Fragen, die Euch schon immer auf der Seele brannten, Teil 3

David

Moderner Nomade
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Ich finde es ehrlich gesagt in letzter Zeit erschreckend oft erschreckend wie leicht viele Menschen mit nicht belegbaren Behauptungen geködert werden können, seien es die Jugendlichen die meinen für Gott kämpfen zu müssen, die Impfgegner die erfolgreich die Masern wiederbelebt haben oder die absurde Tatsache dass Homoeopathie ernsthaft in Apotheken verkauft wird.

Wenn man dann noch sieht was für absurde Verschwörungstheorien manchmal dahinter stecken (da ist Impfen nicht nur überflüssig, sondern natürlich gleich ein Versuch die Menschheit zu dezimieren), kann man sich in etwa vorstellen, wie es damals zu den Hexenverbrennungen gekommen ist. :rolleyes:

@Hank:
<i>"Wissenschaftsgläubigkeit ist das Vertrauen darauf, dass die Wissenschaftler alle (relevanten) Fragen beantworten beantworten können. Jetzt oder in der Zukunft. Darunter auch ethische Fragen."</i>

Gerade bei ethischen Fragen würde ich eher sagen, dass die Wissenschaft sie NIE beantworten kann, weil sie wertneutral ist.
Das beste Beispiel ist doch der Nobelpreis, der uns daran erinnert dass man das Wissen um die Formel für Dynamit sowohl für den Bergbau als auch für den Krieg nutzen kann. Und darüberhinaus war es früher durchaus sogar noch "gut" ein erfolgreicher Krieger zu sein.
Die Wissenschaft kann höchstens erforschen wann welche Gesellschaft was als gut oder böse angesehen hat, aber sie kann kein gut oder böse definieren.
 

Mindriel

Traumläufer
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Turjan schrieb:
Wenn Dir also ein Schulmediziner sagt, dass Ibuprofen gegen bestimmte Schmerzen hilft, so ist das ein millionenfach erwiesenes Faktum, das auch in einer Doppelblindstudie belegt werden kann. Dass ich persoenlich Entzuendungshemmer im Labor verwendet habe und die Wirkungen direkt beobachtet habe, ist zwar nett, aber nicht notwendig, um diese Info zu akzeptieren.
Das geht in Richtung des von Hank genannten "argumentum ad auctoritatem/verecundiam". Wenn ich mir selbst keine Gedanken mache, sondern als Grund nur habe "der hat das gelernt", oder "Es gibt (Doppelblind) Studien die sagen dass..", dann ist das eben gerade nicht wissenschaftlich. Ich muss mindestens (!) die Autoritäten denen ich da folge überprüfen.

Angenehme Träume,
Mindriel
 

Lokadamus

Buddelmagier
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Wenn ich die Diskussion kurz überfliege, lande ich bei der Frage, die mich seit ein paar Jahren verfolgt. Welchen Politiker kann man als Vorbild nehmen? Wenn kann man heute überhaupt noch als Vorbild nehmen?

Ich hab das Gefühl, dass wir keine Vorbilder mehr haben, sondern nur noch belogen werden. Dass daraus ein Mißtrauen entsteht, ist eine logische Konsequenz, die durch die derzeitige Politik weiter unterstrichen wird.
 

Chinasky

Dirty old man
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Puh- hier ist soviel an interessanten Gedanken und Argumenten zusammengekommen, dass ich fast nicht mehr wage, noch weiter mitzumachen, aus Angst, den Rest des Abends hier mit Tippen zu verbringen. :D :eek:

Veldryn:
Die Realität ist für uns durch unsere Sinne in gewissem Maße, aber eben nur in gewissem Maße, erfahrbar. Die Wissenschaft liefert uns Werkzeuge, diese Sinne zu erweitern, z.B. durch verbesserte Sicht oder Detektoren für Dinge, die wir als Menschen nicht haben (UV-Licht, Radioaktivität nur als Beispiele), um durch Experimente, Thesen, Versuch und Irrtum die Realität, die wir nie 100% erfahren werden können, so gut wie möglich zu umschreiben.

Ich denke, Du vertrittst hier einen ähnlichen Realitäts-Begriff wie Chiburi, weswegen ich auf dessen Ausführungen nicht eingehen werde, sondern Euch beide adressiere. Beide scheint Ihr davon auszugehen, dass "die Realität" unabhängig von uns, also denen, die sie erleben und über sie Aussagen treffen, gültig ist/existiert, und dass das probateste Mittel, Aussagen über sie zu treffen und den Wahrheitsgehalt solcher Aussagen zu bewerten, die empirische Methode sei, korrekt?

Gleichzeitig bist Du vorsichtig und schränkst ein, dass wir die Realität nie hundertprozentig erfahren, sondern nur "so gut wie möglic umschreiben" können. Interessant wäre für mich jetzt erstmal Folgendes: aus welchem Grund schränkst Du diese Aussage ein? Wenn Du 100% schreibst - handelt es sich da um eine Einschränkung, die quantitativer Natur ist, also darauf abhebt, dass die Ressourcen nicht ausreichen, um ein Ereignis vollständig zu modellieren (weil z.B. nicht genügend Zeit innerhalb dieser Welt zur Verfügung steht, um das Modell in seiner vollen Komplexität zu beschreiben)? Handelt es sich hier also um das gegen den Laplace'schen Dämon ins Feld geführte Argument, dass man, um ein Ereignis vollumfänglich zu beschreiben, die ganze Welt dafür bräuchte?

Oder ist es das Unschärfe-Argument entsprechend der Heisenberg'schen Unschärferelation?
Andersrum gefragt: vertrittst Du ein grundsätzlich deterministisches Weltbild, bei dem die empirische Wissenschaft nur aus quantitativen Gründen an Grenzen stößt, aber prinzipiell immer das Mittel der Wahl ist, um Erkenntnisse zu generieren? Oder vertrittst Du ein grundsätzlich indeterministisches Weltbild, bei dem die empirische Wissenschaft nur generell das Mittel der Wahl ist mangels einer besseren Methode?

Der Gedanke, der mich überhaupt hier in die Diskussion einsteigen ließ, war ein Dritter, wobei ich mir nicht sicher bin, ihn gut formulieren zu können. Die grundlegende Frage, die sich demnach stellt, lautet: Warum sollte die Logik gültig sein? Alle diese Frage beantwortenden Argumente kranken daran, dass sie nur unter der Voraussetzung verstanden werden können, dass Logik Gültigkeit hat. Die Akzeptanz der Gültigkeit logischer Regeln ist Voraussetzung aller vernünftiger Kommunikation - aber das bedeutet, dass man, da die Logik nicht hergeleitet werden kann, an ihre Gültigkeit zu glauben hat. Man kann nicht wissen, das sie gilt, insbesondere ist ihre Gültigkeit nicht vernünftig falsifizierbar.
Es gibt also eine Art philosophischen Axioms: Was den Austausch über die Welt angeht, sind die Regeln der Logik die Regeln unseres Denkens. Unlogische Argumente werden somit automatisch verworfen.

