[Limbo - Runde II] skull / Timestop

Wer hat die bessere Geschichte geschrieben?

  • skull

    Stimmen: 6 60,0%
  • Timestop

    Stimmen: 4 40,0%

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    10
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Enigma

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Enigma

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skull

„…und so habe ich das Schwert Neidstachel erworben“, schloss Eperich. Septimus ließ erleichtert seinen Stilus und das Wachstäfelchen sinken, auf dem er sich frenetisch Notizen gemacht hatte. Doch Eperich fuhr fort: „Mit diesem Schwert war es mir möglich, mein erstes richtiges Abenteuer zu bestehen, als ich—“

„Was?!“ brach es aus Septimus heraus. „Das Abenteuer folgt erst noch?“

„Natürlich.“ Eperichs Miene verfinsterte sich. „Die Erschlagung der dreizehn Riesen. Du hast doch sicherlich von dieser Großtat gehört?“

„Ah… gewiss, gewiss“, stammelte Septimus, „aber…“ er deutete auf den Haufen angekohlter Pergamentblätter vor sich. Die meisten waren nach der Löschung der vorherigen Schrift nun wieder mit Lettern gefüllt, und nur wenige der verbleibenden Blätter waren noch leer.
„Mir geht der Platz aus, mein König. Könnten wir nicht vielleicht… vielleicht nur ein oder zwei sehr große Riesen…“ Er verstummte furchtsam, überzeugt, dass der König im Zorn auffahren würde.
Doch dieser lachte stattdessen und gab Septimus einen Klaps auf die Schulter, sodass er nach vorne über kippte und den hohen Stapel Wachstafeln auf seinem Pult mit sich niederriss.

„Keine Sorge, Freund Septimus“, sprach der König. „Ich habe zwei meiner besten Männer mit mehreren Mark Silber nach Süden geschickt, Pergament zu erwerben. Auf Met-Malte und Schnapps-Sighvat ist Verlass, du hast also sicher bald mehr als genug Schreibmaterial.“
„Hm.“ brummte Septimus zweifelnd.

„Überhaupt hat mein Riesenkampf noch eine Vorgeschichte.“ Des Königs Blick schweifte in die Ferne. „Ein …Wissensstreit mit einer… einem Fährmann. Ein Zwerg.“

„Oh.“ Die Erwähnung solch teuflischer Geschöpfe erweckte Septimus Interesse. „Habt ihr ihn überlistet, sodass er zu Stein wurde? Oder seinen Goldschatz an euch gebracht?“ Er griff zu seinem Stilus.
„…Ja“, brummte Eperich, „ja, genau so war es. Ich hatte also das Schwert Neidstachel erworben und schritt forsch voran, auf der Suche nach den Riesen…“

Septimus begann eifrig, mitzuschreiben. Im Hintergrund hörte er Dísa kichern, war aber schnell zu sehr von seiner Arbeit eingenommen, um sich um den Grund der ungewöhnlichen Gefühlsregung zu kümmern.

*** *** ***

Viele Jahre zuvor…

Mit der anbrechenden Dunkelheit war eisige Kälte gekommen, und Eperich schleppte sich mehr schlecht als recht durch das karge Land. Der Wind drang durch sein fadenscheiniges Wams, als wäre es nicht vorhanden, und durch das zerschlissene Ziegenleder seiner Schuhe fühlte er schmerzhaft jeden der scharfkantigen Steine auf seinem Weg.

Das Schwert, das er aus dem Grabhügel entwendet hatte, hielt nicht in der dünnen Kordel, die ihm als Gürtel diente, und so musste er es mit einer Hand festhalten, die nun schon jegliches Gefühl verloren hatte. Nur selten hob Eperich noch den Blick, um durch die Wolken seines Atems nach seinem Ziel zu spähen. Er roch und hörte den Fluss, bevor er ihn sah, und als sein Blick am Ufer entlangstreifte, sah er auch endlich das schwache Leuchten des Feuers, nach dem er gesucht hatte. Mit neuem Mut nahm er seine Kraft zusammen und schritt zu dem kleinen Fährhäuschen.

