Philosophische Frage zu einem Argument über richtiges Handeln

Tolotos

Haluter
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Hallo,

Vor kurzem habe ich mir aus einem Gespräch mit einem Bekannten heraus eine Frage gestellt. Es geht um moralisch richtiges Handeln, d.h. die Fragestellung, die mich interessiert kommt aus der Ethik.

Vielleicht kennt ihr (aus dem umgangsprachlichen oder Fachgebrauch oder als Begründung von Inuitionen, die man hat) Argumente der Art "Wenn alle oder viele Handlung X ausführen würden, hätte das klar negative Konsequenzen, also sollte jeder einzelne Handlung X nicht ausführen (auch wenn diese bei der Ausführung durch Einzelne keine, kaum wahrnehmbar negative oder sogar kaum wahrnehmbar positive Effekte hätte)".

Mich interessiert jetzt, ob ihr Argumenten dieser Form zustimmt, d.h. sie für gültig haltet. Dabei interessiert mich sowohl die intuitive Einschätzung als auch (falls sich jemand die Mühe macht oder schonmal gemacht hat) der Versuch ein solches Argument aus verschiedenen Grundprämissen (die man dann akzeptieren kann oder nicht) abzuleiten.

Ich habe selbst eine recht klare Meinung dazu, und will diese auch gerne darlegen, aber ich würde erst mal gerne sehen, was unbeeinflußt für Intuitionen/Gedanken zu dem Thema vorherrschen/entstehen. Außerdem kann ich ja mal abwarten, ob es überhaupt jemand interssiert.
 

Mindriel

Traumläufer
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Ich will im Moment nicht selbst auf die Thematik eingehen, nur als kurze Anmerkung: Ein Problem das in eine ähnliche Richtug geht ist die Tragik der Allmende.

Es wäre denke ich auch hilfreich wenn du ein kurzes Beispiel geben könntest, welche Handlung es sein könnte, die klar negative Konsequenzen hat wenn alle sie ausführen, und wie du sagst keine oder geringe beim Einzelnen.

Angenehme Träume,
Mindriel
 

Vernochan

Schabrackentapir
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Da hat sich ein gewisser Herr Kant mal mit auseinander gesetzt und es "Kategorischer Imperativ" genannt... ;)
 

skull

Thronfolger
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" [...] Handlung [...], die klar negative Konsequenzen hat wenn alle sie ausführen, und wie du sagst keine oder geringe beim Einzelnen."

Fön einschalten (-> Melmac!).
 

Val

Amazing lolcat
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"Wenn alle/viele Handlung x ausführen hat es negative Konsequenzen" -machen wir die ganze Zeit. Bei manchen Sachen mit negativer Konsequenz ist es gesellschaftlich gesehen "okay", bei anderen Sachen gesellschaftlich "nicht okay". Den Menschen ist das Vermeiden negativer Konsequenzen nicht so wichtig wie das Wertesystem im sozialen Verbund. Kinderarbeit, Umweltverschmutzung, Erzeugen von Tierleid, der Wert des Lebens, übermäßiger Ressourcenverbrauch, Zerstörung der Umwelt. Unser Gerechtigkeitssinn ist extrem selektiv.

Egal ob einer oder viele, will man eine negative Konsequenz unterbinden und man könnte das durch eine Veränderung des Handelns bewirken, warum sollte man es (nicht) tun? Viele Argumente gegen eine Veränderung sind ja "nur" erstens Gewohnheiten, zweitens mangelnder Effekt bei Veränderung des Verhaltens oder drittens gesellschaftliche Normen. Meistens ist es die Lust und die Freude, trotz der negativer Konsequenz, die den Mensch auf dem gewohnten Pfad hält. Wenn man dann über eine Veränderung weg von der gesellschaftlichen Norm nachdenkt kommt sofort der Ohnmachtsgedanke. Der Effekt ist zu gering. Einer kann nichts verändern. Ethik ist halt freiwillig, viele Probleme sind systemisch, viele Probleme aus Tradition weitergeführt. Aus Stolpersteinen werden dann eben ganze mentale Wegblockaden.

