Politik, 5. Staffel

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Diarmuid

Priester des Kekses
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Beim zweiten Mal wußten die Bürger schon, was sie da bekommen. Aber Schröder hat es verstanden, die Wähl mit seiner Friedenspolitik zu ködern (und einer gewissen Überschwemmung).

Das spielte eine Rolle aber ich z.B. habe damals ( mit Bauchschmerzen )Schröder gewählt, damit nicht Stoiber Kanzler wird - und da war ich wohl kaum der einzige.

@Mondragor: Tja, was Merkel angeht hast Du vollkommen recht - die macht gar nichts. Was aber anscheinend der Grund für ihre Popularität ist. Offensichtlich glauben die Leute, dass man Kanzler behandeln sollte wie Schiedsrichter - bei den guten merkt man nicht, dass sie da sind...:rolleyes:

Die "Umwelt - Kanzlerin" finde ich besonders lustig. Da haben viele vergessen dass Frau Merkel unter Helmut Kohl mal Umweltministerin war und als solche gar nichts bewirkt hat...

Meiner Meinung nach wäre eine "Mischwirtschaft" sinnvoll, in der Dinge wie Energieversorgung, Wasserversorgung, Öffentliche Verkehrsmittel, etc in staatlicher Hand sind, also die komplette Daseinsvorsorge.

Sehe ich ähnlich.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Ach ja stimmt, ein besonders lächerlicher Gegner kam hinzu. Stoiber mit seinem "Kompetenzteam". Das ich damals immer als Inkontinuenzteam bezeichnet habe ... Stoiber hat aber immerhin nominell noch mehr Stimmen bekommen als später Merkel.

Die nächste Wahl wird ja auch wieder so eine Katastrophe. Da haben wir die Auswahl zwischen Merkel und Steinmeier.

P.s.: Alle kriegen 10 Euro mehr Kindergeld. Bis auf Hartz IV Empfänger. Weil, die haben ja im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung zuviel Geld. Verkehrte Welt, das.
 
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Mynora

Teufelchen
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Ein Grund, weshalb so viele Unternehmen, also Telekommunikation, Post und Bahn immer weiter privatisiert werden, ist der Mangel an Flexibilität und Sparbereitschaft bei staatlichen Unternehmen. Wenn es wirklich einen Wettbewerb gibt, dann wird es billiger, als wenn der Staat sich alleine um die Aufgabe kümmert.

Eigentlich ist das vollkommen unlogisch, denn wenn man sich um alles kümmern kann, dann sollte man ja auch viel billiger sein können. Aber es fehlt der Druck, dann auch wirklich billiger zu werden. Natürlich geht dieser Druck teilweise zu Lasten der Mitarbeiter, allerdings werden oft auch wirklich nötige Sparmaßnahmen unterlassen, da das Geld ja eh kommt.

Ich bin ja auch der Meinung, dass bei den grundlegend wichtigen Dingen der Staat auf keinen Fall jede Kontrolle abgeben sollte, aber ein kleiner Wettbewerb nützt wirklich allen. Solange es dann nicht übertrieben wird, sonst passiert bei den Stromkonzernen noch so ein Zusammenbruch wie jetzt bei den Banken, und dann stehen wir im Dunkeln :D.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Das ist die übliche Propaganda, die du da wiedergibst. Hat mit der Praxis schon normalerweise rein gar nichts zu tun. Ein Unternehmen, das auf Gewinnmaximierung aus ist, wird mit Sicherheit die Preise nicht senken oder die Leistung verbessern, wenn es ein Monopol oder eine markbeherrschende Position innehat. Die Energiekonzerne in Deutschland sind da z.B. ein gutes Beispiel.

Und in diesem Falle insbesondere hast du dich sogar offensichtlich überhaupt nicht informiert. Selbst Industrieverbände und Wirtschaftsmagazine sind unisono gegen die Privatisierung der Bahn, obwohl die normalerweise Privatisierungen aus offensichtlichen Gründen befürworten. Warum ? Weil die Bahn durch die Privatisierung alles wird, aber ganz bestimmt nicht besser.

- Selten benutzte Strecken werden stillgelegt. Abgelegene Ortschaften haben also keine Anbindung mehr.
- Selten benutzte Verbindungszeiten werden genauso gestrichen.
- Wie sich schon jetzt ankündigt, wird die Qualität der Züge und wohl auch bald der Gleise sinken, d.h. es sind z.B. mehr Unglücke wegen Materialmängel zu erwarten.
- Wie sich ebenfalls ankündigt, werden soziale Spezialgruppen, wie z.B. minderjährige Kinder, nicht mehr sonderbehandelt. Da werden mal eben 12 bis 14 jährige irgendwo im Nirgendwo spätabends aus dem Zug geworfen, weil sie keinen gültigen Fahrschein haben, weil die Schaffner für solche Maßnahmen extra bezahlt werden. Wie inzwischen schon vier mal passiert ist (und vermutlich in Wahrheit noch öfter, denn nicht jeder dieser Fälle wird natürlich publik).
- Allgemein werden alle Maßnahmen, die der Allgemeinheit dienen, aber nicht dem maximalen Unternehmensgewinn, gestrichen.

