Tigerle
Piratenbräute
Es war eigentlich ein angenehm warmer Sommerabend, welcher der Vorabend zur Hochzeit des Prinzen Frisko Donnersturm, Sohn des König Ferdinands I mit Prinzessin Chaldira, Tochter des König Zergries sein sollte. Organisiert wurde die Hochzeit von den beiden Königen, die endlich mit der Hochzeit ihrer Zöglinge klare Fakten schaffen wollten und auch auf ihrer Weise etwas zur Völkerverständigung beizutragen gedachten. Indes war das Brautpaar weniger beglückt über den Zustand. Er, Prinz Frisko, liebte eine Wikingerin, die zum Entsetzen seines Vaters weit unter deren Stand war und sie, Prinzessin Chaldira, träumte von einem waschechten Abenteurer, der am besten noch durch die Lande zog und möglichst berühmt oder gefürchtet war. Zwar sah Prinz Frisko nicht schlecht aus und hatte schon zuweilen seinen Mut bewiesen, aber er war immernoch viel zu höfisch für ihre Vorstellungen. Und zu klein war er auch noch!
Nachdem sie nun nach dem exquisiten Abendmenu ihre Zimmer aufsuchten, damit sich jeder auf seine Weise für das Fest vorbereiten konnte, erschallte ein lautes "Piraten! Piraten!" durch die Hallen und Flure des geräumigen Schlosses. Tatsächlich war ein großes Piratenschiff im Hafen aufgetaucht und zeichnete sich darin aus, dass es ziemlich wahllos Salven auf die Stadt schoss, ohne auch nur ein Gebäude ernsthaft zu beschädigen. Prinz Frisko konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. An jedem anderen Tag wären diese Stümper der Seekriegskunst sofort versenkt worden. Nur gerade diesen Abend hatten alle Soldaten zu Ehren seiner Hochzeit einen freien Tag. Seine Geliebte selber hatte ihm dazu geraten, den Soldaten zur Feier frei zu geben. Zwar war das Liebespaar darüber unglücklich, dass er die Prinzessin heiraten müsse, aber darunter brauchte nicht die ganze Stadt leiden. Jetzt war es aber hinfällig geworden und er griff sich seinen Säbel, um das Schloss und die Stadt zu verteidigen.
"Wenn ich die Stadt nicht zu Schutt und Asche verbrennen soll, so gebt mir Euer gesamtes Gold!" brüllte Kapitän Neptun de'Silva auf dem Marktplatz der völlig verschreckten Menge zu.
"Und Euer Silber auch. Und Kupfer! Und -Da war doch noch etwas- Achja! Ich will noch ein gebratenes Schwein! Gefüllt mit Pflaumen und Äpfeln!"
Der Menge war klar, dass dieser Mann mit dem Feder-Hut und Augenklappe nicht nur gefährlich, sondern auch verrückt war. Als der Prinz in Festtagskleidung im Laufschritt und Begleitung zweier hochrangiger Gardeoffiziere den Platz betrat, musste er sich sein Lachen krampfhaft verkneifen, um den Piratenkapitän zu stellen.
"Hiermit nehme ich Euch in Gewahrsam! Ihr werdet der Barbarei und der Piraterie beschuldigt!" schreit dieser dann auch den Kapitän an, während sein Säbel in dessen Richtung zeigte.
"Ausserdem habt ihr mir ein Fest verdorben, auch wenn ich darauf sowieso keine Lust hatte!"
"Seid ihr es, mein Prinz?"
Der Pirat lächelte freundlich, während er den Prinzen ansah.
"Ich will Euch wirklich keine Unannehmlichkeiten bereiten. Das liegt an Eurer Mutter, müsst Ihr wissen. Wir mochten uns schließlich vor 20 Jahren sehr gerne. Aber ich muss mich doch entschieden dagegen erwehren, verhaftet zu werden. Das würde meinen Plänen zuwider laufen, denke ich. Immerhin habe ich heute noch ein Stelldichein."
"Redet nicht so von meiner Mutter!" brüllte wutschnaubend der Prinz und stürmte auf den Piraten zu. Dieser ergriff aber ein Seil, welches von einem Dach herunter hing, hangelte sich hoch und verschwand blitzgeschwind über die Dächer.
Im Schloss war danach die Hölle los. Ein Dutzend Piraten sind hereingestürmt und wüteten rum. Die beiden anwesenden Herrscher kämpften verzweifelt nebeneinander gegen Viere der Piraten und warteten sehnsüchtig, dass sich die königliche Garde endlich zeigen würde. Es erschien ihnen selber ein Wunder zu sein, dass diese solange durchhalten konnten. Zwar wurden die beiden immer mehr zurückgedrängt, aber bisher gab es ausser drei kleinen Kratzern keine ernsthafte Verletzung. Aber jetzt waren die Monarchen in die Ecke gedrängt. Hinter ihnen war noch das Zimmer mit der Prinzessin, aber aus dem Zimmer würde es keine weitere Fluchtmöglichkeit geben. Nichtsdestotrotz fielen sie nun verzweifelt ins Zimmer und überraschten Prinzessin Chaldira, die gerade nackt einen ebenso freizügigen Kapitän de'Silva liebkosend umschlang.
