Politik, 7. Staffel

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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Anmerkung Sir Darian:

Das Politik Topic geht in die siebte Runde.

Die sechste Staffel findet Ihr in der Bibliothek.


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Hurra ! England ist endlich sicher !
Währenddessen klagen englische Bürger noch aus anderem Grund über eine "außer Kontrolle geratene Bürokratie", in Sachen Kinderschutz. Der Kinderautor Philip Pullman sieht sogar "reichlich bedrückende und finstere" Trends der Big-Brother-Art am Horizont, und hat bereits alle Schulbesuche abgesagt, bei denen er zu Lesungen eingeladen war. Pullman nämlich müsste sich, wie schätzungsweise elf Millionen andere Briten, auf pädophile Neigungen hin überprüfen und sich bei der just geschaffenen Unabhängigen Sicherheits-Behörde (ISA) registrieren lassen, um überhaupt in die Schulen vorgelassen zu werden. Ein Register für Personen, die "häufig" mit Kindern Kontakt haben, wird von dieser Woche an in England eingerichtet. Binnen zwölf Monaten wird die Registratur verbindlich sein.

Der Personenkreis freilich, der überwacht werden soll, umfasst die halbe Erwachsenenwelt in England – Lehrer, Ärzte aller Facon, Krankenschwestern, Sporttrainer, Putzfrauen, Bibliothekare, Kindergärtner natürlich, aber auch Taxifahrer, die "regelmäßig" Kinder befördern.

Registrieren lassen muss sich auch, wer zum Beispiel in einem Sportclub aushilft, eine Kinderparty organisiert oder einen Austausch-Schüler bei sich aufnimmt. Bei allen Betroffenen muss klar sein, dass sie keine Vorstrafen haben, und dass auch sonst niemand sie für verdächtig hält: Den 200 ISA-Inspektoren wird anheim gestellt, gegebenfalls Tipps aus der Öffentlichkeit in Betracht zu ziehen. Nicht einmal Eltern, die Freundes- oder Nachbarskinder mehr als dreimal im Monat im Auto mitnehmen, kommen um die Anmeldung herum.
"Wir konnten den Kreis der Verdächtigen auf 11 Mio eingrenzen, Mylord !" - "Saubere Arbeit, weiter so !"
 
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Mindriel

Traumläufer
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Do hauts da doch an Vogel naus..
Die spinnen die Briten.
 

Danako

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Und das ausgerechnet in dem Land, das einst die geistigen Geburtshelfer des Liberalismus hervorbrachte. :rolleyes:
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Ja, und 2 der 3 großen Wirtschaftswissenschaftler der Geschichte (Adam Smith und Johan Maynard Keynes; der dritte kommt aus Deutschland und hat nicht nur Wirtschaftsgeschichte verursacht).

Trotzdem ist auch ihre Wirtschaft darnieder.

Wie die der Deutschen ja auch.

Ach ja, auch die erste große Demokratie in Europa nach dem finsteren Mittelalter. Die erste kleine Demokratie war aber glaube ich die Schweiz.
 

Ribalt

Ork-Metzler
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Das Volk will solche Massnahmen ja selber?

Sobald auch nur das Wort "pädophil" fällt werden viele vernünftige Eltern zu panischen Vollidioten und wer Übertreibung wittert schnell, im minimum, zum pädophili verharmloser gebrandmarkt.

Jede Menge Gesetze fallen in die gleiche Richtung... In der Schweiz grad eher frisch, die Unverjährbarkeit von Sexualstraftaten (nichts gegen eine Frist von 15-20 Jahren, aber unverjährbar ist schlicht dumm - das Schreit bloss nach Racheakten von Kindern die sich mit Ihren Eltern verstritten haben).

Gleiches im Strassenverkehr... Wenn die Polizei rumsteht und Blitzer aufstellt schreien alle gross und fragen sich ob die Polizei denn nichts besseres zu tun hätte. Sobald wiedermal jemand der zu schnell, aber ansonsten korrekt jemanden umfährt, der oft grob irgendwelche Vortrittsregeln missachtet hat, schreien alle nach Strafen für den Raser. Betrifft Sie selber ja nicht...
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Die Unverjährbarkeit von Sexualstraftaten finde ich gut und hätte ich bitte gerne weltweit, dann können Leute wie Polanski sich nicht mehr der Gerechtigkeit entziehen. Der ist 30 Jahre lang durch alle möglichen Länder getingelt (einschließlich Deutschland), ohne das ihm je etwas passiert ist.