Der Fährmann saß gerade soweit in der geöffneten Tür seiner Stube, dass er von der Wärme des Feuers profitierte, aber dabei noch einen guten Blick über seinen Anlegeplatz hatte. Er trug einen breitkrempigen Schlapphut, unter dem eine glimmende Pfeife hervorlugte. Als Eperich sich näherte, erhob der Fährmann sich, und trat in den Türrahmen. Eperich sah, dass die Gestalt eher klein war, dabei aber doch stämmig. Ein Zwerg.

„Heda, Kind Brimirs!“ Eperich hob seine Hand zum Gruße. „Setz mich über, Fährmann!“

Der Zwerg trat aus der Tür, schob den Hut in den Nacken, und betrachtete Eperich spöttisch. Eine Zwergin, wenn es soetwas gab.

„Und womit willst du die Überfahrt bezahlen, werter Herr? Du siehst aus, als suchtest du wohl Abenteuer, hattest bis jetzt aber kein Glück, auch welche zu finden.“

Eperich löste den kleinen Leinenbeutel, der an seiner Kordel befestigt war, und warf ihn der Zwergenfrau zu.

„Spar dir deinen Spott, Steinweib, und setz mich über. Jenseits des Flusses warten Reichtümer, von denen du nur träumen kannst.“

„Mhm, jaja.“ sagte die Zwergin, während sie Eperichs klägliche Reichtümer zählte. „Ich habe schon viele übergesetzt, aber nur wenige davon wiedergesehen. Doch komm nun, ich bringe dich ans andere Ufer.“

Eperich folgte der Fährfrau auf ihren Kahn, und sie begann langsam, diesen auf den Fluss hinaus zu staken.

Der Abenteurer schritt ungeduldig auf dem Kahn hin und her und wärmte von Zeit zu Zeit seine Hände am Kohlenbecken des Kahns, während die Zwergin aus dem Nähkästchen plauderte.

„…und dann hat er dumm dreingeblickt, als ich den Fährlohn forderte. Er hätte eben nicht sein ganzes Gold versenken sollen. Aber schließlich habe ich ein Auge zugedrückt, er hatte ja auch nur noch eines, ein finsterer Gesell, wirklich…“

Schließlich brachte die Zwergin den Kahn vor dem anderen Ufer zum Stillstand. „Hier sind wir, mein Herr. Ich wünsche viel Erfolg oder wenigstens einen schnellen Tod.“ Sie zwinkerte ihrem Fahrgast zu.

„Fahr zur Hel.“ brummte Eperich. An diesem Ufer schien es keinen Steg zu geben, so musste er seine Zähne zusammenbeißen und ins knöcheltiefe Wasser springen. Schaudernd legte er die paar Schritte zum festen Boden zurück. Es gab hier auch kein Fährhäuschen in dem er seine nassen Schuhe hätte trocknen können, lediglich eine einfache Lampe hing schwach flackernd in einem halb im Wasser stehenden Baum.

Eperich beschloss daher, seinen Weg umgehend fortzusetzen, ehe er der Kälte zum Opfer fiel. Er schritt forsch voran, mitten durch das kleine Wäldchen vor sich— nur um unmittelbar wieder den Fluss vor sich zu haben. Verwirrt wandte der Abenteurer sich nun zur Seite. Hier konnte er ein längeres Stück gehen, doch bald hatte er wieder den eisigen Strom vor sich. „Was für Trollzauber ist das?“ knurrte Eperich und schritt den Weg zurück, den er gekommen war, und weiter. Auch hier, Wasser. Nun dämmerte ihm die Wahrheit. Die Zwergin und die Dunkelheit hatten ihn getäuscht, er war auf einer Flussinsel ausgesetzt.

