Politik, 11. Staffel

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

Turjan

Senior Member
Registriert
21.09.2000
Beiträge
7.037
Der Leiter einer Vereinigung hat's da ein wenig schwerer, sich herauszureden. Es kommt ein wenig auf die Organisation an, also, hat die Organisation die logistischen Voraussetzungen, als Organisation so etwas durchzufuehren, ist also z.B. schon gewalttaetig aufgefallen. Auch die Wortwahl ist entscheidend. Wenn er es relativ allgemein haelt, also in der Predigt sagt, dass alle anderen Kirchen und Synagogen abgefackelt gehoeren, dann ist das okay. Wenn er alle seine Schaefchen fuer diesen Abend einbestellt, um Kirchen und Synagogen abzufackeln, ist das strafbar. D.h., die tatsaechliche Durchfuehrung des Aufrufs muss aus seinen Worten erkennbar sein.

Ansonsten ist jedermann selbst fuer seine Taten verantwortlich. Die Ausrede, da haette jemand zu aufgerufen, gilt nicht.

Es ist auch klar dass wenn jemand dauernd zu Gewalt aufruft, er auf eine Beobachtungsliste kommt. Manchmal sind die Aktionen der Staatsmacht zur Eindaemmung auch etwas subtiler.

Ein Beispiel: auf einem weitgehend unmoderierten Forum, auf dem ich schreibe, hatten sich zwei Leute in einer Diskussion so ineinander verbissen, dass es zu konkreten Todesdrohungen kam. Das ging so weit, dass Name, Adresse, Telefonnummer, Arbeitsstelle, Fotos vom Haus, GPS-Daten von Google des sich naehernden Agressors etc. gepostet wurden. Da passierte dann strafrechtlich nichts weiter, aber der Forum-Administrator bekam Besuch von der Polizei. Die fuehrten ein anderhalbstuendiges, rein informatives Gespraech. Das hatte sonst weiter keine Folgen, aber der Admin erklaerte sich bereit, in Zukunft derartige Infos zu loeschen, weil er Polizeibesuche nicht so sonderlich schaetzt, und Todesdrohungen sind dort seitdem nicht mehr erlaubt.
 
Zuletzt bearbeitet:

Tido

Senior Member
Registriert
07.10.2011
Beiträge
403
Die Ehre ist verfassungsrechtlich gleichermaßen geschützt wie die Meinungsfreiheit, mal von Straftatbeständen völlig abgesehen.

Grundsätzlich muss gelten, jeder Mensch darf tun, was er will, solange er damit nicht in die Rechte Dritter eingreift. Falls in die Rechte Dritter eingegriffen wird, muss abgewogen werden, welches Recht schützenswerter ist.

Beleidigungen greifen in die Ehre Dritter ein. Es ist mir völlig unverständlich, wie man sich auf den Standpunkt stellen kann, die Ehre des Menschen sei zu vernachlässigen und jeder dürfe jeden beleidigen. Gerade in Deutschland, mit unserer Geschichte. Es gibt einen Grund, warum "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ganz vorne in unserem GG steht. Ich bin von der Diskussion hier etwas entgeistert. :down:
 

Turjan

Senior Member
Registriert
21.09.2000
Beiträge
7.037
Falls es Dich zumindest etwas beruhigt: bei meinen letzten Ausfuehrungen ging es nur um Matthew's Einwand, gewisse, spezifizierte Ausserungen koennten nicht straffrei bleiben, auf Danols Erwaehnung zum angelsaechsischen Verstaendnis von "Freedom of Speech". Rein persoenlich wuerde ich bei Todes- und Gewaltandrohungen auch eine Grenze ziehen wollen; so etwas muss nun wirklich nicht sein, auch wenn das in den USA z.B. erst einmal prinzipiell durch die "Freedom of Speech" abgesegnet ist.
 

Danol

Senior Member
Registriert
06.02.2011
Beiträge
571
Matthew McKane schrieb:
Du findest es also wichtig, das du alles und jeden herabwürdigen darfst und vom Staat vor den Folgen geschützt wirst?