Außerdem die üblichen Vorgänge bei solchen Gelegenheiten:

- Arbeitszeiten verlängern sich, Gehälter werden kurzgehalten, Personal wird entlassen.
- Wann immer möglich, werden Aufgaben in Billiglohnländer verlegt.
- Entsprechend sinkt die Mitarbeitermotivation.
- Die Preise steigen (Gewinnmaximierung bei Monopol - die Preise steigen so sicher wie das Amen in der Kirche, außer der Investor hat einen guten Grund, das nicht zu tun)
- Ein privates Unternehmen kann natürlich schlicht und ergreifend pleite gehen. Das kann einem Staatsunternehmen nicht passieren, außer der ganze Staat geht pleite.
- Natürlich sinken auch hier die Kosten nicht. Im Gegenteil, wir können sicher sein, das auch hier mal wieder der Staat draufzahlen darf.

Das ist die Praxis von Privatisierungen. Die Allgemeinheit hat nichts davon und zahlt immer fleißig drauf.
 

Caswallon

Chronist
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"...wenn es ein Monopol oder eine markbeherrschende Position innehat..."
Aber das ist doch der springende Punkt. Mynora hat geschrieben "wenn es wirklich einen Wettbewerb gibt".

Bei einem Staatsunternehmen haben wir genau so einen Monopolisten, wie du ihn beschreibst. Er ist auch tendenziell ergebnisorientiert, denn ein paar Milliarden Minus im Jahr sollte so ein Staatskonzern auch nicht auflaufen lassen.

In ihrer Ineffizienz aber sind öffentliche Verwaltungen nur sehr schwer zu toppen.

Cas
Mal sehen, wann der erste kommt, der mir aufgrund dieses Beitrags unterstellt, "den Markt" als Lösung für alles zu propagieren.
 

David

Moderner Nomade
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Bei dem Bahn-Beispiel ist echter Wettbewerb ja auch kaum möglich:
Die "normale" Bahn soll möglichst viele Strecken weiterbetreiben, was sie als Privatunternehmen aber nur gegen staatliche Zuschüsse machen würde. Und private Konkurrenten würden sich nur die besten Strecken raussuchen und den Rest gar nicht erst bedienen.

Meiner Meinung nach sollte die einzige Privatisierung der Bahn darin bestehen, daß private Unternehmen von der Bahn nicht mehr bediente Strecken (unter teilweiser Mitnutzung des DB-Netzes) übernehmen dürfen, es gibts ja einige Fälle wo das geklappt hat.
Aber die Bahn als Ganzes taugt einfach nicht für eine Privatisierung, schon weil sie nur Gewinne einfahren kann, wenn sie die Investitionen zusammenstreicht und das Netz vergammeln lässt, welcher Aktionär sollte sowas haben wollen ? :confused:

Die Krone aufgesetzt wird dem Ganzen ja dadurch, daß die Einnahmen aus dem Aktienverkauf nichtmal komplett in die Bahn investiert werden sollen, sondern auch in irgendwelche Logistikunternehmen. Ich hab gehört, daß schon heute solche Aktivitäten im DB-Konzern wichtiger sein sollen als die Bahn, da wundert einen dann auch gar nix mehr. :rolleyes:

Aber wer sich noch an die gute alte Beamtenpost (wo bei uns eine Panzerscheibe den Beamten vor den Bittstellern geschützt und für eine wohlig-warme Atmosphäre gesorgt hat :rolleyes: ) erinnert, weiß das Privatsierung auch mal gut für den Kunden sein kann. :D
 
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Mondragor

Schweigsamer Mann
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@Cas: Du meinst auch der Markt sei eine Lösung für alles...:D

Dass es überhaupt eine Diskussion über die Privatisierung der Bahn gibt, gerade in Zeiten, in denen man vorgibt, soviel Wert auf die Umwelt zu legen, spiegelt meiner Meinung nach entweder eine Fehleinschätzung der Realität oder eine offensichtliche Täuschung des Volkes wider.

Bei einer umweltverträglicheren Verkehrsstrategie muss die Bahn einen großen Anteil leisten. Sie stellt momentan und wohl auch in einigen Jahren wenn nicht Jahrzehnten die umweltverträglichste und dennoch eine annehmbar praktikable Alternative zum kollabierenden und aus ökologischer Sicht schlechten Individualverkehr mit dem Auto dar.
Eine Privatisierung würde ähnliche Folgen haben wie in England. Viele der Folgen wurden ja hier auch schon angesprochen.
Viele Strecken sind für einen Konzern, der nach immer mehr Profit strebt, schlicht nicht interessant genug. Die Folge sind Streckenabbau bzw. Stillegung. Gala hat da eigentlich schon alles aufgezählt.

Eine alternative Art der Privatisierung wäre, wenn man Teile der Bahn in staatlicher Hand halten würde um eben die angesprochenen Folgen zu verhindern.
Das Problem was daraus resultiert wäre jedoch, dass sich Investoren die lukrativen Strecken raussuchen und die weniger gewinnversprechenden oder gar ständig Richtung rote Zahlen tendierenden Strecken würden dann in staatlicher Hand bleiben.
Die direkte Folge wäre das, was wir heutzutage ständig hören: "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren!"
Außerdem sind eine Menge Menschen, gerade die sozial schwächeren, die sich kein Auto leisten können, auf die Bahn angewiesen. Die bereits beschrieben Folgen einer Privatisierung würden diese Menschen besonders hart treffen und zu einem Ausschluss derer an Kultur und Leben in der Gesellschaft beitragen.
 

