@Verno: Na, da bist Du hier ja sehr gut aufgehoben. Und weißt Du was? Genau so wie Dir geht's vielen. Hier und wahrscheinlich auch anderswo. Gerade dieses Empfinden (ach was: die Sicherheit!), daß man sich ja doch nie ändert und immer wieder dieselben Fehler macht, ist durchaus nicht nur Dir bekannt!
Gestern war ich mal wieder ganz clever und trank noch kurz nach zwei Uhr nachts einen starken Kaffee... So. Da hatte ich dann genügend Zeit mal meine Tagebücher von vor zehn Jahren zu lesen. Und zwar aus dem Grund oder Schlaflosigkeits-Anlaß, daß ich mich vor Kurzem von einer Frau getrennt habe, mit der ich seit 15 Jahren (!) "befreundet" war, d.h.: sie sah's als Freundschaft, aber ich hätte schon seit ein paar Monaten gern mehr gehabt und hab's dann irgendwann nicht mehr ausgehalten... Naja, wie auch immer, jedenfalls krame ich in solchen "Liebesfrust"-Phasen dann immer meine Tagebücher raus, um zu schauen, wie ich das früher gemacht habe, ob ich nicht aus meinen vergangenen Fehlern eventuelle was lernen könnte usw. Und was soll ich Dir sagen?
Null. Niente. Man lernt nicht dazu. Über dieselben Punkte, die mich heute an mir stören, habe ich mich schon vor zwanzig Jahren geärgert. Dieselben Verhaltensweisen, mit denen ich mir heute Ärger einhandele und Menschen verprelle oder ganz einfach "falsch rechne", dieselben Verhaltensweisen hatte ich schon vor zehn oder fünfzehn Jahren an mir. Ja, noch besser: Ich erkannte sie schon damals als verkehrt und veränderungsbedürftig! Und?! Hab ich was verändert? Hab ich mich gebessert?
Momentan habe ich oft das Gefühl, daß ich da gar nichts verbessert und verändert habe.
Aber so stimmt das nicht, denn wenn ich manche Passagen aus meinem Tagebuch lese, dann muß ich auch schmunzeln darüber, was ich mir damals eingebildet oder eingeredet habe. Ganz besonders jene Passagen, wo ich damals mir sagte, daß ich nie wieder mich würde in irgendeine andere Frau verlieben können, oder daß ich nie wieder so nette Menschen kennenlernen würde, wie ich sie gerade verloren hatte. Die Stellen, wo ich felsenfest davon überzeugt war, bald in der absoluten Einsamkeit zu versinken, niemanden mehr zu haben, der oder die auch nur einen Gedanken an mich verschwenden würde...
Inzwischen weiß ich ja definitiv, daß das Unsinn war. Ich habe neue Menschen kennengelernt, ich habe neue Frauen kennengelernt und habe mich sogar in die eine oder andere verknallt (seltener, als ich's hätte tun sollen, denke ich gerade und ärgere mich über die verpaßten Gelegenheiten...). Vor allem aber kann ich, wenn ich da so zurückdenke, bei so manchen Punkten mich beruhigen. Daß ich damals so oft "Pech" hatte, in Liebesdingen oder auch in Freundschaftsdingen, das war gar nicht immer nur meine Schuld, das lag gar nicht immer nur an mir! Um es mal konkret zu machen: Ich hatte vor ungefähr 10, 12 Jahren eine ziemlich chaotische Beziehung zu einer Frau, wo's andauernd hin und her ging. Wir trennten uns, wir fanden wieder zusammen, dann ließ sie wieder nichts von sich hören, dann zwang ich mich dazu, ihr nicht alle drei Tage Briefe hinterherzusenden oder sie anzurufen... Wir stritten uns, wir vertrugen uns, ich wußte eigentlich nie, ob ich mit ihr nun gerade noch oder schon wieder oder noch immer oder doch schon wieder nicht zusammen war... Und das Grundgefühl war damals, daß das irgendwie nie richtig klappen werde und daß alles irgendwie Sch*** sei und daß ich nicht gut genug für sie sei und sie ja sowieso viel coolere Typen als mich haben könne usw. usf. Was redete ich mir da nicht alles ein! Und immer war ich schuld, wenn's nicht lief, immer hatte ich was Falsches gesagt oder nicht gesagt, getan oder nicht getan. Wieviele Nächte hab ich damals durchgrübelt und irgendwelche wahnsinnigen Aktionen gestartet, um ihr meine Liebe zu
beweisen! Und als die Sache dann gänzlich und definitiv zuende war, da war ich mir sicher, daß ich es verbockt hatte, daß es an mir liege, nur an mir, daß ich eben nicht wisse, wie man mit Frauen im allgemeinen und mit dieser Frau im speziellen umgeht, und daß ich also auch in Zukunft nur noch versagen würde...