Eperich fasste sein Schwert fester und kehrte wutschäumend zu der kleinen Laterne zurück, neben der er an Land gegangen war.
In einiger Entfernung vom Ufer konnte er im Licht des Kohlenbeckens den Kahn und dessen Herrin ausmachen, welche ihm fröhlich zuwinkte.

„Was für ein Spiel ist das, Troll?“, donnerte Eperich über das Wasser.

„Nun reg dich nicht so auf.“, rief die Zwergin. „Dir musste auch klar sein, dass dein Geld nicht für den ganzen Weg reichen würde. Für die paar lausigen Münzen habe ich dich weit genug gebracht.“

„Und nun setzt du mich hier aus zu sterben? Du bist doch irr!“ Eperich reckte im Ärger sein Schwert zum Himmel und ballte die freie Hand zur Faust.

„Nicht doch!“ rief die Zwergin. „Dir steht frei, ans andere Ufer zu schwimmen. Ein Held wie du könnte es sogar schaffen… aber danach würdest du natürlich erfrieren. Sinnvoller wäre es sicherlich, wenn du den Preis für die ganze Überfahrt bezahlst; dann setze ich dich gerne über.“

„Das ist Raub!“, grollte der Ausgesetzte. „Außerdem kann ich dir nicht mehr geben, du hast alles, was ich hatte.“ Kraftlos und verzweifelt sank Eperich auf die Knie und vergrub seine Hände im Schlick des Ufers.

„Nicht ganz“, rief die Zwergin fröhlich, „das ist ein schönes Schwert, das du da hast. Und Raubgut ist es ohnehin, wenn ich mich nicht täusche. Wirf es mir zu, und ich verspreche, ich setze dich über.“

„Neidstachel willst du? Ha! Fang dies!“ Mit einem Mal sprang Eperich auf und schleuderte den Stein, den er gegriffen hatte. Sein Arm war stark und seine Augen scharf, das Geschoss traf sein Ziel mit einem lauten Knall.

Die Zwergin taumelte, dann fing sie sich. „Guter Wurf !“, rief sie, noch immer fröhlich, und zog den Schlapphut vom Kopf. Eperich sah, wie sich die Glut der Kohlen in der Eisenkappe widerspiegelte, welche die Zwergin unter dem Hut getragen hatte. Er seufzte, nun von allem Kampfgeist verlassen.

„Ich kann dir die Waffe nicht geben. Damit wären all meine Bemühungen vergebens. Zieh ab und lass mich zurück; das Schwert bekommst du nie. Eher versenke ich es mit letzter Kraft.“ Er rammte Neidstachel neben sich in den Boden und legte zitternd die Arme um seinen Körper, dem die Kälte nun ernsthaft zusetzte.

„Na, na.“, hörte er die Zwergin in einem auf einmal viel gutmütigeren Tonfall. „Das wäre nun wahrlich Verschwendung. Wie viel wertvolles soll hier denn noch sinnlos versenkt werden. Vielleicht finden wir doch eine andere Lösung…“

Eperich sah zu seiner Verwunderung, wie sie den Kahn langsam auf die Insel zusteuerte.

„Bist du wahnsinnig geworden?“ presste er zwischen seinen blauen Lippen hervor. „Du weißt, ich erschlage dich, sobald ich Gelegenheit habe.“ Er tastete mit starren Fingern nach dem Heft seines Schwertes.

„Jaja“, flötete die Zwergin, „aber dafür ist auch Zeit, wenn du dich erstmal in meiner Hütte aufgewärmt hast. Dann können wir das mit der Bezahlung auch nochmal bereden. He, wusstest du eigentlich, dass es schon ganz schön lange her ist, dass der letzte Held hier vorbeigekommen ist…?“

Der Kahn legte an; Eperich blickte noch einmal zur Insel, seufzte, brummte etwas in seinen Bart und ließ sich dann neben das Kohlenbecken sinken.

*** *** ***

„Und dann“, sprach der König, „haben wir einen Wissenswettstreit gehalten—“

„Die ganze Nacht!“ rief Dísa fröhlich dazwischen.

