichten. Die Sahra ist trotzdem ganz ruhig geblieben. Wie sie das geschafft hat, weiß ich nicht.


@Astaldo:
Der Staat schützt schon so einige Interessen der Deutschen und nimmt billigend in Kauf, dass er damit andere schädigt, z.b. durch Subventionen oder Zölle.
Weder bei Zöllen noch bei Subventionen kann ich erkennen, wieso man damit die Interessen anderer Staaten direkt schädigen kann. Solange man nur die eigenen Subventionen oder Zölle festlegt, sind auch die Folgen primär national; das anderen Länder wird einzig bezüglich des Import/Export in genau dieses Land "geschädigt".

Zölle beschützen das eigene Land vor einer übermächtigen Konkurrenz. Z.B. wäre es angemessen, chinesische Produkte EU-weit zu verzollen, da diese künstlich durch zu niedrige Löhne verbilligt sind. Dann gäbe es z.B. noch so etwas wie eine innerdeutsche Kleiderproduktion. Diese ist durch chinesische Konkurrenz zerstört worden.

Subventionen helfen, unfaire Vorteile auszugleichen. So wäre es z.B. nicht mehr möglich, in Europa noch Landwirtschaft zu betreiben, wenn diese nicht subventioniert wäre.

Das Problem sind IMHO ganz nicht diese Instrumente selbst, sondern das manche Staaten diese Instrumente nicht anwenden können (z.B. wegen der gemeinsamen Währung des Euro) oder dürfen (z.B. wegen Auflagen des IWF).
 

Danol

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Astaldo schrieb:
Welche Interessen müssen denn durch das Militär durchgesetzt werden?

Es gibt ziemlich viele Gruppierungen, die unsere Interessen gefährden und militärisch bekämpft werden können. Spontan fallen mir da z.B. somalische Piraten oder die ISIS ein. Die zugrundeliegenden Interessen wären z.B. eine Eindämmung des radikalen Islamismus und die Sicherheit unserer Handelswege. Ebenso sollte das Militär, vorwiegend durch Abschreckung, auch Interessen wie z.B. sichere Grenzen gewährleisten. Mit Interessen meine ich übrigens nicht irgendwelche Großmachtträume, sondern primär den Erhalt der Voraussetzungen unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Dazu gehört natürlich eine Portion Machtpolitik, die ist aber kein Selbstzweck, wie sie es im Wesentlichen im 2. Weltkrieg war.

Sind die Interessen nicht am Ende gegen eine große Mehrheit gerichtet, wenn ich das Militär dazu benötige, diese durchzusetzen.

Im Optimalfall sollte eine Demokratie verhindern können, dass die Regierung das Militär gegen die Interessen der Bürger einsetzt. In der Praxis funktioniert das zugegeben nur so mäßig gut.

Darghand schrieb:
Wie Du einerseits die Machtfülle des Staates in der Kindererziehung beklagen und andererseits für die Staatsräson argumentieren; einerseits von unseren freizubombenden Handelswegen fabulieren und andererseits den Anarchosyndikalismus als gangbare Alternative anführen kannst, ist mir ehrlich gesagt völlig schleierhaft. Entgeht mir da die feine Ironie?

Nein. Was Dir eventuell entgeht ist dass äußere Sicherheit Voraussetzung für innere Freiheit ist. Ein Staat, der seine Interessen nicht durchsetzen kann, kann auch nicht dauerhaft die Voraussetzungen für die Freiheit seiner Bürger aufrechterhalten. In der jüngeren Geschichte hat eigentlich immer die Freiheit derjenigen am meisten gelitten, deren Staaten dazu nicht in der Lage waren (oder die gar keinen Staat hatten der sich ihren Interessen verpflichtet fühlte).

