Politik, 6. Staffel

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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Die Nachdenkseiten haben diese Studie als Erklärung aufgeführt, warum Deutschland plötzlich wieder soviel Fremdenhaß hat. Es liegt also wohl im Kern an der Wirtschaftskrise, warum Sarrazin nicht auf eine breite Ablehnung in der Bevölkerung trifft. Die eigene Existenzangst treibt die Menschen zu solchen Reaktionen.

Das macht leider durchaus Sinn. Auch nach der letzten Weltwirtschaftskrise von 1929 konnten die Nazis ja so populär werden, das sie die Macht übernehmen konnten.

Persönlich erschüttert mich vor allem, das 55% der Linke-Wähler der Aussage Sarrazins zustimmen, das die Türken integrationsunwillig und -unfähig seien. Nur die CDU hat noch mehr (59%) und nur die Grünen sind mehrheitlich dagegen (64%).

Irgendwo zeigen mir diese Umfragen, das ich im Kern wohl doch noch eher ein Grünen- als ein Linkswähler sein muß.
 

Olome Keratin

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Hm, ich hab eine sehr hohe Meinung von Sarrazin, einer der ganz wenigen Politker, von dem ich das noch habe, deswegen möchte ich nicht voreilig in den Chor derjenigen miteinstimmen, die ihn jetzt verurteilen. Hat jemand zufälligerweise einen Link, wo das ganze Interview lesbar ist? Ich kenn bisher nur Ausschnitte.
 

Harutsune

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Vor den wenigen Politikern, die entgegen allen Fraktionszwängen ihre eigene Meinung sagen, habe ich auch Respekt - weil's so selten ist. Aber Sarrazin's Gequatsche, kombiniert mit der Aufbereitung der Bild-Zeitung, leistet lediglich dem Hirnschwammbedingten Armversteifungssyndrom Vorschub.
Und in einem Punkt des Artikels (Gala) finde ich Bremen wieder: nach dem Viertelfinalsieg der deutschen war ich auf der Straße, um einen Kumpel zu besuchen, in der Neustadt, dem eigentlichen Viertel hier in Bremen. Auf der Strecke von knapp einem Kilometer standen *vier* Armversteifte auf den der Straße zugewandten Balkonen, und grölten immer wieder:

DEUTSCHLAND!!!
DEUTSCHLAND!!!
TÜRKEN RAUS!!!

Ich denke, als Deutscher darf man gegebenenfalls auf sich und seine Familie etc stolz sein, aber ganz sicher nicht auf seine Herkunft - sowas speiht mich an. Daß die deutschen Grenzen zu offen sind angesichts der Weltwirtschaftslage ist sicher richtig, und sollte auch diskutiert werden - aber will hier wirklich irgendjemand unter Menschen leben, die so ein sensibles Thema derart populistisch diskutieren..? Ich sehe da vor meinem geistigen Auge Molly-Attacken auf ach so schmarotzende, sinnfreie vitnamesische Kioskbesitzer und türkische Gemüsehändler auf uns zukommen - es braucht kein Kristall um verheerend zu wirken..
;)
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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Ausschnitte aus dem Interview Das Interview ist riesig, Lettre International kostet viel Geld und ist ungekürzt im Web nicht zu finden. Aus dem, was ich bisher davon gelesen habe, muss ich sagen, es ist eine Schweinerei sondersgleichen, mit dem Interview eine Schmutzkampagne gegen Sarrazin zu betreiben.:grmpf: Eine derart detaillierte und differenzierte Problemanalyse, wie sie Sarrazin in dem Interview vorgenommen zu haben scheint, kommt mir höchst selten unter, schon gar nicht von einem (ehemaligen) Berufspolitiker.
Aber gut, dann machen wir eben so weiter und produzieren nur noch Phrasendrescher.:down:
 

Chinasky

Dirty old man
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Mit Sarrazin wird jetzt mal wieder in der üblichen Manier eine Sau durch's Dorf getrieben, bzw. ein Sündenbock. Den Überbringer unangenehmer Nachrichten rückt man einfach in die Nähe der Nazis - und zack! - muß man sich nicht mehr mit den unangenehmen Nachrichten auseinandersetzen.

Meines Wissens wurden die Zahlen, die Sarrazin anführte, nirgendwo dementiert. Die Integrationsunwilligkeit (Unfähigkeit?) ist unter Türken und Arabern niedriger, die entsprechenden Probleme größer als in anderen Migrantenmilieus wie z.B. den Vietnamesen. Daß der Islam als Religion hier eine Rolle spielen könnte, will niemand von den politisch korrekten Heinis zugeben, das Faß mag man nicht aufmachen aus Angst, dann über Problematiken diskutieren zu müssen, die man nicht durchschaut. Meine Vermutung: Wenn sich herausstellen sollte, daß der Islam tatsächlich für die niedrigen Intergrationserfolge bei Migranten aus muslimischen Staaten ursächlich sein könnte, müßte man allgemein über eine neue Relation von Staat und religiösen Gemeinschaften debattieren. Und zack - muß man die Gretchenfrage beantworten.

Die naive Ignoranz dieses Problems seitens der Grünen war der Grund, weswegen ich sie diesmal nicht gewählt habe. Denen geht nämlich scheinbar am Allerwertesten vorbei, was Leute, die in sozial schwachen Milieus leben müssen, wirklich besorgt.

In meinen Augen ist es infam, hier gegenüber jedem, der die Probleme mal beim Namen nennt, sofort die Nazikeule zu schwingen. Man wende sich mal an die Grundschullehrer in Stadtteilen mit hohem Türkenanteil, was die so täglich erleben bezüglich des Integrationsdesasters (einer meiner besten Freunde ist so einer und erzählt Geschichten, da fällt einem die Kinnlade runter).

Daß dieses Intergrationsproblem durch die wirtschaftliche Situation, auch durch den enthemmten Marktkapitalismus der letzten Jahre und Jahrzehnte verschärft worden sein dürfte - keine Frage. Aber die Lage der Türken und Araber mit derjenigen der Juden vor 80 Jahren zu vergleichen, ist - auch wenn der Zentralrat der Juden sich gegen Sarrazin gewendet hat - in meinen Augen eine Beleidigung der Juden und eine Relativierung und damit Instrumentalisierung des nazistischen Antisemitismus.

