Politik, 10. Staffel

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Eowil

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Ich finde die Erklärungen immer noch unbefriedigend (ich weiß natürlich das Kausalerklärungen meist schwierig zu finden sind). Ich würde einfach erwarten dass durch den Exportüberschuss Kredite günstiger wären und Häuserbau erschwinglich. Aber das passiert eben nicht, weil durch den Export auch Kapital abfliesst?
Und ist gleichzeitig die Kultur/Ethik hier einfach derart gewachsen, dass Mieten halt auf jedenfall okay ist, obwohl es für viele Mittelständler eigentlich ein absurder Selbstbetrug ist?
Ich dachte die Haupterklärung ist, dass vor allem Grundstrückspreise und Arbeitsstunden in Deutschland so hoch sind, dass ein Mittelständler sich einen ausreichend schönen Eigenheimbau in erträglicher Lage nicht leisten kann, d.h. es ist für einen Max Mustermann im Verhältnis aufwendiger sich ein Haus zu bauen als für einen durchschnittlichen italienischne Bürger.

O.T.: Ja, danke nochmal! Der Key kam Ende Februar wohl an und ich habe es so dann gleich ausprobiert. Mass Effect 3 habe ich beendet, das Projekt steht als nächstes an.
 

Olome Keratin

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Nein, durch den Export werden Waren ausgeführt, über Versicherungen und Kapitalanlage Geld. Da beides parallel statt findet, gibt es eben keinen Aufbau von Sachvermögen, sondern einen Aufbau von Forderungen gegenüber dem Ausland. So verständlich? Der Kapitalexport sorgt eben dafür, dass Kredite hierzulande nicht günstig sind. Bliebe das durch den Export erwirtschaftete Kapital im Land, wären Kredite vermutlich günstiger.
 
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Turjan

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Amerikaner bauen ja im Normalfall auch keine Haeuser, sie kaufen sie. Ein Developer kauft ein paar Felder, plant darauf eine Siedlung und verkauft die Haeuser dann. Danach werden sie immer weiter verkauft. Umziehen ist einfacher, da ein Haus nur verkauft werden kann, wenn der Fussboden okay ist (keine Loecher in Fliesen und Teppichboden), der Strom noch an ist, und normalerweise sind auch Kueche und Waschraum komplett und benutzbar. Schraenke sind eh eingebaut, d.h., man muss nur noch das Bett, das Sofa, ein paar Barhocker (fuer die Kueche) und den Fernseher mitnehmen.

In der kleinen Strasse, wo ich zuerst in den USA in einem Haus von Freunden gewohnt hatte, ist einer der Nachbarn in den letzten zehn Jahren zweimal in ein anderes Haus in derselben Strasse gezogen. Erst wurde die Familie groesser, also wurde ein groesseres Haus gekauft. Dann zogen die Kinder aus, also sollte es wieder ein kleineres Haus sein. In Deutschland waere das alles ein furchtbarer Akt. Hier ist das kein Problem.

OT: Na dann viel Spass :)!
 

Matthew McKane

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Die Deutschen sind schon lustig. Hier in der Schweiz kann sich niemand so richtig vorstellen, dass man sich für eine Mietwohnung eine eigene Einbauküche, Waschmaschine, Wäschetrockner usw. kauft.

Hängt nicht doch der Kapitalexport mit dem Warenexport zusammen? Wir exportieren halt auf Pump. Oder sehe ich das falsch?
 

David

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Eine Einbauküche wäre wirklich Unsinn (wobei man die oft an den Nachmieter weiterverkauft), aber warum keine Waschmaschine ?
Die kann man beim Umzug mitnehmen und irgendwie ist es mir schon lieber wenn sich darin nur mein eigener Dreck ansammelt und nicht der fremder Leute wie bei den Maschinen im Waschsalon. ;)

