Politik, 11. Staffel

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Olome Keratin

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@Turjan und Maus: Die bisherigen arabischen Eliten haben die Palästinenser tatsächlich vor allem zum Schachern eingesetzt - nur nahm ihnen das ihre eigene Bevölkerung meistens übel, siehe etwa Ägypten. Eine Vernichtung der Palästinenser für die Vernichtung Israels in Kauf zu nehmen, hätte sich aus innenpolitischen Gründen niemand leisten können, das gilt für den persischen Iran m. E. genauso. Außerdem kommt nun noch hinzu, dass das nach-revolutionäre Ägypten viel engere Beziehungen zu den Palästinensern pflegt als früher.
 

Fabian

Hefti
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Turjan:
Da hast du natürlich recht. Wenn man nicht betroffen ist, kann man immer leicht moralisieren. Meine Ausführungen war auch nur als grundsätzliches Statement gedacht. Dass momentan ein Einmarsch in Nordkorea katastrophale Folgen hätte da bin ich ganz bei dir.
 

Maus

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@Olome: das halte ich für eine Fehleinschätzung. In den Anrainerstaaten (Syrien, Libanon, Jordanien und Ägypten) gibt es sicherlich Sympathien für die palästinensische Sache, aber der Bevölkerung ist der eigene Geldbeutel näher als die Nöte der Palästinenser. So lange es nur darum geht, auf der Strasse bisserl zu protestieren und Sympathien zu bekunden, ist die Bevölkerung schnell dabei (vor allem weil die Demos ja staatlich geduldet/gefördert werden). Aber wenn es um etwas geht, ist da meiner Ansicht nach schnell die Luft raus. Und wenn man sich so anschaut, wie überall in der Gegend Schiiten gegen Sunniten kämpfen bzw. auch gehetzt werden, kann ich mir schwer vorstellen, dass die sunnitischen Palästinenser für den schiitischen Iran mehr sind als Manövriermasse.
 

Olome Keratin

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@Maus: In Libanon und Jordanien dürfte das Verhältnis zu den Palästinensern sehr gemischt sein. Weder werden die Jordanier (also die herrschende Beduinensippe der Haschemiten) die versuchte palästinensische Machtübernahme 1970 noch die Libanesen die Palästinenser als Auslöser ihres Bürgerkriegs 1975-90.
Aber trotzdem würde es mit Sicherheit einen Aufschrei geben, wenn einer ihrer Herrscher, Parteiführer, whatever daran beteiligt wäre, die Palästinenser mit einem Nuklearschlag gegen Israel mit auszulöschen. Ich glaube auch nicht, dass die iranische Bevölkerung dann noch die Islamische Republik unterstützen würde
 

Maus

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@Olome: Möglich. Dass die iranische Bevölkerung die islamische Republik in ihrer jetztigen Form unterstützt würde ich sowieso nicht behaupten wollen ;)

Allgemein finde ich aber, dass die Trägheit der Menschen, wenn es sich um die Probleme anderer Leute/Länder/Bevölkerungsgruppen handelt, kaum zu unterschätzen ist. Und ich finde es erschreckend, wie einfach im Mittleren Osten sich die Leute durch die Religion und vor allem Konfession manipulieren lassen. Kann ich nur schwer nachvollziehen, daher auch nicht verstehen und somit auch kaum einschätzen; sehe es aber doch als sehr relevanten Punkt an.
 

David

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Dass man von Iran aus in normalen Zeiten Israel auslöschen würde, kann ich mir auch kaum vorstellen. Aber wenn das Regime aus irgendeinem Grund ohnehin mit dem Rücken an der Wand steht und nicht mehr viel zu verlieren , aber noch die Kontrolle über die Atomwaffen, hat, würde ich darauf nicht mehr mein Leben verwetten wollen.
Zumal das der einzige Weg wäre, wie man einer Vergeltung entgehen könnte: Wenn zB die Bevölkerung gegen die Regierung auf die Barrikaden geht, und diese die Atomwaffen gegen Israel einsetzt, kann man dann ernsthaft gegen ganz Iran zurückschlagen ?