Die Gefahr, die ich sehe, ist, daß den falschen Leuten, nämlich dem braunen Pack, die Deutungshoheit über dieses Problem überlassen wird, indem man es in den Kreisen der etablierten Parteien inklusive der Grünen schlicht ignoriert. Wenn nur die Braunen das Problem benennen und ihre Lösungsvorschläge dafür auf den Tisch legen - dann ist das übel. Denn deren Lösungsvorschläge sind die üblichen rassistisch-dummen "Ausländer raus!"-Versionen. Welche anderen Lösungsvorschläge aber gibt es denn? Von den Grünen und überhaupt der ganzen politisch korrekten Mischpoke in den Medien wird immer noch das Bild der "Opfer" gezeichnet, wenn über das türkische und arabische Milieu berichtet wird. Alle sind sie Opfer - natürlich auch die Väter, die ihre Töchter unter das Kopftuch zwingen und die Jungs, die alle deutschen Frauen als Huren betrachten und ihre Lehrerinnen anspucken... Opfer der Zustände, allesamt, sie können nicht anders, das sind sie so gewöhnt von zuhause, das sind Traditionen, die kriegt man nicht so schnell aus den Köpfen raus, und der Kapitalismus ist auch irgendwie schuld daran, daß sie so verdächtig oft kriminell werden... Daß diese "kulturellen Traditionen" jetzt inzwischen in der dritten oder gar vierten Generation immer weiter aus denen der Mehrheitsgesellschaft ausscheren, daß es vielleicht irgendwelche strukturellen Gründe geben könnte dafür, daß chinesische, vietnamesische oder auch polnische und sogar russische Migranten es schaffen, sich erfolgreich zu integrieren, dies aber den Türken und Arabern nicht gelingen will - das blendet man aus.

Wenn jetzt Sarrazin von der Bundesbank gemobbt wird, ist das symptomatisch dafür, daß man heute noch mit den unbequemen Zwischenrufern umgeht, wie man's zu Zeiten der Trojaner schon mit der Kassandra tat.


Symptomatisch ist dafür übrigens, daß man einfach die Mehrheit der politisch Interessierten am Thema abstempelt, indem man polemisiert, das Gästebucheinträge bei "Hart aber fair" läsen sich wie Redebeiträge auf einem NPD Parteitag. Seltsam, oder? War das tatsächlich eine konzertierte Aktion der Nazis? Oder ist es nicht eher so, daß hier die Mehrheit des Volkes offensichtlich eine andere Meinung zum Thema hat als die Mainstream-Medien und insbesondere die berufs-Empörten? Die Mehrheit derjenigen, die sich an der Abstimmung bei Hart aber fair beteiligten, fand, daß Sarrazin mit seinen Bemerkungen richtig lag. Aber dieses Abstimmungsergebnis schaffte es irgendwie nicht mehr in die Sendung. Wie halten wir's denn jetzt mit demokratischen Abstimmungen? Darf nur das verkündet werden, was ins Weltbild paßt? Wie lange haut das noch hin mit dem weltanschaulichen Ignorieren der offen sichtbaren Probleme?

Dämliche Frage. Das hat noch nie hingehauen. Deswegen entwickelt sich's ja auch zum Schlechteren. :grmpf:


edit @Olome: Danke für den Link! Lesenswert.
 
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David

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Ich hab die ganze Geschichte nur am Rande mitbekommen, und soweit ich das nachvollziehen kann, hat Sarazin schon wichtige Probleme angesprochen, aber mal ehrlich, wer Sätze wie "Kopftuchmädchen produzieren" bringt, darf sich dann auch nicht wundern, wenn sich Alle auf diesen einen Satz stürzen und den Rest des Interviews ignorieren. Das ist ne bewusste Provokation gewesen, deren Folgen er eben jetzt zu spüren bekommt. Das nun alle über ihn reden statt über die von ihn angesprochenen viel wichtigeren Probleme hat er damit auch nen Stück weit selber zu verantworten. Als Politiker muss er schließlich wissen, wie die Presse reagiert.

PS.:
Gibts eigentlich auch Statistiken darüber, ob Menschen mit islamischen Migrationshintergrund noch schlechter abschneiden als Deutsche aus armen Verhältnissen ?
Ich hab bisher immer nur Vergleiche zwischen allen Deutschen und Menschen mit verschiedenen Herkunftsländern mitbekommen. Dabei fand ich es btw. auch ziemlich interesannt, daß es da Gruppen zu geben scheint, denen der Wert einer guten Ausbildung viel bewusster zu sein scheint als dem Durchschnittsdeutschen.
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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@Olome+Hank: Ich fand es zumindest einmal sehr positiv, das sich die ganze Aussage nur auf Berlin bezog. In einer Großstadt kann ich mir durchaus vorstellen, das diese Aussagen so tatsächlich zutreffen. Generell auf alle Türken bezogen, das kann ich mir nicht vorstellen, das es derart drastisch ist.

Grundsätzlich ist es aber so:
1. Wir haben uns gezielt diejenigen Leute geholt, die geringe Arbeiten verrichten.
2. Unser Schulsystem ist europaweit dasjenige, bei dem die Endbildung am meisten vom Einkommen und Bildungsstand der Eltern abhängt.

Ich habe gesagt: Unsere Bildungspopulation wird von Generation zu Generation dümmer.
Das könnte mit unseren europaweit gesehen sehr niedrigen Ausgaben für Bildung zu tun haben.

[...] Der Staatssekretär sprach Deutsch und fragte mich, wie viele Einwohner Deutschland habe und wie unsere Geburtenraten seien, und dann sagte er, im Jahre Soundso werden wir Deutschland an Bevölkerungsgröße überholt haben. Darauf war er stolz. Das ist dieselbe Mentalität, die Erdogan dazu verleitet hat, diese Rede in der Kölnarena zu halten, wie er sie gehalten hat.

Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. Das würde mir gefallen, wenn es osteuropäische Juden wären mit einem um 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung. Ich habe dazu keine Lust bei Bevölkerungsgruppen, die ihre Bringschuld zur Integration nicht akzeptieren, und auch, weil es extrem viel Geld kostet und wir in den nächsten Jahrzehnten genügend andere große Herausforderungen zu bewältigen haben.
Klingt für mich stark nach Verschwörungstheorie.

Außerdem erklärt das alles nicht die Reaktionen auf das Interview, die ich oben verlinkt habe. Viele dieser Reaktionen gehen weit darüber hinaus, was Sarazin gesagt hat.



@Hank:
Symptomatisch ist dafür übrigens, daß man einfach die Mehrheit der politisch Interessierten am Thema abstempelt, indem man polemisiert, das Gästebucheinträge bei "Hart aber fair" läsen sich wie Redebeiträge auf einem NPD Parteitag.
Ok, wieviele der Beiträge dort findest du denn richtig ? Und warum ?
 
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Olome Keratin

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@Gala: Das mit den Geburtenzahlen ist nunmal Fakt - keine Verschwörungstheorie. Und der Hauptgrund, weswegen die Türkei einen EU-Beitritt anstrebt, ist, ein paar weitere Millionen Kurden an die EU und insbesondere Deutschland abzugeben.