Ich habe nichts gegen eine Resozialisierung von Straftätern, aber Vergewaltigung ist Folter und sollte wie Mord niemals verjähren.

Was das Ganze deiner Meinung nach mit Eltern zu tun hat, ist mir allerdings völlig schleierhaft. Die meisten Eltern vergewaltigen ihre Kinder nicht - und wenn sie es tun, haben es die Kinder auch so schon schwer genug, je ihre Eltern deswegen anzuzeigen. Wie du da auf die Idee kommst, das Kinder ihre Eltern "aus Rache" anzeigen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Klar mag sowas vorkommen - das ist bei Vergewaltigungen ja immer problematisch mit der Unschuldsvermutung. Aber das betrifft alle anderen Straftaten genauso. Sollen wir die alle abschaffen, nur weil man sie vortäuschen kann ?
 
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Ribalt

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Also wenn XX Länder Herrn Polanski 30 Jahre lang rumtingeln lassen, hat das meiner Meinung nach wenig mit der Verjährbarkeit zu tun als mehr mit dem unwillen der Behörden in den jeweiligen Ländern eine bekannte Person festzunehmen. Das Problem beim Fall Polanski ist, dass man Ihn nicht schon vor XX Jahren festgenommen hat.

Bei der Verjährbarkeit geht’s mir mehr drum, dass es wohl schwer sein dürfte zu beweisen/widerlegen was vor 30-40 oder noch mehr Jahren passiert ist. Im Endeffekt taugt das nur zur Diffarmierung und zu sonst nichts.
 

Olome Keratin

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@Gala: Es gibt durchaus Fälle, wo Kinder ihren Eltern auch frei erfundene Missbrauchsvorwürfe anhängen. Zumindest in einem Fall hat das zu einem krassen Justizirrtum mit mehreren Jahren Haft für einen Unschuldigen geführt. Quelle hab ich dafür grad nicht zur Hand, zur Not kann ichs nochmal recherchieren, ist ein paar Jahre her.
 

Gala

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@Olome: Das bestreite ich ja auch nicht, ich bestreite aber, das sowas häufig ist. Das Menschen wegen Verbrechen bestraft werden, die sie nicht begangen haben, kommt immer wieder vor. Die Justiz ist nun mal nicht perfekt und allwissend. Es gilt zwar "in dubito pro reo", das heißt aber nunmal nicht, das der Richter schlußendlich nicht doch nach Wahrscheinlichkeit urteilt.
 

Ice

Technomage
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@Gala:
Ich finde eine Unverjährbarkeit nur im Falle von Mord gerechtfertigt, für alles Andere ist es überzogen. Apropos Polanski - der Fall ist ziemlich durch die schweizer Medien gehetzt worden - in Anbetracht dessen, dass ihm das ehemalige Opfer verziehen hat, sollte man den Fall abschliessen und Polanski in Ruhe lassen.

Branka hat recht - beim Wort "pädophil" tickt die Vernunft und die Urteilsfähigkeit macher Menschen einfach aus - und das wird von den Populisten leidlich ausgenützt.
"Unschuldsvermutung" trifft es. Dazu eine Gegenfrage: Sollen wir die Unschuldsvermutung anbschaffen nur weil man einige Straftaten schwer beweisen kann?
Grundsatz in einem Rechtsstaat ist doch, dass jegliche Schuld erst bewiesen werden muss, bevor man überhaupt von Schuld reden kann.
Sollen wir diesen Grundsatz nun den Populisten und den selbsternannten Sittenwächtern opfern und uns juristisch zurück ins Mittelalter befördern?

Und - der Richter DARF nicht nach Wahrscheinlichkeit urteilen (woher hast Du DAS jetzt wieder??), sondern muss nach Faktenlage urteilen, soweit das nicht eine Juri für ihn tut.


Gruss, Ice
 

Darghand

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@ Hank

Stört Dich vor allem der Terminus "altdeutsch"?