@Turjan:
Der Kredit wird ja nicht im Betrag doppelt abgesichert (das wäre Wucher), nur aus verschiedenen Quellen. Wenn das Haus genug einbringt um den Kredit abzulösen ist die Sache erledigt, erst wenn das nicht reicht kommen die anderen Vermögenswerte ins Spiel.
Mit dieser Haftungsbeschränkung macht man im Kleinem doch genau das, was den Banken im Großen vorgeworfen wird: Gewinne privatisieren (der Wert des Hauses steigt, der Kreditnehemer kann es verkaufen, den Kredit bedienen und die Differenz einstreichen), und die Verluste sozialisieren (der Wert des Hauses sinkt, der Kredit wird nicht bedient, der Verlust landet erst bei der Bank und wenn die zusammenbricht bei den Anlegern oder Steuerzahlern). Das ist Glücksspiel mit eingebauter Versicherung gegen das Verlieren.
U.a. deshalb ist Kaufen statt Mieten in den USA auch so eine rationale Lösung: Denn wenn man für Verluste beim Verkauf vollständig haften muss, steht bei jedem Umzug das Risiko ins Haus, dass die Immobilienpreise inzwischen gesunken sind. Unter diesen Rahmenbedingungen hat Mieten in vielen Fällen Vorteile, der Umzug von einer Mietwohnung ist die Nächste ist keine große Sache mit überschaubaren Kosten und ohne 'Spekulationsrisiko'.

Für mich ist es auch ganz generell unnatürlich eine "gespaltene finanzielle Persönlichkeit" zu entwickeln: Hier das Haus und der passende Kredit, dann vielleicht noch das Auto und der passende Kredit, dann das laufende Einkommen und die täglichen Ausgaben, und alles künstlich voneinander getrennt. Das dient am Ende doch nur dazu, sich vor der Verantwortung zu drücken. Und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen ist meiner Meinung nach der Preis den man für Freiheit bezahlen muss, sonst wird es negative Narrenfreiheit. (Deshalb ärgern mich die Rettungspakete für Unternehmen oder Staaten auch, die heben genau dieses Prinzip auf und fördern eine "irgendwer wird uns schon helfen wenns schiefgeht"-Mentalität)

Was die Wirkung des Konsumverhaltens auf die Volkswirtschaft angeht:
Ob Deutschland stark oder schwach ist, ist für mich persönlich erstmal zweitrangig. Mein erstes Ziel ist es, keine finanziellen Sorgen zu haben. Und da ist es sehr hilfreich, die Ansprüche so anzusetzen, dass am Monatsende noch etwas Geld übrig ist um im Ernstfall nicht sofort Probleme zu bekommen oder auch Geld zu haben um eine unerwartete Chance zu ergreifen (zB eine spontane Reise). Und um ruhig schlafen zu können.
Zusammen mit der Miete habe ich so nichtmal wirklich Angst vor Arbeitslosigkeit: Schlimmstenfalls ziehe ich eine etwas kleinere Wohnung und habe mein Auskommen mit ALG2, das wäre nicht schön, aber auch kein Weltuntergang. Und wenn ich ne neue Stelle gefunden habe, kann ich meinen materiellen Lebensstandard wieder 'hochfahren'.

Und was das "Wirtschaftsmodell" angeht, selbst wenn es wirklich geplant wäre, so dumm ist das nicht:
Das Wichtigste ist, wir exportieren Arbeitskraft, keine Rohstoffe. Das macht einen gewaltigen Unterschied, denn wenn gleichzeitig Arbeitslosigkeit ein Problem ist, verlieren wir durch den Export nichts, sondern gewinnen in dem Moment wo er beginnt durch steigende Steuereinnahmen und Kaufkraft sowie niedrigere Sozialausgaben. Selbst wenn in Zukunft ein Teil der Forderungen verloren gehen sollte, profitiert haben wir dann schon längst. Zumal nur ein Teil der Erlöse 'gespart' wird, der andere Teil wird sofort wieder ausgegeben und kann damit nicht mehr verloren gehen.
Die Alternative die Menschen für den Binnenmarkt produzieren zu lassen existiert wegen der hohen Löhne (im Vergleich zu den Ländern, in denen unsere Konsumartikel hergestellt werden) doch überhaupt nicht für die breite Masse der Arbeiter. Selbst wenn wir wie Olome sagen <i>"ein nicht geringer Teil der Volkswirtschaft arbeitet, um Forderungspositionen gegenüber dem Ausland aufzubauen."</i>, das wäre immer noch besser als Arbeitslosigkeit weil Letztere auch kostet. Würden wir wertvolle Rohstoffe exportieren die wir als Alternative zum Export auch selber verbrauchen könnten, sähe das anders aus.