Das könnte mit unseren europaweit gesehen sehr niedrigen Ausgaben für Bildung zu tun haben.
Aus eigener Anschauung habe ich den Eindruck gewonnen, dass unsere Bildungsprobleme, von denen manche auch nur eingebildet sind, nicht in erster Linie am Geld hängen.

Unser Schulsystem ist europaweit dasjenige, bei dem die Endbildung am meisten vom Einkommen und Bildungsstand der Eltern abhängt.
Die Ursache liegt m.E. nicht im Schulsystem, sondern in der Gesellschaft, wobei ich mir nicht so sicher bin, ob bspw. Frankreich in dieser Hinsicht wirklich besser dasteht als wir.
 

David

Moderner Nomade
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Ich würd eher sagen, es hängt davon ab, für wie wichtig die Eltern Bildung halten. Man muss kein Millionär sein, um zB Nachhilfe für das Kind zu bezahlen, es reicht auch die Einstellung, lieber auf den Urlaub oder den neuen Fernseher zu verzichten um dem Kind die Nachhilfe bezahlen zu können. Grade bei den Einwanderergruppen, die uns Deutsche alt aussehen lassen, könnte ich mir vorstellen, daß das der entscheidente Unterschied ist.

Daß das mit der Nachhilfe recht schnell nötig werden kann und Geld kostet ist ein Fehler im Bildungssystem, und es gibt auch Eltern, die es sich wirklich nicht leisten können, aber bei vielen mit mittlerem Einkommen ist das auch eine Frage des Wollens.

EDIT:
Nen Stück weit sind wir halt auch bequem geworden: Die Einen verlassen sich darauf, daß es auch ohne richtigen Job gehen wird, weil ihre Eltern das genauso machen, und Andere studieren vor allem um sich selbst zu verwirklichen, auch wenn sie genau wissen, daß ihr Studium alles andere als arbeitsmarktoptimiert ist. Zu Letzteren würd ich mich selber auch zählen, aber wenn man zu der Gruppe gehört, darf man sich halt hinterher auch nicht beschweren, wenn man keine Reichtümer scheffeln wird. (Wobei das den Meisten aus dieser Gruppe eh herzlich egal sein dürfte)
 
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Darghand

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Hum.

Ich hab mir mal die Interviewausschnitte durchgelesen, die Olome oben verlinkt hat. Zusammengefasst kann ich aus meiner Perspektive nur sagen, dass da einige wenige Gedanken dabei sind, die stimmen; einiges ist dumm gedacht und wieder anderes ist ein ungeheuer rechtskonservatives ressentimentgeladenes Denken.

Was mir deshalb auch partout nicht in den Kopf will: warum um alles in der Welt sollte man nun diesem Menschen applaudieren? Nur, weil er ein unstrittigerweise vorhandenes Problem angesprochen hat?

Das hat er ja. Es gibt ein Integrationsproblem; insbesondere bei türkisch/arabischstämmigen Jugendlichen. Punkt. Ich nehme mal an, das und einen entsprechenden Handlungsbedarf haben vor Herrn Sarrazin schon zig andere Menschen festgestellt - ohne sich aber derart im Ton zu vergreifen und ohne Formulierungen zu verwenden, die die Leitplanke zum Rassismus nicht nur streifen, sondern bei voller Fahrt durchbrechen (übrigens auch so ein Problem in Deutschland: hier gilt immer nur derjenige als rassistisch, der sich selbst so bezeichnet). Nur mal so ein paar Auszüge, die den Sarrazin meinem Empfinden nach gänzlich untragbar machen (Hervorhebungen jeweils von mir):

Die Deutschrussen haben große Probleme in der ersten, teilweise auch der zweiten Generation, danach läuft es wie am Schnürchen, weil sie noch eine altdeutsche Arbeitsauffassung haben. - wie war das mit dem Rüttgers und den faulen Rumänen?

Jemanden, der nichts tut, muß ich auch nicht anerkennen. Ich muß niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. - "wie die Karnickel" hat er vergessen

Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. - und die Deutschen Deutschland :rolleyes:

und dann sagte er [der türkische Staatssekretär], im Jahre Soundso werden wir Deutschland an Bevölkerungsgröße überholt haben. Darauf war er stolz.
[...]
Wir verstehen uns immer noch als ein großes Volk. Die Proportionen haben sich völlig verschoben. Wenn von unseren 80 Millionen praktisch dreißig Prozent im Rentenalter sind, sind wir bereits eine relativ kleine Bevölkerung.
- offenbar zwei Brüder im Geiste

Wie also um alles in der Welt kommt man dazu, diesen Typen als Helden zu feiern, nur weil in diesem verquast völkisch-kulturkämpferischen Quark ein paar (überaus erläuterungsbedürftige) Wahrheiten drinstecken? Sarrazin bedient exakt die falsche Seite mit Argumenten: namentlich die, die auf Unversöhnlichkeit und kulturalistisch hergeleitete Inkompatibilität der Bevölkerungsgruppen pocht, auf das angstbesetzte Ressentiment. Eben diese krude Halböffentlichkeit, die sich um Broder schart und "Politically Incorrect" als Retter des Abendlandes abfeiert, mit nichts im Blick als sich selbst und dem "Wohl des Volkes". Vielen Dank, sofern es um Integration geht, gibt es sicher bessere Ansprechpartner.

Meine Vermutung: Wenn sich herausstellen sollte, daß der Islam tatsächlich für die niedrigen Intergrationserfolge bei Migranten aus muslimischen Staaten ursächlich sein könnte, müßte man allgemein über eine neue Relation von Staat und religiösen Gemeinschaften debattieren.

Da gebe ich dir recht. Das wäre aber längst nicht alles: erforderlich wäre ebenso eine konkrete, handlungsleitende Absage an jede Form von patriarchalischen Strukturen und Machismo - ein Land mit zweifelhaften Errungenschaften wie dem Ehegattensplitting, den drittwenigsten Frauen in Führungspositionen in ganze Europa und 20-30% Lohnunterschieden zwischen den Geschlechtern müsste dann auch über sich selbst debattieren. Angebracht wäre auch ein Nachdenken darüber, ob verpflichtende kostenfreie Kindergartenjahre ab 4 - also staatliche Kindererziehung - dem im konservativen Deutschland sonst so hoch gehaltenen Ideal der Delegierung diverser Erziehungsaufgaben an die christlich normierte Familie nicht doch überlegen sind. Oder auch eine Solidarisierung mit schwulen Türken und lesbischen Araberinnen. Usw. usf.


