Ice
Technomage
- Registriert
- 10.04.2001
- Beiträge
- 5.924
Naja, vielleicht nicht ganz. aber nach Jahren der faktischen Absenz will ich mich mal wieder melden.
Ich lebe ja seit Sommer 2013 in Istanbul, östlichster Stadtteil namens Tuzla. Schöne Stadt, überfüllt (naja Tuzla noch nicht) aber hat seine Reize - und vor allem gewaltige Fortschritte in der Infrastruktur gemacht.
Nun, wir haben eine kleine Wohnung und ich habe inzwischen die Staatsbürgerschaft. Und ich habe mein Linux-Fu ganz schön auf Vordermann gebracht - hab' ja sonst nicht viel zu tun.
Ansonsten plätschert das Leben so vor sich hin.
Denkste.
Nicht mal fast.
Spätfrühling 2016, auf dem Weg zur Bäckerei erwischte es mich. Ich dachte erst es sei ein Symptom der Erkältung die mich gerade plagte, informierte meine Frau, drückte mich aber um den Arzt 3 Wochen lang. Naja, schliesslich wurde ich (auf Drängen der halben Verwandschaft und weil die Symptome (Brust- und Arm-Schmerzen bei der kleinsten Anstrengung) par tout nicht weniger wurden) beim Herz-Spezialisten in der nahen Klinik vorstellig, der verkabelte und stellte mich erst mal aufs Laufband. Kontrolle schadet ja nicht, was sollen sie schon finden? Ich und Herzgeschichten? Niemals.
Nun, Murphy, Wotan, Manitu, Zeus und alle anderen Götter sind da anderer Meinung. Ich hielt keine 20 Sekunden durch - das Band hatte noch nicht mal richtg Schrittgeschwindigkeit - und der Assistenz-Arzt wurde erst mal bleich um die Nase. Der Ober-Guru fragte mich "Sie sagen sie waren sportlich in Ihrer Jugend, rauchen nicht und trinken nicht gewohnheitsmässig Alkohol?" Auf mein "Ja" hin machte er sofort einen Termin frei für eine Herz-Untersuchung (Live-Filmen unter dem Röntgen, während sie mit einer Sonde im Herzen Kontrastmittel sprühen). Nach dem Untersuch sprach ich den Arz an, gespannt wie ein Bogen: "Und??"
Der Arzt meinte trocken: "4 Herzkranzgefässe sind faktisch zu. Zu 90%, eins zu 95%"
Oha. Ja so gefällt mir das - kein Zuckerguss, kein Drumherum, gleich voll zwischen die Augen.
*schluck*
Ich krächtze unsicher: "Heisst???" und wollte aufstehen.
Meine Frau mit strengem Blick +5 ohne Rettungswurf: "Duuu gehst genau nirgendwohin!"
Arzt: "Am Besten operieren wir gleich morgen!"
Ich: "Äehm...????"
Naja, mich fragt eh niemand, alle waren sich einig und da ich schon gewaschen, verkabelt und ver-infusioniert bin - nehmt mich, ich bin Euer oh Halbgötter in weiss. Und Manitu, Zeus, Wotan - wagt es ja nicht etwas schief gehen zu lassen! Nun, alles ging glatt, geradezu vorbildlich. Ich war fitter und 10 Kilo leichter als vor der OP. Und spezielles Lob an meine Tochter (damals 11) - die hat sich (zusammen mit meiner Frau) um alle Medis gekümmert, penibler als die Schwester im Spital. Toll, überstanden - alles in Butter. Yippie-kay-ey!
Fast...
Natürlich gibt es einen Haken - Ja was habt ihr denn gedacht? Ich will Euch eine Beschreibung der Symptome ersparen (ich wurde dafür eh einen Rüffel vom Admin kriegen), und die minimal-invasive OP bei der sie die Blase reinigten war etwas zwischen Horror und Komödie, da ich in Halb-Narkose alles mitbekam. Und ich habe zum ersten Mal im Leben derart gefroren, weil sie während der ganzen OP an die 30 Liter Spül-Flüssigkeit durch jagten.
Naja: Anfang Januar kam der Hammer vom Labor: "Blasenkrebs - wir verweisen sie an das Universitätsspital in Pendik" (gleich neben Tuzla)
*seuftz* Na das neue Jahr fängt ja gut an!
Ich? Krebs?
Ja, Du.
Spinnt ihr?
Wir sind jetzt jenseits der kleinen Operationen.
