Politik, 5. Staffel

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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Es gab mal ne Zeit, in der Deutschland für sein Sozialsystem berühmt und ein weltweites Vorbild war. Und jetzt soll es plötzlich toll sein, das bei uns (noch) niemand verhungert. :down: Was nebenbei bemerkt natürlich auch schon passiert ist.

Und das Kriterium heißt "kann am normalen gesellschaftlichen Leben nicht teilnehmen" nicht "ist noch nicht verhungert".
 

David

Moderner Nomade
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Und wie willst du dieses gesellschaftliche Leben definieren ?

Hartz 4 reicht allemal für private Partys und auch um hin und wieder mal ausgehen zu können, wenn auch vielleicht nicht jedes WE in die teure Szene-Kneipe. Als ehemaliger Student weisst du ja bestimmt, daß man auch mit wenig Geld prima am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. :D

Und es gibt auch reichlich subventionierte Schwimmbäder, Bibliotheken, Theater, Zoos etc., die man sich auch mit wenig Geld leisten kann. Man muss also nicht zwangsweise jeden Nachmittag mit Gerichtsshows oder Dschungelcamps im Privatfernsehen verbringen. :rolleyes:

Das mit der Vorbildrolle des deutschen Sozialsystems bezweifel ich btw. irgendwie, denn was hat dann die anderen Länder daran gehindert, es nachzumachen ?
Außerdem fällt mir mit Ausnahme der skandinavischen Länder auch heute kein Land ein, das ein besseres Sozialsystem hätte.
 

Darghand

Einer von vielen
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Und wie willst du dieses gesellschaftliche Leben definieren ?

Es gibt keine genaue Definition, sondern nur eine relative. Das sozio-ökonomische Existenzminimum, das die hauptberuflichen Menschenverwalter*innen immer wieder neu ausrechnen, ist heutzutage ein anderes als in den 50er Jahren und ist auch ein anderes als es in Burkina Faso wäre.

Dass anderswo Menschen verhungern, ist ein Grund wütend zu werden, kein Argument, die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen, die der kapitalistische Teilhabemechanismus "Arbeit" gerade vor die Tür gesetzt hat, in ihrem Lebensstandard runterzudrücken.

Die Argumentation schwankt sowieso zwischen Hohn und völliger Schizophrenie. Auf der einen Seite echauffiert man sich über Linkspopulisten, die das Wort der Enteignung in den Mund nehmen, auf der anderen Seite hat man nichts dagegen, Menschen ohne Arbeit im Zweifelsfall zum Verkauf ihres individuell erarbeiteten 2-m²-Fernseher zu zwingen. Warum? Weil man sich anmaßt, in bürokratischer Selbstherrlichkeit über den der sozialen Situation angemessenen Lebensstandard zu entscheiden. Es wird alles dafür getan, die Arbeitslosigkeit in einen derart entsetzlichen Zustand zu verwandeln, dass die Betroffenen jeden noch so mistigen Job annehmen.

Überdies hinaus nehme ich mal an, dass du dich, lieber David, bisher noch nie außerhalb des studentischen Milieus und dessen beständig liquiditätsknappen Angehörigen bewegt hast. D.h., du befindest dich a.) in einem Milieu ähnlicher materieller Ausstattung und siehst das b.) als ein Übergangsstadium an. Es würde mich wundern, zähltest du dich zu den Geringverdienern.
Unterschätzt wird dementsprechend die Wirkung, wenn an die Stelle eines mittleren Einkommens die Hartz-IV-Überlebenshilfe tritt, denn das vergrößert die Kluft zwischen dem eigenen Milieu und sich selbst von einem Tag auf den anderen. Die Differenzen stellen sich also ganz von alleine ein: man berichtet eben nicht mehr über den letzten Urlaub, weil man es nicht kann; man schmeißt keine größeren Feste zum Geburtstag mehr, sondern eher solche, bei denen die Gäste die Speisen selbst mitbringen - sofern die überhaupt noch in die quadratzentimetergenau den Bedürfnissen angepasste Wohnung passen.

Einer gerechteren Verteilung des ökonomischen Verteilung steht jedenfalls nichts im Wege, allenfalls der ungenügende Willen der am Entscheidungsprozess Beteiligten.
 