Achso, zu diesem Statement vom Zentralrat der Juden: das war ein Satz, der auf eine Pressekonferenz von dem Ratspräsidenten abgegeben wurde und lautete ""Ich habe den Eindruck, dass Sarrazin mit seinem Gedankengut Göring, Goebbels und Hitler große Ehre erweist." Von einer Gleichsetzung von heutigen Türken und Arabern mit den Juden 1933ff also keine Spur - lediglich der durchaus berechtigte Vergleich des Gedankenguts. Auch Sarrazin schürt Überfremdungsängste.
 
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Olome Keratin

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An der Nachhilfe hängt es auch nicht in erster Linie, die kommt hauptsächlich dadurch zustande, dass die Stundenpläne überfrachtet sind und von dem gesellschaftlichen Klima, dass ein Kind alles gut können muss. Es würde viel mehr bringen, sich erstmal darüber klar zu werden, welche Fähigkeiten wir in welchem Umfang von unserem Nachwuchs brauchen und welche nicht, also zu definieren, was das Bildungssystem eigentlich leisten soll und das gesamte System mit all seinen Instrumenten auf das Ziel zuschneiden. Das könnte man fast ohne Geld tun und würde sehr deutlich was bringen.
Außerdem entscheiden die Eltern auch nicht alles für ihr Kind, insbesondere, wenn es älter wird. Wir setzen Bildung=Schule und vernachlässigen darüber alles andere, da grade die Schulen meinem Empfinden nach nicht so schlecht sind.

Edit: @Darghand: Ich werd zu dir noch Gegenposition beziehen, muss jetzt aber los und komm wohl erst ganz spät wieder, deswegen wirds möglicherweise morgen. Wenn dus zur Hand hast, kannst du mal bei machiavelli Discorsi Buch II, Kapitel 2 und 3 nachlesen, darauf will ich dann hinaus, alternativ auch Sebastian Haffner: Preußen ohne Gloria. Literaturtipps deshalb, weil ich da einer Theorie Marke Eigenbau kommen werde, die sich auf die zwei Bücher hauptsächlich stützt.
 
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Chinasky

Dirty old man
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@Gala:
1. Wir haben uns gezielt diejenigen Leute geholt, die geringe Arbeiten verrichten.

Das ist richtig und das war ein Fehler, der in Zeiten ver Vollbeschäftigung, insbesondere in den 70ern, begangen wurde. Wir haben das Jahr 2009. Die Entwicklung war also etwas länger schon zu beobachten.
Selbstverständlich gibt es bei der Integration von armen Zuwanderern immer erstmal soziale Probleme. Ein griechischer Freund von mir sagte schon mal vor Jahren, daß er mit den anderen Griechen hier in der Stadt möglichst wenig zu tun haben wolle. Ich fragte ihn, warum denn das? Seine Antwort: "Das sind doch alles Asis. Die haben es in Griechenland nicht geschafft, die kommen aus den untersten Schichten in Griechenland."
So ist es meistens bei aus wirtschaftlichen Gründen Zugewanderten: Sie stammen in der Regel aus einfachen Verhältnissen, das Bildungsniveau ist niedrig und so weiter und so fort.
Aber: Üblicherweise werden die dadurch entstehenden Probleme nach ein, zwei Generationen kleiner. Steht alles in Sarrazins Interview nachzulesen, ich müßte hier jetzt lediglich die gesamte Argumentation wiederholen. Bei den Polen, bei den Portugiesen, ja selbst bei den Italienern (so sie nicht mit der Mafia verbandelt sind, was gerade hier in der Gegend leider der Fall ist) hat die Integration geklappt. Bei den Türken und den Arabern aber klappt das statsitisch gesehen wesentlich weniger gut. Dafür muß es Gründe geben. Sarrazin nennt ein paar dieser Gründe. Und selbst er spricht nicht den in meinen Augen wichtigsten Grund prominent genug an: den Islam. Ich krieg es hier doch auf den Straßen vor meiner Haustür selbst mit, das könnte man fast mal mit einem Zeitraffer-Video dokumentieren, wie die Kopftuchdichte anwächst in den vergangenen Jahren, wie die dunklen Rauschebärte wachsen. Wer in den entsprechenden Vierteln lebt, der kann der Islamisierung der türkischen und arabischen Milieus und damit dem Abdriften in eine Parallelwelt praktisch zugucken. Dabei ist auch die Frage, ob's nun an der Henne oder dem Ei läge, witzlos. Ist diese Islamisierung eine Reaktion auf die Ausgrenzung? Warum gibt's dann entsprechende Reaktionen nicht bei den anderen Minderheiten?
Eine Befürchtung, die ich habe (die ich aber nicht belegen kann, aber Studien dazu würden mich interessieren), ist ja, daß ausgerechnet die religiös besonders extremen Türken versuchen, hierher nach Deutschland zu kommen. Weil die Trennung zwischen Religion und Staat in der Türkei - siehe die Kopftuchfrage - immer noch dem Kemalnistischen Erbe entsprechend hochgehalten wird, wenngleich die Erfolge der islamischen Parteien in den Wahlen leider dahin deuten, daß diese Trennung dort langsam aufgeweicht werden könnte.


2. Unser Schulsystem ist europaweit dasjenige, bei dem die Endbildung am meisten vom Einkommen und Bildungsstand der Eltern abhängt.
Da bin ich vollständig Deiner Meinung und im Gegensatz zu Olome halte ich es auch nicht für sinnvoll, hier zwischen Bildungswesen und Gesamtgesellschaft zu differenzieren. Die Bildungspolitik ist ja gerade Ausdruck des Willens der Gesamtgesellschaft. Wenn die Gesellschaft was ändern will, dann kann sie das über die Bildungspolitik tun. Gerade übrigens auch wieder bezogen auf die besonders miesen Bildungschancen der Kinder aus den islamischen Migrantenmilieus: Ganztagsschulen, um die Kids notfalls per Zwang möglichst lange am Tag in der Gesamtgesellschaft zu halten. Verpflichtung der Eltern, gewisse Deutschkenntnisse an ihre Kinder zu vermitteln - unter Sanktionsandrohungen (Kürzung der Sozialtransfers beispielsweise). Und - mein Steckenpferd - eine konsequente Säkularisierung der Schulen. Was, nach dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz, dann freilich auch hieße, die christlichen Einflüsse im Schulsystem zu beschneiden. Weswegen überhaupt religiöse Gemeinschaften Träger von aus Steuermitteln finanzierten Schulen sein sollen, kann ich nicht verstehen.