Wenn Du für ein ethisch korrektes Handeln argumentieren willst, hast Du vielleicht Recht. Im nächsten Moment kommt halt der Punkt: Die gesellschaftliche Norm und ethisch korrektes Handeln sind nicht ohne Nachteile vereinbar. "Will ein Individuum persönliche Nachteile in kauf nehmen, nur um ein Leid, das man nur aus Geschichten kennt zu verhindern?" In der Regel nicht. Und dann: Wenn Du für ethisch korrektes Handeln argumentierst hast Du eventuell selbst Blut an den Händen. Warum soll man etwas ändern, wenn man doch eh schon "schlecht" ist? Entweder es funktioniert auf Anhieb oder man lässt es bleiben. Wie die Meisten in der Gesellschaft andere auch. Meistens ist das ja auch ein Totschlag-Argument: Wenn Du einen kleinen Teil der Kette veränderst und das Große und Ganze, selbst im eigenen Leben, immer noch "schlecht" ist, warum soll man dann den kleinen Teil der Kette überhaupt verändern? Klar, da gibt es Gegenargumente. Wenn man anfängt Klavier zu spielen fängt man nicht als Maestro an, wird vielleicht auch nie ein Maestro, doch wer nicht anfängt, kann es nicht lernen.

Dann der soziale Druck für sich genommen: Sobald man zum Beispiel kein Fleisch mehr isst, versucht einen das soziale Umfeld wieder zum Fleisch essen zu überreden. Sobald man sich vegan ernährt ist man "extrem" und entspricht nicht mehr der Tradition. Die Gesellschaft will einen wieder dorthin zurückbewegen, was als Norm empfunden wird. Wer keinen Alkohol zu sich nimmt ist ein Außenseiter und soll durch sozialen Druck wieder zum trinken ermutigt werden. Das geht solange, bis die einzelne Verhaltensweise gesellschaftlich geächtet ist. Wenn Alkohol nicht mehr die Norm ist, sinkt der Druck. Es ist eigentlich total irrational, dass eine Droge, die eine Suchtkrankheit auslöst und eine andere Droge, die auch eine Suchtkrankheit auslöst mit zwei Maßbändern behandelt werden. Das ein Tier als Haustier behandelt wird und niemals gegessen werden darf und ein ähnlich intelligentes, ähnlich emotionales Tier auf dem Speiseplan steht. In Deutschland darf es keine Sklaverei geben, Das ist Tabu. Gleichzeitig ein Produkt zu kaufen, das unter erniedrigenden Bedingungen entstanden ist, solange es aus einem anderen Land kommt, das ist okay. In Amerika ist es ja für die Nachfahren der Europäer so: "Die Menschen, die unsere Vorfahren versklavt haben, die unsere Vorfahren ermordet haben, geben wir denen die gleichen Rechte wie uns?" Ethische Fragen sind an jeder Ecke. Viel zu viel, dass ein Individuum alles angehen könnte. Doch in der Regel entscheiden wir meist aufgrund der sozialen Norm, aufgrund unserer Erziehung.

Ansonsten braucht man immer die Portion Mut um innerhalb der Gesellschaft ein "ethisch korrekteres" Verhalten zu praktizieren oder man muss bereits ein Außenseiter sein, dann sind die Einzelheiten nicht mehr so wichtig. Auf der anderen Seite verspürt das Umfeld alleine durch ein abweichendes Handeln einen sozialen Druck. Selbst wenn man nonverbal sein Verhalten anpasst, man setzt sein Umfeld unter Druck. Das Problem bei Ethikdiskussionen ist, dass dann eine Form der Aggression ins spiel kommt, die bei einer rationalen Diskussion gar nichts zu suchen hat. Wenn man von der sozialen Norm abweicht ist eine Situation des sozialen Drucks da. In beide Richtungen. Für den Abweichenden und für die Person, die ich innerhalb der Norm bewegt.