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David

Moderner Nomade
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Ich bin bald 29, weil ich vor meinem Studium noch so eine Art Ausbildung gemacht hab (wers kennt: Berufsakademie, ist so ne Art Berufsschule für Abiturienten), sprich viele mit denen ich zur Schule gegangen bin, sind längst im Berufsleben während ich noch zur Uni geh. (Wenn alle Jahre wieder die Erstsemester kommen, fühl ich mich da wie im Kinderhort.. :D ) Ich kenn das also schon, daß Leute die ich kenne, plötzlich in einer "anderen Welt" leben als ich selber und dementsprechend auch deutlich mehr verdienen. Und natürlich gehöre ich zu den "Geringverdienern", wenn nicht ich als Student wer denn dann ? Aber ich hab damit kein Problem, schon weil die Anderen mich mehr um meine Freizeit beneiden als ich sie um ihre Autos oder Fernreisen. :D
Allenfalls wurmt mich, daß ich selbst dieses geringe "Einkommen" nicht selber verdiene, sondern nur von meinen Eltern bekomme. Es macht schon nen Unterschied, ob man auf eigenen Füßen stehen kann, oder ob man auf Hilfe angewiesen ist.

Natürlich ist das für mich nur ein Übergangsstadium (hoffe ich zumindest), aber ist das mit der Arbeitslosigkeit wirklich soviel anders ?
Es gibt zwar keine Garantie, daß man nach einer Entlassung wieder einen Job findet, aber hab ich eine, daß ich überhaupt je einen find ?
Das ist eben der "Preis der Freiheit", wie man so schön sagt. Ist mir allemal lieber als von Staats wegen einen Job auf Lebenszeit zugewiesen zu bekommen. Irgendwie scheint mir die Verbeamtung (bzw. der Job auf Lebenszeit im selben Unternehmen wo schon der Opa gearbeitet hat) immer noch das Ideal der Deutschen zu sein, während es anderswo ganz normal ist nur auf Zeit an einer Stelle zu arbeiten und sich dann was Neues zu suchen..

Und ich finde schon, daß man ein Recht hat, gewisse Bedingungen zu stellen, wenn man jemandem Hilfe gewährt. Soweit ich weiß geht das ja auch nicht soweit daß man als Arbeitsloser (ohne Schulden) sein Heimkino verkaufen müsse. Trotzdem finde ich die aktuellen Regeln das Guthaben betreffend, daß man max. haben darf um "bedürftig" zu sein, auch viel zu gering, daß hab ich ja schon mehr als einmal geschrieben.
Aber wenn Hr. Ackermann Arbeitslosengeld 2 kassieren würde wenn er die Deutsche Bank gegen Abfindung ruiniert hätte, würde das auch keiner verstehen. Irgendwelche Grenzen machen da also schon Sinn, auch wenn ich Diese locker verzehnfachen würde. Auch die Regeln die Wohngemeinschaften betreffend (d.h. wenn man mit seinem Partner zusammenlebt und der zuviel verdient, gibts nix, was dazu führen kann, daß aus Partnern plötzlich WG-Kameraden werden wenn jemand vom Amt kommt, nur für Alle, die mit dem deutschen Regelwahnsinn nicht so vertraut sind.. :rolleyes: ) gefallen mir nicht sonderlich.
Sowas ist für mich viel mehr kritikwürdig als die 350 Euro + Miete + Krankenkasse, die man bekommt.

EDIT:
Was diese "gerechtere Verteilung" angeht: Die meisten Berufstätigen, die ich kenne, regen sich jetzt schon gerne darüber auf, daß ihnen nach Abzug der Steuern und berufsbedingten Mehrausgaben nicht viel mehr über bleibt als das, was sie vom Staat bekommen würden, wenn sie jeden Morgen ausschlafen würden. Wenn du denen noch mehr Steuern aufbrummen willst, darfst du dich nicht wundern, wenn dir doch noch irgendwann Guido Westerwelle die Neujahresansprache vorliest. :D
 
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Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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Es gab mal ne Zeit, in der Deutschland für sein Sozialsystem berühmt und ein weltweites Vorbild war. Und jetzt soll es plötzlich toll sein, das bei uns (noch) niemand verhungert.

@Gala:Meinst du zufälligerweise das Ende des 19. Jahrhunderts, als das Deutsche Reich die Rentenversicherung eingeführt hatte? Da waren wir tatsächlich vorbildlich, weil es soziale Sicherungssysteme kaum gab.