@Olome:
Was <i>"sobald die Euroretter anfangen, an die Sparguthaben zu gehen(..)"</i> angeht, mein Plan war ja eigentlich dann einfach alles Geld auszugeben und nach dem Motto "wer nichts hat, kann auch nichts verlieren" zu leben. :D
(In der Praxis schaffe ich das aber trotz überschaubarem Einkommen nicht weil ich viel zu faul bin dauernt einzukaufen oder jeden Monat einen Kurzurlaub zu machen)
 
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Eowil

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@Olome: Okay, der Groschen ist wohl gefallen. Wieso wird mit den zahllosen Bausparverträgen jedoch nicht gebaut?

@David: Das entspricht meinem Plan. Durch kein Vermögen ist man weder durch Vermögensverlust bei Arbeitslosigkeit, noch durch Enteignung durch die CCCP ehhh EU bedroht. Ich wunder mich, dass es noch keine Tea Party Bewegung gegen Brüssel gibt...

Dazu eine Frage: Wieso greift sich die EU nur eingezahltes Geld? Wieso werden Aktien/Fonds verschont?
 

David

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In vielen Ländern gibt es ja populistische Anti-Europa-Parteien, dass sowas in Deutschland bisher noch nicht Fuß fassen konnte, wundert mich auch manchmal.

Was das liebe Geld angeht, solange es um übeschaubare Beträge geht, ist das ja noch nicht ganz so arg, wenn ich jetzt am Beginn des Berufslebens 10% meines bisschen Gesparten verlieren würde, wäre das kein Weltuntergang. Aber wenn ich Zb eine größere Summe gewinnen oder erben würde (EDIT: oder schon seit Jahrzehnten gearbeitet und etwas mehr gespart hätte), würde ich mir wirklich ernsthaft Sorgen machen und über Investitionsmöglichkeiten nachdenken.
Wobei man damit natürlich immer auch neue Risiken eingeht, im Moment ist das Risiko sinkender Immobilien- oder Goldpreise bei uns wahrscheinlich noch mindestens genauso hoch wie das Geld auf der Bank zu verlieren weil der Staat sich selbst bedient.
 
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Olome Keratin

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Keine Anti-Euro-Partei? Das ist mittlerweile falsch, wenn sie auch noch nicht offiziell gegründet wurde: Alternative für Deutschland. Ich bin übrigens gestern wie eine ganze Reihe weiterer ESM-kritischer FDPler gewechselt. Wenn also mal wieder jemand auf einen FDPler drauf hauen will, stehe ich nicht mehr zur Verfügung.;)

@Eowil: Das ist relativ. In manchen Regionen gibt es mittlerweile Anzeichen für eine Blasenbildung auf dem Immobilienmarkt, bspw. Berlin und Hamburg. In den letzten Jahren hatten wir so etwas noch nicht, weil es attraktivere Blasengebiete gab (USA, Spanien, Irland, GB), außerdem sind die Kreditvorschriften hierzulande nicht so locker, dass es einen großen Subprime-Markt geben könnte. Außerdem dürfte bei den meisten Sparverträgen Fälligkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten, nämlich dann, wenn die Leute am Ende ihres Erwerbslebens stehen (v. a. Riester und Lebensversicherung). Bei den Babyboomern ist das in 10-15 Jahren der Fall.