Trotzdem: Ethik ist für uns Menschen eigentlich nur ein Wohlfühlbegriff. Wir haben Gesetze, die legen fest, was man darf und was nicht. Wir haben eine Wertvorstellung für den Umgang mit lokalen Ereignissen: "Ich klaue dem Nachbarn nichts, ich klaue nichts im Laden, ich zettel keinen Streit an." Ansonsten ist es in der Gesellschaft egal. Ethik ist in unserer Gesellschaft meistens etwas persönliches: Übernehme ich persönlich die Verantwortung dafür und versuche ich im Rahmen meiner Möglichkeit eine Veränderung zu bewirken?
 
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Tolotos

Haluter
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Danke für die vielen Antworten. Ich beantworte zunächst mal die einfacher (für mich) zu beantwortenden Sachen, und denke über den Rest noch genauer nach.

@Mindriel: Dein Link muss ich mir erst noch anschauen. Aber ein Besipiel kann ich gerne geben. Am besten keines aus dem realen Leben, da dort ja oft sehr viele verschiedene Einflüße auf vielfältige Weise miteinander interagieren, so dass es schwierig ist, zu erörtern, wodurch genau jetzt die entsprechenden Inuitionen begründet sind. D.h. etwas theoretischer (Beispiel kommt nicht von mir, ich habe es irgendwann mal zu einem anderen Thema aufgeschnappt):

Folgender Versuchsaufbau: 1.000.000 Menschen haben einen Knopf vor sich. Durch diesen Knopf kann man einer weiteren Person X (keiner dieser 1.000.000) einen Stromschlag verpassen. Allerdings so unmerklich, dass diese Person X den Stromschlag nicht einmal spürt. Man muss sich innerhalb der nächsten Stunde entscheiden, den Knopf zu drücken oder nicht. Alle Stromschläge (zu den gedrückten Knöpfen) werden dann aber gleichzeitig (von mir aus auch ein einzelner Stromschlag mit aufaddierter Stromstärke) nach einer Stunde verpasst. Drückt man den Knopf, so erhält man ein Snickers (oder eine andere kleine Belohnung, die das eigene Glück, die eigene Präferenzoptimierung o.ä. optimiert). Bei 500.000 gedrückten Knöpfen (und mehr) stirbt die Person X qualvoll. Bis 50.000 gedrückte Knöpfe merkt sie etwas, vielleicht auch einen leichten Schmerz, aber nichts was für sie merklich schlimmer wäre als etwas ein Kneifen in die Wange. Jeder der 1.000.000 Menschen weiß um den kompletten Versuchsaufbau und alle mögliche Konsequenzen. Aber natürlich weiß niemand, was die anderen machen, es ist keinerlei Absprache möglich.
Fazit: Begeht ein Einzelner (oder begehen mehrere Einzelne) die Handlung X, so hat das sogar positive Konsequenzen (der an den Strom angeschlossene merkt nichts, das Snickers bzw. die Snickers bewirken leicht positive Konsequenzen). Machen es aber viele/alle, so wiegen die vielen Snickers ganz sicher nicht den qualvollen Tod auf (und falls jemand das aus irgendeinem Grund doch denkt, muss man einfach die Anzahl Personen oder den Wert der Belohnung "niedriger denken").

Ich habe auch Beispiele aus der Realität im Kopf, aber wie oben angedeutet scheinen mir dort die Zusammenhänge für ein echtes "ceteris paribus" (d.h. "alles andere bleibt gleich") oft zu verschachtelt.