Ok, wieviele der Beiträge dort findest du denn richtig ? Und warum ?
Ich habe dort jetzt nicht alle 225 Seiten zum Thema durchgelesen. Du? Daß da in den Beiträgen die Anzahl der bräunlichen Kotzbrocken nicht gering ist, anerkenne ich. Das ist immer so, daß die Extremen in derartigen Foren überproportional zu Wort kommen. Ein Großteil der Beiträge regt sich aber z.B. darüber auf, daß schlicht gelogen wurde, als noch in der Sendung behauptet wurde, Zustimmung und Ablehnung gegenüber Sarrazins Ausführungen hielten sich im Gästebuch die Waage. Aufgeregt wird sich in dem Gästebuch auch und vor allem über die Heuchelei und Ignoranz unter den Multikulti-Verfechtern, über die ich mich in meinem vorherigen Posting hier auch schon aufregte. Daß da immer wieder der Begriff "Gutmenschen" fällt und auf die Grünen besonders eingeprügelt wird, ist traurig. Aber was soll man machen? Ausgerechnet Ströbele mußte ja eingeladen werden, Frau Roths grenzdebile "Sonne-Mond-und-Sterne"-Entgleisungen blieben nun mal im Gedächtnis haften, und daß der "Gutmensch" inzwischen ein geflügeltes Wort werden konnte, liegt ja auch daran, daß man die diskutierten Probleme viel zu lange ignorierte und es zuließ, daß Leute aus der PI-Ecke den Diskurs prägen konnten.
Insgesamt ist in meinen Augen "hart aber fair" ein Sendeformat im eher unteren Niveaubereich - daß da jetzt nicht intellektuelle Analyse-Perlen im Gästebuch dominieren, ist klar.
 

David

Moderner Nomade
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Ich glaub, diese seltsamen Stammestraditionen sind da mindestens genauso wichtig wie der Islam, auch wenn Beides natürlich miteinander verwoben wird.

Ich hab auch schon öfter gehört, daß die Türken in Deutschland in vielen Fällen deutlich altmodischer sein sollen als die in der Türkei, weil sie sozusagen die Türkei konservieren würden, die die Großeltern vor zig Jahren verlassen haben und nicht grad den moderneren Teil der heutigen Türkei. Wobeis da natürlich auch riesige Unterschiede gibt, jenachdem wo man hingeht.

@Olome:
Nachhilfe ist natürlich nur ein Symptom von Vielen, aber die kann auch schon wichtig sein, grad in Fächern wie Mathe, wo die Eltern selbst nicht helfen können. Hätt ich damals keine Nachhilfe gehabt um einen schlechten Lehrer zu kompensieren, hätte es mich später zumindest nicht mehr in den Mathe-LK verschlagen. Das setzt bei den Eltern natürlich auch vorraus, daß sie bereit sind, sich auch mal nen bisschen zu streiten, denn freiwillig wird kaum jemand zur Nachhilfe gehen. :D

Was die Frage danach angeht, was man lernen muss und was nicht, löst man damit sicher wieder Glaubenskriege aus, weil die Vertreter der einzelnen Fächer immer behaupten werden, ihr Fach sei absolut notwendig und müsse dringend gestärkt werden. Soweit ich das mitbekommen hab, war sowas ja auch bei manchem missglücktem 12 Jahres-Abi ein Problem, weil man den Stoff von 13 Jahren kaum gekürzt, sondern nur auf 12 Jahre komprimiert hat.

Wenn ich so an meine Schulzeit zurückdenke, gabs da sicher viel Stoff, der mir persönlich absolut nichts gebracht hat (Sport der Marke Bundeswehr-Drill, Kunst und Musik, 90% des Deutschunterrichts nach dem Lernen von Lesen und Schreiben etc. ), aber für Andere ists halt 1000mal wichtiger, den Faust gelesen zu haben als zB die Planeten des Sonnensystems oder die Erdgeschichte zu kennen. Praktisch gesehen ist wohl keins von Beidem wirklich nötig um durchs Leben zu kommen. Insofern wird man sich da nie einig werden, weils einfach keine objektiven Maßstäbe gibt.

Ich persönlich wär froh gewesen, wenn ich früher (so ab der 9. oder 10. Klasse) mehr Wahlmöglichkeiten gehabt hätte, um ungeliebte Fächer komplett abschießen zu können um dafür Andere zu intensivieren. Andererseits weiß man in dem Alter auch noch nicht wirklich, was einen mal interessieren könnte, daß ich mich zB je für Geschichte begistern könnte, hätt ich während meiner gesamten Schulzeit nicht für möglich gehalten. Wobei von der Schul-Geschichte bei mir eh nur hängen geblieben ist, daß wir die beiden Weltkriege verloren haben, insofern wär das kein Verlust gewesen.
 
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Chinasky

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@Darghand:
Die Deutschrussen haben große Probleme in der ersten, teilweise auch der zweiten Generation, danach läuft es wie am Schnürchen, weil sie noch eine altdeutsche Arbeitsauffassung haben. - wie war das mit dem Rüttgers und den faulen Rumänen?
Stört Dich vor allem der Terminus "altdeutsch"? Für den Fleiß waren die Deutschen mal weltweit bekannt. Eventuell gab's sogar einen wahren Kern für dieses Stereotyp? Wie fleißig Rußlanddeutsche oder auch polnische Zuwanderer sind - das habe ich selbst an einzelnen Beispielen mitgekriegt. Mag sein, daß dieses Arbeitsethos nicht "altdeutsch" ist. Vielleicht gibt's dafür andere Erklärungen als Traditionen, die sich auf deutsche Einflüsse zurückführen lassen. Würde mich interessieren, was das für Erklärungen sein könnten. Denn die Russen an sich (behauptet eine befreundete Russin ;) ) seien eher faul...
Eventuell spricht hier Sarrazin Erfahrungen aus, die sich nur für Dich rassistisch und reaktionär anhören, weil sie sich so besser in ein Feindbild einordnen lassen? Was, wenn manche Klischees sich aus Erfahrungen speisen? Ich denke da gerade an einen Typen, den ich letztens in der Bahn kennenlernte, dessen Vater aus Namibia* stammte. Wir kamen so ins Gespräch, er erzählte, daß er schon diverse Male in Namibia gewesen sei, um dort die Familie seines Vaters kennenzulernen (der seine Mutter kurz nach seiner Geburt verlassen hatte), wie schön das Land und die Gegend dort sei, daß der Familienclan seines Vaters dort quasi die "Herrscher des Dorfes" seien und so fort. Dann fragte ich ihn, ob er schon mal überlegt habe, nach Namibia zu ziehen (er studierte Umwelt- und Energietechnik). Immerhin könne man doch sein Wissen und seine Fähigkeiten dort sehr gut brauchen und über seine Familie könne er dort also eine Menge bewirken. Da lachte er nur und meinte: "Nee, das tue ich mir nicht an. Die sind da alle dermaßen faul und unorganisiert!"
Was bin ich da zusammengezuckt. Hätte das ein Weißer gesagt, hätte er von mir sofort das "Rassist"-Label aufgeklebt bekommen. Ging nur in diesem Fall nicht :D
Wären den Sarrazins Worte legitimierter gewesen, wenn er ein Mischling oder türkischstämmig gewesen wäre?