@Matthew: Ich versuchs mal runtergebrochen auf eine Firma. Vielleicht ist es so verständlicher, da du ja früher mal Handwerker warst. Mal angenommen, ein Schweizer Handwerksbetrieb führt einen Auftrag in Österreich aus. Der österreichische Kunde kann nicht zahlen und es wird ihm erstmal gestundet. Macht der Handwerker das aber noch ein paarmal, kommt er selbst in Schwierigkeiten, weil er ja auch Kosten hat. Entsprechend wird er beim zweiten oder dritten Auftrag erstmal verlangen, den ersten bezahlt zu bekommen. Passiert das nicht, wird kein Auftrag mehr ausgeführt. Wenn der österreichische Kunde nun immer noch kein eigenes Geld hat, der Handwerker nicht mehr warten will, er aber aber den Handwerker noch braucht, kann er versuchen, sich das Geld woanders zu leihen, z.B. bei einer Bank. Der Schweizer Handwerker wiederum wird dann mit dem Geld der Bank bezahlt. Mal angenommen, der Schweizer kann durch den bezahlten Auftrag Vermögen aufbauen und bringt das Geld auf die Bank. Die verleiht es nun an den Österreicher, der damit, den nächsten Handwerkerauftrag bezahlt. Das sieht in den Büchern erstmal gut aus, aber nur solange, bis dem Schweizer irgendwann aufgeht, dass er seine Aufträge im Grunde selbst bezahlt und sein Bankguthaben gar nicht ausreichend besichert ist. Passiert das, kommt es zu einer Vertrauenskrise und der skizzierte Geldkreislauf Schweizer-Bank-Österreicher bricht zusammen. In einer Volkswirtschaft läuft so etwas zwar über viel, viel mehr Stationen, im Grunde entspricht es aber diesem Modell, wenn ein Land sowohl Waren/Dienstleistungen als auch Geld ausführt.

@David: Für einen kurzen Zeitraum mag es sinnvoll sein, wenn überhaupt irgendwas gearbeitet wird. Allerdings bilden sich damit Wirtschaftsstrukturen, die dauerhaft nicht tragfähig sind. Deutschland hat mittlerweile eine Exportabhängigkeit von 47% - vor der Euroeinführung war das etwa die Hälfte. Entsprechend in der Südperipherie z.B. der aufgeblähte Bausektor in Spanien, der jetzt komplett in sich zusammen fällt. Solche Fehlentwicklungen zu korrigieren, ist immer sehr schmerzhaft. Mit vernünftiger Zins- und Wechselkurspolitik käme es gar nicht erst zu solchen wirtschaftlichen Fehlbildungen, was mir weit sinnvoller erschiene.
 

Turjan

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@David: Ich habe jetzt nicht viel Zeit, und Olome hat es ja schon angefasst, darum hier nur kurz: Es ist schon klar, dass Deutschland ganz gut mit dem Modell lebt - im Moment jedenfalls. Nur wenn Deutschlands halbe Wirtschaftsleistung davon abhaengt, dass die lieben Nachbarn, welche kurz vor dem Bankrott stehen, weiter Deutschlands Waren kaufen, sieht die Prognose zappenduster aus. Weshalb ich unter anderem nicht verstehe, warum so viele Deutsche diese Haltung haben, dass die Suedeuropaeer ihre Probleme selbst loesen sollten und die Deutschen das alle nichts angeht. Im Falle des Zusammenbruchs Suedeuropas werden dessen Schulden zu einem Grossteil in Deutschland enden, egal ob als EU Schuldschein oder einfach unbezahlte Forderungen.

Und dann bist Du naemlich an dem Punkt, wo Deutschlands Schuldenberg, der jetzt schon gross genug ist, um das Land in dem Falle, dass ploetzlich die Haelfte der Wirtschaftsleistung abgewuergt wird (weil die Kunden wegfallen) bankrott zu machen, noch groesser wird. Macht aber an dem Punkt wahrscheinlich eh nix mehr.
 

Caesar

C
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Ich hab noch ne Frage :D

1. Warum ist es so dringend Nötig, dass die Deutschen mehr Zeug kaufen, das sie ja offensichtlich nicht brauchen, sonst würden sies jetzt schon kaufen. Häuser bauen verstehe ich noch, aber den Rest? Sollte es nicht positiv sein wenn man weniger Konsumwaren verschleudert und Müll produziert?

2. Warum brauchen wir noch ne Partei die nur ein einziges Thema hat und dann noch im Verdacht steht rechtspopulistisch zu sein? Selbst wenn die im September jemand wählen würde, danach nie wieder...
 