@Vernochan: Das stimmt, und ich hätte es bei Eröffnen dieses Themas mehr auf dem Schirm haben und erwähnen sollen. Nun also an dieser Stelle: Der Grund, warum damit meine Frage (für mich) nicht wirklich erledigt ist, ist zwiegespalten (allerdings in engem Zusammenhang): Einerseits denke ich, dass meine Situation/Frage nicht genau von Kants Theorie/Situation eingefangen wird; andererseits bin ich (im Wesentliche genau aus diesem Grund) mit Kants Antwort sehr unzufrieden.
Bei Kant geht es selten um konkrete Handlungen in konkreten Situationen, für meine Frage habe ich das schon intendiert (Handlung X ist bei mir oben also mehr zu verstehen als: Handlung A in Situation Y mit Rahmenbedingungen Z wird abkürzend Handlung X genannt). Für Kant geht es (soweit ich ihn richtig verstehe, habe mich lange nicht mehr damit auseinandergesetzt) mehr um abstrakte Handlungen - Lügen ganz allgemein als das berühmteste Beispiel.
An dieser Stelle kommt dann auch der deutlichste Unterschied meiner Frage zu Kants Ideologie: Mir geht es darum, die Konsequenzen der jeweiligen Handlungen (einer täte es bzw. alle täten es; jeweils im weitesten Sinne "in dieser Situation [was nicht unbedingt zur gleichen Zeit o.ä. heißen muss, s.o]) zu vergleichen, und danach eine entsprechende Regel anzuwenden. Für Kant waren die Konsequenzen unwichtig. Vielmehr ging es ihm darum, zu überlegen, wann die Tatsache "dass alle es täten" schon von sich aus zu Widersprüchen führen würde - in der Interpretation, die ich kenne, sogar schon aus logischen Gründen. Daher kam er selbst doch, wenn ich mich richtig erinnere, zu absurd allgemeinen Einordnungen wie z.B. das Lügen immer schlecht/zu verurteilen ist, unabhängig vom Kontext.
Wegen solchen Beispielen bin ich mit Kants Antwort nicht zufrieden, und wollte für mich versuchen, eine eigene zu finden ;)

@Val: Wir machen das die ganze Zeit, das sehe ich genauso. Diese Beispiele waren auch meine Hauptbeispiele aus der realen Welt.
Allerdings sehe ich nicht, dass aus unserem tatsächlichen Verhalten etwas über unser moralisches Urteil an dieser Stelle folgt. Jemand kann sicher der Meinung sein (Beweis durch Beispiel: Ich), dass es moralisch geboten ist, nachdem man sich umfassend informiert hat, substantielle Teile des eigenen Einkommens oder der eigenen Zeit zu verwenden, um deutlich Schlechtergestellten zu helfen (sogar wenn in der moral. Bewertung Gerechtigkeit egal ist, einfach weil Geld und damit auch Arbeitszeit einen stark abnehmenden Grenznuten hat); aber gleichzeitig aus egoistischen Gründen nichts davon in die Tat umsetzen.