Aber wenn ich das jetzt alles so im Nachherein im Tagebuch lese, dann muß ich doch die Stirn runzeln und mir sagen: Hey, was hab ich mir damals eigentlich für unsinnige Selbstvorwürfe gemacht? Was habe ich mir damals von dieser Frau bieten lassen? Ich hab mich gekümmert, ich habe sie mit Geschenken überhäuft (@Sarevok: tu das nicht! Mach keine teuren Geschenke, wenn sie in Deinen Augen teuer sind. Solche Geschenke können eher eine Beziehung ruinieren als festigen, und wenn eine Beziehung zuende ist, dann fängt man an zu rechnen und die Wut ist dann umso größer, je mehr man sich - auch materiell - ausgenutzt fühlt!), ich habe mehr Zeit investiert, um ihr zu helfen, als mich um mein eigenes Leben zu kümmern. Und sie hatte es raus, mir trotzdem Schuldgefühle und Minderwertigkeitskomplexe einzuimpfen, oder mich jedenfalls darin zu bestärken, mich fies und unattraktiv zu finden.
Stimmte gar nicht! Vor einiger Zeit habe ich jene Frau mal wiedergetroffen. Und was soll ich sagen: Gut, daß ich mit ihr nicht mehr zusammen bin! Mindestens die Hälfte der Probleme, die wir miteinander hatten, gingen auf ihr Konto! Das Beste, was sie je für mich tat, war, die Beziehung endgültig zu beenden. Dafür kann ich ihr heute dankbar sein (nur sagen darf ich's ihr natürlich nicht...
).
Als ich das gestern nachts (bezw. heute morgens, so gegen halb sieben
) endlich kapierte und dann meinen momentanen "Liebesfrust" mir so anschaute und verglich - da kam mir auf einmal ein neuer Gedanke. Was, wenn diese Trennung von der langjährigen "Freundin", die mir momentan so schrecklich vorkommt, weil mir dadurch ein Mensch verloren geht, der einen sehr wichtigen und auch schon allein rein zeitlich großen Anteil an meinem Leben hatte - was also, wenn diese Trennung gar nicht so schrecklich ist? Habe ich nicht an dieser Beziehung
zu ihren Konditionen seit Monaten, wenn nicht gar seit Jahren gelitten? Mal zurückdenken: War ich in letzter Zeit häufiger ihretwegen glücklich oder häufiger unglücklich?
Tja, das ist eigentlich glasklar: Wesentlich häufiger unglücklich.
Muß man sowas auf alle Ewigkeit hinweg verlängern? Nein, ich denke nicht.
Ich mag diese (jetzige) Herzensdame immer noch sehr. Sie ist eine ganz Tolle usw. Schön, intelligent, witzig usw. usf. Aber naja - letztlich haben all ihre Vorzüge nicht dazu beigetragen, daß ich mich glücklich fühlte. Eher habe ich mich neben ihr besonders unattraktiv gefühlt, war eifersüchtig, war verletzt, wenn sie keine Zeit für mich hatte, fühlte mich von ihr ausgenutzt (dabei drängte ich es ihr geradezu auf, mich auszunutzen - so, wie ich's damals bei meiner anderen "großen Liebe" tat).