"Ich glaube, ich sollte mich langsam verziehen. Mein Adjutant Fry bringt uns ja die gewünschten Gäste!"
meinte dieser lapidar und begann, sich langsam anzuziehen.
Während König Zergries begann, wild auf seine Tochter zu schimpfen, brüllte König Ferdinand mit Neptun de'Silva:
"Ich werde euch umbringen! Ihr habt alles ruiniert! Alles!"
Sofort ermahnten aber 4 scharfe Klingen, dass es gesünder sein könnte, die Contenance zu bewahren.
"Aber aber!" Neptun de'Silva dachte kurz darüber nach, wie er weiterreden solle... "Wer wird denn gleich so ausrasten? Ausserdem solltet ihr gelassener werden. Meine Kumpanen werden Euch sicher nicht die Gelegenheit geben, mich anzugreifen! Vielleicht fällt einem von euch Beiden dann auch ein, dass ihr mich kennen könntet."
Worauf König Ferdinand zähneknirschend etwas ruhiger wurde und meinte:
"Ihr seid schonmal vor 20 Jahren hier eingedrungen. Immerhin ist mir heuer bisher noch kein Toter aufgefallen"
"Schön, nicht wahr?"
Der Pirat richtet nun seine Worte gezielt an König Ferdinand.
" Wir konnten hier eindringen, ohne auch nur ein Tropfen Blut zu vergiessen. Und trotzdem haben wir unseren Spaß gehabt! Jetzt fesseln wir euch drei und hauen ab. Habt aber keine Sorge, wir wollen Euch nicht ruinieren. Ganz im Gegenteil erhoffe ich Euch weiterhin viel Glück."
Hiernach richtet er grinsend seine Worte an die Prinzessin:
"Die paar Minuten mit dir haben wirklich Spaß gemacht. Aber du wirst dich nun auf deine Hochzeit morgen vorbereiten müssen. Oder auch nicht. Sei aber nicht traurig! Du hattest ja jetzt deinen waschechten Abenteurer in deinem Leben gehabt. Und vielleicht sehen wir uns ja wieder."
Nach diesen Worten verschwand er zügig und hinterliess zwei wütende Könige und eine heulende Prinzessin ihren Schicksalen. Vom Inventar nahmen die Piraten nur wenig mit, auch wenn das Schloss nach der Aktion arg chaotisch aussah. Nur König Zergries musste zu seinem Leidwesen feststellen, dass die Seeräuber von nun an mit einem besser ausgerüsteten Schiff unterwegs sein mussten.
Die Hochzeit am darauf folgendem Tag fiel aus und die Verlobung wurde gelöst. Am Abend trafen sich dann Prinz Frisko und seine Geliebte Sendja auf einem Felsen mit Meeresblick.
"Du bist hiermit gefangengenommen und wirst dazu verurteilt, mich zu küssen."
Frisko umarmte mit diesen Worten Sendja fest, die ihm dann auch den Kuss gab. Er führte aber danach fort:
"Weisst du eigentlich, dass ich dich wegen Hochverrat festnehmen und in den tiefsten Kerker stecken müsste?"
"Wieso meinst du, dass ich etwas mit der Sache zu tun habe?" fragte darauf Sendja darauf Unschuld heuchelnd.
"Ich kann Eins und Eins zusammenrechnen. Von dir kam der Vorschlag, der Garde und den Soldaten frei zu geben. Und warum sollten Piraten das Risiko eingehen, eine Stadt anzugreifen, um dann nur ein paar Hundert Dublonen, ein Schiff und ein halb gefülltes Schwein mitzunehmen? Sogar den Goldschmuck haben die liegen gelassen und stattdessen so das Schloss angegriffen, so dass der Kapitän sein Stelldichein mit der Prinzessin haben konnte, die auch prompt ihre Heirat mit mir auf diese Weise verspielt hatte." erklärte er.
"Tja, ist sie wohl selber Schuld! Er entsprach aber auch ihrer Vorstellung von einem Abenteurer, zumindest nach dem, was du von ihr erzählt hattest. Ausserdem hat Neptun de'Silva wohl auch ein Talent darin, edle Frauen zu verführen, habe ich gehört." meinte darauf Sendja trocken und ohne Mitleid.
"Ich möchte nur wissen, womit du diese Räuber bezahlt hast. Es müsste eigentlich ein Vermögen gewesen sein, damit sie uns nicht ausrauben wollten!" fragte darauf der Prinz.
"Naja", begann Sendja zu stottern, "das güldene Medaillon mit dem Bildnis von Dir, das wollte Kapitän de'Silva unbedingt haben."
Frisko hielt kurz inne, sprach danach aber wieder Sendja umarmend an:
"Ist auch Ok. Immerhin konnte die Hochzeit vereitelt werden und wir können uns immernoch lieben. Aber sag mir noch eines: Wieso gab sich Kapitän de'Silva eigentlich mit dem Medaillon zufrieden?"
"Oh, es ist eigentlich eine ganz logische Sache", begann Sendja zu erklären. "Es war zirka 9 Monate vor deiner Geburt..."
"Weisst du was?", unterbrach Frisko Sendja sofort, "Ich glaube, ich will es lieber garnicht wissen. Verspreche mir nur, mir das auch niemals zu verraten."
Und sie küsste ihn wieder.