Nein, mich stört die kulturalistisch hergeleitete Behauptung, Russlanddeutsche seien wegen ihrer Mentalität (oder was auch immer, das wird ja nicht klar benannt) Deutschland-kompatibler als Türken und Araber – dazu noch über so einen blödsinnigen Begriff wie den „Fleiß“, als sei das irgendein Wert an sich. Wie das zustande gekommen sein soll, nachdem diese Leute bis 1990 im Ostblock lebten und z.T. dort vollständig aufgewachsen sind, darüber schweigt sich Sarrazin natürlich aus.

Vielleicht gibt's dafür andere Erklärungen als Traditionen, die sich auf deutsche Einflüsse zurückführen lassen. Würde mich interessieren, was das für Erklärungen sein könnten. Denn die Russen an sich (behauptet eine befreundete Russin) seien eher faul...

1. Mindestens die Großeltern-Generation spricht deutsch, 2. man sieht Russlanddeutschen nicht an, dass sie oder ihre Eltern nicht in Deutschland geboren wurden, 3. sie wurden als heimkehrende Volksgenossen empfangen und mit der deutschen Staatsbürgerschaft ausgestattet, nicht als „Gastarbeiter“ kritisch beäugt und 4. sofern sie einen Glauben hatten, fanden sie entsprechende kirchliche Strukturen bereits vor. Reicht das?

Was, wenn manche Klischees sich aus Erfahrungen speisen?

Unterscheide bitte zwischen Klischee, Vorurteil und Ressentiment. Ersteres ist eine eher spaßhafte Überzeichnung von kulturell ausgeprägten Merkmalen – etwa der Gauloises-Franzose mit Baguette, Rotwein und Käse oder der teetrinkende höfliche Brite. Ein Vorurteil ist eine negativ aufgeladene, aber korrigierbare Sichtweise auf Minderheiten, die für gewöhnlich bei direktem Kontakt mir Angehörigen dieser Minderheiten in sich zusammenfällt. Ein Ressentiment ist gegen die Korrektur immun, es handelt sich um ein festgefügtes Weltbild – z.B. der Wahn von der jüdischen Weltverschwörung. Das Ressentiment braucht keine Anknüpfungspunkte zu realem Verhalten oder aber die Verbindung ist außerordentlich schwach.
Das, ich nenn's mal: „Erfahrungsargument“ ist außerordentlich schwach, weil es nur dazu dient, eben diese persönlich gemachten Erfahrungen unbegründeterweise auf eine ganze Gruppe zu projizieren. Macht man die Menschen, die sich dieses Arguments bedienen, darauf aufmerksam, erfolgt für gewöhnlich die Verteidigung, man habe es aber doch so erlebt. Ein Zirkelargument ohne jede Beweiskraft, es bleibt ganz und gar in der richtigen Feststellung stecken, dass es innerhalb einer Gruppe Leute gibt die so und so sind. Vermutlich sogar ziemlich viele, aber an dem Punkt endet die Aussage dann auch schon.
Da wir vom zivilisatorischen Stand eigentlich darüber hinaus sein sollten, individuelle, wenn auch gehäufte Handlungen der Angehörigen einer Gruppe auf die Gruppe als Ganzes zu projizieren, um aus dieser Gruppe einen Antagonisten zu basteln, frage ich mich, wie man solche Aussagen als „treffsicher“ loben kann. Wir bewegen uns hier schließlich nicht auf einem satirischen Niveau, wo über irgendwelche kulturellen Eigenheiten gefrotzelt wird, sondern der Sarrazin nimmt seine „Erfahrungen“ und sonstigen Wissenshintergründe derart ernst, dass er aus ihnen (falsche) politische Handlungsanweisungen ableitet. Von einer Vorurteils- bis Ressentimentgeladenen Politik will ich nichts wissen. Wer schon für Aufklärung und ratio plädiert, darf das ruhig auch in die Gefilde ausdehnen, in der sich der das „gesunde Volksempfinden“ austobt.

Was stört Dich genau? Daß er die Fakten drastisch auf den Punkt gebracht hat?

So, an der Stelle hab ich mich wirklich gefragt, ob du das überhaupt ernst meinst. „Die Fakten drastisch auf den Punkt bringt“ ist ein Euphemismus allererster Güte. Wann hast du das letzte Mal eine deutsche Frau gefragt, ob sie nach ihren drei bereits vorhandenen Kindern noch weitere „produzieren“ möchte, als wäre das irgendein verwertbares Material und sie eine Gebärmaschine? Und was zum Henker ist bitte „überreichlicher Nachwuchs“? Form und Inhalt lassen sich nicht ohne Weiteres trennen, wer das glaubt, macht es sich zu einfach.
Ich zitier den Sarrazin einfach nochmal:

Jemanden, der nichts tut, muß ich auch nicht anerkennen. Ich muß niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.