Gala schrieb:
Wenn ich z.B. morgen Kanzler wäre, müßte ich z.B. plötzlich den chinesischen Diktatoren die Hände schütteln. Hände, an denen das Blut der chinesischen Dissidenten klebt, z.B. vom Tianamen Platz. Eine absolut gruselige Vorstellung. Wie die Merkel das macht und anscheinend überhaupt gar keinen Anstoß daran nimmt, ist einer der Gründe, warum ich von unser Kanzlerin nicht viel halten kann. Wie hält die das aus ? Oder, wenn sie das tatsächlich belastet, wie steckt die das weg ?

Kann ich nicht so wirklich nachvollziehen. Einerseits weil Tianamen zwar wirklich 'ne grausige Sache war, man aber an unserer Gesellschaft aktuell ganz gut sehen kann dass es anscheinend vollkommen normal ist dass laufend unmenschliche Dinge passieren, man sich darüber im klaren ist, das aber zu keiner großartigen Reaktion oder persönlicher Belastung führt. Den verantwortlichen die Hände zu schütteln ist dann eigentlich nur noch ein kleiner Schritt. Kurz gesagt ich vermute Abstumpfung durch extreme Häufigkeit grausamer Ereignisse. Andererseits werden Menschen, die große moralische Skrupel beim Umgang mit unappetitlichen Gestalten haben, vermutlich nicht unbedingt Politiker.
 

Astaldo

Vampireslayer
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Weder bei Zöllen noch bei Subventionen kann ich erkennen, wieso man damit die Interessen anderer Staaten direkt schädigen kann.

In dem wir denen die Absatzmärkte verbauen und im Gegenzug unseren überproduzierten Zeug aber noch verbilligt andrehen, damit dort überhaupt gar keine nennenswerte Wirtschaft erst entstehen kann und dann nebenbei noch verhindern, dass sich diese Länder selbst durch Zölle schützen weil im Gegenzug dann wahrscheinlich die Entwicklungshilfe oder was weiß ich gekürzt wird.
 

David

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Das Ungerechte ist halt dass wir ausgerechnet bei der Landwirtschaft, wo Andere eine Chance gegen uns hätten, Zölle und Subventionen zum Schutz unserer Landwirte einsetzen, aber sonst immer für Freihandel sind.
Und auch wenn im Ausland oft zu Billiglöhnen produziert wird, billige Arbeitskräfte sind oft der einzige Vorteil den arme Länder haben um einen ersten Schritt in die Industriealisierung zu tun. Soll heissen, es wäre gut, wenn wir besser kontrollieren könnten, dass dort anständige Bedingungen herrschen, aber diese Konkurenz durch Zölle draußen zu halten um bei uns Arbeitsplätze zu schützen, ist simpler Egoismus. Die Alternative in den Billiglohnländern ist dann nämlich Arbeitslosigkeit, und zwar ohne ALG2.

Was die oben angesprochenen „Berührungsängste“ mit Autokraten und Diktatoren angeht sind aber nicht nur Politiker abgehärtet, sondern auch Teile der Bevölkerung, Stichwort „Putin-Versteher“. ;)
Und solange es nicht um die USA geht haben auch viele Linke eher weniger Probleme mit Politikern ohne ganz weiße Weste, vorsichtig ausgedrückt.

@Danol:
In den USA wärst du wahrscheinlich mit deiner Meinung mehrheitsfähig, wonach der Staat vor allem vor äußeren Gefahren und Kriminalität schützen muss.
Meiner Meinung nach ist aber zB die Gefahr durch Eltern, die ihr Kind daheim bibeltreu unterrichten und von der bösen Welt abschotten wollen, für das betroffene Kind sogar größer als die, dass irgendein Feind von außen kommt. Wenigstens bei uns, wo äußere Feinde trotz allem weit weg und auch alle Grenzfragen geklärt sind.