Schliesslich gab ich klein bei: "Machen wir das - schauen was die meinen" (Irgendwie war das alles unwirklich und surreal für mich, deshalb die Ruhe) Das Uni-Spital ist gross (heisst: wir latschten uns die Hacken ab), gut organisiert, effizient, aber ich wurde von Untersuch zu Untersuch gehetzt, die Formulare stapelten sich Zentimeterhoch und schliesslich wurde ich durch etwas, was sich Positronen-Emissions-Tomografie nennt, gejagt. Dazu musste ich vorab Kontrastmittel einnehmen und ja, es ist genauso abscheulich im Geschmack wie es sich anhört. Und - Jau - Radioaktivität! Naja - wir planen eh nicht, mehr Kinder zu machen - und nachdem ich in dieser Maschine war... vielleicht haben die dann zwei Köpfe... Vielleicht leuchtete ich danach ja drei Tage lang im Dunkeln und meine Frau hat mir nur nichts gesagt... .
Na ja. Eine Woche danach setzten sich vier Ärzte zusammen und berieten die ganzen Befunde und Resultate und 2 Wochen später klingelte das Telefon: Termin beim Arzt.
Der teilte mir trocken den Zustand und das Programm mit: Kaum Metastasen, aber die Blase ist nicht zu retten, verrottet und mit einem 4cm-Tumor. Heisst: erst 9 Wochen Chemotherapie und dann eine OP bei der die Blase (und noch mehr) entfernt wurde. Aber ich würde so den Krebs komplett los.
*nochmal seuftz*
Also... mittlerweile ist die Chemo und die OP (Anfang Juni) durch. Nein, Haare sind alle noch da ;D - aber die Nebenwirkungen wollt ihr gar nicht wissen ) und ich bin froh, dass ich den Katheter los bin. 4 Monate bin ich mit so einem Ding herumgelaufen, immer darauf bedacht dass der Schlauch nicht abknickt, ich nirgendwo hängen bleibe damit und dass ich das Ganze diskret mit mir herumtragen kann... Richtig lustig wurde es, als das Ding verstopfte und gewechselt werden musste. Ist ungefähr 6x passiert. Heisst jedes Mal jemanden mit Auto organisieren ( = aus dem Bett holen weil das ja nicht zu normalen Zeiten passieren kann ) und ab in die Notaufnahme des Uni-Spitals. Und jedes Mal dem diensthabenden Doktor erklären, er soll doch bitte vorsichtig sein.
Mittlerweile habe ich mich erholt (Hey, einen gestandenen Innerschwyzer lässt sich nicht unter kriegen ), laufe mit 2 Säckchen am Bauch herum (100x Mal diskreter als der Katheter) und fröne zu Hause meinen Hobbies. Arbeiten ist gemäss Arzt vorderhand eh nicht und vielleicht kriege ich ja Invaliden-Unterstützung. Mein Gott, nur schon dieses Wort!
Und vielleicht muss ich nochmal durch eine Chemo - ob und wie kommt heute vielleicht raus.
Gruss, Ice
Ich lebe ja seit Sommer 2013 in Istanbul, östlichster Stadtteil namens Tuzla. Schöne Stadt, überfüllt (naja Tuzla noch nicht) aber hat seine Reize - und vor allem gewaltige Fortschritte in der Infrastruktur gemacht.
Nun, wir haben eine kleine Wohnung und ich habe inzwischen die Staatsbürgerschaft. Und ich habe mein Linux-Fu ganz schön auf Vordermann gebracht - hab' ja sonst nicht viel zu tun.
Ansonsten plätschert das Leben so vor sich hin.
Denkste.
Nicht mal fast.
Spätfrühling 2016, auf dem Weg zur Bäckerei erwischte es mich. Ich dachte erst es sei ein Symptom der Erkältung die mich gerade plagte, informierte meine Frau, drückte mich aber um den Arzt 3 Wochen lang. Naja, schliesslich wurde ich (auf Drängen der halben Verwandschaft und weil die Symptome (Brust- und Arm-Schmerzen bei der kleinsten Anstrengung) par tout nicht weniger wurden) beim Herz-Spezialisten in der nahen Klinik vorstellig, der verkabelte und stellte mich erst mal aufs Laufband. Kontrolle schadet ja nicht, was sollen sie schon finden? Ich und Herzgeschichten? Niemals.
Nun, Murphy, Wotan, Manitu, Zeus und alle anderen Götter sind da anderer Meinung. Ich hielt keine 20 Sekunden durch - das Band hatte noch nicht mal richtg Schrittgeschwindigkeit - und der Assistenz-Arzt wurde erst mal bleich um die Nase. Der Ober-Guru fragte mich "Sie sagen sie waren sportlich in Ihrer Jugend, rauchen nicht und trinken nicht gewohnheitsmässig Alkohol?" Auf mein "Ja" hin machte er sofort einen Termin frei für eine Herz-Untersuchung (Live-Filmen unter dem Röntgen, während sie mit einer Sonde im Herzen Kontrastmittel sprühen). Nach dem Untersuch sprach ich den Arz an, gespannt wie ein Bogen: "Und??"
Der Arzt meinte trocken: "4 Herzkranzgefässe sind faktisch zu. Zu 90%, eins zu 95%"
Oha. Ja so gefällt mir das - kein Zuckerguss, kein Drumherum, gleich voll zwischen die Augen.