Je nach Formulierung kann die Frage dabei natürlich auch "mit umgekehrten Vorzeichen" vorkommen (leicht neg. bei wenigen, stark pos. bei vielen/allen).
Ich bin mir glaube ich auch nicht so sicher wie du, dass es in den entsprechenden Fragestellungen nur um "moral. vs. egoistische bzw. sozial erwzungene" Vorteile geht.
Auch hier kann man wieder mit einem Extremfall argumentieren (von dem wir zum Glück schon genügend weit weg sind): Man nehme eine Gesellschaft, die in diesem einem Punkt wie die koreanische bzw. vielleicht noch etwas extremer ist (nach allem, was mir erzählt wurde - ich war noch nie selbst in Korea): Fleisch ist absolut selbstverständlich, niemand vernünftiges ist Vegetarier, man wird sehr schief angeschaut, wenn man auf Fleisch verzichtet.
Nehmen wir weiter einen Menschen, der in dieser Gesellschaft lebt, und der Überzeugung ist, dass eine wichtige Maxime um zu beurteilen, wie moralisch eine Handlung ist, das Vermeiden von unnötigem Leid von bewußten und/oder schmerzempfindlichen Lebewesen ist. Falls wir an objektive moralische Wahrheiten glauben, nehmen wir zusätztlich an, das stimmt auch.
Außerdeme soll obengenannter Mensch sehr gerne Fleisch essen.
Wenn nun diese eine Person Vegetarier wird, und man beurteilt rein die Konsequenzen, so sind diese vermutlich minimal schlechter als zuvor [es wird gleich viel Tierleid erzeugt, da eine einzelne Person in so einer Gesellschaft wirklich wörtlich keine Änderung hervorruft; gleichzeitig hat diese eine Person etwas weniger Glück/Präferenzerfüllung/o.ä. und eventuell erreicht man noch minimale neg. Effekte bei weiteren Personen]. Gleichzeitig weiß man aber auch mit hinreichender Sicherheit: Würden sich alle/viele so verhalten, so würde ein deutlich positiver Effekt eintreten (Vermeidung von Unmengen Tierleid gegenüber im Vergleich minimalen Negativeffekten bei der Wahl des bevorzugten Lebensmittels).
Ich glaube, dass man in dieser Situation ohne ein Analogon zu meiner im Startposting angesprochenen Konklusion nicht so einfach darauf kommt, dass es für die entsprechende Person geboten wäre, sich vegetarisch zu ernähren.
Da ich Vegetarier bin (und sehr gerne Fleisch esse(n) würde), habe ich jetzt (fast, denn unsere eigene Gesellschaft ist ja nicht ganz so extrem wie die skizzierte) verraten, wie meine eigene Antwort auf die Frage im Startposting ist.
 
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Val

Amazing lolcat
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Ich denke, soweit ich das verstehe, auch wie Du über die Sache. Nur eines: Veränderung in der Welt ist mehr als nur persönliche Bereicherung.

Wenn man sich für ein ethisches Leitmodell entschieden hat entsteht daraus der Kompass für das, was man als Individuum als gut erachtet. Ich selbst finde: wenn man selbst die Verantwortung für sein Handeln übernimmt ist das ein wertvoller Beitrag zur Gesellschaft. Wenn jeder diesen Gedanken lebt, wenn sich dieses Denkmodell verbreitet, dann, so meine persönliche Auffassung, verbessert sich unsere kollektive Lebensrealität. Weg von der natürlichen, hin zur seriosen Moral. Dann kann es nur besser werden.

Eine Frage habe ich: wie bestimmt man eine "objektive moralische Wahrheit"? Oder: Was ist das ethische Leitmodell hierfür?

Ich kann das (momentan?) nicht, der Alltag ist mir dafür zu komplex.
 
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Tolotos

Haluter
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Deinen zweiten Absatz finde ich sehr gut. In einem gewissen Rahmen versuche ich, so zu leben. Dabei bedeutet "in einem gewissen Rahmen", dass ich mir einen entsprechenden Kompass setze, mich aber, wie oben geschildert, nicht in jedem Detail daran halte, sondern das mit meinen egoistischen Interessen vereinbare. Etwas ähnlich machen vermutlich viele, was mir dabei wichtig ist, ist das ständige Reflektieren und Hinterfragen, i.e. ein wissenschaftlicher Umgang mit meinen moralischen Grundrichtlinien, sowie das ständige Prüfen zumindest auf Konsistenz (auch mit Intuitionen).

Ob ich an "objektive moralische Wahrheiten" glauben soll, weiß ich um ehrlich zu sein nicht. Bzw. eigentlich glaube ich daran/würde gerne daran glauben. Bin mir aber darüber bewußt, dass sowohl die mir wahr erscheinenden entsprechenden Werte als auch dieser Glaube an "objektive moralische Wahrheiten" nicht losgelöst von meinem bisherigen Werdegang inklusive meiner Kultur etc. betrachtet werden können.
Dementsprechend weiß (!) ich auch nicht, wie man "objektive moralische Wahrheiten" bestimmen soll. Es gibt Menschen, die z.B. sagen, dass "Eine Handlung X ist gut g.d.w. ihre Konsequenzen mehr Glück als Leid beinhalten" eine objektive moralische Wahrheit ist. [das ist natürlich simplifiziert und in Wirklichkeit soll an der Stelle etwas deutlich komplizierteres stehen, aber so ungefähr funktioniert es]

Es gibt z.B. auch Menschen, die denken, dass es überhaupt keine moralischen Aussagen gibt und sowas wie "Menschen töten ist schlecht" eher als Gefühlsäußerung denn als Aussage (inklusive Wahrheitswert) zu verstehen ist.