Was die Piraten etc. angeht würde ich nicht von „Interessen durchsetzen“ reden, das klingt für mich nach offensiven Aktionen, sondern von Selbstverteidigung.
In gefährdeten Regionen ein paar Kriegsschiffe (vielleicht sogar mit fliegenden Hubschraubern ? :D ) kreuzen zu lassen um abzuschrecken und im Notfall einzugreifen ist für mich nicht verwerflich.
(In Somalia einzumarschieren wäre schon fragwürdiger weil wir ja lernen mussten dass sowas nicht funktioniert und zahllose Opfer fordert)

@Gala:
Was die "fleissigen Deutschen" angeht von denen du weiter oben geschrieben hast, wäre ich lieber vorsichtig. Jeder chinesische Wanderarbeiter oder jeder Kleinbauer muss mehr und härter arbeiten als der durchschnittliche Deutsche. Und "hart und viel arbeiten" ist für mich Fleiß, nicht die hohe Produktivität die wir haben. Wir haben das Glück, dass wir in einem Land leben, wo man Chancen auf eine vernünftige (Aus)Bildung hat, sowie gute Maschinen und effektive Organisationen in den Betrieben. Und eine halbwegs stabile Infrastruktur, denn wenn zB jeden Tag mehrere Stunden der Strom ausfallen würde, würde auch der größte Fleiß nichts mehr helfen.
(Wobei auch hier genug Energie sinnlos in Staus oder in Bahnhöfen verschwendet werden wird)

Ich würde mich jederzeit als faule Person beschreiben, aber unter diesen günstigen Umständen hier bei uns kann sogar ich was schaffen, wofür jemand bereit ist zu zahlen. :D
 
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Danol

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David schrieb:
In den USA wärst du wahrscheinlich mit deiner Meinung mehrheitsfähig, wonach der Staat vor allem vor äußeren Gefahren und Kriminalität schützen muss.

Nur dass das nicht meine Meinung ist. Natürlich muss ein Staat für sowas sorgen, aber damit ists doch nicht getan. Infrastruktur, Hochschulen, Krankenversicherung, Soziale Absicherung, Entwicklungshilfe und was es da alles noch so gibt sehe ich ebenfalls als wesentliche Staatsaufgaben an. Ich bin lediglich der Meinung dass ein Staat seine inneren Aufgaben mit weitaus weniger Zwang und weitaus weniger Einmischung in die private Lebensführung zu erfüllen hat und dabei eben nicht in die Rechte seiner Bürger eingreifen sollte. Ich habe mich auch nirgendwo dafür ausgesprochen Eltern die Möglichkeit zu beliebiger Indoktrination ihres Kindes zu geben. Allerdings denke ich nach wie vor das zunächst mal eben die Eltern für Erziehung und Bildung ihrer Kinder verantwortlich sein sollten, der Staat sollte lediglich eine Fallback-Instanz sein wenn das nicht funktioniert, nicht per Se einen Anteil daran haben.

Wenn Dir "Interessen durchsetzen" zu offensiv klingt wäre mein nächster Vorschlag "Interessen schützen".
 

David

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Das mit dem Zwang ist halt so eine Sache, wenn ich meine Lohnabrechnung sehe, habe ich die Telefonnummer auch noch nicht gefunden, die ich anrufen müsste, um den Finanzamt mitzuteilen, dass ich gerne weniger spenden würde. ;)

Dass die Eltern für die Erziehung die erste Instanz sind, ist doch auch so ?
Bis zum ersten Schuljahr ists ja schon ein bisschen, so lange sind die Eltern im Normafall alleine verantwortlich. Die Grundlagen werden in der Zeit schon gelegt. Und auch danach ist die Schule nur ein Teil des Lebens, nicht DAS Leben.

Zur Schule gibt es für mich aber keine wirkliche Alternative weil die Eltern das nicht leisten können. Weder fachlich noch was den wichtigen sozialen Aspekt angeht. Man muss halt auch lernen es mit Menschen auszuhalten, die nicht zum engsten Freundeskreis gehören.
Die Frage wäre für mich eher was die Schule besser machen könnte, da gibts sicher viele Punkte die man ansprechen könnte. Ich bin zB sehr froh, dass mir der ganze Ganztags-Wahn erspart geblieben ist. Stichwort "Die Dosis macht das Gift". 4-6 Stunden sind auszuhalten, aber 8 Stunden hätte ich in den ersten Jahren nicht haben wollen, genausowenig wie eine noch so gut gemeinte sportliche oder musikalische Zwangsbespaßung am Nachmittag. Wobei das wohl auch eine Frage der Gewohnheit ist, für mich war es anfangs ja auch völlig normal, dass jeden 2. SA Schule war, sowas kann ich mir heute nicht mehr vorstellen.