Ich findes es zunächst mal falsch, wenn ein Staat Äußerungen mit Strafe bedroht. Vollkommen unabhängig vom Inhalt der Äußerung. Ich sehe in der bloßen Möglichkeit solcher Einschränkungen eine wesentlich höhere Gefahr als in irgendwelchen momentan hierzulande verbotenen Äußerungen. Mal so nebenbei wird man nicht vom Staat vor den Folgen geschützt, man wird lediglich nicht vom Staat bestraft. Die gesellschaftlichen Folgen wirst Du trotzdem tragen müssen.

Und generell jede Äusserung kann eh nicht straffrei bleiben. Sonst wäre Aufruf zum Terrorismus, Mord, Gewalt auch abgedeckt.

Ja, und das sollte auch so sein. Sowohl die Ausführung dieser Taten, als auch ihre konkrete Vorbereitung, sind bereits strafbewehrt, das sollte reichen.

Tido schrieb:
Die Ehre ist verfassungsrechtlich gleichermaßen geschützt wie die Meinungsfreiheit, mal von Straftatbeständen völlig abgesehen.

Noch so ein Fehler (in meinen Augen). Ehre ist wieder ein schwamig definierter Begriff, mit dem mehr Unheil angerichtet als verhindert wird. In meinen Augen vollkommen daneben, sowas vor der Meinungsfreiheit schützen zu wollen.

Gerade in Deutschland, mit unserer Geschichte. Es gibt einen Grund, warum "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ganz vorne in unserem GG steht.

Ja, der Grund ist ein verständlicher Abgrenzungswunsch vom 3. Reich. Im Jahre 2015 erübrigt sich das m.M.n. aber so langsam. Wir brauchen keine symbolische Abgrenzung vom Nationalsozialismus mehr, sondern sollten eher dazu übergehen, klar definierte Grundrechte des Bürgers vor staatlichem Zugriff zu schützen, und nichtmehr den Staat als die Institution ansehen, die "Würde" oder "Ehre" ihrer Bürger garantieren muss. Der Reflex dazu ist in meinen Augen ohnehin primär ein Überbleibsel eines überalterten Verständnisses eines Staates als Obrigkeit, von der gesellschaftliche Konventionen zu schaffen und zu erhalten sind. Nicht so mein Ding.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Im Jahre 2015 erübrigt sich das m.M.n. aber so langsam.
Whow. Ja, vergessen wir die Vergangenheit, damit wir die Fehler von damals nochmal wiederholen können !


Paragraph 1, 20 und 79.3 des Grundgesetzes sind durch die Ewigkeitsklausel - die genau besagter Paragraph 79.3 ist - geschützt.

Artikel 1

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.


Artikel 20

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.


Artikel 79

[...]

(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.


Die Menschenwürde (engl Dignity) ist auch durch die Menschenrechte geschützt.
Article 1.

All human beings are born free and equal in dignity and rights. They are endowed with reason and conscience and should act towards one another in a spirit of brotherhood.
 

Danol

Senior Member
Registriert
06.02.2011
Beiträge
571
Whow. Ja, vergessen wir die Vergangenheit, damit wir die Fehler von damals nochmal wiederholen können !

Vollkommen am Thema vorbei, aber nagut ...

Was mich dabei immer wundert: Wie machen es eigentlich die Staten, die Menschenwürde in ihren Verfassungen nicht schützen, nicht in Nationalsozialismus oder einen vergleichbaren Totalitarismus abzurutschen? Und glaubst Du ernsthaft dass Menschenwürde in der Weimarer Verfassung irgendwas geändert hätte?

Paragraph 1, 20 und 79.3 des Grundgesetzes sind durch die Ewigkeitsklausel - die genau besagter Paragraph 79.3 ist - geschützt.

Das sehe ich nicht als Problem, Artikel 146 lässt ja ausdrücklich die Möglichkeit zu einer neuen Verfassung offen. Das Problem ist lediglich im Rahmen des GG nicht lösbar.

Die Menschenwürde (engl Dignity) ist auch durch die Menschenrechte geschützt.