„Die ganze Nacht?“ fragte Septimus.

„—die ganze Nacht.“ brummte der König und warf Dísa einen Seitenblick zu, den Septimus zum Glück nicht wahrnahm. „Bis ich, ehm, obsiegte. Ja, das war also die Geschichte mit dem Zwergenfährmann—“

„Mit dem laaaangen Wissenstreit!“

Eperich atmete hörbar aus und ballte seine Hände zu Fäusten, während er starr auf einen Punkt hinter Dísa blickte. „—mit dem langen Wissenstreit.“

Septimus beendete tief beeindruckt seine Notizen und nahm nur am Rande wahr, wie die Kriegerin kichernd aus der Halle flüchtete; ein Verhalten, dass er ohnehin nicht hätte deuten können.

„Kommen wir nun zu den Riesen.“, sagte der König, dessen Gesicht den gefährlichen Rotton, den es gewonnen hatte, nun langsam wieder verlor.

„Gewiss, mein König, gewiss“, antwortete Septimus. Aber er blickte zweifelnd auf den spärlichen Haufen Pergament, der noch verblieben war.
 

Enigma

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Timestop

Dufte stand am Bug des Schiffes und schrie ihre Wut den Göttern entgegen.
“Versenkt mich! Versenkt mich wenn ihr es könnt! Versucht es!”
Die Wellen krachten gegen das Schiff, hoben es hoch und hinab, Regentropfen klatschten vom Wind getrieben gegen Holz, Mannschaft und die Segel. Während das Wasser von ihrem Bart tropfte, jubelte und grölte die Zwergin. Dann rollte die Welle über das Boot hinweg.




Als sie und ihre Mannschaft am nächsten Tag am Strand anlandeten und vom Schiff sprangen, empfing sie schon eine Patrouille ihres kommenden Gastgebers mit gezückten Waffen.
Der einäugige Anführer der Truppe zeigte mit einem Speer auf der Zwergin Brust.
„Was wollt ihr, Fremde? Ihr befindet euch im Lande Eperichs, des Königs aller Burgen im freien Land. Verschwindet, sonst trifft auch euch der Fluch, der ihn heimgesucht.“
„Ha!“, lachte die Zwergin, während sie seinen Speer wegschob.
„Ich bin Dufte Zwergentochter. Alsbald braucht dein König keine Angst mehr zu haben, denn ich bin gekommen um seinen Fluch zu erschlagen!“
Skeptisch senkte der Mann seinen Speer und nahm sie dann doch mit zu der Halle des Königs.

„Woher kommt ihr?“, fragte er auf dem Weg.
„Von einer Welt so fern der euren, dass es eure Vorstellungskraft übertreffen würde.“
„Warum glaubt ihr, dass ihr fähig wärt das zu bezwingen, an dem schon so viele große Männer gescheitert sind?“, schnaubte der Einäugige verächtlich.
„Ich erschlug schon im Kindesalter Monster und Feinde. Der Schrecken der mich bezwingen kann, ward noch nicht geboren.“

Sie betraten die riesige Halle nur wenig später und als sich die mächtigen Holztore öffneten, sahen sich die erstaunten Nordmänner nach dem Neuankömmling um, der dort nass, die Händen in die Hüfte gestemmt, stand und in die Runde grinste.

<><><><><><><><>

Eperich beugte sich müde zu seinem Oheim.
„Ist dies die Nacht unseres Untergangs oder werden wir befreit vom Bösen?“
„Es wird die Nacht der Erlösung“, beteuerte der Einäugige.
Links neben dem Thron des Königs, stand Disa mit verschränkten Armen und musterte die Menge.
Grölend und lachend vertrieben sich die Helden dort ihre Zeit mit saufen, Wettspielen, Kraftproben und geschmetterten Liedern.
Dann hob Eperich seine Hand, was zuerst keinen Effekt hatte, bis Disa ein „Ruhe!“, in den Saal schrie, woraufhin tatsächlich schnell Stille einkehrte.