Darghand

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Hier mal etwas Real-Satire

Nun bewegt sich die Welt niemals geradlinig. Ja, es kann sehr schlimm werden, aber irgendwann dreht die Stimmung. Das gilt für Menschen mit Liebeskummer, das gilt auch für die Wirtschaft. Und wenn alles nichts hilft, gibt es Medikamente. Die verabreichen Staat und Zentralbanken der globalen Wirtschaft in rauen Mengen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass es wirken wird.

Nun ja, die Gedanken sind ja bekanntlich frei und was der Schreiber Zydra hier absondert, ist noch weniger als nichts. :rolleyes:
Bezeichnend ist auch irgendwo, dass die derzeitige "Irrationalität" - sprich: Emotionalität - der Anlieger kritisiert wird, die gerade ihr Geld aus den Märkten abziehen. Innerhalb der kapitalistischen Ratio dürfte das wohl das Vernünftigste sein: die eigenen Werte vor Wertverlust bewahren. Die Vermehrung von Geld ist schließlich das Schwarze Loch, um das diese Theaterveranstaltung kreist.

Wohin die fällige Wertekorrektur eigentlich führen müsste, zeigen u.a. die Grafiken im wiki-Artikel zum Dow Jones. Sehr aufschlussreich sind die Tabellen über die "besten Tage" des Dow, als da wären:

12. Januar 1906 - erster Kursschluss über 100 Punkte
12. März 1956 - zum ersten Mal über 500
14. November 1972 - zum ersten Mal über 1000
29. März 1999 - zum ersten Mal über 10.000

Die übrigen Höhenflüge auf bis 14.000 Punkte sind bekannt. 78 Jahre bis zu den ersten 1000 Punkten; da kam zwar die Weltwirtschaftskrise dazwischen, aber trotzdem eine lange Zeit. Die Kurshöhenflüge und das Aufblähen des fiktiven Kapitals gehen erst mit der Loslösung der festen Wechselkurse so richtig los, wie an dieser Grafik sehr schön zu sehen ist. Man lege mal die realen Wachstumsraten der USA bzw. die Produktivitätssteigerungen seit 1972 darüber, um zu verstehen, wie tief die Kurse eigentlich fallen müssten. Wäre an sich schon bitter genug, nur wird mit der Abzahlung von Krediten von gestern nur mit der Aussicht auf Gewinne von übermorgen ein Großteil des Betriebes in Gang gehalten. Anders wären die Kurshöhenflüge überhaupt nicht möglich gewesen, denn Investitionen gibt es nicht umsonst.

Pech also für den Denkzwerg Zydra, der das Ganze noch mit einem zyklischen Abschwung zu erklären versucht und die nächste Blase herbeibetet.
 
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Turjan

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@Darghand: Lineare Grafiken sind nur was fuer Leute, die keine Ahnung von der Materie haben. Wie alle natuerlichen Wachstumsprozesse ist das grundsaetzliche Wirtschaftswachstum exponentiell. Um Blasen zu identifizieren, brauchst Du eine logartithmische Grafik, d.h. diese hier.
 

Gala

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Wettbewerb gibts bei Privatisierungen aber eben oft keinen, und das nicht nur bei der Bahn. Auch die Energiepreise sind z.B. massiv raufgegangen, obwohl die Preise für Erdöl wieder drastisch gefallen sind.

Norbert Blüm triumphiert
Nach dem rentenpolitischen Fachblatt „BILD“ (am 17.09.2008 S. 2) zeigt jetzt auch der Renten- und Altersspezialist der Jungen Union, Missfelder, Einsicht.
Herrlich ! Soviel Sarkasmus ist man von einem CDU-Politiker ja gar nicht gewohnt. :D Schade nur, das im öffentlichen Bewußtsein der Satz "Die [staatliche] Rente ist sicher" immer noch fest als Fehleinschätzung verankert ist.
 

Darghand

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@ Turjan

Wie erklärst du dann die Vervielfachung des Volumens des US-Finanzsektors und der ausgegebenen Kredite sowie deren Refinanzierung (wie das ansteigende Volumen nahelegt)? Also in dem Sinne, dass die konkreten Gründe für die Notwendigkeit des Entstehens dieses kredit-getriebenen Wachstums dargelegt werden.

Außerdem: was ist "natürliches" Wachstum?


@ Gala

Energieunternehmen kaufen ihre Rohstoffe wie alle anderen mit Hilfe von Terminmärkten, können also nicht tages- oder wochenaktuell auf Kursveränderungen reagieren wie auf dem Husumer Schweinemarkt, da die Preise terminlich festgesetzt sind.
Der fallende Ölpreis hat wohl vor allem auch mit den Hedgefonds zu tun, die sich aufgrund der Kreditklemme nicht refinanzieren können und deshalb verkaufen müssen, was sie haben. Die aktuellen Kurse dürften sich auch inzwischen weit unter dem Wert befinden, auf den Hedgefonds quasi "wetten" - soweit ich weiß, wird mit dem Ableben der Hälfte aller Hedgefonds gerechnet.
 