Da steht lediglich dass alle Menschen gleich an Würde geboren sind. Das ist eine pure Feststellung und was ganz anderes als ein "Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt", wie man es im GG findet. Insbesondere lassen sich aus "born [...] equal in dignity" wohl kaum Einschränkungen der Meinungsfreiheit begründen.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Artikel 146 lässt ja ausdrücklich die Möglichkeit zu einer neuen Verfassung offen.
Die dann natürlich aber auch wieder Menschenwürde, Menschenrechte, Demokratie und vieles mehr enthalten würde. Und der derzeitigen Politikerriege traue ich es sowieso nicht zu, das sie eine bessere Verfassung zustandebringen als das Grundgesetz.


Das Problem ist lediglich im Rahmen des GG nicht lösbar.
Welches Problem ? Das man seine Mitmenschen nicht beleidigen und nicht über sie Lügen verbreiten darf ? Dieses "Problem" sehe ich nicht.


Da steht lediglich dass alle Menschen gleich an Würde geboren sind.
Lies das bitte komplett und nicht nur auf das Wort "dignity" bezogen. Die fordern sogar, das alle Menschen sich in "Brüderlichkeit" (heute würde man wohl eher Geschwisterlichkeit schreiben) begegnen sollen. Das geht, wenn überhaupt, noch über die Forderung des Grundgesetzes hinaus.
 

Scot d'Arnd

Irrsinniger Paladin
Registriert
21.05.2003
Beiträge
978
@Danol
Deine Einstellung ist, dass man die Meinungsfreiheit/freedom of speech überhaupt gar nicht und niemals einschränken dürften sollte. Du begründest das mit:
Ich sehe in der bloßen Möglichkeit solcher Einschränkungen eine wesentlich höhere Gefahr als in irgendwelchen momentan hierzulande verbotenen Äußerungen.
Das bedürfte jetzt einer etwas genaueren Erläuterung. Ich mutmaße jetzt, dass du da auf so etwas wie ein Dammbruchargument hinauswillst. Zugespitzt also: Wenn man einmal damit anfängt, wer weiß denn, wo das endet? An einem Tag ist es § 166 StGB, am nächsten Tag Volksverhetzung und irgendwann sind wir dann bei nordkoreanischen Zuständen angekommen.
Wenn du das anders meintest, dann kannst du mir deine Bedenken gerne erläutern. Wenn das aber deine Bedenken sind, dann halte ich die, gelinde gesagt, für etwas weit hergeholt.

Man kann sich natürlich immer hinstellen und mit besorgter Miene "Wehret den Anfängen" murmeln. Aber die wirklich rein theoretische Möglichkeit eines katastrophalen Endresultats sollte einem da nicht den Blick für die Realität verstellen. Denn das von mir beschriebene Szenario ist rein theoretischer Natur. Ich will dir gerne mal zeigen, welcher Gefahr die Meinungsfreiheit ausgesetzt ist und welche Gefahr im Umkehrfall von einer unbeschränkten "freedom of speech" ausgeht.