Ribalt

Ork-Metzler
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Im prinzip ists, zumindest wenn mans stark simplifiziert, doch so:

Starker Binnenmarkt = Hoher Eigenkonsum = Hoher Wohlstand der eigenen Bevölkerung.
Export überhang = Wenig Eigenkonsum = Wenig Wohlstandsgewinn für die Bevölkerung.

Du kannst theoretisch Exportweltmeister sein wärend das ganze Volk verhungert und keinen müden Cent (sprich kaufkraft) von dem ganzen sieht... Ein starker Binnenmarkt setzt Eigenkonsum voraus, also auch Löhne/Gewinne welche effektiv an die Konsumenten im eigenen Land gehen...
Kurz: Export bringt zwar Geld, sonst aber erstmal rein gar nix.

Oder lieg ich hier total daneben?
 
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Erian

Anla'Shok
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@C
zu 1: Weil wir unter der Annahme operieren, dass wir Wachstum brauchen. Alles auf auf Wachstum ausgerichtet - je mehr, umso besser (wobei kurzfristig zu starkes Wachstum wahrscheinlich ähnlich kritisch gesehen werden wie alle zu heftigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen). Haben wir nen Plan B für den Fall, dass wir nicht mehr (signifikant) wachsen können? Wär mir nicht bekannt.

Hab kürzlich einen schönen Artikel dazu überflogen, der folgende Sicht dazu vertreten hat: Vorangegangene Generationen wollten folgenden einen möglichst hohen Wohlstand mitgeben - daher der Wunsch nach immer mehr Wachstum. Der Effekt war aber leider, dass die folgenden Generationen zugleich mit immer mehr Schulden belastet wurden - und zwar nicht nur finanzieller Art, sondern z.B. auch bei unserer Umwelt. Alternativen zu dieser Wachstumsorientierung werden - laut diesem Artikel - nach wie vor nur in sehr elitären Kreisen ernsthaft betrachtet.

Ein gutes Beispiel dafür ist aus meiner Sicht die Atomkraft: Kurzfristig wirtschaftlich sehr geil, billige Energie, voll toll. Langfristig ist diese "billige" Energie auf Schulden aufgebaut: Das Pricing für 10.000 Jahre Einlagerung würd ich gern mal sehen. Im nächsten Schritt sind wir - wieder in Gedanken an die kommenden Generationen - in die komplett gegensätzliche Richtung gegangen: Alles mit Atomenergie ist schlecht und böse und kann eigentlich gar nicht ernsthaft besprochen werden. Dass dabei auch technolische Potentiale zur Wiederaufbereitung flöten gehen und Folgegenerationen erst recht auf dem Müll sitzen bleiben ... uups.

Falls deine Frage eher rhetorischer Natur war: Den Fokus auf Konsum sehe ich auch eher kritisch. Sowohl Konsum als auch (Wirtschafts)Wachstum können durchaus gute Sachen sein, sollten aber nicht zum Selbstzweck werden. Das ist ähnlich kritisch, wie wenn der Gewinn eines Unternehmens zum Zweck von diesem wird, nicht nur ein (notwendiges) Mittel zum Zweck ist.

@Olome
Hängt das von dir an Matthew gerichtete Beispiel von einem (fehlenden) Wechselkurs ab? Ich meine, in welcher Währung ein Unternehmen nicht bezahlt werden kann, ist doch ansich egal?
Aus dem Bauch raus würde ich sagen: Bei unterschiedlichen Währungen und Korrekturen durch Wechselkurse ist ein Ausfallrisiko höher - nämlich bei Kursschwankungen -, bei festem Wechselkurs ist der Schaden durch einen Ausfall höher - nämlich wenn dann ein Komplettausfall der Forderungen.
 

Turjan

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Die Antworten bezueglich Wachstum treffen nicht das Problem. Ganz im Gegenteil. Es geht darum, mit einer extremen Wirtschaftskontraktion irgendwie klarzukommen. Ich rede von einer zu erwartenden Halbierung* in Jobs und Einkommen. Das muss man irgendwie ersetzen.