PS.:
Selbst wenn man Heimunterricht grundsätzlich erlauben würde, müsste man staatlich kontrollieren ob das Gelernte in etwa den Inhalt an anderen Schulen hat. Das ist man den Kindern schuldig, denn es gibt leider immer wieder religiös verblendete Eltern, die ihre Kinder vom echten Leben fern halten wollen.
 
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Danol

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Ich würde Steuern jetzt nicht als Zwang bezeichnen, auch wenn sie natürlich nicht freiwillig sind. Mir geht es eher um den Zwang den der Staat auf die unmittelbare Lebensgestaltung ausübt, z.B. eben durch Anwesenheitspflicht in der Schule. Steuern sind ja schon die "light"-Variante, wenn man sie z.B. mal mit dem Frondienst vergangener Zeiten vergleicht.

Und ja, Eltern sind noch die erste Instanz bei der Erziehung (bei der Bildung ja schon nicht mehr), ich sehe aber insbesondere in Experimenten wie der Ganztagsschule durchaus den Versuch das zu ändern. Und ja, man müsste Homeschooling kontrollieren. Wo ist das Problem? Funktioniert andernorts (z.B. in GB) ja schließlich auch und ist immer noch weit weniger unmittelbarer Zwang als eine Anwesenheitspflicht.
 

David

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Bei der Bildung ist halt die Frage wie lange die Eltern erste Instanz sein können, die Kinder sollen ja einen Einblick in alle Bereiche bekommen und nicht nur in die, in denen sich die Eltern gut auskennen. Sonst werden die Berufe irgendwann wieder "vererbt".

Homeschooling statt Grundschule kann ich mir bei engagierten Eltern und genügend Kontakten zu Kindern in der Nachbarschaft ja noch vorstellen, aber wenn es Richtung Abschluss geht sind doch fast alle Eltern in dem einen oder anderen Fach überfordert, zumal mindestens ein Elternteil auch arbeiten wird.

Und während man den fachlichen Teil noch halbwegs kontrollieren kann (zB Klausuren unter Aufsicht in der Schule schreiben lassen), ist das beim sozialen Teil schon schwerer: Wie soll der Staat rausfinden ob ein Kind "genug" unter Leute kommt, die nicht zum engsten Familienkreis gehören, um langsam an andere Meinungen und Weltbilder rangeführt zu werden ?

Was es gibt sind ja auch alternative Schulen mit teilweise anderen Konzepten als die staatlichen Schulen, das kann ein Zwischenweg zwischen Homeschooling und staatlichen Schulen sein.
 
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Lokadamus

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@David, die Landwirtschaft hat schon seinen Grund, warum sie subventioniert wird. Was passiert, wenn wir plötzlich mit einem Nachbarland im Krieg sind und diese die Lieferungen aus den anderen Ländern blockieren?
Aus diesem Grund wurde die Landwirtschaft subventioniert.
Die Frage ist in diesem Sinne, ob die Höhe zeitgemäß ist.

Die andere Frage ist, warum klappt dieses System bei uns und bei anderen nicht? Meistens haben die armen Ländern noch korrupte Beamte und da ist es egal, wie wir die Steuern/ Zölle ändern würden. Das arme Land würde sich nicht entwickeln.