Nun kann man sich freilich auf Regeln des Diskurses einigen. Aber sind die Realitäten der Welt denn abhängig von unserem Diskurs?

Wir kennen die Grenzen der Logik: sie enden unseres Wissens an der Singularität (des Urknalls). Was jenseits des Ereignishorizonts liegt, wissen wir nicht, darüber, dass auch jenseits von ihm die Logik noch Gültigkeit habe, kann nur spekuliert werden.

Insofern könnte man vielleicht sagen: Wissenschaftsgläubige verlassen sich darauf, dass die Regeln der Logik objektiv gelten, ohne dies wissen zu können.

Deswegen würde ich den von Gala eingeführten Begriff "Wissenschaftsgläubige" nicht vorschnell als unangemessen oder unbgründet abweisen. Der Begriff wird sicherlich in 99,9% aller Fälle im Rahmen einer religiösen Agenda (siehe die wedge strategy) als Kampfbegriff verwendet. Das sollte uns aber nicht daran hindern, uns für das letzte Zehntel Prozent zu interessieren. Will sagen: vielleicht hat der Begriff ja doch einen sinnvollen Inhalt. ;)

Beim Wiki-Surfen zum Thema stieß ich auf den Artikel zum Stichwort "Positivismus". Schon gleich zu Anfang finden sich darin Formulierungen, die Galas Formulierung bzgl. der Wissenschaftsgläubigkeit zu bestätigen scheinen:

Der Positivismus geht in der Namensgebung und ersten Institutionalisierung auf Auguste Comte (1798–1857) zurück und wurde unter diesem und seinen Nachfolgern im 19. Jahrhundert zu einem weltumspannenden humanistischen Ansatz in den Geisteswissenschaften ausgebaut, der alles Transzendente aus den Überlegungen ausschloss. Zwischen der erkenntnistheoretischen Position, die vor allem die Wissenschaftsdiskussion auf sich zog, und dem institutionalisierten Positivismus, der einen Religionsersatz anstrebte, entstanden im Verlauf des 19. Jahrhunderts erhebliche Spannungen.

Fettung von mir. Positivismus als Religionsersatz, weltumspannender humanistischer Ansatz... Mutig, mutig! möchte man da rufen. ;)

Weiter unten im Artikel findet sich bezüglich des logischen Empirismus folgende Passage bzgl. Wittgenstein:

In einer Analyse von Aussagen und unseren Vorstellungen einer Verifikation lässt sich im nächsten Schritt erwägen, wo das positivistische Projekt einer Forschung, die Tatsachen erfasst, seine Grenzen hat. Aussagen über Kausalität und Moral lassen sich, wie Wittgenstein im Tractatus Logico-Philosophicus eingehender durchspielt, nicht als sinnvolle Sachverhaltsformulierungen auffassen. Wir können mit sinnvollen Aussagen formulieren, dass ein Gegenstand umfällt, wenn das von seinem Schwerpunkt aus herab hängende Lot außerhalb der Grundfläche fällt. Überführt man die wenn/dann Aussage, die die Beobachtungen sinnvoll beschreibt, in eine Kausalitätsaussage (in einen Satz mit „weil“), dann gewinnt er dadurch nicht mehr Sinn. Es ist nicht klar, mit welchem Versuch wir die wenn/dann-Aussage als falsch und die weil-Aussage als die überlegene bewerten können. Wenn es darum geht, aus der Wissenschaft unnötige Entitäten, Wesenheiten, Kräfte herauszuhalten und eine korrekte Abbildung der Welt über wissenschaftliche Erkenntnis zu versuchen, dann ist dieses Projekt der sinnvollen Abbildung an dieser Stelle an einer Grenze.

Eine vergleichbare Grenze besteht bei allen Sätzen, die Handlungsanweisungen geben sollen. Der Satz „Du sollst nicht töten!“ formuliert eine weitverbreitete Anweisung menschlichen Zusammenlebens. Bei einer Begründung, warum man nicht töten soll, muss man das Projekt einer Abbildung von Realität jedoch in jedem Fall verlassen. „Weil menschliches Zusammenleben sonst schwierig wird“, „Weil Gott einen andernfalls straft“. Begründungen wie diese verschieben das Problem von der einen in andere Handlungsanweisungen. Man muss am Ende sagen: „wenn ich dies will, muss ich dies tun“, kommt jedoch nicht über den Punkt hinaus, dass man dies will.

Nota bene! : Nicht nur über Moral, auch über Kausalität lassen sich keine Sachaussagen treffen! Das ist, wie ich finde, ein ziemlich heftiger Tritt in den Unterleib eines fröhlich-optimistischen Naturalismus...

Wenn die Konjunktion "weil" aufgegeben werden muß, kommen wir bei der Formulierung von naturwissenschaftlichen Theorien, oder genauer: bei unseren Vorstellungen davon, was naturwissenschaftliche Modelle abbilden, doch ein wenig in die Bredouille, oder? :confused:

Ein "wenn --> dann"-Zusammenhang benennt nur eine empirische Korrelation, nicht aber ein (Natur-) Gesetz! Und nun frag mal etwas herum unter den "Säkularen", wie problematisch für die der Begriff "Naturgesetz" ist. Die meisten werden ihn ohne jegliche Bedenken verwenden...

Noch ein Gedanke, den ich nicht ganz rund im Kopf zusammenbekomme und den ich hier mehr als Assoziation/Vermutung/skizzenhafte Idee in die Runde werfen möchte:

Was ist der Zweck der Wissenschaften? Ist er identisch, ähnlich oder völlig verschieden vom Zweck des religiösen Glaubens?
Meine Vermutung ist, dass hier zumindest eine Ähnlichkeit besteht, wenn nicht sogar eine ursprüngliche Identität. Bitte dabei zu beachten: ich spreche nicht über die Methode, sondern über den Zweck. Dass religiöser Glaube und (natur-) wissenschaftliches Denkens sich im Modus operandi grundsätzlich unterscheiden, will ich gar nicht bestreiten, da bin ich völlig mit Euch auf der gleichen Linie: während Zweifel, Skepsis und Hinterfragen die Grundpfeiler der wissenschaftlichen Methode bilden, rütteln sie am Fundament des Glaubens.
Aber beim ursprünglichen Zweck sieht es anders aus, falls ich richtig liege.

Meine Lektüre der "Dialektik der Aufklärung" liegt schon recht lange zurück, aber so wie ich die Autoren verstand, stand am Anfang die Kontingenzerfahrung der Menschen, die auch heute noch existentiell für alle von uns ist: als einzelner kleiner, schwacher, verletzlicher Mensch stehen wir einer Welt gegenüber, in der nichts sicher und vieles - gefühlt: alles - möglich ist. Das macht begründet Angst, sozusagen: Urangst. Alles kann mir passieren, morgen schon, gleich, in der nächsten Minute. Es gibt keine Sicherheit gegen die Unwägbarkeiten des Lebens und der Welt.