Das ist leider der Unterschied zu normalen Waffen: Mit Atomwaffen kann man in kurzer Zeit extremen Schaden anrichten, und braucht nichtmal sehr viele loyale Menschen als Helfer.

@Turjan:
Sind Diktatoren wirklich immer irrational ?
Solange sie sicher an der Macht sind, haben sie doch auch kein Interesse daran, einen Grund für einen Krieg gegen sie zu liefern.
Egal wie ichs durchspiele, ich lande eigentlich immer an dem Punkt, dass es vor allem dann wirklich gefährlich wird, wenn jemand in die Ecke getrieben wird, weil sowas die Irrationalität fördert. In erster Linie sind Atomwaffen für Diktatoren eine Lebensversicherung, wobei das ja auch eine Form der Erpressung ist: Lasst mich in Ruhe, sonst kann ich euch ernsthaften Schaden zufügen.

Aber das mit dem in die Ecke treiben kann natürlich wie man in den letzten Jahren gesehen hat schnell passieren. Und man kann auch nicht ganz ausschließen, dass jemand von Haus aus verrückt ist. Das ist das Problem wenn zuviel Macht bei einer Person liegt die von niemanden kontrolliert wird. Insofern haben Atomwaffen in solchen Händen idealerweise wirklich nichts verloren.


Was die Gefährlichkeit der nordkoreanischen Armee angeht, ich bin natürlich kein Militär-Experte, aber ich kann mich noch an andere Gelegenheiten erinnern, wo erzählt wurde, wie stark und gefährlich die Armee eines Gegners werden könnte, und am Ende nicht wirklich viel davon übrig geblieben ist.
Wobei die Situation, dass ein Verbündeter direkt in Reichweite der Kanonen des möglichen Gegners ist, auch neu ist. Die Geschütze könnten alleine durch ihre Anzahl vielleicht wirklich gefährlich werden, da dürfte die Frage sein, wie schnell man die ausschalten kann.
Aber wenn wir das wissen, wissen die Südkoreaner und die USA das auch, und wer weiß, ob sie allen erzählen würden, welche Taktik sie sich dagegen zurecht gelegt haben ?
 
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Turjan

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Na ja, ich habe nicht behauptet, dass Diktatoren immer irrational sind, also kein Einwand. "Irrational" war auch etwas salopp ausgedrueckt, und ich habe Fanatismus darunter subsummiert ohne es zu erwaehnen. Gute alte Machtspielchen sind natuerlich auch mit von der Partie. Wir werden uns an eine Welt mit vielen Atommaechten gewoehnen muessen, und die autoritaeren Regime sind zur Zeit die Vorreiter, was einen unangenehmen Beigeschmack hat.

Ist die nordkoreanische Armee gefaehrlich? Kommt darauf an, wie man das sieht. Einen langen Krieg halten sie nicht durch. Das Benzin reicht wahrscheinlich nur eine Woche, und die Massierung der Armee an der demilitarisierten Zone ist auch ein Schwaechezeichen. Das Nachtbild, das ich oben verlinkt hatte, spricht ja auch Baende. Trotzdem ist die Bedrohung Seouls and Incheons sehr real. Man kann nicht wirklich etwas dagegen tun, wenn ploetzlich Tausende von Geschuetzen gleichzeitig losfeuern. Langfristig natuerlich schon, aber viel Glueck beim Wegrennen von dem Geschuetzhagel. Der einzige Schutz waere, die Staedte wegzuverlegen. Nicht sehr realistisch.
 

David

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Gibt es in diesen Städten eigentlich Schutzbunker, wie zB in den Gegenden Israels die von den Raketen bedroht werden ?
Wahrscheinlich geht es den Menschen dort ein wenig wie denen in Erdbebengebieten, im Alltag denkt man nicht an die mögliche Gefahr, weil man dort sonst nicht leben könnte ohne verrückt zu werden. Ging uns bis zur Wende ja auch nicht anders.