Edit: Was mir die Antworten allerdings zeigen, ist, dass den meisten Leuten dieses Riesenproblem nicht bewusst zu sein scheint.


*OK, bevor sich jetzt jemand auf genaue Zahlen versteift, Halbierung ist etwas zu hoch gegriffen. Aber auch, wenn's nur ein Viertel ist, ist der Staatsbankrott schwer abzuwenden.
 
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Caesar

C
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Nein die Frage war nicht ganz rethorisch.

Aber das was immer gesagt wird ist doch: Wir brauchen mehr Wachstum, sonst haben wir nicht genug Arbeitsplätze, aber wir brauchen mehr Arbeitsplätze für mehr Wachstum und ohne Wachstum können wir nicht genug konsumieren damit mit wir mehr Wachstum haben.

Das klingt für mich als jemanden ohne BWL Ahnung nicht besonders logisch. Ich würde ja fast unterstellen, dass man 50% der Jobs streichen könnte, ohne dass es verluste in Wichtigen Produktionsbereichen gibt. Ok 50% hätten kein Geld, aber das ist ja erst mal nicht der Punkt.
 

Turjan

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Na ja, als langfristige Anpassung ist so etwas denkbar. Deutschland's Lebensstandard wird eh runtergehen muessen (der in der USA natuerlich auch), wenn wir Teil der Weltwirtschaft bleiben, und da gibt's keine Alternative. Wir haben es hier aber mit einem "von heute auf morgen" Szenario zu tun. Und da bedeutet Deutschlands extreme Exportabhaengigkeit auch, dass ein Grossteil der Wirtschaft direkt von externen Einfluessen abhaengig ist und die Steuerungsmoeglichkeiten gering sind. Die Probleme der USA sind dagegen meist hausgemacht, koennen dann aber auch mit Hausmitteln korrigiert werden.
 

Olome Keratin

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@Turjan: Kann ich unterschreiben.

@all: Lest Wirtschaftsteil. So schwer ist das ganze auch wieder nicht, ich habe mir das ganze schließlich auch autodidaktisch angeeignet.

@Ribalt: In einer funktionierenden Marktwirtschaft ohne ständige verzerrende Eingriffe bauen sich Ungleichgewichte mit der Zeit von selbst ab. Ein Land, dass einen hohen Exportüberschuss hat, wird eine Währungsaufwertung verzeichnen, die Exporte verteuert und Importe verbilligt. Das hat vor der Euro-Einführung funktioniert. Siehe franzözische Handelsbilanz im Langzeitchart (4. Grafik). Ab 2000 sieht man in allen Ländern der Südperipherie nur noch defizitäre Handelsbilanzen, weil fehlender Wechselkursmechanismus und falsche Leitzinssätze einer Anpassung entgegenwirken.

@Erian: In einer kreditbasierten Wirtschaft braucht man immer Wachstum, um die Zinsen zahlen zu können. Die diversen Versuche, Wirtschaft ohne Kredite/Zinsen aufzubauen, sind alle gescheitert. Bleibt das Wachstum aus, kann man aber auch auf die Rückzahlung der Schulden verzichten, was seit Jahrtausenden gute wirtschaftliche Tradition ist. Davon geht die Welt nicht unter.
Zu deiner Frage 1. siehe @Ribalt. 2. Um beim Beispiel zu bleiben: Wenn Österreich gegenüber der Schweiz generell ein Handelsbilanzdefizit hat, würde die österreichische Währung (wir nehmen jetzt mal an, Österreich hätte eine eigene Währung) gegenüber dem Franken abwerten. Die Notenbank Österreichs könnte sich zwar dagegen wehren, solange sie genügend Devisen hat, aber auch nicht unbegrenzt. Mit der Abwertung würden die Schulden des Österreichers beim Schweizer Handwerker an Wert verlieren, also quasi inflationiert werden. Der guckt dann entweder in die Röhre oder sichert sich gleich vorher dagegen ab, indem bspw. Zahlung in Schweizer Franken vereinbart wird. Hätten Schweiz und Österreich dagegen eine Währung und es liefe so wie jetzt in der Eurozone, würde die östereichische Notenbank halt sagen: "Was, unsere banken werden zahlungsunfähig? Geht nicht, kommt, hier habt ihr neues Geld aus der Druckerpresse." Gegenfinanziert durch negative Realzinsen für alle Sparer.