Mit dieser Urangst, mit dieser Unsicherheit müssen wir irgendwie zurande kommen. Wir brauchen psychologische Strategien, damit umzugehen, um nicht zu erstarren vor Angst.

Eine probate Strategie ist: Machtakkumulation. Macht im Sinne von: bestimmen können, was geschieht. Einfluß nehmen. Dafür sorgen, dass die gewünschten, nicht die unerwünschten Ereignisse eintreten.

Es ist, ausgehend von der Kontigenzerfahrung, also sinnvoll, Methoden zur Machtakkumulation zu entwickeln. Wobei hier Macht über die Welt gemeint ist, nicht bloß (aber auch) und nicht mal in erster Linie über andere Menschen. Wir sind mächtiger in der Welt, wenn wir mehr über sie Wissen. Eine Methode also, um dieses Wissen zu mehren, kann dem Menschen zwecks Kontigenzbewältigung, nur gerade recht kommen. Da bietet sich die empirische Methode an, welche ja entsprechend auch schon längst angewendet wurde, als vom modernen naturwissenschaftlichen Konzept niemand auch nur träumte: jedes Kleinkind wendet sie instinktiv an, wenn es Sachen runterfallen läßt, um zu sehen, was geschieht. Sie können unten liegen bleiben (und damit unerreichbar sein), sie können unten kaputt gehen, sie können wieder hochgehoben werden von Mama und Papa, oder sie können runterfallen, kaputt gehen und für Schimpfe von Mama und Papa sorgen... Oh, es läßt sich viel lernen, wenn man Sachen runterschmeißt! Sachen runterschmeißen ist der erste Schritt auf dem wissenschaftlichen Weg zur Weltherrschaft! :shine:

Aber empirisch war über viele Jahrhunderte auch erfahrbar, dass bestimmte Bereiche sich sehr schwer beherrschen lassen, dass die eigene Macht an Grenzen stößt, und zwar gerade dort, wo die Ängste so richtig gravierend werden: beispielsweise beim Sterben oder auch nur bei großen, existentiellen Bedrohungen (Natur-Katastophen, Krankheit, Verlust von geliebten Menschen).

Wie damit umgehen, wenn Oma stirbt und man da nix machen kann? Um mal aus dem Wikiartikel zum Thema zu zitieren:
Kontingenzbewältigung ist die Einschränkung des Risikos, enttäuscht zu werden. Das Risiko der Enttäuschung entsteht durch Ungewissheiten, für die man keine Erklärung hat. In der Kulturgeschichte des Menschen wurden dazu viele Strategien entwickelt, um die Welt berechenbarer zu gestalten. (...) „Religion ist Kontingenzbewältigungspraxis handlungssinntranszendenter Kontingenzen.“ Damit ist gemeint, dass Religion für die schlimmsten Abstürze des Lebens, den Tod, die Trennung nicht etwa Trost, sondern eine Form des Handelns bietet, die das Umgehen mit solchen Katastrophen überhaupt ermöglicht.

Das halte ich für einen wichtigen Gedanken, der zwar nicht darauf hinausläuft, dass die Glaubensinhalte der Religion korrekt sind, der aber den Erfolg der Religionen verständlicher macht: Religion ist eine Handlungsmethode! Und zwar eine, die augenscheinlich über die Jahrtausende bei vielen Leuten ziemlich erfolgreich war, bzw. für die sich keine überlegene, erfolgreichere Methode fand.
 
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Chiburi

Kampfhase
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hmm...

das verstehe ich nicht ganz:

Überführt man die wenn/dann Aussage, die die Beobachtungen sinnvoll beschreibt, in eine Kausalitätsaussage (in einen Satz mit „weil“), dann gewinnt er dadurch nicht mehr Sinn.

Ja, wenn man eine Ausage, ohne weitere Informationen hinzuzufügen (Ergänzen oder erläutern), oder Einschränkungen zu entfernen (verallgemeinern)in eine andere Art der Aussage überführt, gewinnt er dadurch nicht mehr Sinn. Aber gerade die Verallgemeinerung ist ja das große Ziel der Wissenschaft. Nicht mehr sagen zu müssen: Wenn ein roter Apfel.. wenn ein grüner Apfel.. aber nicht wenn ein gelber Apfel im Wasser.. und so weiter, sondern sagen zu können: Jeder freibewegliche Körper im Schwerefeld...

Aber um möglichst allgemeingültige Aussagen treffen zu können, ist ein "weil", ein Erkennen eines Musters und Ableitung von Vorhersagen zwingend notwendig. Nur Empirisch kommt man ja auf keinen grünen Zweig. Ob das Muster jetzt der allgültige Mechanismus hinter dem Universum ist, oder nur ein im für unsere Zwecke relevanten Bereich im Rahmen der Messungenauigkeit hinreichend genaue Vorhersagen erlaubt, finden wir erst heraus, wenn wir andere Bereiche betrachten oder betreten. Bis dahin kann es uns aber auch wurscht sein.

Es ist nicht klar, mit welchem Versuch wir die wenn/dann-Aussage als falsch und die weil-Aussage als die überlegene bewerten können.

Wir erzählen einer halben Schulklasse die "wenn-dann"-Korrelation, und der anderen unsere "weil"-Theorie, und beobachten dann, wer im späteren Leben mit der entsprechenden Materie besser zurechtkommt?

Nicht nur über Moral, auch über Kausalität lassen sich keine Sachaussagen treffen!

Postmodernistische Beliebigkeit. Auf die Spitze getrieben heißt das doch nur wieder: Wir wissen nicht, was die absolute Wahrheit/Realität ist, ob es sie gibt, und ob wir sie erkennen können, da ists auch wieder egal. Da setze ich mal ganz utilitaristisch entgegen, dass die Geschichtchen, die die Wissenschaft erzählt, um riesige Mengen an wenn-dann-Korrelationen merk- und handelbar zu verpacken zumindest für die von mir wahrgenommene Realität sehr viel hilfreicher ist als jene der Esoterik oder des Glaubens. Und weil ich den Gedanken, dass alles ganz anders, überhaupt nicht, oder beliebig ist verwirren finde, tue ich ganz einfach so, als wäre die von mir erlebte Realität real, und Logik gültig. Wäre sie es nicht, gäbe es auch keine Kausalität. Ohne Kausalität ist es aber sowohl egal was ich denke, als auch wie ich denke. Warum also nicht logisch.

Ist Sprache real? Natürlich dürfen wir das anzweifeln und uns in der restlichen Diskussion nur noch snpf btzlschlps.
Nur.. warum?
 