Abgesehen von der „Produktion von Kopftuchmädchen“ ist kein einziges dieser Merkmale spezifisch türkisch/arabisch; die „Kopftuchmädchen“ sind also de facto das Alleinstellungsmerkmal, weshalb Araber und Türken wegen den genannten, ohne Zweifel problematischen Haltungen in besonderem Maße abzulehnen seien. Die Skandale, die immer wieder durch die Medien geistern – Kinder vernachlässigt bis zum Hungertod, Säuglinge verscharrt, was-weiß-ich haben sich alle in Haushalten von weißen deutschen „Unterschichtsangehörigen“ ereignet. Und, die Forderung? Mehr Jugendamt! Mehr Hilfsangebote! Oh Gott, denkt denn niemand an die Kinder? Riesen Thematisierung des Versagens der Ämter, der zuständigen Beamten, der blinden Nachbarschaft. Als Schönbohm mit der Behauptung daher kam, die Vernachlässigung der eigenen Kinder sei in der noch zu DDR-Zeiten angenommenen Mentalität begründet, ging ein Aufschrei durch den Blätterwald, wie man denn zu sowas wohl käme?

Sorgt sich Sarrazin um so etwas? Ist sein Antrieb der Schutz der muslimischen Frauen vor ihren sexistischen Ausbeutern? Ich vermute: nein, sonst würde der Mann nicht in lupenrein sexistischer Art und Weise die türkischen Frauen zu Gebärmaschinen einreduzieren und irgendwo mal Forderungen erheben, die Türkinnen und Araberinnen von ihrem Los zu befreien, vielleicht auch gleich mal mit konkreten Lösungsvorschlägen. Aber halt, Sarrazin macht ja Lösungsvorschläge, und die sind so denkwürdig wie entlarvend:

Meine Vorstellung wäre: generell kein Zuzug mehr außer für Hochqualifizierte und perspektivisch keine Transferleistungen mehr für Einwanderer.

Soll heißen: solange die muslimischen Frauen in ihren Heimatländern von Männern und Familie unterdrückt und zum Söhne-Gebären gezwungen werden, ist das einem wie Sarrazin egal: Hauptsache, es kommen nicht die Falschen hierher, wo immerhin die realistischere Möglichkeit besteht, diese Frauen zu befreien. Was ihn umtreibt, ist die Sorge vor dem schrumpfenden „deutschen“ Volk, das, davon muss irgendwo ausgegangen werden, mal wieder über Familienabstammung, Aussehen und kulturalistische Unvereinbarkeiten definiert wird – in jedem Fall werden die Antagonisten auf diese Weise definiert.

Ich kann's nur nochmal sagen: für deinen im eigentlichen Sinne religionskritischen Ansatz sind Köpfe wie Sarrazin die falschen Verbündeten. Die gesamte sogenannte „islamkritische“ Front beobachte ich mit Grausen, weil Hinweise auf die Übertretung von Polemik zur Hetze, von der Kritik an herrschenden Mentalitäten in bestimmten Bevölkerungsgruppen zum Rassismus, von der Islamkritik zum geifernden Entwurf des „Moslem an sich“ entweder oft genug erst gar nicht thematisiert oder mit dem üblichen „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ abgelehnt werden. Man sollte sich ab und zu selbstkritisch fragen, was man hier eigentlich zum Gegner auserkoren hat. Religion per se? Chauvinismus und Patriarchat? Nur den Islam? Die Moslems? Die arabisch/türkischstämmige Bevölkerung?
Sobald sichtbar wird, dass es um letztere zwei Möglichkeiten geht, gehen sämtliche universalistischen Maßstäbe flöten und den rassistischen und biologistischen Interpretationen wird Tür und Tor geöffnet. Was also soll das, Ausbrüche des „gesunden Volksempfindens“, das sich im Forum von „hart aber fair“ mal anonym so richtig austoben konnte, dann auch noch zur „demokratischen Abstimmung“ zu verklären? Haben diese Leute da alle Recht? Was äußert sich denn da? Die rational-aufklärerische und religionskritische Vernunft oder einfach mal wieder nur der vorurteilsbeladene, angstbesetzte Rassismus? Vermutlich von beidem etwas, und es ist auch irgendwo klar, was davon in der Minderheit ist. Dass die Sendung das Abstimmungsergebnis nirgends thematisiert, war ein schwerer Fehler. Es hätte nicht nur thematisiert werden müssen, sondern es hätte gleich auf den virulenten Rassismus hingewiesen werden müssen, der sich dort geäußert hat. Als Handlungsaufforderung wäre das nicht zu verachten gewesen, als "demokratische" Unterstützung für Sarrazin hingegen schon.