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Turjan

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@Darghand: Es bezweifelt niemand, dass eine Spekulationsblase existierte. Du kannst eine Gerade durch die logarithmische Darstellung legen, und diese wird Dir zeigen, dass der Anstieg zuletzt zu gross war. Mein Punkt war lediglich, dass eine Aussage aufgrund einer linearen Darstellung unmoeglich ist.

"Natuerliches" Wachstum ist exponentiell, ganz einfach weil Wachstum zu einer breiteren Basis fuehrt, von der aus weiteres Wachstum erfolgt. Unser Wissen ist ein gutes Beispiel. Es kann zwischenzeitlich ueberschiessen oder zusammenbrechen, aber der generelle Trend ist exponentiell. Da unser technischer Fortschritt keine natuerliche obere Grenze hat, kann man fuer wirtschaftliches Wachstum Aehnliches annehmen.
 

Darghand

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Die Übertragung von natürlichen, d.h. Naturgesetzen folgenden Entwicklungen auf menschengemachte, also von der Natur losgelöste Prozesse, halte ich für unhaltbar. Es erscheint mir wahrscheinlicher, dass diese Übertragung auf die Wirtschaft dem Irrglauben geschuldet ist, die Marktwirtschaft folge irgendeiner dem Menschen immanenten, also "natürlichen" Logik.
Eine erste natürliche Begrenzung des Wachstums ist die Vernutzung begrenzter Ressourcen, die andere die tendenziell begrenzter werdenden Möglichkeiten der Selbstverwertung des Kapitals. Da aber in den Wirtschaftswissenschaften soweit ich weiß keine oder zumindest keine einheitliche Vorstellung des "Wertes" vorhanden ist, kommt diese Begrenztheit vermutlich auch nicht in Betracht.

(Ich nehme mal an, dass wir deshalb auch nie gemeinsam auf einen grünen Zweig kommen. :D ;))

Wie schon gesagt, eine Spekulationsblase existiert nicht ohne Bedingungen. Es muss Gründe geben, weshalb der us-amerikanische Konsum in einem historisch einmaligen Ausmaß nur noch auf Kredit betrieben wurde, ohne dass eine tatsächliche "reale" Wertbildung, die die Kredite tilgen könnte, in Sicht war. Weiterhin muss es auch eine Ursache der Krisenverlagerung geben, die jeweils nur Kapital von einem Krisenherd - Japan, New-Economy, Tigerstaaten etc. - in die nächste Blase verschob, und sich mit fiktiven Gewinnansprüchen versuchte gegenzufinanzieren. Mit der Zyklenlehre ist da imho längst nichts mehr zu erklären, denn die Abstände zwischen den jeweiligen Einbrüche einer eng verknüpften Weltwirtschaft verringern sich zusehends.
 
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David

Moderner Nomade
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Naja, wir sind eben wie Parasiten: Wir vermehren uns explosionsartig, aber wenn der Wirt (die Erde) tot ist und wir keinen Neuen finden, haben wir ein Problem.. :D
Aber der Vergleich mit der Natur ist doch so falsch nicht: So wie jedes Tier Nachkommen Zeugen kann/muss, die dann wieder Nachkommen zeugen etc. soll auch jede Geldeinheit wieder "Nachkommen" in Form von Gewinnen/Zinsen erzeugen. Das passt doch sogar prima auf deine Argumentation, wonach das spekulative Geld nur von einem Markt auf den anderen überspringen würde. (Und im Moment gehen ihm wohl die Wirte aus, weil alle Märkte krank sind..)

Die Frage ist halt, ob es irgendwann "Grenzen des Wachstums" geben wird, oder ob der technische Fortschritt das wirklich bis auf alle Ewigkeit hinauszögern kann. Es gibt ja den Satz aus dem Wirtschaftsunterricht in der Schule, wonach doch niemand 10 Pferdegespänne brauche, weshalb das Wachstum an Grenzen stoßen würde.. :D
Allerdings hab ich auch so meine Zweifel ob wir das Tempo an Innovationen der letzten sagen wir 200 Jahre werden durchhalten können. (Ohne das jetzt konkret begründen zu können, ist eher nen Gefühl..) Dazu kommt wahrscheinlich irgendwann auch eine stagnierende oder fallende Weltbevölkerung.

Meiner Meinung nach wird die zentrale Frage sein, ob die Technik den Wettlauf gegen die schwindenden Ressourcen gewinnen kann. Tut sie es nicht, ist eine zusammenbrechende Wirtschaft allerdings unser geringstes Problem. Schafft sie es, wird diese ressourcensparende neue Technik die Wirtschaft auf jeden Fall nochmal ein paar Dekaden lang retten, weil dann im Grunde die gesamte alte Technik nach und nach ersetzt werden muss und wahrscheinlich auch immer mehr Menschen an dieser neuen Technik teilhaben könnten. ´

Aber im Grunde haben wir ja eh keine Wahl als diesen Ritt auf der Rakete solange wie möglich durchzuhalten, denn wenn uns der Treibstoff ausgeht, sind wir schlicht und ergreifend tot, seis weil wir verhungern oder weil jemand den roten Knopf gedrückt hat.. Also kann man eigentlich hoffen, daß es irgendwo ein Schulsystem gibt, das nicht konsequent jede Lust auf Naturwissenschaften zunichte macht. :rolleyes:
 
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Fabian

Hefti
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@Darghand
1.) Wenn du die Wirtschaft pauschal als von der Realität abgelöst abtust (also eh grundsätzlich unlogisch), ist das ein ganz schönes, unbegründetes Totschlagargument. Denn was sowieso unlogisch ist, darüber kann wohl kaum diskutieren.