Chinasky

Dirty old man
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Postmodernistische Beliebigkeit. Auf die Spitze getrieben heißt das doch nur wieder: Wir wissen nicht, was die absolute Wahrheit/Realität ist, ob es sie gibt, und ob wir sie erkennen können, da ists auch wieder egal.

Na, spüre ich da etwa Ungeduld und Verärgerung? Postmodernistische Beliebigkeit? In was für eine Kategorie Argumente fällt das denn? :p Man kann freilich so verfahren: "Für mich funktioniert es und das ist die Hauptsache und Haarspaltereien stören nur den Betrieb, laßt mich in Ruhe mit sowas!"

Dennoch war der Ausgangspunkt der Diskussion die Wissenschaftsgläubigkeit und inwiefern die ein echtes Phänomen sei. Für mich wäre ein Indiz für das tatsächliche Vorliegen so eines Phänomens, wenn Wissenschaftler oder jene, die vorgeben, die Position der Wissenschaft zu vertreten, sich der üblichen falschen Argumente bedienen, die religiös Gläubige gern benutzen.

Du tust das in Deinem letzten Posting meiner Meinung nach, indem Du einmal Interesse als Argument anführst ("... da setze ich mal ganz utilitaristisch entgegen...") und einmal ein non-sequitur akzeptierst, obwohl Du wahrscheinlich sogar weißt, dass aus Korrelation keine Kausalität abzuleiten ist (weswegen Wissenschaftler auch den Begriff "Naturkonstante" dem Begriff "Naturgesetz" vorziehen).

Und als krönenden Abschluß kommt dann noch das hier:
Wir erzählen einer halben Schulklasse die "wenn-dann"-Korrelation, und der anderen unsere "weil"-Theorie, und beobachten dann, wer im späteren Leben mit der entsprechenden Materie besser zurechtkommt?

Wenn ich das als Argument überhaupt in Betracht ziehen könnte, würde ich folgendermaßen antworten: "Im alltäglichen Leben kommen die Vergleichsgruppen wahrscheinlich gleich gut zurecht. Wenn es aber darum geht, neue Erkenntnisse über Extrembereiche zu erarbeiten, wird die "Wenn-dann"-Grupppe den Vorzug haben, nicht dogmatisch an ein Naturgesetz zu glauben, wo nur eine Korrelation beschreibbar ist." Analog schwebt mir da Einstein vor, der sich nicht daran störte, dass seine Berechnungen kontra-intuitive Ergebnisse hervorbrachten und der deswegen über die Newtonsche Mechanik hinauszudenken imstande war.

Kausalität als eine unhinterfragbare Gegebenheit hinzunehmen, halte ich für eine nicht sehr offene Geisteshaltung. Das mag aber auch daran liegen, dass sie für mich schon seit Jahren keine Selbstevidenz besitzt, sondern ich sie als Anschauungsform verstehe, letztlich als Hirnfunktion, die es uns ermöglicht, wenn-dann-Korrelationen ökonomischer innerhalb unseres Denkens zu verwalten.


edit:
Ist Sprache real? Natürlich dürfen wir das anzweifeln und uns in der restlichen Diskussion nur noch snpf btzlschlps.

Es geht nicht darum, Sprache zu diskreditieren, sondern darum, herauszufinden, was die Möglichkeiten und die Grenzen von Sprache sind. Wenn wir einen beliebigen Gegenstand untersuchen und bei der Untersuchung nicht vorankommen - und wenn das daran liegt, dass unsere Sprache an irgendeiner Stelle limitiert ist, dann hilft es möglicherweise, diese Stelle zu kennen.

Wittgenstein war ja nun nicht einer, der was gegen sprachlichen Austausch gehabt hätte. Sondern er beschäftigte sich intensiv und ganz bestimmt redlich mit der Frage: Was kann gesagt werden und was kann nicht gesagt werden? Deine snpf btzlschlps-Polemik überzeugt mich deswegen nicht viel mehr als das Uhrmacher-Argument der Kreationisten, welches auf die Lächerlichmachung der gegnerischen Position abzielt, indem es deren Kernargumente entweder nicht versteht oder so tut, als wäre deren Kontraintuivität schon gleich die Widerlegung.
 
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Turjan

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@Mindriel: Da wirfst Du gerade das Kind mit dem Badewasser raus. Das hat nichts mit Autoritaetsglaeubigkeit zu tun. Darauf, dass auch Wissenschaftler laufend Fehler machen, habe ich hingewiesen. Es ist trotzdem statistisch wahrscheinlicher, dass Du eine sinnvolle Aussage zu etwas von Leuten bekommst, die von der Materie Ahnung haben, als solchen, die das nicht tun. Eine gewisse Skepsis ist immer angebracht, und man sollte den eigenen Verstand nicht einfach abschalten, vor allem, wenn es um einen selbst geht. Wenn das aber in Richtung Generalverweigerung geht, weil ja alles Luege ist, dann haut man sich selbst in die Pfanne.

Die Defizite der Schulmedizin liegen hauptsaechlich im menschlichen Bereich, nicht in der "boesen Chemie" oder der "Raffgier der Pharmaindustrie". Im Gegensatz zu homoeopathischen Mitteln tun deren Mittelchen im allgemeinen was.


@Hank: Aus einer "wenn/dann"-Beziehung wird in der Naturwissenschaft immer dann ein Gesetz, wenn diese Beziehung empirisch als verlaesslich erwiesen ist. Dabei ist ein naturwissenschaftliches Gesetz immer auf einen sehr engen Bereich und genau bestimmte Umstaende definiert, ist also in seiner Aussage sehr beschraenkt. Irgendwelche Erklaerungen liefert es nicht.

Weshalb ich jetzt mal annehme, dass es Dir bei dem Begriff "Naturgesetz" nicht um eine naturwissenschaftliches Gesetz geht.
 
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Chinasky

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@Turjan: Da bin ich mit meinem Latein am Ende. Wie wird ein naturwissenschaftliches Gesetz definiert? Gibt es da eine anerkannte Definition, welche auf die Unterschiede zum sog. Naturgesetz eingeht? Ich ahne, dass dies:

Dabei ist ein naturwissenschaftliches Gesetz immer auf einen sehr engen Bereich und genau bestimmte Umstaende definiert, ist also in seiner Aussage sehr beschraenkt.

der wesentliche Punkt ist, der Bezug auf die genau bestimmten Umstände sozusagen den "Gültigkeitsbereich" des naturwissenschaftlichen Gesetzes begrenzt. Während beim Naturgesetz dieser Bereich gewissermaßen unbegrenzt ist und mit "der Realität" identifiziert wird.

Dass man irgendwelche "Gesetze" oder Gesetzmäßigkeiten braucht, um auf wissenschaftlicher Ebene überhaupt miteinander kommunizieren zu können, ist mir schon klar, und ich vermute, dass Chiburi darauf hinaus wollte. Nur sollte man sich eben dessen bewußt sein, dass es sich hierbei um Kommunikationswerkzeuge, nicht um per se existierende "Dinge" handelt. Ein Muster ist ja auch nur dort existent, wo wir es erkennen (zu erkennen meinen) und eine Regel im Sinne eines naturwissenschaftlichen Gesetzes (falls ich Dich richtig verstanden habe) ist eben "nur" eine Verallgemeinerung der bisher erhobenen empirischen Befunde, Stichwort Induktion.
 