@C: Och, wenn du mir so kommst:
Antwort auf 2.: Wozu brauchen wir 5 Parteien, die sich zwar rhetorisch unterscheiden, im Endeffekt aber eine alternativlose sozialistische Einheitspolitik der Nationalen Front betreiben? Und die einzige Opposition bildet die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands.:rolleyes:
 

Matthew McKane

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@Olome: Das meinte ich doch? Wir exportieren auf Pump.(Das Geld mit dem das Ausland unsere Exporte bezahlt, ist in Wirklichkeit von uns geliehen,wenn auch über viele Ecken.) Also besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Warenexport und Kapitalexport. Das war meine Aussage. Wenn du etwas anderes meinst, habe ich das nicht verstanden.
 

Olome Keratin

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@Matthew: Ah ok, dann hatte ich dich nicht richtig verstanden.:) Ich hatte angenommen, du meintest, dass Warenexport zwangsläufig Kapitalexport nach sich zöge, was nicht der Fall ist.
 

Eowil

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@Turjan: Also die von dir geschilderte Sicht auf das Problem ist, dass die Babyboomer in 10-15 Jahren ihre Einlagen abkassieren wollen und weitere 10-20 Jahre später sterben werden. Es ist dabei eigentlich egal, ob die BRD auf Export oder Binnenmarkt oder einen "guten" Mix setzt -- es wird aufjedenfall schief gehen, insbesondere wenn die Einlagen durch einen belasteten Rettungsschirm verfeuert werden. Es sterben ein Viertel der Konsumenten (afaik!) und die meisten der übrigen 60 Millionen werden nicht reich sein.
Meine Intuition sagt mir, dass der Punkt gewichtiger ist als er wahrgenommen wird, aber es sind doch tatsächlich 35 Jahre die dazwischen liegen und es gibt 35 Jahre für eine Vielzahl von kleinen und großen politischen Lösungen wie eben neuen, großen, langsamen, "paradigmatischen" Entwicklungen -- wir können nicht in die Zukunft gucken. Z.B, mindestens die Türkei, Kroatien, Serbien werden wahrscheinlich in der EU und hoffentlich die solideren der anderen Staaten Europas im Euro sein (da gebe ich Herrn Oettinger recht, wir werden nach Ankara kriechen!),... oder auch, die Produktionsbedingungen in Asien werden wieder teurer und in Süd- und Osteuropa wird Investition attraktiver werden, solange es keine braune "Revolution" gibt.

Aber richtig, ich glaube auch, man sollte bezüglich des Konsumprinzips nicht zu grünäugig sein. Es ist nicht die Stellschraube, an der wir allzustark drehen können. Die Wirtschaft funktioniert nicht nach dem Civillization Prinzip, wo man sich als totalitärer Gott auswählen kann, was so läuft. Alle Menschen des Westens, mitsicherheit auch ihr und ich, und (spätestens bald) alle anderen nicht-allzu-Armen vom Rest des Planeten ebenso, lieben den Konsum und stecken knietief drin.

Dies ist ein neoliberaler Sachzwang, der besteht. Man kann mit verschiedenen asketischen, puritanischen, esoterischen Antikonsum Ethiken aus dem Weg gehen, aber es lässt sich politisch nicht ändern, dass wir alle mehr oder weniger süchtig nach Thunfisch, Bier, Computer, Internet, Ipod, Schokolade, warme Duschen, Strom, Cola und Fleisch sind und jeder eine andere Meinung darüber hat, was weniger sein sollte und höchstens sehr unglückliche Seelen auf vieles gleichzeitig davon verzichten.
Und wenn man sich nichtmal in den kleinsten politischen Einheiten darauf einigen kann es es anders zu machen (Kommunen, WGs, lokale politische Gruppen), sollte man an dieser Stelle über die europaweite oder globale Dimensionen der Frage aufhören nachzudenken.