2.) Auch zB bei Bakterien ist es meines Wissens nach so, dass diese sich zu anfangs exponentiel vermehren. Bis sie irgendwann an ihre Grenze stoßen und das Wachstum verlangsamt. Daher ist es durchaus angebracht auch den natürlichen Wachstum für die Wirtschaft anzunehmen.

3.) Ähm, Begrenzte Ressourcen werden sehr wohl von der Wirtschaft beachtet.
Die Preisbildung hängt auch vom Angebot ab. Bei Verknappung des Angebots wie wir es zB bei der Ressource Öl gesehen haben, ist auch der Preis dementsprechend gestiegen.
Alle seriösen Wirtschaftsbetrachtungen berücksichtigen also die Endlichkeit der Ressourcen.

4.) Gründe gibt es einen Haufen.
Sowie du schreibst klingt es aber eher so, als drängen sich dir system-immanente Gründe auf. Das der Kapitalismus also zum Scheitern veruteilt ist, ist er doch von Grund auf eine Missgeburt. Daher wird er auch scheitern!
IMHO kommt mir eher diese Betrachtungsweise wie von "menschengemachte, also von der Natur losgelöste Prozesse" vor.
 

Darghand

Einer von vielen
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1. Ehrlich gesagt, ich verstehe deinen Einwand nicht. Vielleicht kannst du das etwas konkreter formulieren?
Logik ist erstmal eine menschengemachte Kategorie, ebenso wie diese Wirtschaftsordnung, die ihrer eigenen, immanenten Logik folgt, weiterhin in der Realität existiert, aber keinesfalls "natürlich" ist. Die "Natürlichkeit" ist in diesem Kontext stets das eigentliche Totschlagsargument und seit eh und je Teil des ideologischen Werkzeugkoffers des Liberalismus. Es negiert die Möglichkeit einer anderen Organisation als der, die sich die diversen misantrophen liberalen Vordenker als "natürliche", d.h. der Natur des Menschen entsprechende Ordnung zurechtgelegt haben. Vorbildlich vorexerziert bei Hobbes und Hayek.

Oder hab ich dich falsch verstanden?

2. Dann bewegt sich diese Auffassung von Kapitalismus in einem Widerspruch, da ja offensichtlich mit einer Verlangsamung bzw. vielleicht sogar einem gegen Null tendierenden Wachstum (Sättigungskurve) gerechnet wird, trotzdem am Wachstum als Existenzbedingung festgehalten wird.

3. Der Ölpreis liegt gerade bei 50 $; einem Drittel seines Höchstpreises. Die Absatzschwierigkeiten der us-amerikanischen Autokonzerne belegen, dass kurzfristige Mehrwertschaffung durch den Verkauf übergroßer Benzinfresser eher handlungsleitend sind als die Sorge endlicher Ressourcen. Die kommen erst dann in Betracht, wenn sich mit den anhängigen Wirtschaftszweigen genügend Profit erwirtschaften lässt oder dadurch Kapital gespart werden kann.
Beispiel: die Stadt New York hat Flächen in den Catskill-Bergen erworben oder gepachtet und lässt sie ökologisch bewirtschaften. Die Berge bilden das natürliche Wasserreservoir der Stadt. Die erwähnte Methode war billiger als eine überdimensionierte Reinigungsanlage zu bauen und zu betreiben.

4. Richtig, meiner Meinung nach scheitert der Kapitalismus an immanenten Widersprüchen und Prozessen, die sich verselbstständigt haben. Beispiel für die Verselbstständigung ist die notwendige Umwandlung von Kapital in Mehrwert (Akkumulation von Kapital): eben der Wachstumszwang, dem sich kein wirtschaftlicher Akteur entziehen kann. Das Kapital ist ein automatisches Subjekt, es verlangt die ständige erneute Erfüllung seiner Bedingungen.
 

Nemos

Keifender Wurm
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@Turjan
Natürliches Wachstum ist allerdings auch nur bei unbegrenzten Ressourcen exponentiell, ansonsten (wie ja bereits erwähnt) logistisch, also konvergent gegen einen endlichen Wert (womit ich dir nicht unterstellen will, dir sei das nicht bewusst gewesen, als du das geschrieben hast, nur finde ich es in dem Zusammenhang einer Erwähnung wert). Andererseits ist natürlich fraglich, inwieweit Wirtschaftswachstum (Steigerung des Bruttosozialprodukts?) von Ressourcen abhängig ist; das BSP lässt sich ja schon erhöhen, indem man Arbeit vom privaten in den kommerziellen Bereich verschiebt (womit sich eigentlich nichts ändert, ausser dass in dem einen Fall Geld verschoben wird) bzw. eben, indem man mehr Dienstleistungen erbringt, die nicht unbedingt irgendwelche begrenzten materiellen Güter involvieren.