So, und nun habe ich es doch tatsächlich geschafft, selbst den Bruch zu wagen. Hab ihr gesagt: "Da du mich nicht willst und da ich keine Lust mehr habe, davor zu zittern, daß du dich mal wieder in einen anderen verknallst, deswegen sollten wir dieses komische Etwas, das wir Freundschaft genannt haben, daß aber irgendetwas anderes war - jedenfalls von meiner Seite aus - beenden."
Yep, das war nicht ganz so einfach. Oder, ehrlicher: Schweineschwer. So eine Art Amputation ohne Narkose. Nicht nur eine Trennung von dieser tollen Frau, sondern auch eine Trennung von einem Riesenhaufen schöner Träume und Illusionen und Utopien von einer gemeinsamen Zukunft usf.
Aber seit ich gestern nochmal in meinen alten Tagebüchern gelesen habe, bin ich mir sicher, daß dies ein guter Schnitt war. Sauber. Lieber alles wegschneiden, lieber sogar mehr wegschneiden als eventuell nötig scheint. Dann beginnt es wenigstens nicht schon nächsten Monat wieder zu eitern.
Zu so einem Schnitt war ich damals, vor 10 Jahren, nicht fähig. Ich konnte es nicht. Ich hatte nicht die Kraft, beziehungsweise die Erfahrung. Ich bin tatsächlich heute ein ganz klein wenig klüger als damals. Ich habe aus meinen damaligen Fehlern doch gelernt. Nicht aus allen. Wohl nicht mal aus der überwiegenden Zahl. Weiter oben schrieb ich's ja schon: Sovieles, was mich an mir vor zehn Jahren ankotzte, habe ich bis heute nicht verändert.
Aber ein paar Dinge schon.
Zum Beispiel die Angst, etwas falsch zu machen oder falsch gemacht zu haben. Die ist noch häufig da. Aber nicht mehr so intensiv wie früher. Denn ich weiß: tödliche Fehler habe ich noch keinen gemacht (sonst würde ich jetzt nicht hier vor der Tastatur sitzen können...
). Man kann Dinge falsch machen. Aber man kann auch für diese Fehler zahlen! Das bringt einen nicht immer gleich um! Man kann sich unsterblich lächerlich machen, man kann Dinge sagen und tun, sie do dämlich und peinlich sind, daß man sich, wenn sie jemand anderes in einem Kinofilm täte, vor Scham die Augen und Ohren zuhalten würde. Das ist möglich und dennoch nicht das Ende aller Dinge!
Häufig verachten einen die anderen viel weniger für eine dumme Tat, als man es selbst tut.
Und das Beste: Selbst, wenn man es sich mit allen, wirklich restlos allen, die man kennt, die im beruflichen, familiären oder sonstwie privaten Umfeld leben, verdorben hat - dann wird man dennoch neue Menschen kennenlernen und denen sind die Taten der Vergangenheit schnurzpiepegal, falls sie überhaupt davon Wind bekommen.
Tja, das ist das Gute, daß man irgendwann merkt: Die Lächerlichkeit, die Scham - sie sind nicht unsterblich und ewig. Irgendwann ist der Preis für selbst den schlimmsten Fehler gezahlt. Irgendwann ist man wieder quitt. Man kommt aus allen Miesen raus. Falls man überhaupt so tief drin steckt, wie man glaubt (beziehungsweise: wie es sich anfühlt).
Also, Verno: Kopf hoch! Denn nur dann kannst Du die Möglichkeiten und Chancen, die sich vor Dir jetzt gerade eröffnen, wahrnehmen und eventuell nutzen.