Jemanden, der nichts tut, muß ich auch nicht anerkennen. Ich muß niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. - "wie die Karnickel" hat er vergessen
Ja, hat er vergessen. Du hast es ja nun ergänzt. Was stört Dich genau? Daß er die Fakten drastisch auf den Punkt gebracht hat? Oder was nun?

Warum sollte man jemanden anerkennen (heute wird häufiger gesagt: respektieren), der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, sich um die Ausbildung seiner Kinder nicht schert (also das Kindeswohl verletzt), aber dafür seine religiösen Archaismen seinem überreichlichen Nachwuchs oktroyiert? Oben schrieb ich's schon in meinem Posting an Gala: Die Kopftücher im Straßenbild haben sich in den letzten Jahren (maximal zwei Jahrzehnten) vermehrt wie die Pilze nach dem Regen. Ignorieren? Oder benennen? Wie würdest Du's denn benennen?

Auch Sarrazin schürt Überfremdungsängste.
Ich sage: er formuliert sie, durchaus pointiert und griffig. Diese Ängste sind längst vorhanden, und sie sind begründet.


addendum: Hier kann man die Hart aber fair-Sendung nach-gucken, was ich gerade getan habe. Bin jetzt aber zu faul, das noch alles zu kommentieren.


*Kann auch Tansania gewesen sein. Irgendein schwarzafrikanisches Land mit zwei (oder mehr...) A's im Namen eben. Soviel zu meiner Differnzierungsfähigkeit. :D :shine:
 
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Aira

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Sorry, aber Rassismus und rechtspopulistisches Gedankengut äußern sich doch nicht nur in platten Parolen, wie : Ausländer raus!
Es gibt eine Reihe Rechter, die sich sehr sachlich äußern können und genauso wie Sarrazin Auswirkungen zu Tatsachen umwandeln, ohne auf die Ursachen oder Lösungen einzugehen. Grade das macht sie so...unangenehm.^^
Das ist von einem Politiker so nicht hinzunehmen, meiner Meinung nach.

Und man kann Menschen, die hier legal! leben nicht vorwerfen, dass sie die Gesetze für sich (aus)nutzen. Man sollte eher fragen, warum sie das in dem großem Maße tun.
Es sind in der Vergangenheit sehr viele Fehler gemacht worden, weil Deutschland für sich nie entschieden hat, ob es nun ein Einwandererland sein möchte oder nicht. Aus alten Schuldgefühlen wurde in der Frage sicher viel zu lasch gehandelt, aber nun ist die Situation so, wie sie ist und da hilft kein "derbes Kommentieren".
Denn die Probleme sind vielen klar, und werden in den Kommunen auch immer wieder auf den Tisch gebracht.

Was fehlt sind schnelle! Konzepte, wie man mit weiterer Einwanderung umgeht. Ohne rechtswidrige Fragebögen und dergleichen.
Wenn man sich fragt, ob der Islam daran Mitschuld trägt...ui...vielleicht sollte man dann gleichzeitig fragen, wie viel Mitschuld das Christentum trägt?
Verhindern sie gegenseitig, das beide gleichberechtigt nebeneinander leben können?
Es gilt Religionsfreiheit in diesem Land, also sollte auch jeder seinen Glauben leben können, wie und wo er will, ohne dumm angeguckt zu werden.
Ohne die wirkliche Akzeptanz des Islam wird es kaum eine Integration der hier lebenden Moslems geben.

Es gibt in einigen Grundschulen schon gute Konzepte zur Integration, z.B. Muttersprachlicher Unterricht...ach...hm...komisch nur, dass es den kaum für türkische oder arabische Kinder gibt.

Also, ich will das Problem nicht klein reden.
Aber es nützt niemandem, wenn an diese Probleme zynisch (und ja, Sarrazin ist nicht nur in diesem Interview in meinen Augen sehr zynisch) herangegangen wird, außer vielleicht dem eigenen, kleinen Groll.

/edit Warum es Osteuropäern leichter fällt sich hier zu integrieren...
Sie haben den selben umfassenden Hintergrund, das Christentum, oder?
Es gibt kulturelle Unterschiede, aber die Traditionen gründen diebezüglich alle auf ähnlichen Fundamenten.
Ist das nun die Schuld der Menschen, die in einem islamischen Land geboren wurden?

Das sind nur Gedankenanrisse...aber z.B. auch Gedanken, warum ich die europäische Union für so verlogen und für einen reinen wirtschaftlichen Zusammenschluss halte.
Für Deutschland gesprochen...wir sind weit davon entfernt wirkliche Unionen mit anderen Ländern eingehen zu können. Als erstes würde z.B. auch eine gemeinsame Sprache dazu gehören...z.B. eine Verpflichtung zum Englisch als 2. Amtssprache.
Was nicht heißen soll, dass sich dann die Sprachprobleme an den Grundschulen erledigen...es hat aber etwas mit allgemeinem Integrationsdenken zu tun.
Man kann sich nicht auf der einen Seite hinstellen und Weltoffenheit predigen und auf der anderen Seite Angst vor Überwanderung haben.
Entweder, oder.
 
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Olome Keratin

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@Aira: Sarrazin hat klar gesagt, dass er eine Lösung der Probleme nur langfristig im Stopp der Zuwanderung sieht. Er sagt indirekt, dass er keine Chance sieht, an den bestehenden Zuständen ertwas zu ändern, weil er nicht daran glaubt, die Menschen ändern zu können. Deswegen spricht er auf Berlin bezogen davon, dass sich die jetzt gebildete Unterschicht, zu der er Deutsche im Übrigen mit dazu zählt, auswachsen müsse. Das passiert auf Dauer automatisch, wird aber konterkariert durch zusätzliche Zuwanderung bzw. höhere Geburtenraten im Vergleich zu Mittel- und Oberschicht. Ob die betroffenen Menschen tatsächlich bereits völlig abzuschreiben sind, kann ich nicht beurteilen, weil mir dazu schlicht Sachkenntnis und Erfahrung fehlen, bezüglich Zuwanderung und Geburtenraten hat er aber Recht.

Sarrazin Rassismus vorzuwerfen kann ich absolut nicht nachvollziehen, wenn du das hier getan hast. Bin mir nicht ganz sicher, wie ich dich zu verstehen habe.

@Hank: Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob wirklich religiöse Gründe die Hauptursache sind. Soweit ich weiß (lasse mich gerne belehren), war der Großteil der ursprünglichen Gastarbeiter nicht besonders religiös. Die Rückbesinnung auf den Islam hat sich wie in der gesamten islamischen Welt vor allem in den 80ern und 90ern bis heute vollzogen, getragen vor allem von der Jugend, da bilden die nach Deutschland eingewanderten bzw. hier Aufgewachsenen wahrscheinlich keine Ausnahme. Islamisierung könnte daher eher eine Reaktion auf gescheiterte Integration sein.