Turjan

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Nimm als Beispiel das ohmsche Gesetz. Kopiert man der Einfachheit halber von Wikipedia:
Wird an ein Objekt eine elektrische Spannung angelegt, so verändert sich der hindurchfließende elektrische Strom in seiner Stärke proportional zur Spannung.
Oder anders formuliert:
Der als Quotient aus Spannung und Stromstärke definierte elektrische Widerstand ist konstant, also unabhängig von Spannung und Stromstärke.
  • Die Aussage ist auf einen engen Bereich begrenzt, da hier nur drei klar definierte Groessen (Spannung, Stromstaerke, Widerstand) behandelt werden.
  • Die Aussage haengt auch von klar definierten Bedingungen ab, ist also keineswegs allgemeingueltig, z.B., dass das Objekt ein Metall ist und dass die Temperatur bei der Messung konstant bleibt.
  • Typisch fuer ein naturwissenschaftliches Gesetz ist auch, dass man es durch eine mathematische Formel ausdruecken kann, hier U/I = const. =: R (Der Quotient aus Spannung und Strom ist konstant und definiert den elektrischen Widerstand).
D.h., solche Gesetze helfen uns weder dabei, herauszufinden, was ein gerechter Einstommenssteuersatz ist oder wie es im Jenseits aussieht, geschweige denn ob das existiert. Es gilt ja nicht mal fuer Deine Kaffeetasse, oder auch fuer "reale" Bedingungen, wo die Temperatur meist mit dem Strom ansteigt, nur eingeschraenkt. Das Gesetz sagt Dir nicht einmal, warum es so ist wie es ist oder wie die "Natur" dahinter aussieht. Es beschreibt lediglich eine verlaesslich zu machende Beobachtung. Es ist nichtsdestotrotz ganz nuetzlich zu kennen, wenn man professionell mit Elektrizitaet hantiert.
 
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Falk

ChickenWizzardwing
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Beim Durchlesen euer Beiträge habe ich das Gefühl, dass ihr euch in eurer Meinung sehr einig seid und nur noch über den richtigen Fachterminus diskutiert. So waren sich Hank und Veldryn bereits in Beitrag #415 darüber einig, dass Vertrauen vielleicht das bessere Wort als Glaube ist. Was aber nichts macht, da die folgende Diskussion sehr interessant zu Lesen war! :)

Ähnliches wird auch in der Diskussion Turjan/Mindriel deutlich. Ideal wäre es natürlich, wenn wir jede Aussage im Alltag wissenschaftlich überprüfen könnten, leider haben wir nicht in jeder Lage das entsprechende Expertenwissen, die Zeit oder beides. Somit muss man gewisse Aussagen von Experten manchmal akzeptieren. Das kann man jetzt Glaube oder Vertrauen nennen, ich bevorzuge aber letzteres (siehe Veldryns Aussagen).

@Turjan:
Die Defizite der Schulmedizin liegen hauptsaechlich im menschlichen Bereich, nicht in der "boesen Chemie" oder der "Raffgier der Pharmaindustrie".

Insgesamt Zustimmung. Zu gut sollte die Pharmaindustrie aber nicht wegkommen. Denn das Big Pharma die menschliche Schwäche im System gezielt für eigene Zwecke nutzt, wird immer wieder deutlich. ;)
 

Ysrthgrathe

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@Chinasky
Kausalität als eine unhinterfragbare Gegebenheit hinzunehmen, halte ich für eine nicht sehr offene Geisteshaltung.
Nota bene! : Nicht nur über Moral, auch über Kausalität lassen sich keine Sachaussagen treffen! Das ist, wie ich finde, ein ziemlich heftiger Tritt in den Unterleib eines fröhlich-optimistischen Naturalismus...

Wenn die Konjunktion "weil" aufgegeben werden muß, kommen wir bei der Formulierung von naturwissenschaftlichen Theorien, oder genauer: bei unseren Vorstellungen davon, was naturwissenschaftliche Modelle abbilden, doch ein wenig in die Bredouille, oder?
Nein, da gibt es überhaupt kein Problem.
Die Naturwissenschaft kann die Welt nur beschreiben. Sie liefert also nur Antworten auf "Wie", die Frage nach dem letztendlichen "Warum" muss unbeantwortet bleiben.

Betrachten wir einmal die Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik:
Die Gleichungen erklären ihre Bestandteile nicht. Sie erklären nicht, warum die räumliche Änderung des Magnetfeldes und die zeitliche Änderung des elektrischen Feldes immer zusammen auftreten.
Man kann sie aber für zweierlei Dinge verwenden:
1) Um Beobachtungen nachzuvollziehen: Wenn man beobachtet, dass eine Kompassnadel in der Nähe eines stromdurchflossenen Drahtes sich bewegt, dann kann ich das aus den Maxwellgleichungen heraus verstehen.
2) Um Vorhersagen zu machen: Wenn man weiß, dass heute Mittag die Felder so und so und die elektrische Ladungen und Ströme so und so verteilt waren, dann kann ich ausrechnen (zumindest im Prinzip) wie das Feld heute Abend aussehen muss.

Die Gleichungen sind damit eigentlich nicht "kausal".
Verursacht eine zeitliche Änderung des Magnetfelds eine räumliche Änderung im elektrischen Feld? Oder verursachte umgekehrt die räumliche Änderung im elektrischen Feld eine zeitliche Änderung des Magnetfeldes? Zwischen beidem steht mathematisch ein Gleichheitszeichen.
Die beiden treten immer zusammen auf – Ursache und Wirkung lassen sich nicht wirklich trennen. Wenn ich natürlich die Änderung des Magnetfeldes weiß, dann kann ich die Rotation des elektrischen Feldes ausrechnen, aber umgekehrt geht es genauso. Was "Ursache" und was "Wirkung" ist, ist also eine Frage dessen, was ich wissen will, die Gleichungen sagen dazu nichts.

Egal wie weit unsere Theorien fortschreiten, die fundamentalste Theorie in der Physik kann niemals kausal erklärend sein, sie kann keine “Warum”-Fragen beantworten. Egal wie sie aussieht, ihr Inhalt wird durch Gleichungen beschrieben werden.