@Danol, ich würde schon gerne, dass meine Steuern sinnvoll eingesetzt werden. Aber bei unseren Politikern, die keine eigene Meinung haben und das Geld lieber für ihre Projekte wie BER, GEZ, Stuttgart21 usw. einsetzen, kann man nur froh sein, dass nicht irgendwie noch mehr Steuern versucht werden einzusammeln. Ups.
http://www.focus.de/finanzen/alters...uern-zahlen-gehoeren-sie-dazu_id_4534486.html

Bildung, das kann man momentan doch komplett vergessen. Da werden Versuche an Kindern unternommen, dass ich Angst bekommen. Die Kinder sollen bis zur 3. oder 4. Klasse schreiben, wie sie wollen und dann erfahren sie, dass sie nicht schreiben können. :wunder:
 

Danol

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@ David: Was die Eltern so können und was nicht ist eigentlich recht irrelevant, sobald das Kind erstmal Lesen kann. Ich halte die Notwendigkeit von Lehrpersonen für stark überschätzt.

Bei der Vorstellung mit Zwangsmaßnahmen dafür zu sorgen dass das kindliche Sozialleben auch ja den Vorstellungen, die irgendeine staatliche Institution von "genug unter die Leute kommen" hat kommt mir eigentlich nur noch das Kotzen. Das ist Bevormundung pur, genau das will ich absolut nicht. Die Anmaßung, sich in das soziale Leben des Kindes hineindrängen zu müssen, sollte sich ein Staat verkneifen, das ist absolute Privatsache. Allerhöchstens bei Eltern, die ein Kind gegen seinen Willen total isolieren, könnte man eingreifen; das ist aber wieder eine so winzige Minderheit dass man daran nicht die Schul- und Bildungspolitik für alle ausrichten sollte.

Und ja, es gibt andere Schulkonzepte. Was haben sie alle gemeinsam? Sie setzen den Schulbesuch voraus. In sofern sind sie nicht das Gegenteil von staatlichen Schulen sondern derselbe Wein in anderen Schläuchen. In jedem Fall wird das Kind in ein von außen aufoktroyiertes System gezwungen, dass seinen Bedürfnissen entsprechen kann oder halt auch nicht.

@Lokadamus: Mir wäre es auch lieber wenn Steuern sinnvoll eingesetzt werden, aber was sinnvoll ist und wie man das sicherstellt ist nochmal ein ganz anderes Fass, das ich nun nicht aufmachen will.

Das mit dem "Schreiben wie man will" hatte ich in der Grundschule auch. Fand ich eigentlich ganz gut, könnte ein erster Schritt in Richtung "Ende des Schreibdiktats" sein. Einheitliche Rechtschreibung ist unnötiger Müll, wir kamen lange (bis 1876) sehr gut ohne aus; die Rechtschreibkuh gehört endlich geschlachtet. Ich hege die zarte Hoffnung dass solche Maßnahmen das vorantreiben, indem immer mehr Menschen die amtlichen Regeln schlicht zu ignorieren lernen. Wenn ich so an die Zeit der Rechtschreibreform zurückdenke und das ganze Gefasel über die negativen Folgen der Reform mal Revue passieren lasse, habe ich ohnehin den Eindruck dass wir hier ein zutiefst ungesundes Verhältnis zu festgelegten Schreibregeln haben; da kann ein kleiner heilsamer Schock nicht schaden.
 

David

Moderner Nomade
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Wenn du das alles den Eltern überlässt verstärkst du den Effekt der Herkunft, der meistens als größter Schwachpunkt unserers Bildungssystems genannt wird, doch nur noch weiter:
Manche Eltern werden dafür sorgen, dass ihre Kinder eine vernünftige Bildung und damit auch gute Zukunftschancen haben, während andere die Kinder vor der Playstation parken und froh sind, wenn sie ihre Ruhe haben. Gibt ja später eh ALG2.

Ich finde es ja auch nicht immer toll dass ich morgens aufstehen muss, heute eben fürs Büro statt für die Schule. Wenn nach mir ginge hätte ich ein paar Mio. und würde nur aufstehen wenn ich Lust darauf hätte. ;)
Aber wie du selber geschrieben hast, das Leben ist kein "Teletubbieland", und im Vergleich zu anderen Ländern oder Zeiten ist der Zwang doch überschaubar.