„Werte Gäste, ich danke euch allen für euer Erscheinen“, begann der alte König.
„Wer es wagt heute die Nacht hier zu verbringen, der mag bleiben, alle anderen haben jetzt noch die Möglichkeit mein Land zu verlassen. Trinkt euren Met aus und geht mit dem Segen Gottes. Sonst müsst ihr euch dem stellen, was seit einem Mond hier in dieser Halle tobt.“
Einige im Saal schauten sich an oder blickten zur Tür, bis schließlich jemand aufstand und rief:
„Ich bleibe!“.
Weitere Rufer stimmten ihm zu und es wurde geschrien, die Becher erhoben und auf die Tische geklopft.
„Dann trinkt. Dies sind die letzten Fässer Met die wir haben. Genießt die letzten Tropfen. Mögen sie euch Kraft, Glauben und Mut geben.“
Eperich stand mühsam auf, schaute sich um, doch weder sein Oheim noch die Schildmaid wollten ihm folgen. Kopfschüttelnd verließ er den Saal.

Die Zeit verging und die Männer tranken und sangen, als gäbe es keinen Morgen mehr. Disa sah wie die Gesichter sich immer mehr röteten, die Geschichten von Heldentaten absurder, die Witze derber wurden, die Anzahl der Männer die ihr zuzwinkerten oder auf sie deuteten zunahm.

Einer kam schließlich auf sie zugetorkelt und nahm nicht ganz ohne Mühe die zwei Treppenstufen hoch zum Thron. Sein nackter, muskulöser Oberkörper war schweißnass.
„Mädchen, mein König, wollt ihr nicht auch etwas trinken, bevor es Nacht wird?“, lallte er sie an, während er sich Reste von Essen und Schaum aus dem Bart wischte.
„Ich bin nicht der König. Ich bin sein Oheim und dies ist Schildmaid Disa. Zeigt Respekt.“
„Fürsten, Mägde, alle sollten etwas trinken dürfen“, bestimmte der Mann und hielt Disa einen Becher hin, während er sich ihre Rundungen beschaute.
„Ich trinke nicht, da mir der neue Gott eine Zeit des Entsagens auferlegt hat“, murmelte der Oheim.
„Und ihr? Frau?“, der Mann hielt den Becher nun so nah an ihre Brüste, dass er sie fast mit dem Gesöff besudelte.
„Wenn ich euren Fluch erschlagen habe, habe ich noch genug Kraft übrig um euch zu betten. Aber wir können es auch schon vorher treiben, wenn ihr wünscht. Es wird euch gefallen.“
Die Faust traf ihn so unvermittelt und machtvoll ins Gesicht, dass er schon bewusstlos war, bevor er auf dem Boden aufkam.
„Ich glaube nicht.“
Disa ließ ihre Fingergelenke knacken und verschränkte ihre Arme wieder, während von unten Gelächter heraufbrandete.

<><><><><><><><>

„Stoßt an, Brüder“, rief Dufte ihrer Mannschaft zu und kippte noch einen Becher hinunter.
„Morgen gehört denen die noch leben, das Gold des halben Königreiches.“
Grinsend sah sie zu, wie einer der Männer dem anderen bei einem Messerspiel den Finger abschnitt, was dieser mit einem verwunderten Lachen und fasziniertem betrachten seiner nun dreifingrigen Hand abtat.