*schluck*
Ich krächtze unsicher: "Heisst???" und wollte aufstehen.
Meine Frau mit strengem Blick +5 ohne Rettungswurf: "Duuu gehst genau nirgendwohin!"
Arzt: "Am Besten operieren wir gleich morgen!"
Ich: "Äehm...????"
Naja, mich fragt eh niemand, alle waren sich einig und da ich schon gewaschen, verkabelt und ver-infusioniert bin - nehmt mich, ich bin Euer oh Halbgötter in weiss. Und Manitu, Zeus, Wotan - wagt es ja nicht etwas schief gehen zu lassen! Nun, alles ging glatt, geradezu vorbildlich. Ich war fitter und 10 Kilo leichter als vor der OP. Und spezielles Lob an meine Tochter (damals 11) - die hat sich (zusammen mit meiner Frau) um alle Medis gekümmert, penibler als die Schwester im Spital. Toll, überstanden - alles in Butter. Yippie-kay-ey!
Fast...
Natürlich gibt es einen Haken - Ja was habt ihr denn gedacht? Ich will Euch eine Beschreibung der Symptome ersparen (ich wurde dafür eh einen Rüffel vom Admin kriegen), und die minimal-invasive OP bei der sie die Blase reinigten war etwas zwischen Horror und Komödie, da ich in Halb-Narkose alles mitbekam. Und ich habe zum ersten Mal im Leben derart gefroren, weil sie während der ganzen OP an die 30 Liter Spül-Flüssigkeit durch jagten.
Naja: Anfang Januar kam der Hammer vom Labor: "Blasenkrebs - wir verweisen sie an das Universitätsspital in Pendik" (gleich neben Tuzla)
*seuftz* Na das neue Jahr fängt ja gut an!
Ich? Krebs?
Ja, Du.
Spinnt ihr?
Wir sind jetzt jenseits der kleinen Operationen.
Schliesslich gab ich klein bei: "Machen wir das - schauen was die meinen" (Irgendwie war das alles unwirklich und surreal für mich, deshalb die Ruhe) Das Uni-Spital ist gross (heisst: wir latschten uns die Hacken ab), gut organisiert, effizient, aber ich wurde von Untersuch zu Untersuch gehetzt, die Formulare stapelten sich Zentimeterhoch und schliesslich wurde ich durch etwas, was sich Positronen-Emissions-Tomografie nennt, gejagt. Dazu musste ich vorab Kontrastmittel einnehmen und ja, es ist genauso abscheulich im Geschmack wie es sich anhört. Und - Jau - Radioaktivität! Naja - wir planen eh nicht, mehr Kinder zu machen - und nachdem ich in dieser Maschine war... vielleicht haben die dann zwei Köpfe... Vielleicht leuchtete ich danach ja drei Tage lang im Dunkeln und meine Frau hat mir nur nichts gesagt... .
Na ja. Eine Woche danach setzten sich vier Ärzte zusammen und berieten die ganzen Befunde und Resultate und 2 Wochen später klingelte das Telefon: Termin beim Arzt.
Der teilte mir trocken den Zustand und das Programm mit: Kaum Metastasen, aber die Blase ist nicht zu retten, verrottet und mit einem 4cm-Tumor. Heisst: erst 9 Wochen Chemotherapie und dann eine OP bei der die Blase (und noch mehr) entfernt wurde. Aber ich würde so den Krebs komplett los.
*nochmal seuftz*
Also... mittlerweile ist die Chemo und die OP (Anfang Juni) durch. Nein, Haare sind alle noch da ;D - aber die Nebenwirkungen wollt ihr gar nicht wissen ) und ich bin froh, dass ich den Katheter los bin. 4 Monate bin ich mit so einem Ding herumgelaufen, immer darauf bedacht dass der Schlauch nicht abknickt, ich nirgendwo hängen bleibe damit und dass ich das Ganze diskret mit mir herumtragen kann... Richtig lustig wurde es, als das Ding verstopfte und gewechselt werden musste. Ist ungefähr 6x passiert. Heisst jedes Mal jemanden mit Auto organisieren ( = aus dem Bett holen weil das ja nicht zu normalen Zeiten passieren kann ) und ab in die Notaufnahme des Uni-Spitals. Und jedes Mal dem diensthabenden Doktor erklären, er soll doch bitte vorsichtig sein.
Mittlerweile habe ich mich erholt (Hey, einen gestandenen Innerschwyzer lässt sich nicht unter kriegen ), laufe mit 2 Säckchen am Bauch herum (100x Mal diskreter als der Katheter) und fröne zu Hause meinen Hobbies. Arbeiten ist gemäss Arzt vorderhand eh nicht und vielleicht kriege ich ja Invaliden-Unterstützung. Mein Gott, nur schon dieses Wort!
Und vielleicht muss ich nochmal durch eine Chemo - ob und wie kommt heute vielleicht raus.
Gruss, Ice