Was "das Kind in ein von außen aufoktroyiertes System gezwungen," angeht: Dieses System nennt sich Umwelt und ist leider nicht vermeidbar. Also halte ich es für besser die Kinder darauf vorzubereiten. Dass unsere Schulen das sicher besser machen könnten habe ich ja schon geschrieben.

@Lokadamus:
Ein Krieg ist doch eher unwahrscheinlich, und wenn doch, haben wir entweder nach ein paar Tagen kapituliert oder sind tot.

Nachdem landwirtschaftlich nutzbarer Boden knapp ist und auch noch immer weniger wird (Versiegelung, Ausbreitung von Wüsten, Versalzung von Grundwasser, Aufbrauchen von fossilem Grundwasser etc.), während die Weltbevölkerung weiter steigt, glaube ich btw. auch nicht, dass bei einem planbaren Ausstieg aus den Subventionen und Schutzzöllen unsere Äcker brach liegen würden.

<i>Die Kinder sollen bis zur 3. oder 4. Klasse schreiben, wie sie wollen und dann erfahren sie, dass sie nicht schreiben können.</i> :eek:
Führen wir das doch gleich auch noch in Mathe ein, unsere Politiker machens vor. :D
 

Danol

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Schule ist nicht dasselbe wie Umwelt. Der wesentliche Untersched besteht darin dass die Umwelt (ich nehme mal an Du meinst all die sozialen Zwänge, Gepflogenheiten und Angewohnheiten, mit denen man sich so arrangieren muss) im Regelfall als Reaktion auf unmittelbare menschliche Bedürfnisse geprägt wurde. Die Schule ist ein willkürlich und von Beginn an gegen diese Bedürfnisse geschaffener und erzwungener Mikrokosmos, der mit der späteren Umwelt des Kindes auch kaum was zu tun hat. Mal ein simples Beispiel: Dank Home-Office kann die Arbeitsumwelt heutzutage ziemlich genau so aussehen wie es die Schule ja anscheinend gerade nicht soll. Das nicht jeder Zwang vermeidbar ist ist btw. kein Argument für vermeidbaren Zwang.

Das die Chancengleichheit dann verloren geht ist mir btw. gar nicht so wichtig, weil es die derzeit auch nicht gibt. Der einzige Unterschied zu heute läge darin dass man nichtmehr auf den kleinsten gemeinsamen Nenner nivelliert würde, wie man das heute permanent sieht. Wieso bist Du eigentlich so darauf eingeschossen dass Eltern, Lehrer & Co. irgendwie relevant für den individuellen Lernerfolg sind? Das sind sie derzeit nur weil unser Zwangsbeschulungssystem darauf ausgelegt ist das Wissensvermittlung auf Teufel komm raus frontal durch den Lehrer oder in genauso nutzlosen Gruppenarbeiten zu erfolgen hat.
 

Rhonwen

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@ Lokadamus
"Lesen durch Schreiben" nennt sich das und ist die erste von drei Stufen des rechtschreiberwerbs, nämlich "Alphabetische Strategien". Zuerst schreibt das Kind nach Gehör, kann es aber selbst nicht lesen. Dann erfolgt nach und nach, entweder durch eigenes Erproben oder durch konsequente Vermittlung, eine Vereinheitlichung, so dass auch andere Kinder und das Kind selbst die Wörter lesen können. Irgendwann kommt der (fließende) Wechsel zur "orthografischen Strategie", wo regelgeleitet geschrieben wird.
Leider klappt das nicht bei allen Kindern problemlos. Und diese Methode ist nur eine von einem Dutzend, die in verschiedenen Schulen vermittelt werden.