Oder um die Wikipedia zu zitieren, da ich es auch nicht besser ausdrücken kann:

Kausalität wird oft auch als das Prinzip von Ursache und Wirkung bezeichnet. In diesem Sinne wird es von vielen Physikern weniger als Naturgesetz sondern als Interpretation des Geschehens angesehen, da es keine exakte Vorschrift gibt, wie sich eine bestimmte Ursache und die zugehörige Wirkung räumlich und zeitlich abgrenzen lassen. Letztlich werden in der Physik Vorgänge der Natur erschöpfend durch Lösungen von mathematischen Gleichungen beschrieben.
Eine Notwendigkeit, Teilbereiche dieser Lösungen als Ursachen und als Wirkungen zu bezeichnen, besteht letztlich nicht, sondern dient lediglich zur Veranschaulichung und zum besseren Verständnis.


Das ist übrigens für die Physiker keine irgendwie neue Idee.
Schon 1912 hat der Mathematiker Bertrand Russell (das ist der mit den berühmten Principia Mathematica) in "Probleme der Philosophie" festgestellt, dass seiner Meinung nach in den fundamentalen Theorien der Physik des zwanzigsten Jahrhunderts von Kausalität keine Rede mehr sein kann.
Russell legt dar, dass er damit nicht sagen will, dass die gängigen Kausalaussagen falsch sind.
Kausalaussagen wie "Die Schmerztablette bewirkt, dass die Kopfschmerzen verschwinden" sind wahr.
Russell stellt aber klar, dass wenn wir bis auf die Ebene der fundamentalen physikalischen Theorien hinuntergehen, Kausalaussagen wie die genannte wahr sind aufgrund von etwas, das selbst keine Ursache-Wirkungs-Beziehung ist.

vertrittst Du ein grundsätzlich deterministisches Weltbild, bei dem die empirische Wissenschaft nur aus quantitativen Gründen an Grenzen stößt, aber prinzipiell immer das Mittel der Wahl ist, um Erkenntnisse zu generieren? Oder vertrittst Du ein grundsätzlich indeterministisches Weltbild, bei dem die empirische Wissenschaft nur generell das Mittel der Wahl ist mangels einer besseren Methode?
Ich glaube, du verwechselst da etwas. Ob die Welt grundlegend deterministisch oder indeterministisch ist hat erst einmal überhaupt nichts damit zu tun, ob sie mathematisch formulierbaren Gesetzmäßigkeiten folgt oder nicht.
Wir wissen zum Beispiel nicht, ob die Quantenmechanik deterministisch oder indeterministisch ist. Dabei geht es aber um die Interpretation der mathematischen Formeln, nicht um diese Formeln selbst. Diese Formeln erlauben nämlich keine eindeutigen Aussagen über die Realität selbst sondern schränken nur ein, welche Konzepte wie Determinismus usw. gleichzeitig erfüllt sein können.
(Da geht es zum Beispiel um die berühmten <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung">Bellschen Ungleichungen</a>, das hat man vielleicht schon einmal gehört. Und <a href="http://en.wikipedia.org/wiki/Interpretations_of_quantum_mechanics#Comparison_of_interpretations">hier gibt es eine Tabelle</a> für die verschiedenen Interpretationen. Wie man sieht, gibt es auch Interpretationen, die bezüglich des Determinismus "agnostisch" sind.

Die Standardlösung dieses philosophischen Problems stammt übrigens von Feynman und lautet: "Shut up and calculate!". :D )

Für die Methode der Empirik spielt es aber doch überhaupt keine Rolle, ob die gefundenen Gesetze, die nur Wahrscheinlichkeitsaussagen liefern können, auf echtem Zufall beruhen oder ob sie doch grundlegend deterministisch sind, aber etwa "verborgene Parameter" existieren, die man prinzipiell nicht messen kann.

Es geht nicht darum, Sprache zu diskreditieren, sondern darum, herauszufinden, was die Möglichkeiten und die Grenzen von Sprache sind. Wenn wir einen beliebigen Gegenstand untersuchen und bei der Untersuchung nicht vorankommen - und wenn das daran liegt, dass unsere Sprache an irgendeiner Stelle limitiert ist, dann hilft es möglicherweise, diese Stelle zu kennen.
Na ja, wir wissen doch schon lange, dass die Sprache der Naturwissenschaft die Mathematik ist und dass man mit der menschlichen Sprache, die aus Interaktion mit unserer Alltagsumwelt entstand, nicht weit kommt. Das tolle an der Mathematik ist es ja gerade, dass man Dinge beschreiben kann, die sich unserer Erfahrung völlig entziehen.

Die grundlegende Frage, die sich demnach stellt, lautet: Warum sollte die Logik gültig sein?
Wenn etwas einer Logik folgt, lässt es sich in der Sprache der Mathematik beschreiben.
Und die mathematische Beschreibung der Natur hat bisher immer und ohne Ausnahme funktioniert. Das ist also ebenfalls ein empirischer Befund.
Oder in der Langversion (lesenswert!):
<a href="http://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/08/15/ist-die-natur-mathematisch/">Ist die Natur mathematisch?</a>

weswegen Wissenschaftler auch den Begriff "Naturkonstante" dem Begriff "Naturgesetz" vorziehen)
Nö. Eine Naturkonstante ist zum Beispiel der genaue Wert der Elementarladung. In der Physik gilt: Ein physikalisches Gesetz beschreibt (meist in mathematischer Form) Zustände und deren Änderungen eines physikalischen Systems mittels messbarer, eindeutig definierter physikalischer Größen (Parameter, Variablen).

Wir kennen die Grenzen der Logik: sie enden unseres Wissens an der Singularität (des Urknalls). Was jenseits des Ereignishorizonts liegt, wissen wir nicht, darüber, dass auch jenseits von ihm die Logik noch Gültigkeit habe, kann nur spekuliert werden.
Na ja, da stimmt auch nicht, das Standardmodell der Kosmologie beruht mittlerweile auf dem Modell der ewigen Inflation (Eternal inflation). Da gibt es dann eine Art ewiges "Hintergrunduniversum", in dem unser Universum eine von vielen "Blasen" darstellt. Diese Aussage kann dann durchaus überprüft werden, etwa über die genaue Beobachtung von primordialen Gravitationswellen. (War ja mit der Sache rund um BICEP2 erst kürzlich in den Medien. Hat sich nur leider als Messfehler herausgestellt.)
Es ist also sehr fraglich, ob es wirklich eine Grenze der Logik gibt.
 
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Turjan

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@Falk: Klar. Dass die Pharmavertreter auch viel ueberfluessiges Zeug und hin und wieder mal unwirksame Mittel auf den Markt bringen wollen, ist klar. Die wollen ja schliesslich Gewinne machen. Zumindest kommt Unwirksamkeit im allgemeinen irgendwann heraus.

Aber dafuer ist ja auch gerade die homoeopathische Branche ein gutes Beispiel, die mit vollkommen unwirksamen Praeparaten und maerchenhaften Gewinnspannen (das Zeug kostet in der Herstellung ja nichts) da den Vogel abschiesst.
 