Wir haben in Deutschland die Möglichkeit, alle Grundrechte außer der Meinungsfreiheit einzuschränken, sogar das Recht auf Leben!
Die allgemeine Handlungsfreiheit zum Beispiel (Art. 2 I GG) erlaubt einem Menschen grundsätzlich alles - theoretisch gehören Rauben, Morden und Plündern in ihren Schutzbereich. Aber sie kann relativ einfach eingeschränkt werden, es muss nur verhältnismäßig sein. Sonst wären solche einfachen Dinge wie Ampeln oder das Verbot, den Nebenmann mit einer Machete zu köpfen, Dinge der Vergangenheit. Was verhältnismäßig ist, dazu hat das BVerfG einen recht eingängigen Maßstab entwickelt, den ich dir auf Anfrage gerne vermitteln will.
Dann gibt es Grundrechte wie die Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit, die nur eingeschränkt werden können, wenn es sogenanntes "kollidierendes Verfassungsrecht" gibt. Nur dort wo Kunst oder Wissenschaft mit anderen Rechten von Verfassungsrang in Konflikt geraten - etwa mit dem Recht auf Leben -, können sie, soweit es erforderlich ist, eingeschränkt werden.
Und dann gibt es die Meinungsfreiheit. Das BVerfG schrieb dazu in seinem ersten Grundsatzurteil zu Art. 5 I GG: "Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend." Es schützt Meinungsäußerungen (zur Definiton der Meinung, s. meinen vorherigen Post) und damit zusammenhängende Tatsachenbehauptungen. Dieses Grundrecht einzuschränken ist noch schwieriger, da auf Grund seiner hohen Bedeutung auch andere Verfassungsrechte im Rahmen einer gegenseitigen Wechselwirkung dahiner zurückstehen müssen. Wenn also die Meinungsfreiheit in Konflikt gerät, müssen andere Rechte zunächst einmal hinten anstehen, außer ihre Beeinträchtigung ist zu groß. Dann erst ist eine verhältnismäßige Einschränkung denkbar.
Darüberhinaus ist die Meinungsfreiheit, wie alle anderen Grundrechte, durch Art. 19 IV GG geschützt, das heißt, sie darf nicht in ihrem Wesensgehalt geändert werden. Das ergibt sich aber schon so daraus, dass ein Eingriff nie unverhältnismäßig sein darf.
Dafür, dass all diese Rechte gewahrt werden, hat das Grundgesetz über die Grundrechtssystematik hinaus einen erheblichen Schutzapparat entwickelt. Grundrechte können nicht einfach so, etwa von der Bundesregierung, eingeschränkt werden. Sie dürfen viel mehr nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden - das ist die logische Folge der Demokratie, nach der alle Gewalt vom Volk ausgehen muss. Gesetze können nur durch den Bundestag, das einzige direkt gewählte Bundesorgan, erlassen werden. Darüberhinaus müssen Sie durch die Hände des Bundesrates und des Bundespräsidenten. Jeder davon ist nach Art. 1 III GG an die Grundrechte gebunden. Es besteht somit bereits im Gesetzgebungsprozess viel Kontrolle hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit. Und dann, wenn ein Gesetz erlassen wird, kann immernoch das Bundesverfassungsgericht angerufen werden, das Gesetze selbst wieder aufheben darf, wenn sie verfassungswidrig sind, also die Meinungsfreiheit einschränken.
Dieser ganze Apparat dient unter anderem dem Zweck zu gewährleisten, dass keine Gesetze erlassen werden oder lange Geltung haben, die gegen die Verfassung verstoßen. Art. 20 IV GG ist dabei noch nicht einmal einbezogen.
Eine wirkliche, ernstzunehmende Gefahr besteht also wirklich nicht, nur weil die Möglichkeit einer Grundrechtseinschränkung besteht.

Andersherum hat eine unbeschränkbare "freedom of speech", wie du sie dir vorstellst, echte, sehr reale Gefahren.

Charles Manson hat nie selbst jemanden umgebracht. Aber seine Jünger hätten mit Sicherheit keine Morde begangen, wenn er sie nicht dazu angestiftet hätte. Die Hetzjagd in Guben wäre mit Sicherheit nicht von Statten gegangen, wenn die Täter nicht durch rechtsradikales Gedankengut (vermittelt durch Worte) radikalisiert worden wären. Und ich kann dir garantieren, dass es ohne die Macht der Worte keinen Islamischen Staat gäbe. Und das ist ja fast noch Kleinkram.
Dass der Macher bestraft werden kann, reicht nicht aus, wenn die wahre Gefahr derjenige ist, der ihn angestiftet hat. Denn wenn derjenige ungestört weiter machen kann, dann findet er ein dutzend anderer Macher. Das sind reale Gefahren, die von freier Meinungsäußerung und Tatsachenäußerung ausgehen.

All das dient nicht dem Zwecke, dich davon zu überzeugen, dass freie Meinungsäußerung per se ausgeschlossen sein sollte. Das ist nicht der Fall und sie sollte, wie du schon richtig sagtest "so weit wie irgend möglich" geschützt werden. Aber für ein sicheres Gemeinwesen ist es nun einmal zwingend notwendig, dass auch hier Einschränkungen gemacht werden.

Da mit irgendwelchen theoretischen Missbrauchsgefahren anzukommen, das reicht einfach nicht.

(So, das war jetzt mal an Grundsätzlichem. Ich kann später auch gerne noch mal auf Details zu Betrug, § 166, Ehre und dergleichen eingehen.)