Das mit der Verbreitung der Atomwaffen wird wahrscheinlich wirklich nicht aufzuhalten sein, bisher hat noch kein Staat der einmal Atomwaffen hatte, diese wieder vollständig abgerüstet.
Mit etwas Glück verhindert das ja sogar Kriege, aber die Gefahr, dass es irgendwann richtig schiefgeht, nimmt natürlich auch zu.

Dass autoritäre Staaten an Boden gewinnen, sehe ich btw. im wirtschaftlichen Bereich noch mit größerer Sorge als im Militärischen. Im Moment dürfte China eher ein interesanntes Vorbild für viele Staaten sein als Europa mit seinen Schuldenbergen und teilweise fast unregierbaren Staaten..
 

Olome Keratin

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@Maus: Ich habe keinen Beleg für die Annahme, dass sich gleich welches Regime tatsächlich gegen den Willen einer großen Mehrheit seiner Bevölkerung halten kann. Bei Iran gehe ich davon aus, dass die tatsächliche Unterstützung für das Regime viel größer ist, als man im Westen wahr haben will. Es könnte durchaus sein, dass die ~62% für Ahmadinedschad 2009 recht korrekt waren. Von den beiden Hauptkandidaten der Opposition gehört einer, Kerroubi, einer ethnischen Minderheit, den Azeri, an, während der andere (Mussawi) Premier während des Krieges gegen den Iran war und damit für die meisten Hinrichtungen in der Geschichte der Islamischen Republik. Warum so jemand dann glaubhafter Oppositionsführer sein soll, erschließt sich mir nicht, der gehört eigentlich viel mehr zum Regime als Ahmadinedschad.
 

Fabian

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Wenn Nordkorea die USA angreifen sollte, wäre das eigentlich ein Bündnisfall für die NATO (mit allen Konsequenzen wie eben auch Beistandspflicht von Deutschland, GB etc.)?
 

Olome Keratin

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@Fabian: Nein. Laut Charta ist die NATO ein Verteidigungsbündnis mit Beschränkung auf Europa. Der Afghanistan-Einsatz geht bereits über die Charta hinaus.
 

Ysrthgrathe

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@Olome
Na ja, vor allem Nordamerika gehört natürlich auch noch dazu. ;)
Deswegen hat der NATO-Rat doch nach dem 11. September den Bündnisfall beschlossen.

Deswegen sehen die Amerikaner das mit dem Afghanistan-Einsatz auch eher etwas anders. :)
 

Olome Keratin

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@Y: Nachlesen ist im Zweifelsfall tatsächlich besser. Ich hatte vor Jahren mal die NATO-Charta gelesen, aber die genauen Bestimmungen zum Teil doch wieder vergessen. Unter den Vertrag fallen alle Territorien und Streitkräfte der Vertragspartner in Europa und Nordamerika zuzüglich aller Inseln bis zum Wendekreis des Krebses sowie die französischen Besitzungen in Algerien (bis 1963).
Und die offizielle Zurechtbiegung wegen Afghanistan kenne ich schon, aber in Amerika gibt es auch die Ansicht, damit würden "die Europäer eine sich selbst finanzierende Fremdenlegion der USA" (William Pfaff).
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Wenn Nordkorea die USA angreifen sollte [...]
Du kennst wahrscheinlich den Witz, wie der Strauß auf die Frage geantwortet hat, was passieren würde, wenn Österreich Deutschland überfällt ? Das fiele nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, das würde die freiwillige Feuerwehr irgend eines lokalen Dorfes (Freilassing) erledigen.

Genauso absurd ist die Vorstellung, das das rückständige Miniland Nordkorea den weltführenden Riesen USA angreift.

Ich begreife nicht, wieso Leute auf dieses unwahrscheinliche Szenario Hirnschmalz verschwenden. Die können die USA mal piecken, aber mehr auch nicht. Wenn sie völlig wahnsinnig werden und atomare Waffen einsetzen wollten - die USA kann die gesammte Erde gleich dreimal vernichten. Wer, der noch drei Hirnzellen hat, greift so einen Staat mit nuklearen Waffen an.
 