Chinasky

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@ Ysrthgrathe: Danke! Da hab ich erstmal was zum Lesen und Nachdenken!:eek: :up:
 

Rink

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@Turjan Es ist trotzdem statistisch wahrscheinlicher, dass Du eine sinnvolle Aussage zu etwas von Leuten bekommst, die von der Materie Ahnung haben, als solchen, die das nicht tun.

die Frage ist heutzutage doch, wie jemand die Glaubwürdigkeit von Aussagen einschätzen kann. Klar glaubt man in Studien dem Typen im weissen Kittel am TV eher, als dem Obdachlosen an der Strassenecke, aber in beiden Versionen übernimmt man relativ undifferenziert und ohne die Aussage selber auf Wahrheit zu überprüfen. Und das ist aus meiner Sicht schon ein problematischer Effekt, welcher man in Wissenschaft und Glauben findet.
Hat man nun mehrere solcher Quellen mit konträren Aussagen, wird es für Normalsterbliche sehr rasch schwierig, rauszufinden, welche Quelle nun "vertrauenswürdiger" ist. Wie weisst du, wer von etwas (mit hoher Wahrscheinlichkeit) Ahnung hat und wer weniger, wenn man nun vorraussetzt, dass man Wissen effektiv ohne Prüfung übernehmen muss?

Neben diesem "logischen" Aspekt: für was entscheidet man sich in diesem Wahrscheinlichkeitswirrwar wenn äussere logische Argumente auf innere emotionale Einstellungen treffen? So wird sich eine Mutter beim eigenen Kind tendentiell eher gegen ein potentielles akutes Risiko entscheiden, selbst wenn es eine langfristig positive Wirkung haben könnte. Das ist aus meiner Sicht auch der Effekt bei manchen Impfgegnern.

Pharmaindustrie: Momentan haben Medikamente keine Wirksamkeitswahrscheinlichkeit auf der Verpackung, obwohl die Wirksamkeit stark variiert. Wäre wohl aber auch schwierig, weil ein Nachweis bedingt natürlich unabhängige Studien über die Wirksamkeit (diese werden zur Zeit oft von den Pharmafirmen selber veranlasst). Homöopathie ist ausgewiesen, man weiss also, dass man nur gegenüber keiner Behandlung einen positiven Effekt erwarten kann und kann solche Medikamente vermeiden, wenn man sie nicht möchte.
 
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Turjan

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@Rink: Was Du da machst, ist eine Umkehrung der Realitaet. Die gleichen Studien, die die Homoeopathie untersucht haben, haben der Schulmedizin eine sehr gute Wirksamkeit bescheinigt, der Homoeopathie aber gar keine, also Null Wirkung. "Wirkung nicht ueber den Placebo hinaus" bedeutet, auf gut Deutsch uebersetzt, "keine Wirkung". Die Wirkung liegt erwiesenermassen nicht im homoeopathischen Medikament. Wenn Du also ein homoeopathisches Mittel kaufst, weisst Du, dass es nicht wirkt. Da es keinerlei Wirkung hat, hat es auch keine Nebenwirkungen, bravo. Allerdings ist ein Bonbon billiger.

Was die Wirksamkeit schulmedizinischer Behandlungen angeht, bist Du auch nicht nur auf ein Vertrauen auf die Aussagen des Arztes angewiesen. Das Internet gibt Dir genug Recherche-Moeglichkeiten an die Hand. Englischsprachige Studien sind oft genug auch nicht hinter Bezahlbarrieren versteckt. Das NIH hat z.B. hat sehr gute Fact Sheets zu vielen Medikamenten, wo man sich sehr gut ueber diese informieren kann.

Wenn ich mir Deine Aussagen so anschaue, scheint das wahre Problem eher der psychologische Umgang mit statistischen Wahrscheinlichkeiten zu sein, die Angst, zu den Prozenten zu gehoeren, wo das Medikament nicht wirkt oder eine unangenehme Nebenwirkung hat. Bei schulmedizinischen Medikamenten ist, ausser bei sehr neuen Praeparaten, im allgemeinen sehr gut bekannt, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie wirken. Einen Satz von Dir wie "man weiss also, dass man nur gegenüber keiner Behandlung einen positiven Effekt erwarten kann", muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wie waer's, stattdessen ein tatsaechlich wirksames Medikament zu nehmen und mit dem positiven Effekt einer aktiven Zuwendung zu verbinden?

Das ist die Rationialisierung einer Angst-Kultur, der Angst davor, irgendetwas zu tun, das tatsaechliche Wirkung hat, weil man Angst vor dieser Wirkung hat. Das scheint mir auch die wahre Attraktivitaet der Homoeopathie zu sein: da sie nicht wirkt, kann sie auch nicht schaden. Also, mal wieder elegant einer tatsaechlichen Entscheidung aus dem Weg gegangen. Oder vielleicht doch schlicht die innere Realisierung, dass dieses Wehwehchen eh keiner Behandlung bedurft haette und man gerade nur ein Seelenpflaster braucht.
 
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Rink

Strassenköter
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@Turjan, der Placeboeffekt ist wissenschaftlich belegt. Wenn man also ein Placebo nimmt statt keiner Therapie, so ist das wissenschaftlich gesehen die wirksamere Methode. Das ist die Realität. Dort steht zu diesem Zwecke eben die Homöopathie im Arztregal und nicht ein Bonbon.
Natürlich haben schulmedizinische Methoden gegenüber homöopathischen Mitteln einen Wirksamkeitsvorteil, falls es denn ein schulmedzinisches Mittel zu diesem Zweck gibt; falls es das nicht gibt, oder es sich um eine Bagatelle handelt, welche der Arzt gar nicht behandeln würde, so ist Homöopathie eine günstigere Alternative, die aus meiner Sicht ihren Platz in einer von Hypochondern geprägten Gesellschaft durchaus hat.

Ich spreche hier in meinen Aussagen übrigens nicht von mir. Ich versuche zu erörtern, warum diese von euch hier diskutierten Probleme in der Bevölkerung auftreten und versuche aufzuzeigen, dass wir alle zu einem gewissen Masse diesen Problemen unterliegen. Ich habe immer noch keine klare Aussage von Dir, wie Du die Glaubwürdigkeit einer Quelle im Alltag prüfst z.B., wie Du Wissenschaftlichkeit genau identifizierst, geschweige denn, wie das die vielleicht weniger wissenschaftlich verankerten Bevölkerungsteile (welche englische hochwissenschaftliche Dokumente vielleicht nicht verstehen) tun sollen.

Bezüglich Studien und dass heute genau bekannt sei, welche Wahrscheinlichkeiten Medikamente für eine Wirkung genau hätten. Das sehen Ärzte in meinem Umfeld anders. Medikamente erhalten ihre Zulassung idR durch Studien, welche die Pharmafirmen selber in Auftrag gegeben haben. Da haben wir Problematiken wie diese: Studien-Fälschungen, weil es keine neutrale Stelle ist, welche diese Studien durchführt. Nach einer Zulassung werden wie du sagtest, oft Informationen über Wirksamkeit gesammelt, diese müssen aber zeitnah den Weg zu behandelnden Ärzten oder zur Normalbevölkerung finden, was sich als schwierig erweist. Und gibt Dir der Arzt wenn er Dir ein Medikament verschreibt wirklich eine genaue Angabe über Wirkungswahrscheinlichkeit und Effektgrösse?