Insofern wird man sich da nie einig werden, weils einfach keine objektiven Maßstäbe gibt.

Lieber David,

das ist genau die Art von Aussage deinerseits, weswegen ich Schwierigkeiten habe, mit dir zu diskutieren. Da schwingt mit "Ist eh egal, gibt keine Lösung, Diskussion unnötig". Wenn dem tatsächlich so wäre, bräuchten wir uns gar nicht damit beschäftigen, zu Ende gedacht, wir bräuchten keine Politik, sondern könnten alles so treiben lassen, wie es sich halt entwickelt. Das empfinde ich als Kapitulation.

@Bildung: Mir macht vor allem der Umstand zu schaffen, dass sich der soziale Status hierzulande so sehr über Bildung definiert. Es ist nicht so, dass die Schule/Bildung den soialen Status eines Menschen definiert, sondern die Gesellschaft schreibt einem Bildungsabschluss einen sozialen Status zu. Beispiele dafür, dass ein Akademiker hierzulande grundsätzlich mehr zählt als andere Menschen, gibt es xfach. Höhere Einstiegsgehälter von Akademikern als Berufsanfänger gegenüber anderen, oftmals ein effektives Beförderungsverbot ohne akademischen Abschluss und und und.
Es ist natürlich klar, dass keine Familie will, dass ihre Kinder einen niedrigeren sozialen Status einnehmen, als ihn die Eltern genossen haben. Und da der Status hierzulande vor allem am Bildungsabschluss hängt, werden dann eben alle Register gezogen, um den Nachwuchs halt doch durch Abi und Uni zu schleifen, auch wenn eine Lehre oder Ausbildung vielleicht die bessere Alternative gewesen wäre.
Und wenn eben nicht jeder Abitur machen kann, was den Wert als soziale Trennung sowieso zunichte machen würde, gibts einen Verdrängungswettbewerb, bei dem das Establishment durch Geld und vor allem Beziehungen gewinnt.
Eine Bestätigung für die Wichtigkeit der Abschlüsse sehe ich auch darin, dass die Linken i.d.R. eine Ausweitung des Abiturs und Studiums auf mehr Menschen fordern statt besserer Bildung in Haupt- und Realschule bzw. Schutz vor dem Verdrängungswettbewerb mit Abiturienten bei Ausbildungsplätzen.
 

David

Moderner Nomade
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Würdest du dir anmaßen wollen, darüber zu entscheiden, welche Inhalte wichtig sind und welche nicht ?

Im Grunde ist das doch rein praktische Erfahrung, wann immer es darum geht, Lehrpläne zu verändern, verteidigt natürlich jeder sein Fach, weil er es als besonders wichtig ansieht. Dieses Problem zu sehen hat nichts mit Kapitulation zu tun, sondern mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme.
Aber einen möglichen Ausweg hab ich ja schon angesprochen: Ab nem gewissen Alter einfach nen Schritt weit weg von den starren Lehrplänen und den Schülern mehr Wahlfreiheit geben, dann kann jeder mehr von den Fächern mitnehmen, die er mag, dann erledigt sich auch das Problem mit dem Kampf um jede Wochenstunde für ein bestimmtes Fach. In dem Moment, wo man sich darauf einlässt, mit zig Vertretern der einzelnen Fächer darüber zu streiten, wie wichtig ihre Fachgebiete sind, hat man verloren. Das einzusehen ist meiner Meinung nach der erste Schritt zur Lösung des Problems, sonst rennt man nur immer wieder gegen dieselbe Wand.

Optimal ist das mit der Wahlfreiheit sicher auch nicht, aber da es (zumindest nach der Grundschule) keine objektiven Kriterien mehr dafür gibt, was 'wichtig' ist und was nicht, erscheint es mir am sinnvollsten einfach jeden selbst entscheiden zu lassen, was für IHN wichtig ist. Ich persönlich hätt wie gesagt gut auf Kunst und Musik verzichten können, wenn ich dafür ab Klasse 9 oder 10 zB Informatik hätte wählen können, hätte mir das mehr gebracht. Aber das kann man natürlich nicht verallgemeinern, Andere können damit gar nix anfangen.

Aber schon in dem Moment, wo man dazusagt, daß gewisse "Hauptfächer" für alle verpflichtend sein müssen, um noch von "allgemeiner Hochschulreife" sprechen zu können, geht der Glaubenskrieg wieder los: Gehört da zB Chemie oder Literatur dazu oder nicht ?
Frag einen Chemie- und einen Deutschlehrer, was er für wichtiger hält.. :D

PS.:
Was die Sache mit der Bildung angeht:
Wir haben halt die Ausgangssituation, daß man heute tendenziell mehr und andere Sachen wissen muss als früher. Daraus könnte man nun einfach folgern, daß die Ausbildungen an die neuen Anforderungen angepasst werden müssen. Man kann sich aber auch daran erinnern, daß die Uni höher angesehen ist als eine Ausbildung. Also gehen wir halt alle auf die Uni. Scheint ja erstmal viel einfacher zu sein. Das passt nun aber nicht zum (zumindest thoretischem) Anspruch der Uni, Wissenschaft zu betreiben und Wissenschaftler auszubilden. Also macht man per Bologna aus der Uni ne Berufsschule für Abiturienten, so daß am Ende die, die früher ne Ausbildung gemacht hätten, den Bachelor als "akademischen Titel" bekommen, und die, die früher an die Uni gegangen wären, noch den Master drannhängen können.

Lustigerweise gabs aber die ganze Zeit schon Fachhochschulen und Berufsakademien, die schon eine Mischung aus Ausbildung und Uni mit mehr Praxisnähe angeboten haben. Theoretisch hätte man auch einfach die stärken können. Aber nen Uni-Abschluss klingt halt besser als nen Titel mit "(FH)" oder "(BA)" am Türschild.
Im Endergebnis haben wir also mal wieder das größtmögliche Chaos mit geringstmöglichem Erfolg veranstaltet. :rolleyes:
 
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Aira

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dass sich die jetzt gebildete Unterschicht, zu der er Deutsche im Übrigen mit dazu zählt, auswachsen müsse

hrm...nein, ich glaube nicht, dass du das wirklich so unterstützt, wie es klingt.
Denn, was bitte, ist an dieser Aussage NICHT rassistisch?
Rassismus richtet sich, wie schon erwähnt, nicht nur gegen Ausländer.
Man kann auch Unterschichten batschen, mit Worten, Ausgrenzung oder allein schon mit der Einordnung von Menschen in dieselbe.
Eine Unterschicht impliziert eine Oberschicht...wer ist das?
Wird man in eine Unterschicht geboren, oder wird man dazu gemacht, oder macht die Unterschicht sich selbst?