Das weniger Wegwerfkram und ressourcenintensive Güter konsumiert werden müssen, weil die Entlohnten hoffentlich immer fairer entlohnt werden und die Bedingungen besser werden und die Umwelt an vielen Punkten nicht mehr hergeben wird, mag eine politische Lösung sein und muss wohl eine sein. Aber diese Grundsäule aufzulösen, halte ich für einen absoluten Irrweg. Europa und die USA haben es jetzt 100 Jahre eintrainiert, sämtliche neuen Bürger Südamerikas, Afrikas und Asiens konsumieren nun auch gerne und werden dies tun bis der Ozean und etwaige seltenen Erden leer sind usf. Positiver Nebeneffekt, die meisten Menschen schwören im Konsumkapitalismus wohl der Gewalt ab...

ALs zweites Argument würde ich auch, wie Olome, die Zinsen anführen, an den bislang kein gescheites, global funktionsfähiges Modell vorbeiführt.

Um hier populistisch überzuleiten, bewährte Systeme wie Konsum und Zinsen abzuschaffen klingt mir am Ende das Tages nach einer ähnlich guten Chance wie Stalins Rückkehr. ;)

@Olome:
Die Alternativen-Rechtspopulisten habe ich auch auf dem Schirm, sehr interessant sind sicher auch diese beiden Kommentare dazu. Einer von Augsteins besseren Kommentaren stigmatisiert die (zu Recht!) als Ansammlung 50jähriger, frustrierter, CDU-affiner, beinahe-ewig gestriger Männer. Auf der anderen Seite schreibt im Handesblatt der dieser Gruppierung nahestehende ex-BDI Mann Hans Olaf Henkel einen Versuch diese zu Legitimieren. Ich gehe da weitestgehend mit Augstein, obwohl ich seine (meist) antizionistische Art nicht leiden kann, aber in einem Punkt hat Henkel recht: Die EU ist Demokratiefrei. Die Rechtspopulisten sind halt nunmal keine demokratische Antwort darauf, sondern eben eher entfremdeter, undemokratischer Pöbel. Das wird vor allem durch die Ideen mit neuer "Mütterfreundlichkeit" und einem besseren "Migrationsregime" deutlich, dass mir eher nach Le Pen/Haider als nach Demokratie klingt.

Über die Idee mit zwei Eurozonen ließe sich wahrscheinlich auch streiten, aber hier gilt wieder: Wir spielen hier nicht Civillization. Die südlichen Länder sind halbdemokratisch und souverän im Euro und der Norden kann die nichtmal eben rausschmeißen-- Cypern oder Griechenland wurden ja recht einstimmig von allen in das Dasein des halbtoten gedrängt-- aber die halbe Zone, nie und nimmer. Von den kalamitären Risiken und Unmöglichkeiten dieser Unternehmung für Ratings und so fort ganz zu schweigen...

Am Ende des Tages werde ich die aber erst als Tea Party akzeptieren, wenn die über die 5% Hürde in einer Wahl kommen oder in den Flügel einer anderen Partei integriert werden.
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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3.151
@Eowil: Du hast mich grade als "entfremdeten, undemokratischen Pöbel" bezeichnet. Vielen Dank dafür. Besser wird es noch dadurch, dass du als Grundlage diesen diffamierenden Augstein-Kommentar nimmst.

Augstein schrieb:
Denn man kann ja getrost davon ausgehen, dass der Euro erst der Anfang ist. Als nächstes geht es gegen den Islam, die Klimaforschung, den Feminismus und die Schwulen - das ganze Programm der modernen Rechtspopulisten.
Es gibt für diese These nicht den geringsten Anhaltspunkt, weder auf der Website noch durch die beteiligten Personen. Aber Augstein wahrt damit seine ideologischen Scheuklappen.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es Unterwanderungsversuche geben wird, wie etwa hier vermutet - eine Gefahr, der sich die Gründer eben sehr genau bewusst sind.

Und bezüglich Populismus: Das hier schauen und mir dann sagen, wer hier der Populist ist: Lafontaine, Müller und Lucke oder Brüderle?
 
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