Zum Thema Schule (hatten wir übrigens schon mal):
Ich kann da David zustimmen, wir haben auch jetzt in meiner Umgebung genug Kinder, die tortz Schulpflicht vor der Playstation hocken, weil die Eltern zu betrunken/ zugedröhnt/ desinteressiert/ faul sind, ihre Kinder zu wecken, anzuziehen, ihnen etwas zu essen zu geben und sie zur Schule zu schicken, von bringen ganz zu schweigen. Allerdings arbeite ich an zwei Brennpunktschulen.
Aus meiner persönlichen Erfahrung: ich konnte mal ein halbes Jahr kaum zur Schule, Krankenhausbeschulung gab es damals bei uns nicht. Meine Eltern und Cousinen (Studenten und Lehrer) haben mir viel vermittelt, aber ich hatte trotzdem riesige Lücken. Ich gehe nicht davon aus, dass ein Großteil der Eltern das Wissen UND die Zeit für die Unterrichtung ihrer Kinder hätte.
 

Danol

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Mit "Brennpunktschulen" ist eigentlich alles gesagt. Das ist die Situation einer verschwindenden Minderheit, nicht der Regelfall, auf den sich ein Schulsystem als Ganzes einstellen muss. Ich habe so einen Fall in meiner Schulzeit z.B. nie kenne gelernt, trotzdem ich durch Schulwechsel und Umzüge 'ne ganze Reihe verschiedener Schulen und Klassen erlebt habe. Entweder hab' ich da jedesmal extrem ungewöhnliche Klassen erwischt, oder das ist wirklich ein Randproblem.

Du erwähnst btw. Krankenhausbechulung, ich tippe daher mal auf eine stationäre Behandlung. Das mit einer Normalsituation zu Vergleichen ist m.E. kein besonders sinnvoller Ansatz, einerseits weil man da wohl nicht seine volle Energie aufs den Lernprozerss verwenden kann und andererseits weil in so einer Situation Lernen nunmal nicht unbedingt auf den oberen Plätzen der Prioritätenliste zu finden ist. Wenn man nicht gerade ein Einzelzimmer hat, stelle ich es mir auch ziemlich schwer vor im Krankenhaus vernünftige Wissensvermittlung hinzubekommen. Mal ganz davon ab dass wir hier von einer 180°-Wende im persönlichen Lernen reden, wenn man sowas einem Schüler, der nie vorher in einer vergleichbaren Situation war, aufzwingt, geht das natürlich schief.
Nochmal zu dem ewigen "die Eltern und Kinder bekommen das allein nicht hin". Einerseits gibt es genug Gegenbeispiele aus Ländern, in denen Homeschooling legal ist. Andererseits zeigt sich auch gerade in diesen Ländern dass sich, mit zunehmender Nutzung der Homeschooling-Möglichkeit, auch immer eine recht gut prosperierende und nicht allzu teure Lern-Industrie entwickelt die Lernmaterialien, Tests, Beratung für die Eltern oder auch z.B. Online-Betreuung der Kinder bei Problemen, in anständiger Qualität anbietet. Nebenbei organisieren sich auch die Homeschooler oft in Netzwerken, in denen sie sich dann natürlich auch gegenseitig beim Homeschoolen unterstützen. Der einzige Grund, aus dem wir das hier nicht haben, ist der Schulzwang. Wenn man mal scharf hinschaut sieht man, dass die ganze Argumentation letztlich zirkulär ist: Weil wir per Zwang dafür sorgen dass die Eltern ihre Kinder nicht selbst Bilden können, müssen wir den Zwang erhalten - denn die Eltern können das ja nicht. Dabei wird vollkommen ignoriert dass die Eltern in Ländern ohne Schulpflicht eben i.d.R. doch nicht so allein dastehen wie das hier behauptet wird.
 

Danol

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Verrat mir mal bitte warum wir das nicht genauso gut hinbekommen sollten wie z.B. GB oder Australien. Was ist in diesen Länder so wesentlich anders dass es dort funktioniert, aber hier den Untergang des Abendlandes einläutet? Und, vor allem: Warum treten die ganzen hier prophezeiten Probleme dort nicht oder kaum auf? Hälst Du unsere Kinder und Eltern ernsthaft für unfähiger?
 
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