Zu der Diskussion über Hartz-IV-Bezüge sag ich nichts, das halte ich nicht für besonders sinnvoll. Meiner Ansicht nach ist Arbeitslosigkeit ein Zeichen dafür, dass eine Gesellschaft die Arbeitsteilungschlecht organisiert hat. Bei uns gibt es x Leute, die in ihren Jobs rotieren und gar nicht mehr nachkommen, es gibt weitere, die den ganzen Tag rumsitzen und nichts tun, aber viel Geld verdienen, es gibt Leute, die ehrenamtlich viel Arbeit tun und dafür nichts bekommen und ich könnte auch genügend Beispiele aufzählen für Arbeit, die getan werden sollte, aber nicht getan wird, weil niemand dafür bezahlen will. Es wäre sinnvoller, jeden, der staatliche Transferleistungen erhält, dann auch für anfallende Arbeiten einzusetzen, die sonst nicht getan würden, statt sich über die Ausstattung der Arbeitslosen zu streiten.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Tchibo-Plakate abgehängt.
[...] Der Slogan spielt mit dem berühmten Spruch "Jedem das Seine" ("suum cuique") des römischen Philosophen Cato der Ältere. Dieser wurde jedoch von den Nationalsozialisten missbraucht: Er stand über dem Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar.

[...] Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, begrüßte die Entfernung des Plakats. Dies sei eine "nicht zu überbietende Geschmacklosigkeit" oder ein Beispiel "totaler Geschichtsunkenntnis".
Da kann ich mir jetzt nur noch am Kopf kratzen. Dürfen wir auch kein Deutsch mehr reden, weil die Nazis damals Deutsch geredet haben ? Ist die Farbe rot verboten, weil sie bei den Nazis in der Nationalflagge präsent war ? Darf man noch "Oh Tannenbaum" singen, weil die Nazis das Lied damals befördert haben, da es etwas von der altgermanischen, vorchristlichen Version des Weihnachtsfestes darstellt ?

Also ich weiß, das über Ausschwitz der Satz "Arbeit macht frei" in absichtlich falscher Schreibweise stand. Der Satz "Arbeit macht frei" ist auch nicht gerade eine tiefsinnige philosophische Erkenntnis, sondern etwas, das dem damaligen Ungeist durchaus nahe steht, da kann ich gut verstehen, das man sich aufregt, wenn so etwas verwendet würde.

Aber "Jedem das Seine" ?!? Da kann ich nicht erkennen, das irgend eine Nähe zur Naziideologie besteht. Das ist sogar eine ziemlich eindeutige Laisez-Faire Aussage.

Und muß ich jetzt wegen der damaligen Diktatur in Deutschland genau wissen, welche Zitate über all den Konzentrationslagern stand ?!? Wieso ist das ein Wissen, das jeder haben muß ?!?

Ich finde, mit dieser Aktion wird nichts erreicht. Sie ist einfach nur peinlich.
 

Branka

Knochenbrecher
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Jedem das seine, könnte man in einem erweiterten Sinne auch so deuten: "Jeder bekommt was er verdient".

Und wenn ich nun schaue, was damals in den entsprechenden Anstalten passiert ist, wo dann auch der obige Spruch an der Tür steht, kann ich den Bogen schon sehen.

Aber ob man das nun deswegen verbieten muss, ist eine andere Sache...
 

Ribalt

Ork-Metzler
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Das scheint mir eher ein gewisser Verein dringend mal wieder Medianaufmerksamkeit zu benötigen... Anders kann man so etwas ja wohl nicht erklären.
 

Vincent

Der Neue
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Ich hatte keine Ahnung, dass der Spruch irgendwann mal über dem Eingang eines Konzentrationslagers angebracht war. Aber schön, dass man immer und überall auf solche Sachen hingewiesen wird. :hae:

Wenn mir nicht ständig von allen Seiten eingebläut werden würde, tolerant gegenüber Andersartigen zu sein, würde ich vermutlich niemals auf die Idee kommen, dass ich rassistisch werden könnte.

Mir würde die Andersartigkeit vermutlich nicht mal auffallen. :rolleyes:
 

Sir Darian

Ritter des Helm
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Hmmm... *grübel*

Habe gerade im Moderatoren-Forum gelesen, daß sich die Moderatoren-Riege fragt, warum dieses Topic geschlossen wurde.

Laut Moderatoren-Log habe ich das Ding um 11:30 geschlossen. :confused:
Da ich das nicht bewußt gemacht habe - muß ein Verklicken gewesen sein - bitte ich um Eure Nachsicht!

War nur ein Versehen! :o
Aber es gibt ja zum Glück bereits eine 6. Staffel... :)
 
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