@Gala
Das ist jetzt rein informatorischer Natur: Das Grundgesetz hat keine Paragraphen (§§), sondern nur Artikel. Paragraphen haben das BGB oder das StGB. Du kannst das jetzt natürlich weiterhin nennen, wie du willst. Aber der Korrektor in mir kriegt da Zuckungen... ;) :)
 

Danol

Senior Member
Registriert
06.02.2011
Beiträge
571
Wenn man einmal damit anfängt, wer weiß denn, wo das endet?

Wo dass endet kann man ziemlich sicher sagen, nämlich bei der Abschaffung der Meinungsfreiheit, in meinen Augen ist nur fraglich wie lange das dauern wird. Am Anfang steht irgendeine, an sich harmlose, Einschränkung der Meinungsfreiheit. An die gewöhnt man sich, sie wird zum gesellschaftlichen Konsens, der Großteil der Betroffenen findet es gut, denn an sich wirkt es verhältnismäßig. Irgendwann passiert nun etwas dass weitergehende Einschränkungen sinnvoll erscheinen lässt, z.B. ein Anschlag, eine radikale Idiotenpartei oder irgendeine Einzeläußerung, die einer im politischen Prozess gut vertretenen Gruppe auf den Schlips tritt. Dadurch, dass man die vorherigen Einschränkungen akzeptiert hat, liegt die Hemmschwelle dieses mal schon tiefer, denn man hat ja auch die bisherigen Einschränkungen akzeptiert und sieht die Meinungsfreiheit nichtmehr als unantastbar. Gelingt es nun also, die aktuell gewünschte Einschränkung ebenfalls als verhältnismäßig darzustellen, hat man die nächste Einschränkung. Die geht dann wieder in den gesellschaftlichen Konsens über, ein paar Generationen später geht das Spiel dann von vorne los. Speziell bei uns gibts da auch noch die Menschenwürde, die hier ein besonderes Instrument zum konstruieren von Verhältnismäßigkeiten ermöglicht. Ich sage damit nicht dass es da irgendeine oberböse Interessengruppe gibt, die bewusst auf sowas hinarbeitet, sondern ich befürchte dass Gesellschaften genau so funktionieren. Dass eine große Mehrheit bereit ist, Einschränkungen ihrer Rechte zu akzeptieren; das dann an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird, die wieder so handeln wie ihre Eltern es ihnen vorgelebt haben und das am Ende dazu führt dass freie Gesellschaften immer unfreier werden. Speziell die Meinungsfreiheit macht mir da Bauchschmerzen, weil sie letztlich das wesentliche Recht ist mit dem eine Gesellschaft ihren Konsens verändern kann.

Dieses Grundrecht einzuschränken ist noch schwieriger, da auf Grund seiner hohen Bedeutung auch andere Verfassungsrechte im Rahmen einer gegenseitigen Wechselwirkung dahiner zurückstehen müssen. Wenn also die Meinungsfreiheit in Konflikt gerät, müssen andere Rechte zunächst einmal hinten anstehen, außer ihre Beeinträchtigung ist zu groß. Dann erst ist eine verhältnismäßige Einschränkung denkbar.

"Zu groß" und "verhältnismäßig" sind allerdings Begriffe, deren konkrete Bedeutungen einem permanentem Wandel unterliegen. In sofern würde mich in der Tat interessieren wie das BVerfG da für Maßstäbe anlegt.

Dieser ganze Apparat dient unter anderem dem Zweck zu gewährleisten, dass keine Gesetze erlassen werden oder lange Geltung haben, die gegen die Verfassung verstoßen.

Dieser ganze Apparat funktioniert in meinen Augen schon jetzt nicht besonders gut, warum sollte man sich darauf verlassen wollen dass er seine Aufgaben erfüllt?