Sie selbst sprach die Schildmaid an, die nackt auf dem Tisch tanzte.
„Was genau geschah in den letzten Nächten?“
Die Frau beugte sich herunter und riss an Duftes Bart. Sie sprach mit einer tiefen Stimme, wie aus weiter Ferne.
„Monster kamen jede Nacht, so sagt man. Mal eins, mal hundert. Magie war im Gange. Selten gab es welche die berichten konnten. Nur knapp entkam am ersten Tag der König selbst.“
Sie zog eine Ratte aus ihrem Schoß und ließ das blutgefärbte Tier auf den Tisch fallen.
Irgendwo splitterte Holz und jemand schrie, aber Dufte konnte ihre Augen nicht von dem Tanz der Frau abwenden, während hinter ihr jemand versuchte eine Fackel mit den bloßen Händen auszudrücken. Dufte versuchte das Wasser, das unaufhörlich aus ihrem Mund floss, wegzuwischen.
„Aber gestern kehrte der weise Oheim des Königs von einer Reise zurück. Er hat gesehen, dass sich heute alles ändern wird. Heute ist die Nacht der Entscheidung.“
Sie schaukelte hin und her, hin und her, wuchs dabei an, bis sie fast an die Decke reichte. Ihre Haut wurde grau und platze auf, ihre Haare fielen wirr, ungewaschen und schwarz von ihr herab.
„Trollolol.“, sang das Ungeheuer.
Dufte übergab sich.

<><><><><><><><>

Fassungslos beobachtete der Oheim das Gemetzel.
Im Saal sprangen die Männer von Bänken über Tische und schlugen sich gegenseitig zu Tode, entleibten sich selbst oder schrien einfach nur.
„Sind sie von Sinnen? Sie schlachten einander ab wie im Rausch.“
Ein Mann kam brüllend auf ihn zugestürzt.
„Stirb, Monster!“, kam es heiser aus seiner Kehle, während er sein Schwert schwang.
Der Speer des Einäugigen durchbohrte seinen Bauch. Gurgelnd packte der Mann die Waffe, während sein Schwert zu Boden fiel, versuchte sie herauszuziehen und stürzte mit ihr zusammen auf die Erde, wo er mit Zuckungen und blutigen Schaum vor dem Mund sein Ende fand.

Der Oheim drehte sich zu der Schildmaid um.
„Was, bei den Göttern, geschieht hier?“
„Es ist der Met. Jeder der ihn trinkt wird vom Wahnsinn befallen“, erklärte Disa und deutete auf die Fässer.
Der Oheim folgte ihrem Fingerzeig. Konnte das sein? Sie waren die einzigen die nicht getrunken hatten. Doch wie...
Er keuchte auf, als er den Stich in seinem Rücken spürte und den Speer aus seiner Brust herausragen sah. Sanfter Atem hauchte grimmig in sein Ohr:
„Das ist meine Tat. Ein paar Kräuter im Met, ein paar Nächte in Terror und sein ganzes verdorbenes Werk zerfällt. Dies ist die Rache für Missachtung, Verrat und Feigheit.“

