Ich lese gerade "Der Orientalist", eine Biografie über Essad Bey von Tom Reiss. Essad Bey, ursprünglich Lev Nussimbaum, lebte Anfang des 20. Jahrhunderts. Sein Vater war ein jüdischer Ölmagnat in Baku, Aserbaidschan, zu jener Zeit auch das "Schaufenster des Kapitalismus" genannt. Lev selbt konvertierte mit seiner Volljährigkeit zum Islam und wurde ein relativ erfolgreicher Schriftsteller, der neben Romanen auch Biografien von Stalin und Muhammad verfasste.
Eigentlich geht es nur um eine Hausarbeit, die ich über ihn schreiben muss, aber ich muss sagen: Die Biografie ist hoch interessant und liest sich wie ein Roman. Nur dass die Realität manchmal verrückter ist als die Fiktion. Zur Illustration seien einige merkwürdige Begebenheiten angerissen, ungeordnet und aus dem Gedächtnis:
Nach dem Mord am russischen Zaren terrorisierten die Bolschewiken Aserbaidschan, weshalb Lev und sein Vater nach Persien flüchten mussten. Dort trieb eine revolutionäre Bande ihr Unwesen, die letztendlich nichts anderes als Räuber waren. Ihr Fanatismus zeigte sich darin, dass sie sich weigerten, Fingernägel und Haare zu schneiden, bis ihre Ziele umgesetzt sind. Entsprechend waren sie in der Gegend für ihre Hässlichkeit berühmt.
Eine andere interessante Räuberbande war vielleicht jene auf dem Kriegsschiff, das Levs Fluchtschiff auf seiner Rückkehr nach Baku überfiel. Trotz der Ermordung des Zaren und trotz der Herrschaft der Bolschewiken in Moskau zeigten sich diese weiterhin treu gegenüber ihrem Monarchen - und erkannten weder den Friedensvertrag mit den Mittelmächten, noch die Machtübernahme der Bolschewiken an, so dass sie mit der ganzen Welt im offiziellen Kriegszustand lagen.
Kurios auch jene freie Stadtrepublik in Turkmenistan, die Probleme mit der Währung hatte: Die Lage war derart schlecht, dass man die eigens gedruckten Geldscheine auf einer Seite leer lassen musste. Eine große Welle an Falschgeld aus Persien machte die Lage noch prekärer.
Um die Situation noch irgendwie zu retten, ließ der Finanzminister Folgendes verlauten: Man solle seine Scheine in einen Eimer Wasser tunken. Sollte die Farbe halten, so war es Falschgeld, das man da in den Händen hielt.
Wie Lev und sein Vater diesen Banditen entkommen sind, könnt ihr ja selbst nachlesen. Ich für meinen Teil bin ziemlich gespannt, wie es weiter geht, da die beiden nun nach Europa aufbrechen.