Du erwähnst, dass die Bundesregierung keine Möglichkeit hat die Meinungsfreiheit einzuschränken, weil es dazu eines Gestetzes bedürfe, das vom Bundestag kommen muss. Dummerweise wählt aber gerade dieser Bundestag die Bundesregierung, insofern wäre es schon ziemlich überraschend, wenn eine Bundesregierung das nötige Gesetz nicht bekäme. Vielleicht mit ein bisschen hin und her und ein bisschen anders als ursprünglich gewollt, im wesentlichen zeichnet sich unsere Demokratie aber durch einen ziemlich hohen Einfluss der Exekutive auf die Legislative aus, der gerade durch unsere eigentümliche Mischung aus vom Parlament gewählter Exekutive und einem sehr parteienzentriertem Politiksystem zustande kommt. Um's kurz zu machen, ich finde nicht dass die Gewaltenteilung und die gegenseitige Kontrolle von Exekutive und Legislative in Deutschland besonders gut umgesetzt sind, daher habe ich auch kein Vertrauen in diese Hürde bei der Grundrechtseinschränkung.
Was für eine Rolle der Bundespräsident dabei spielt, hängt zunächst mal von ihm als Person selbst ab. Natürlich ist auch er durch das GG gebunden, trotzdem passiert es immer wieder dass ein BP ein Gesetz unterzeichnet, dass dann später vom BVerfG als ganz oder teilweise Verfassungswidrig überführt wird. So furchtbar toll scheint der BP als Kontrollinstrument also auch nicht zu funktionieren.
Dann ist da noch das BVerfG, das bisher, in meinen Augen, auch im Großen und Ganzen einen guten Job gemacht hat. Das Problem ist nur dass seine Richter vom Bundestag und Bundesrat ernannt werden, in die ich, wie erwähnt, in dieser Hinsicht nicht allzu viel Vertrauen habe und die zudem dem oben angesprochenem Wandel des öffentlichen Verständnisses bzgl. der Grundrechte unterliegen. In sofern sehe ich das BVerfG da auch nicht als dauerhaft vertrauenswürdige Hürde.
Das alles mag ja für den Moment funktionieren, vermutlich auch noch für eine ganze Weile. Langfristig ist das aber kein Kontrollapparat, dem ich sowas wichtiges wie den Schutz von Grundrechten und Meinungsfreiheit anvertrauen würde.

Charles Manson hat nie selbst jemanden umgebracht. Aber seine Jünger hätten mit Sicherheit keine Morde begangen, wenn er sie nicht dazu angestiftet hätte. Die Hetzjagd in Guben wäre mit Sicherheit nicht von Statten gegangen, wenn die Täter nicht durch rechtsradikales Gedankengut (vermittelt durch Worte) radikalisiert worden wären. Und ich kann dir garantieren, dass es ohne die Macht der Worte keinen Islamischen Staat gäbe.

Jede Freiheit kann in irgendeiner Weise zum Schaden anderer Menschen missbraucht werden. Das ist in meinen Augen keine Begründung für eine Einschränkung der Freiheit, sondern eher der Preis, den eine Gesellschaft für ihre Freiheit ertragen muss. Zumal es auch nur eine Mutmaßung ist, hier mit weniger Freiheit für mehr Sicherheit sorgen zu können.

Dass der Macher bestraft werden kann, reicht nicht aus, wenn die wahre Gefahr derjenige ist, der ihn angestiftet hat.

Da kommts halt genau drauf an was der Anstifter eigentlich getan hat. Wenn es bei der reinen Äußerung von Anschauungen bleibt ist das in meinen Augen legitim. Wenn er auch anderweitig geholfen hat (Infrastruktur, Waffen, Pläne, Geld, bestimmen des konkreten Opfers ...) ist das sicherlich strafwürdig, geht aber auch über das freedom of speech hinaus.

Da mit irgendwelchen theoretischen Missbrauchsgefahren anzukommen, das reicht einfach nicht.

Das sehe ich nun auch wieder anders. Der exorbitante Schaden, den ein Wegerodieren unserer Grundrechte anrichten würde, rechtfertigt in meinen Augen eine gewisse Paranoia.

Gala schrieb:
Lies das bitte komplett und nicht nur auf das Wort "dignity" bezogen. Die fordern sogar, das alle Menschen sich in "Brüderlichkeit" (heute würde man wohl eher Geschwisterlichkeit schreiben) begegnen sollen. Das geht, wenn überhaupt, noch über die Forderung des Grundgesetzes hinaus.