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Die großen Türen öffneten sich ächzend und ließen das Licht des Morgens in den Saal schwappen. Eperich betrat die Halle mit seinen letzten getreuen Leibwächtern. Er sah das gleiche Bild wie immer. Alle die am Abend noch gelebt hatten, lagen nun tot in dem Meer von Blut, das sich mischte mit dem Met aus den zerschlagen Fässern.
Doch dann erhob sich eine Gestalt wankend, ebenfalls blutbespritzt und in Schweiß gebadet, hob ihre Axt in die Höhe.
„Euer Monster ist erschlagen, ich habe es gefällt. Hier vor mir auf dem Boden lag es, von tausenden von Hieben zerteilt und zerfetzt, bis es sich in Rauch auflöste. Schwarze Magie.“
Dufte spuckte aus.
Eperich durchschritt den Raum zu der kleinen Gestalt hin und packte sie an den Schultern.
„Dann ist es vorbei? Mein Königreich gerettet?“
„So wahr ich hier stehe.“
Erst jetzt wurde der König der zwei Menschen am anderen Ende gewahr, die am Fuße des Thrones lagen.
„Disa und mein Oheim.“
Er lief zu ihnen hin.
„Sie kämpften tapfer, doch wie alle fielen sie dem Monster zu Opfer.“, antwortete Dufte vorsichtig und wischte sich die nicht enden wollenden Tropfen Schweiß, die an ihr herunter rannen, von der Stirn.
„Frændi“, stammelte der König.
„Wo warst du, oh Herr? Hab ich denn nicht alles getan was du verlangtest?“
Dann sackte er neben der Leiche der Frau zusammen.
„Oh Disa.“
„Es tut mir leid um eure Schildmaid“, murmelte die Zwergin und klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter.
„Sie war mehr als nur das. Sie war meine Tochter. Nie konnte ich ihr das sagen, war sie doch ein Bastard.“
Er stöhnte auf und schlug sich die Faust gegen die Stirn.
„Doch allein das Wort tut mir nun schon weh. Jetzt verfluche ich mich für meine Distanz. Sie sollte, jetzt wo alle meine Kinder und mein Weib gestorben, das Königreich erhalten nach meinem Tode. Jetzt bleibt nichts von mir.“
Und der König weinte bittere Tränen.
Nachdem sie eine Weile schweigend gelauscht hatte, hob Dufte vorsichtig an:
„Bevor ich wieder aufbreche, möchte ich noch um einen Gefallen bitten.“
„Die halben Schätze des Königreichs, ihr sollten sie haben, wie vereinbart“, winkte der König ab.
„Danke. Doch auch von meiner Mannschaft lebt niemand mehr. Vielleicht könnt ihr Männer entbehren, die auf Reisen gehen wollen.“
„Das sollt ihr alles haben, es macht für mich keinen Unterschied. Nehmt was ihr braucht. Schiff, Männer, Vorräte, Gold. Lasst mich jetzt allein.“

Und so verließ die Zwergin den knienden, alten König, der seine Tochter eng umschlungen hielt.
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Mein Punkt geht an Timestop.

Liegt das daran, dass skull schlechter schreibt als er? Nein, er schreibt mal wieder gut, erstaunlich gut, so routiniert gut, dass man neidisch werden könnte (zum Glück sind solche Gefühle unsereins ja fremd:D).

Es ist ein schöner Text, der sich weiterhin an das Thema ("Veralberung der Sagenhelden und die sexy Schildmaid ist die einzige clevere Person in dem Haufen") hält und sogar mindestens einen Querverweis auf andere Sagen vorlegt ( wenn Eperich aber Siegis Cousin ist, stünde der einäugige Umweltverschmutzer dann nicht auf seiner Abschussliste? Oder haben die Historiker keinen Plan:D;)?).

Schöner Text und auch wenn jeder gewusst haben dürfte, welche Art von Bezahlung Dufte im Sinn gehabt hat (und wenn nicht, war das zumindest bei mir der Fall...was sagt das über mich aus;)?).


Und dann kommt Timestop.

Ich kenne von ihm ja nur seine lustigeren Texte (oder kann mich zumindest nicht an seine ernsteren Geschichten, falls vorhanden, erinnern) und da kommt diese Story dann doch unerwartet.

Anstatt dem Leser eine Episode von "Duftes und Eperichs bizarre Abenteuer (TM)" vorzusetzen, erzählt er hier eine klassisch tragische Geschichte, die mich vom Setting her (fluchbeladene Burg) an Beowulf denken ließ und schafft es auch die düstere Grundstimmung aufrechtzuerhalten.

Und am Ende sind fast alle tot und dem tragischen Thema entsprechend ist man ein wenig traurig/deprimiert.

Ich mag solche Geschichten:D.

Es liest sich einfach schön und wäre sogar ein angemessenes Ende des Eperich-Epos. Nicht sein größter Feind brachte ihn zu Fall oder irgendein fantastisches Fabeltier, nein der Untergang entspringt dem eigenen Fleisch und Blut und weil Dinge nicht gesagt wurden, wie man es vielleicht hätten tun sollen.

Ein einziger, zu Beginn unbedeutender Fehler bringt den Helden zu Fall, wie in jeder guten Tragödie.