Aber was heißt es, unser Wissen wachse exponentiell? Natürlich kann ich ein Programm schreiben, dass auf Basis irgendwelcher (wahrer) Axiome stündlich Milliarden wahrer Sätze ausspuckt, aber was ist dieses "Wissen" wert? Schauen wir in die Ingeniuerwissenschaften, so weiß man zwar tatsächlich irgendwie immer mehr, nur nützt dieses Mehrwissen verhältnismäßig immer weniger. Man kommt vielleicht mit einem sehr einfachen Aufbau irgendeines Systems (Kraftwerk z.B.) auf einen Wirkungsgrad von 0.1, mit einem etwas komplizierteren Aufbau bereits auf 0.2, aber beim Versuch, das theoretisch mögliche Maximum von sagen wir 0.33 zu erreichen, wird das ganze so kompliziert, dass es niemand mehr versteht. Auch wenn man ganze Regalmeter mit der theoretischen Behandlung der Technik von Autos füllt, werden die offenbar nicht beliebig schnell, gemütlich, ungefährlich oder sparsam (zugegeben, bei Computertechnik scheint's Ausnahmen zu geben, da gibt's ja tatsächlich jahrzehntelange Exponentialkurven; wobei noch abzuwarten ist, ob grundlegend neue Technologie in der Lage sein wird, sich von den theoretischen Begrenzungen für die Größen integrierter Schaltkreise oder magnetischer Domänen, die bei herkömmlichen Prozessoren und Festplatten bald erreicht sein sein dürften, zu lösen). Oder nehmen wir die Physik, Beispiel Mechanik: Vor 300(?) Jahren kam Newton, und der gibt bereits für 99.9% aller Fälle eine brauchbare Approximation, selbst in der Raumfahrt reicht das oft aus. Ansonsten eben der (in der Praxis kompliziertere) Einstein, der ist 100 Jahre alt. Und vielleicht kommt in 100 Jahren wieder einer, der meint, dass in bestimmten Extremfällen der Einstein falsch ist - diese Fälle allerdings dann so extrem sind, dass das Universum praktisch niemals irgendwo die Bedingungen annimmt, dass sie einträten, oder diese Abweichungen im Rahmen der Messungenauigkeit liegen jeglicher menschengemachter Messgeräte liegen.
Generell wird zwar immer mehr Information irgendwo gespeichert - sei es in Form riesiger Datenbanken oder eben auf Büchern - aber diese Informationen werden immer nutz- bzw. wertloser.
 

David

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@Darghand:
Das GM kurz vor der Pleite steht ist doch nen gutes Zeichen dafür, daß die Wirtschaft sich nicht beliebig lang von der 'Realität' abkoppeln kann. Da sind die Manager schon schön selber Schuld.

Außerdem klingt das bei dir ja immer so, als wäre nur das böse System Schuld, aber dabei haben wir uns doch nur das Wirtschaftssystem geschaffen, das am besten zu uns passt. Im Grunde heisst Marktwirtschaft ja nur, daß jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten machen kann, was er will. Und was wollen wir ?
Möglichst viel, möglichst schnell, mit möglicht wenig Aufwand. Und dieses Streben nach maximalen Gewinn flüstert uns auch niemand ein, das ist jeder einzelne Anleger selber, der sich nicht mit den 2% aufm Sparkonto zufrieden gibt, sondern die 25% Rendite irgendeines hochriskanten Geschäfts haben möchte, selbst wenn er eigentlich längst genug Geld für den Rest seines Lebens hätte. :rolleyes:
Diese Gier würde auch in jedem anderem System ihren Weg finden.

Wenn da etwas scheitert, dann nicht das System, sondern der Mensch.
 
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Fabian

Hefti
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@Darghand

1.
Vielleicht habe ich dich da falsch verstanden. Denn ich habe vorhin verstanden, dass du dem kapitalistischen System an sich jede Logik abspricht. Dann natürlich ist jede Entscheidung willkürlich, eben so wie jeder Erklärungsversuch. Man kann dann auch nicht mehr weiter diskutieren. Schließlich gäbe es dann ja gar keine logischen Erklärungen für irgendetwas im Kapitalismus mehr. Weder für die Finanzkrise noch für sonstwas.

Aber nach nochmaligem Lesen, schätze ich, dass du gemeint hast, dass der Kapitalismus seine "eigene" Logik hätte. Also eben nicht mehr der natürlichen Logik folgen würde, sondern sich an künstliche Spielregeln halten würde.
Siehe dazu auch den vorrigen Punkt 4.

Das ist natürlich schon eine seltsame Annahme.
Denn wenn der Kapitalismus gar nicht funktionieren kann. "Er" nur menschengemachte, "von der Natur losgelösste" Regeln hat. Naja, wie sollte dieses Konstrukt überhaupt existieren können?
Wer hat den schon in die Kraft/Macht/etc. ein ganzes System für Milliarden von Menschen aus selbstgemachten Regeln zu erzeugen? Und dies am Leben zu halten?
Dies erscheint mir so gut wie denkunmöglich.