Mindriel

Traumläufer
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Jemand, dem das Echo egal ist, weil er eh am Ende ist. Zum Beispiel.

Angenehme Träume....
Mindriel
 

David

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Was mich gerade etwas wundert:
Wegen eines Bombenanschlags mit 3 Toten wird in den USA gerade eine ganze Großstadt lahmgelegt, in derselben Woche, in der schärfere Waffenregeln gescheitert sind. Und das, obwohl seit Montag wahrscheinlich mehr als 3 Menschen durch Unfälle und Straftaten mit legalen Schusswaffen ums Leben gekommen sind..

Klar muss man solche Verbrecher verfolgen, aber so einen Aufwand habe ich noch nie gesehen, die tun ja so, als wäre in dem Stadtviertel eine hochansteckende Krankheit ausgebrochen.
 

Turjan

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Das ist ein psychologisches Ding. Du tust so, als waeren Terror und normale Kriminalitaet dasselbe, aber die Auswirkungen auf die Oeffentlichkeit sind komplett unterschiedlich. Bei Taten wie diesen muss ganz klar werden, dass man damit nicht wegkommt, um Gelegenheitstaeter zumindest zu entmutigen. Daher muss man unbedingt den Taeter stellen, koste es, was es wolle. Wenn der sich irgendwo als Held feiern lassen kann, wird es gleich viel gefaehrlicher fuer die Bevoelkerung in den USA.
 

Lich

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Ist damit nicht wieder eine win-win Situation für die Attentäter eingetreten?
Ist der Anschlag erfolgreich -> win, aufgrund der Opfer.
Wird aufgrund des Anschlags ein Klima der Angst erzeugt mit eventuell einhergehenden Einschränkungen der Bürger, sei es nun durch "Ausnahmezustand" oder mehr Schnüffel- und Ermächtigungsgesetzen -> win, aufgrund des entstandenen Terrors.

Lich
 

Turjan

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So, wie Du es ausdrueckst, ja. Man muss halt wissen, wann man wieder herunterfaehrt, egal, was das Ergebnis ist.

Die Rigorositaet der Bostoner erstaunt allerdings selbst die meisten Amerikaner. Es erinnert auch ein wenig an die Ueberreaktion nach diesen elektronischen Ampelinstallationen von vor ein paar Jahren.
 

David

Moderner Nomade
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Was für Ampelinstallationen ?
Das muss irgendwie komplett an mir vorbei gegangen sein.

Ich habe vor allem den Eindruck, dass man zeigen will, dass man was tut. Wenn man schon vorher hilflos ist muss man wenigstens nachher irgendwie reagieren, damit keiner sagen kann, man wäre nicht tatkräftig genug gewesen.
Im Moment habe ich aber mindestens genausoviel Sorge, dass aus Versehen ein Unschuldiger durch die Polizei zu Schaden kommt, wie vor weiteren Aktionen des Mörders. (Die Unschuldigen die bereits verdächtigt wurden, hätten ja wahrscheinlich nur etwas falsch reagieren müssen, und es hätte böse enden können)

Dass so ein Anschlag etwas Anderes ist als ein normaler Unfall oder Mord stimmt schon, sowas zielt nicht nur gegen die unmittelbaren Opfer, sondern will auch Angst erzeugen. Aber die Amokläufe würde ich wenn man so eine Unterscheidung treffen will auch eher als Terroranschläge sehen und nicht als normale Morde. Die haben vielleicht etwas andere Motive seitens des Täters, aber die Wirkung auf die Öffentlichkeit dürfte kaum anders sein: Vorher als sicher gefühlte Orte werden plötzlich unsicher.

Was ich auch etwas komisch finde:
Nach 9/11 kamen ja wahrscheinlich davon unabhängig Anthrax-Briefe in Umlauf, und diesmal sind kurz nach einem Anschlag auch wieder Gift-Briefe unterwegs.
Ist sowas dazwischen auch immer mal wieder passiert, und nur in der Berichterstattung untergegangen ?
 
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