Ich habe mal ein Beispiel gesucht auf Deiner NiH-Seite. Kannst Du mir sagen, wo ich nun genau die Wirkungswahrscheinlichkeit und Effektgrösse von Ritalin zur Behandlung von ADD finde?
Ich finde hier gibt es Nachholbedarf.
 

Adriana

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falls es das nicht gibt, oder es sich um eine Bagatelle handelt, welche der Arzt gar nicht behandeln würde, so ist Homöopathie eine günstigere Alternative, die aus meiner Sicht ihren Platz in einer von Hypochondern geprägten Gesellschaft durchaus hat.

Vielleicht ist die Gesellschaft aber auch mittlerweile von Hypochondern geprägt, weil einem z.B. in der Werbung andauernd gesagt wird, dass man wegen jeder Kleinigkeit sofort Medikamente braucht? Dieses ganze Konzept von "einfach mal aussitzen" scheint ja doch ein bisschen verloren gegangen zu sein.
Und ja, das hängt vermutlich auch an ganz anderen Problemen, wie Angst vor Fehltagen auf der Arbeit wegen Kündigungen. Aber das wird dann zu Off-Topic.

Und es ist definitiv nicht in Ordnung, wenn solche Ängste dann von wem auch immer ausgenutzt werden, um Homöopathie zu verkaufen. Denn auch wenn es vergleichsweise günstig verkauft wird, kommen da ganz schöne Gewinne bei rum. Und sollte ich jemals einen von den Leuten treffen, die für die "wissenschaftlich bewiesen!"-These in Homöopathie-Werbung verantwortlich sind, werde ich dieser Person höchstpersönlich ein Standartwerk zum Erstellen und Interpretieren von wissenschaftlichen Studien um die Ohren hauen.
Die Mehrheit aller Benutzer dieser Mittel weiß ja leider meistens nicht, dass es nicht besser wirkt als ein Placebo und die These: "Wirksamkeit bewiesen" damit im Prinzip eine Lüge ist. Denn soweit ich weiß, kann man von Wirksamkeit erst dann sprechen, wenn eine bessere Wirkung als mit einer reinen Placebo-Behandlung fest zu stellen ist.
 
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Veldryn

Strauchdiebin
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@Rink: Das Problem an Placebo-Behandlung ist, dass man im Falle der Homöpathie die Leute darüber anlügt und ihnen Wirksamkeit über Placebo hinaus vorgaukelt. Das ist nicht nur unethisch, sondern kann auch gefährlich werden. Beispiele aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung hatte ich ja da schon zur Genüge in vergangenen Homöopathie-Diskussionen beigesteuert. Vielleicht noch ein neues, aktuelles - der eigentlich noch junge (ca. 60 Jahre) Ehemann einer Stammkundin von uns starb an jahrelanger unzureichender, um nicht zu sagen, Nicht-Therapie des Bluthochdrucks. Behandelt wurde ausschließlich homöopathisch. Effekt war natürlich nahe 0 (Placebo-Effekt ist in der Blutdrucktherapie eben recht gering), Patient brach auf einem harmlosen Spaziergang zusammen und starb, noch bevor er im Krankenhaus ankam, an Herzversagen. Klar, man könnte behaupten, das wäre auch mit eingestelltem Blutdruck passiert - aber die Wahrscheinlichkeit dafür wäre weit geringer. Jahrelanger unbehandelter Bluthochdruck führt bekannter Maßen mit hohen Wahrscheinlichkeiten zu KHK, Herzinfarkt und/oder Herzinsuffizienz, die medizinischen Zusammenhänge sind bestens erforscht und bekannt.
So unnötig, so ein früher Tod für einen sonst gesunden Mann.

Und daher finde ich Aufklärung diesbezüglich auch so wichtig. Wenn man Leuten, die sich mit Medizin oder Wissenschaft generell nicht auskennen, vor 2 Optionen stellt: a) Behandlung mit "Chemie" (wird als logisch, kalt, unnatürlich betrachtet) oder b) Behandlung mit "Naturheilmitteln" (Homöopathie hat nichts mit Naturheilkunde zu tun, wird aber immer wieder gern als solche verkauft und beworben), dann gibt es leider immer genug Leute, die sich aufgrund emotionaler Gründe, die sie selber meist nicht einmal als emotional erkennen, lieber Option b) wählen. Wenn die Wahrheit über die Homöopathie sich endlich mal weltweit durchsetzen würde, aller Lobbyisten und Esoterik-Fans zum Trotz, gäbe es eben Option b) gar nicht. So wie es heute auch andere alte, überholte Behandlungsoptionen nicht mehr gibt (Aderlassen bis zur Anämie, Schwermetall-Vergiftungen als Therapie zum Beispiel). Homöopathie mag auf ersten Blick zumindest mal "nicht schaden", anders als besagte Schwermetall-Therapien aus Hahnemanns Zeiten, aber die Gefahren sind definitiv da. Und hier ist eben die Wissenschaft das einzige probate Mittel, um wirksame und unwirksame oder sogar schädliche Therapien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voneinander zu unterscheiden.

@Y: Danke für deine tollen Ausführungen! Das erspart mir vollkommen, eine Antwort an Hank zu verfassen, was ich eigentlich vorhatte. Du hast alles gesagt was ich sagen wollte und noch einiges interessantes darüber hinaus. :)
 
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Mirya

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Ist diese Diskussion hier jetzt eigentlich aufgrund meiner kleinen, harmlosen Frage entstanden? :wunder:
Zum Thema ein TV-Tipp: Heute bei hart aber Fair um 21.00 Uhr im Ersten: Von Impfgegnern bis Geistheilern - alles nur Aberglaube?
Ich hoffe mal, das ergibt kein "Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen" sondern es wird ganz klar Stellung für das Impfen bezogen... die Liste der Teilnehmer lässt aber auch anderes befürchten. Geklaut beim kinderdoc, ein Blog, den ich regelmäßig lese. Oder das ich regelmäßg lese. Wie auch immer.
 
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David

Moderner Nomade
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Ich weiß nicht obs um dieselbe Talkshow ging, aber vor einiger Zeit gab es sowas wohl schonmal, und nach den Kommentaren die ich dazu am nächsten Tag (SPON/SZ) gelesen habe (die Sendung selber hatte ich nicht gesehen), soll der Moderator damals wohl sogar ziemlich eindeutig Stellung zugunsten der "Alternativen" bezogen haben.. :(
(Vielleicht auch wieder nach bekannten Muster wegen eines fehlverstanden "Ausgleichs" zwischen beiden Positionen ? )
 
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