Mag sein. Da UN-Resolutionen aber, glücklicherweise, ohnehin kein geltendes Recht sind, braucht mich das nicht sonderlich zu interessieren. Das die UN in ihren Resolutionen einem gewissen Größenwahn fröhnt ist nichts ungewöhnliches.
 
Zuletzt bearbeitet:

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
LOL

Diesen Schwachsinn hat Siegen btw auch betrieben. Bin gespannt, wie die Schuldenlage jetzt ist.

Merke: die Länder mit der stabilen Währung, wie z.B. die Schweiz, benutzt man, um sein VERMÖGEN zu sichern.

Die Länder mit der instabilen Währung sind hingegen ideal für SCHULDEN. Z.B.: nach der Hyperinflation von 1923 war Deutschland noch im Gegenwert eines halben Brotes verschuldet. :fies:


P.s.: Oh, steht sogar im Artikel selbst drin:
Auch Bottrop, Gladbeck, Recklinghausen, Herne, Siegen und Lünen stehen bei den Eidgenossen in der Kreide.
 

Ysrthgrathe

Senior Member
Registriert
16.06.2001
Beiträge
1.601
@Scot d'Arnd
Ich bin gerade nur stiller Mitleser, aber ich will mich einfach mal für deine tollen, informativen und fundierten Beiträge bedanken:
Vielen Dank. :):up:
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Leipzig sieht 15.000 Demonstranten, in real waren es eher 5.000
Abgesehen davon hat die rechte Bewegung eine ihrer eifrigsten Propagandistinnen in der Stadt Leipzig selbst. Denn die offizielle Teilnehmerzahl entscheidet letztendlich darüber, wie weit eine Kundgebung medial wahrgenommen wird. Am Mittwoch abend um 20 Uhr konnte der Polizeisprecher Alexander Bertram noch keine Aussage zur Teilnehmerzahl der Legida-Kundgebung machen, die gegen 18:45 Uhr begonnen hatte. Die Zahl werde noch mit der Versammlungsbehörde abgestimmt, sagte er auf jW-Nachfrage. Gegen 21 Uhr wurde die wohlwollende Zahl von 10.000 Demonstranten kolportiert, die Nachrichtenagentur dpa sprach von 13.000. In der offiziellen »Pressemitteilung zum Versammlungsgeschehen« von 23:59 Uhr hieß es dann: »Insgesamt schlossen sich ca. 15.000 Menschen dem Legida-Aufzug an.« Die allermeisten Medien von MDR Info bis Spiegel online übernahmen diese Summe in ihrer Berichterstattung, offenbar ungeprüft. Leise Zweifel klangen bei der Süddeutschen, lautere in den sogenannten sozialen Netzwerken an. Tatsächlich standen sich höchstens 5.000 Legida-Teilnehmer auf dem locker-luftig gefüllten Augustusplatz die Beine in den Bauch. Wie kann es zu einer solch eklatanten Differenz kommen?
Das die Zahlen sich um den Faktor 3 unterscheiden, ist eigentlich ziemlich normal. Erstaunlich ist lediglich, das der Staat die Zahl um den Faktor 3 ERHÖHT, anstatt sie um diesen Faktor zu erniedigen.
 

Ender

Senior Member
Registriert
17.04.2003
Beiträge
761
Die Jungewelt schätzt auch nur oder haben die nen zählappel durchgeführt ?
Da wird genauso ne Agenda Propagiert wie bei den andern Medien mit in Grund warum ich von Medien nicht mehr viel halte.
 

Elfchen

Flügelkobold
Registriert
11.12.2000
Beiträge
4.757
Zu einer Zählweise hab ich hier grad was gefunden. Klar kann man jede davon anzweifeln, aber ich find das schon recht glaubwürdig.
 

Caesar

C
Registriert
20.10.2002
Beiträge
3.862
Es ist nicht üblich für Zeitungen selber Demonstranten zu Zählen... es werden nahezu immer die Zahlen der Polizei zumindest mit angegeben falls eine eigene abweichende zahl genannt werden sollte. Und daraus gleich wieder einen Kommentar in Richtung "Lügenpresse" abzuleiten halte ich für überaus zweifelhaft...
 