Auf Grund der oben beschriebenen Punkte und auch wegen des Muts zum Stilwechsel, Punkt von mir:).


Gruß

Zelon:)
 

Armanz

Zeitloser Dichter
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Sehe ich im Grunde genommen alles wie Zelon.
Allerdings finde ich Timestops letzten Abschnitt zu hektisch und unglaubwürdig (liegt wohl an der vermaledeiten Wortvorgabe :D)

Da ich beide Geschichten bis zu diesem Zeitpunkt ebenbürtig fand, geht mein Punkt dann doch an skull; habe mit Eperich mitgefroren.
 

Kraven

Lernender
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Ebenfalls Punkt an Timestop, und letzten Endes kann ich Zelons Kritik nur unterschreiben. skull hat eine einwandfreie, wunderbar stilsichere Geschichte abgeliefert. Aber Timestops tragisch angehauchte Story hat mich einfach mehr angesprochen. Trotz der Hektik im letzten Absatz, die Stimmung hat mich mitgerissen.
 

skull

Thronfolger
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23.09.2000
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So...

Leider konnte ich keinen Punkt an Timestop geben. Die Geschichte fängt sehr vielversprechend als Beowulf-Pastiche an (bis hierher: Daumen hoch) und wird dann... :confused: Bei einigen Szenen fällt es mir sehr schwer, zu entschlüsseln, welche Emotion damit hervorgerufen werden soll. Dann: völlig deplatzierte, surreale FT-Referenz, unnötiger und widerlicher Schockeffekt mit Ratte... Sorry, einfach nichts für mich.

Das Ende ist mir auch eher unklar: Dísa vergiftet die Gesellschaft und wird von Dufte erschlagen?
 

Timestop

Running out of Time
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*Skull etwas Brain Bleach in den Tee kipp*

Zu der Frage: Ja. Vermutlich. Wer weiß? Die Geschichtsschreibung ist sich nicht ganz sicher.

Die Alternativgeschichte hätte dir vielleicht eher gefallen, sie hatte ein ähnliches Ende wie deine. Aber sie war auch recht ... simpel geschrieben und unterschritt schon die nächste Limbohöhe.
 

Rote Zora

Pfefferklinge
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Ich dachte bei Time ja eher an "From Dusk til Dawn" :D
Muss an meiner fehlenden Allgemeinbildung liegen.
Ich finde sie brillant. Weil Dufte sich übergibt, wird sie trotz einsetzender Wirkung der Halluzinogene nicht komplett verrückt, und hat eine Chance zu überleben. Dass die Schöne in Wahrheit das Monster ist, dass sie ihren Vater für seine Lieblosigkeit straft, der in Wahrheit nur seine Liebe verbirgt, diesen Fehler aber erst einsieht, als sein Reich in Trümmern und seine Tochter erschlagen ist - ja, das ist wirklich der Stoff einer großen Tragödie, und das im Limbo-Format. Hut ab!

Aber skull macht diesmal auch alles richtig! Statt sich in Zweit- und Drittcharaktern zu verzetteln (was bei seinen epischen Formaten immer auch eine Stärke war) vermeidet er hier, macht einen herrlichen augenzwinkernden Spaß daraus, aus was für dürftigen, ja geradezu peinlichen Episoden dann in der Überlieferung für grandiose Heldentaten werden. Dabei gelingt ihm trotz des Transfers einer Piratenkapitänin zu einer Fährfrau eine wirklich dufte Dufte, die er auch gegen seinen Eperich gewinnen lässt, ohne dass es nun gewollt bescheiden wirkt. Dabei wird das hohle heroische Machotum Eperichs einfach herrlich durch diese nüchterne, gewiefte und dabei doch nicht herzlose Zwergin konterkariert. Ich mag diese Geschichte!

Zum Glück ist es zum Abstimmen zu spät, aber ich habe hier wirklich viel Spaß beim Lesen gehabt, und hätte mich nur sehr schwer entscheiden können.

ZORA
 
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