Ich habe den Satz oben mit einem "Falls" eingefügt, mehr als Sicherheit für Leute, die an objektive moralische Wahrheiten glauben, und trotzdem das Beispiel nachvollziehen wollen (Wenn man glaubt, dass es objektive moralische Wahrheiten gibt, dann ist denke ich eine möglicherweise notwendige und sicher hinreichende Voraussetzung dafür, dass eine Handlung moralisch geboten ist, dass es eine entsprechende moralische Wahrheit gibt).
 

Val

Amazing lolcat
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Jo, bei mir ist es genauso. Ethischer Kompass trifft auf egoistische Interessen. (Und dann: Zack ist das Leben vorbei. Was für ein Spaß. Bisschen Nihilismus im Nebensatz.)

Danke wegen Absatz zwei.

Das mit der "objektiven moralischen Wahrheit" ist denke ich auch eine sprachliche Sache: Was versteht man überhaupt drunter? Ein persönliches Ideal kann man ja immer definieren. Ich denke (Doppelpunkt und lange Ausführung: ) wenn man drüber nachdenkt kommt man sicher zu besseren Ergebnissen für ein ethisches Leitmodell. Man kann Ethik schon ignorieren, ist ja auch natürlicher. Wenn man sich damit beschäftigt ist es in unserer Gesellschaft gewissermassen wie ein Hobby. Unser wunderschönes pluralistisches System hat halt diese eine Grauzone: "Ab wann schränkt die persönliche Freiheit die Freiheit eines Anderen ein?" An der Ethik zu arbeiten, um dann eine bessere Moral zu leben ist auch was progressives. Wenn wir in der Zeit zurücksehen kommt uns die Vergangenheit meist barbarisch vor. Gleichzeitig macht uns die Technik und Masse an Menschen wieder so Einflussreich, dass wir den massivsten Einfluss auf unsere Umwelt ausüben, seitdem die Menschheit existiert. Für ethische Progression braucht es ja auch Pioniere. Von daher ein Interesse daran zu pflegen und sein Leben Stück für Stück verändern ist ja nur für sich genommen etwas Positives. Wenn man dann noch den idealen (gewaltfreien/sachlichen) Weg findet es zu kommunizieren, hat man, bis auf egoistische Einschränkungen keine Nachteile. Dafür kann ja auch ein reines Gewissen einen Belohnungseffekt haben.

Ich denke auch: Ich denke so viel über Ethik nach, ich würde es gerne noch besser praktizieren und in mein Leben integrieren. Wenn man darüber spricht, oder sich dafür einsetzt, bei mir steigt immer der mentale Druck. Gutes zu Denken ist viel einfacher, viel weniger Ressourcen kostend als Gutes zu Tun. Man braucht das Denken halt als Basis für zukünftiges Handeln. Nonverbales (Vor)Leben stelle ich mir in einer Phantasiewelt schon gerne als das Optimum vor. Es ist so friedlich und wenn überhaupt, dann nur passiv aggressiv gegenüber der Norm. Wobei man dann wiederum in der Realität besser rhetorisch gewandt agieren sollte, als einfach nur nonverbal zu existieren. Schweigen zum richtigen Zeitpunkt kann da ja auch inbegriffen sein.

Naja, mein Empfinden: ich finde es schön, dass Du Dich für das Interessierst. Das motiviert mich selbst auch, mehr in diese Richtung zu streben.
 
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