Mag ja sein, dass es viele Menschen gibt mit sehr viel Einfluss. Aber ein ganzes, (fast) die gesamte Welt umspannendes System zu erfinden und zu betreiben, dass komplett von der Realität losgelöst ist. Diese Annahme erscheint mir doch eher sehr unwahrscheinlich.

2.) Nein, kein Wiederspruch. Ich habe ja nicht gesagt, dass das Wirtschaftswachstum jetzt sofort verlangsamen oder stoppen müsste. Sondern lediglich, dass dies irgendwann wahrscheinlich der Fall sein wird.
Und wenn dies der Fall ist, lässt es sich auch durch "natürliche Wachstumsprozesse" erklären.
Umgelegt gesagt, irgendwann haben sich die Bakterien so stark vermehrt, dass ihr Wachstum abnimmt. Nur ist halt die Frage, wann dies ist.
David hat ja schön geschrieben, was noch alles für Herausforderungen den Menschen bevorstehen.

3.) Weil der Mensch kurzfristig denkt und dabei oft dumm und egositisch ist. Das liegt aber wohl an den Menschen selbst und in ihrer Natur. Ich schließ mich einfach mal David an. ;)

4.) Immer mal langsam, dass sind für mich zu viele Thesen auf einmal.
Was meinst du zB mit "notwendige Umwandlung von Kapital in Mehrwert"?
oder
" Kapital ist ein automatisches Subjekt"
"verlangt die ständige erneute Erfüllung seiner Bedingungen" welche Bedingungen?
Sollte irgendwann mal tatsächlich kein Wachstum mehr möglich sein, sind immer noch die bereits bestehenden, ständigen Arbeiten zu erfüllen. So flexibel wie der Kapitalismus ist wird er sich wohl auch daran gut anpassen. Und wenn nicht, wird er schon von selber scheitern.
Nur dieser Tag liegt IMHO noch in nicht feststellbarer Ferne.
 

Darghand

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Zu Punkt 1.

Zur genaueren Erläuterung müsste ich erstmal wissen, ob du den Menschen (als Abstraktion) und sein Verhalten als "natürlich" ansiehst. Das muss gar nicht in irgendeinen genbedingten Determinismus münden, es genügt die Information ob menschengemacht als "natürlich" betrachtet wird oder nicht.

Wie auch immer, ich ziehe die Trennlinie zwischen künstlich und natürlich ziemlich genau da, wo sich Verhalten und anschlüssige Strukturen ganz klar im willentlich beeinflussbaren Bewusstsein des Menschen bewegen. Das heißt im Klartext, dass die parlamentarische Demokratie, wie sie im Westen vorherrscht, ein künstliches, mittels menschlichem Denken und Handeln erschaffene Struktur ist. Dies schließt notwendigerweise die Veränderung dieser Struktur durch weitere bewusste Handlungen ein: beispielsweise wurde das Frauenwahlrecht erkämpft und eingeführt, obgleich es nicht von Anfang an Bestandteil dieser Demokratieform war.
Diese Demokratie folgt ihrer eigenen Logik, die einigermaßen transparent für jedermann ist; ihrem eigenen Anspruch nach muss sie das auch sein. Die Logik der Übertragung eines diffusen "Volkswillen" auf RepräsentantInnen und daran anschließend die Gesetzgebungsmechanik ist durchsichtig, ihre Beeinflussbarkeit gleichsam Beweis ihrer "Künstlichkeit". Sie ist Resultat eines bewussten Vorgangs.

Das gilt meiner Ansicht nach, und in Abgrenzung zu den liberalen Säulenheiligen, auch für den Kapitalismus, allerdings mit dem nicht zu unterschätzenden Unterschied, dass dessen Mechanik allenfalls an der Oberfläche für jedermann transparent und nachvollziehbar ist.
Der Entwicklungsprozess hin zu dieser Gesellschaftsform ist historisch bedingt und politisch durchgesetzt, sie baute auf bereits vorhandenen Formen auf. Vorbedingungen waren u.a. mehr oder weniger ausgeprägter Tauschhandel, Bestehen einer nationalen Ordnungsmacht etc. Politischer Durchsetzung bedurfte es z.B. bei der Enteignung bzw. Privatisierung von Allgemeineigentum, etwa der Allmende, einer im dörflichen Kollektiv genutzten Landfläche, oder eben auch der Auflösung der Gilden. Die historische Genese des Kapitalismus im Westen mag ein jemand anders hier nachzeichnen.

Wie auch immer: im oben stehenden Post habe ich bereits geschrieben, dass die kapitalistische Gesellschaftsform von ihren Vordenkern als "natürliche" gesetzt wurde. In einem Zeitalter extremer Naturgesetzgläubigkeit wurde so eine Gesellschaftsstruktur im Wesen des Menschen verankert. Das gilt für so ziemlich alle liberalen Stützpfeiler, wie etwa für die Notwendigkeit eines Leviathan, eines die Ordnung gewaltsam durchsetzenden Herrschers, damit sich nicht die Regel des homo homini lupus est durchsetzt. Die Annahme, der Mensch neige ohne eingreifende Gewalt per se zur Selbstzerfleischung, ist das, was ich als Misanthropie der liberalen Denker bezeichnet habe.