Ich werfe Sarrazin keinen Rassismus vor..ich kann nicht in seinen Kopf gucken.
Was er aber, meiner Meinung nach, ganz sicher ist...menschenverachtend.
Zuwanderungsstopp...o.k....der Meinung sind viele und das ist auch ganz sicher sinnvoll, schon allein deshalb, weil Deutschland recht klein ist, eine begrenzte Wirtschaft hat und einfach auch mit seinen monetären Ressourcen händeln muss.

Aber Zuwanderungsstopp dann bitte allgemein und nicht für bestimmte Völker, oder Religionen.
Und Auswachsen der Unterschicht...staatlich Verordnete Geburtenkontrolle ab einem IQ unter 100?
Hrm...nein, das kann nicht Ernst gemeint sein...jeder solche Aussagen akzeptiert sollte noch mal ganz scharf nachdenken.
 

Olome Keratin

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@Aira: Was du meinst, ist Diskriminierung. Rassismus ist aber ganz klar definiert, nämlich das Zuschreiben von Höher- und Minderwertigkeit zu bestimmten Gruppen anhand von biologischen Merkmalen. Das macht Sarrazin nicht.

Wir können political correct davon sprechen, dass hier alle Menschen gleich sind. In der Theorie/Ideologie richtig, faktisch falsch. Ganz grob vereinfacht könnte man sagen Abitur=Oberschicht, Mittlere Reife und Berufsausbildung Mittelschicht, alles andere, insbesondere ohne Ausbildung/Schulabschluss Unterschicht. Von dem einfachen Schema gibts in der Realität natürlich unendlich viele Abweichungen, aber ich denke schon, dass wir mehrheitlich dieses Schema in unseren Köpfen drin haben - und das seit Kaisers Zeiten, mindestens.
Zustandsbeschreibung ist das eine, was daraus folgt, das andere. In der Zustandsbeschreibung muss ich Sarrazin Recht geben. Er meint nun weiter, dass man daran nichts mehr ändern kann, weil die Leute in ihren Schichten nicht veränderbar seien. Das wage ich nicht zu beurteilen. Wenns daran allerdings nichts zu ändern gibt und man sich nicht einfach mit dem Zustand abfinden will, gibts zum Auswachsen, also langsame Wandlung der jüngeren Generationen zu integrierter, arbeitswilliger Bevölkerung und Aussterben der nichtintegrierten Bevölkerungsteile keine Alternative - es sei denn, Deportation oder Vergasung und das will nun wirklich niemand, Sarrazin auch nicht.
Ich hab ein bisschen das Gefühl, du störst dich vor allem daran, so "technisch" über Bevölkerung zu sprechen, weil dahinter immer Einzelschicksale stehen. Man darf nicht vergessen, dass es um Menschen geht, aber das Ganze eine Ebene höher als Individuum oder Einzelfamilie zu betrachten, ist manchmal notwendig, grade bei Stadtplanung.

@David: Ich bin auch für mehr Wahlmöglichkeiten für die Schüler, der allgemein gebildete Schüler/Bildungsbürger ist ein Konzept des 18. Jhd. und gehört in die Tonne.

In dem Moment, wo man sich darauf einlässt, mit zig Vertretern der einzelnen Fächer darüber zu streiten, wie wichtig ihre Fachgebiete sind, hat man verloren. Das einzusehen ist meiner Meinung nach der erste Schritt zur Lösung des Problems, sonst rennt man nur immer wieder gegen dieselbe Wand.
Stimmt, aber für sowas haben wir eben gewählte Regierungen, die ihren Beamten (das sind Lehrer in den meisten Fällen) auch einfach Vorschriften machen können.

Edit: Ja, ich würde mir anmaßen, zu entscheiden, was wichtig ist und was nicht, vor allem, wie viele Leute wir mit welchen Kenntnissen brauchen. Wobei hier zu berücksichtigen ist, dass bei aller Bildung das wichtigste ist, dass der Lernende etwas auch wissen will, sonst bringt alles nichts.
 
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David

Moderner Nomade
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Theoretisch würde das schon gehen, aber würdest du wollen, daß ein Politiker entscheidet, was für Millionen Schüler wichtig ist und was nicht ?

Ich persönlich bin zB der Meinung, daß die Naturwissenschaften stärker gewichtet sein müssten, ich hab in der Schule nichtmal was von Plattentektonik, den Planeten oder der Erdgeschichte mitbekommen, und meiner Meinung nach sind das schon Sachen, die man zumindest im Ansatz mal gehört haben sollte. Vor allem, wenn an anderer Stelle Monate dafür drauf gehen, alle Länder in Afrika oder die Landwirtschaftszonen von USA/SU auswendig zu lernen und nach der Klausur wieder zu vergessen. :rolleyes:

Aber würde ich die Lehrpläne machen, würde ich dabei alles, was mit der "hohen Kultur" zu tun hat, wahrscheinlich selbst dann vernachlässigen, wenn ich das eigentlich gar nicht wollte, einfach weil ich davon nichts verstehe und persönlich darin keinen großen Sinn sehe. Aber für Andere ist das halt wieder extrem wichtig. Am Ende hat man da soviele Meinungen wie es Menschen gibt.

Eine sinnvolle Mischung aus Pflichtveranstaltungen in den 'wichtigsten' Fächern und Wahlmöglichkeiten im 'richtigen' Alter scheint mir da der beste Kompromiss zu sein, aber schon bei der Definition von 'wichtig' und 'richtig' geht das Gezanke halt in die nächste Runde.

EDIT:
Was "wie viele Leute wir mit welchen Kenntnissen brauchen" angeht erleben wir doch immer wieder Schwemmen bestimmter Abschlüsse, weil alle anfangen Fach X zu studieren, wenn es heisst, daß da aktuell ein Mangel bestehen würde. Und wenn die dann in ein paar Jahren fertig sind, gibts auf einen Schlag zuviele davon und keiner studierts mehr, bis die Leute wieder knapp werden. :rolleyes:
Und spätestens wenn die Leute alle lieber was zur Selbstverwirklichung lernen wollen als das, was wirtschaftlich sinnvoll wäre, steht die Politik eh auf einem verlorenem Posten. Mehr als die 'erwünschten Studiengänge' zu fördern kann die kaum machen, deshalb sitzen die Geisteswissenschaftler ja auch auf vergammelten Treppen während nebenan die Naturwissenschaftler von den Gebühren der Geisteswissenschaftler einen Neubau nach dem Anderen hingestellt bekommen. :D
 
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