Ender

Senior Member
Registriert
17.04.2003
Beiträge
761
Wenn du meinst das ich glaube das die Presse lügt dann nein glaub ich nicht,aber ich halt sie nicht mehr für Neutral.
Ehrlichgesagt ob es jetzt 15000 oder nur 3000 waren interessiert mich jetzt nicht wirklich. Die eine Seite bauschts auf um zu zeigen das ja soviel dahinter stehen die andere rechnets möglichst niedrieg um zu zeigen das es nur nen kleiner haufen ist.
Ich wünsch mir einfach ne neutrale Berichterstattung und die gibts halt nicht.
Schau dir den fall mit dem getöteten Asylbewerber in Dresden an ,da wurde sofort ne rechte Straftat in den Medien angenommen ,nachdem rauskam das es nen Mitbewohner war wurde ne kurze Meldung gebracht und das wars.
Wenn es nen Rechter gewesen währe hätten wir Seite 1 Material da es nen Mitbewohner war ists uninteressant.
 

Kraven

Lernender
Registriert
15.03.2004
Beiträge
2.112
Nachdem man die NSU-Morde jahrelang verpennt hat, guckt man jetzt halt genauer hin, ob da nicht was ist.
Ich erkenne da nicht wirklich eine Agenda, außer "Lasst uns doch einfach mal *nicht* den gleichen Fehler noch mal machen."
 

Caesar

C
Registriert
20.10.2002
Beiträge
3.862
Also zumindest ich finde, dass es nicht Aufgabe "der Medien" ist völlig neutral zu berichten. Ich würde auch behaupte, dass es weder wirklich möglich noch wirklich nützlich ist. Wenn man neutrale Meldungen will kann man ja dpa Ticker Meldungen lesen.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Nein, auch dpa ist nicht neutral.

Eine Sache wie die Teilnehmerzahl kannn man allerdings schon als objektiv messbare Größe ansehen. Da sind derart starke Abweichungen schon eindeutig gezielte Absicht.

Ehrlichgesagt ob es jetzt 15000 oder nur 3000 waren interessiert mich jetzt nicht wirklich.
Wie ich schon gesagt habe - das Bemerkenswerte ist, das die Zahl anscheinend sehr krass übertrieben wurde. Statt wie sonst diese Zahl deutlich zu untertreiben.

Typisch ist, das bei der Teilnehmerzahl einer Demo die Anwesenden von den Veranstaltern um den Faktor 1.5 bis 2 höher eingeschätzt wird, als von der Polizei. Und mein Eindruck ist, das die Polizei tatsächlich absichtlich geringer abschätzt.

Normalerweise wäre also die Polizei bei so einer Demo auf ca 3000 Teilnehmer gekommen und die Veranstalter vielleicht auf 5000.
 

David

Moderner Nomade
Registriert
05.10.2000
Beiträge
18.447
Ob es nun 3000 oder 15000 sind, ich habe immer noch den Eindruck dass man diese Demos mit der vielen Aufmerksamkeit nur unnötig aufwertet.
Rein von den Zahlen her hatten wir doch glaube ich schon deutlich größere Demos, und die waren in der Regel nur eine Radnotiz in den Medien, während man hier einen Riesen Rummel veranstaltet. Eine bessere Werbung kann man doch gar nicht machen.

Und objektiv gesehen sind die paar Einwanderer (im Schnitt ja wohl eher katholische Steuerzahler wenn man den Studien glauben darf) im Moment nicht gerade unser Hauptproblem, eher im Gegenteil, wenn wir es geschickt anstellen könnten wir damit den eigenen Geburtenrückgang und die damit verbundenen wirtschaftlichen Probleme kompensieren.

PS.:
Und wer wegen anderer Probleme demonstrieren will sollte glaube ich besser versuchen eine eigene Demo zu organsieren als den Rechten hinterherzulaufen. Ich bin in einigen Punkten auch unzufrieden mit der Regierung, aber deshalb laufe ich doch nicht bei Leuten mit die gegen eine angebliche "Islamisierung des Abendlandes" demonstrieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Oben