Der Kapitalismus und seine Bedingungen - Privatarbeit, privater Besitz an Produktionsmitteln, private Aneignung gesellschaftlicher Arbeit & deren Produkte - werden gleichsam als unmittelbar der Natur des Menschen entspringend gesetzt und gleichsam durch den liberalen Staat in ihrer Existenz garantiert. Die Drohung mit Gewalt, sollte der Versuch des Umsturzes der oben genannten Bedingungen versucht werden, ist daher stets integraler Bestandteil jeder bürgerlichen Ordnung.
Allerdings entzieht sich der Kapitalismus scheinbar der Beeinflussbarkeit, die der Demokratie in bestimmten Grenzen noch zu eigen ist, denn er ist ihr vorgelagert. Der Staat ist in seinem Handeln an das Gelingen oder Scheitern des kapitalistischen Verwertungsprozesses gebunden. Er muss sich dem Medium des Geldes bedienen, dass er gleichfalls nicht selbst erzeugt.
Dass der Kapitalismus letztendlich das primäre bestimmende Moment der Gesellschaft ist zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sich das Kapital in jeder politischen Organisationsform wohlfühlt; populärstes Beispiel ist wohl die Diktatur in Chile, die zugleich als Erprobungsfeld der neoliberalen Theorien der Chicagoer' Schule diente und Freihandel mit einem repressiven, mordenden Regime hervorragend zu verbinden wusste. Weiteres Indiz ist die ständige Argumentation mit diversen "Sachzwängen".
Das Wort allein sagt schon alles aus: es ist der Zwang einer Sache, eines verselbstständigten Dinges, dass sich (scheinbar) außerhalb der bewussten Einflussnahme bewegt. Es hängt über unseren Köpfen und baut in unseren Haaren Nester.

Die menschliche Vernunft muss aufgrund dieser Verselbstständigung notwendigerweise die Form der Vernunft dieses unbeeinflussbaren Dinges annehmen: sich also den Gesetzen unterwerfen. Die Gesetze lauten: Konkurrenz bis aufs Blut, Profiterzeugung um jeden Preis, Unterdrückung und nachrangige Behandlung der ureigenen Bedürfnisse und noch einiges mehr. Was dabei herauskommt, ist eine Schizophrenie in historisch einmaligem Ausmaß, die noch die größten Widersprüche unter Bezugnahme auf die Sachzwänge aushält. Um mal Hagen Rether zu zitieren:
"Nö, ich konnt nicht zur Demo 'Kein Blut für Öl'. Die Karre war verreckt."
Das Erscheinen als dem Menschen immanente Vernunft macht es zugleich schwierig bis unmöglich, diese Vernunft zu hinterfragen. Nichtmal die Soziologie möchte sich mehr dazu aufraffen, stattdessen ergeht sie sich in "rational-choice"-Theorien, die klingen, wie aus dem BWL-Marketing-Lexikon abgeschrieben. Gelingt es doch, machen die mörderischen Gesetze des Konstrukts das bewusste andere Leben schwierig bis unmöglich. Man ist im Überleben auf die eigene Einpassung in die Gesetze gezwungen, dieser Zynismus garantiert das Weiterbestehen. Das System wird am Bewusstsein der Handelnden vorbei ständig reproduziert.
Ich kann mich zwar individuell einer Arbeit verweigern, die nur auf die weitere Kapitalakkumulation hinausläuft und daher sinnlos ist, nur sinken dann meine Teilnahmemöglichkeiten an diversen Errungenschaften dieser Zivilisation ganz schnell ins Bodenlose. Von den juristischen Strafmaßnahmen im Fall, dass ich mit einer Horde ArbeiterInnen die Fabrik zu Gemeineigentum erkläre, ganz zu schweigen.
Die marxistischen Kategorien dieser Analyse lasse ich mal beiseite.

Die Anthropologie auf heutige Gesellschaften anzuführen halte ich für völlig absurd. Aussagen wie "dabei haben wir uns doch nur das Wirtschaftssystem geschaffen, das am besten zu uns passt." sind zu beweisen, nicht von mir zu widerlegen.
Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein, und in Folge dessen die Auffassung darüber, was "vernünftig" ist. Das wird völlig ausgeblendet, weil die Wirtschaftswissenschaften nicht im Stande sind, zwischen Form und Inhalt zu unterscheiden; und weil die liberale Lüge, dass diese und jene Strukturen "künstlich" und diese und jenen Strukturen "natürlich" und dem Menschen daher angebracht seien, inzwischen zur anthropologischen, aus jedem gesellschaftlichen und geschichtlichen Zusammenhang gerissene Konstante verdichtet wurde.

Die Aussage, dass "in jedem Menschen ein Unternehmer stecke" ist kein Hoffnungsversprechen auf eine bessere Zukunft, es ist die ultimative Drohung einer Dystopie der totalen Konkurrenz, des totalen Marktes, der totalen Unterwerfung und der totalen Destruktion natürlicher Ressourcen.


Zu Punkt 4 kommt später was.
 
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