Die Tatsache, dass türkische/arabische Familien mehr Kinder bekommen, wird nur noch unter vorgestrigen Sichtweisen der Verdrängung von Völkern gesehen, dabei ist es völlig irrelevant, wer hier mehr Kinder kriegt – stöhnen nicht sonst alle über die überalterte Gesellschaft, das Problem der Renten usw.? Gesehen wird nur, dass die Falschen die Kinder kriegen – die Moslems nämlich - , und entsprechend wird die Lösung darin gesucht, wie man sie davon abhalten kann. Das ist Unfug: die einzige Frage ist, wie man in die Köpfe der Nachwachsenden die richtigen Überzeugungen hineinkriegt. Da die Familie in diesem Fall offenbar oft genug versagt, müssen halt andere Lösungen her.
 
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Darghand

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Nochmal @ Hank

Kurzer Exkurs in Sachen struktureller und unbewusster Rassismus:

Dann fragte ich ihn, ob er schon mal überlegt habe, nach Namibia zu ziehen (er studierte Umwelt- und Energietechnik).

Überleg dir mal, ob du diese Frage auch einem Niedersachsen in Nordrhein-Westfalen gestellt hättest oder einem Polen oder Franzosen in Deutschland, und falls nicht, warum nicht.

Immerhin könne man doch sein Wissen und seine Fähigkeiten dort sehr gut brauchen und über seine Familie könne er dort also eine Menge bewirken.

Gleiche Frage, ergänzt um: weshalb sollte ausgerechnet dieser Mensch da unten gebraucht werden und nicht jeder andere deutsche Umwelt- und Energietechnik-Student ohne Vater aus Namibia und ohne schwarze Hautfarbe und warum sollte ausgerechnet er seine Karriere in Deutschland aufgeben?

Wären den Sarrazins Worte legitimierter gewesen, wenn er ein Mischling oder türkischstämmig gewesen wäre?

Gewöhn dir Worte wie „Mischling“ ab, der Begriff ist rassistisch und äußerst negativ konnotiert. Zweitens: ja. Es ist ein Unterschied, ob sich ein Türke als Kanake bezeichnet oder ob ich als weißer Deutscher den Türken als Kanake bezeichne. Das nennt sich Selbstbenennungsrecht. Dass Weiße das Recht haben, alle anderen Menschen, die anders aussehen als sie selbst, irgendwie zu bezeichnen, nur sich selbst nicht, ist ein weißes Privileg. Ebenso wie nie von dem Verhalten von Weißen auf Weiße per se geschlossen wird. Je eher das bewusst gemacht und aufgegeben wird umso besser. Schwarze werden Schwarze genannt, weil sie selber das so wollen, und nicht „braun“, „Afrikaner“ oder „N-Wort“.

Bevor du jetzt empört reagierst, weil ich dir Rassismus vorwerfe: du hattest gar keine andere Wahl. ;) Derartiges Denken und Handeln stellt sich bei Angehörigen der weißen Mehrheit von alleine ein, ohne das sich jemand dieses white-pride-Bewusstsein ausgesucht hätte. Es liegt an der Sozialisation, nicht an dem Willen, rassistisch zu sein.

Ansonsten: Lies doch mal dieses Buch
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Es ist juristisch völlig irrelevant, ob das Opfer sagt, das es die Tat vergibt. Es handelt sich um einen Offizialdelikt, der auf jeden Fall verfolgt wird, egal ob eine Anzeige vorliegt oder nicht. Der Ankläger ist der Staat, nicht das Opfer.
 

Ice

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Gala: Das mag sein, das muss man aber nicht gutheissen.


Gruss, Ice
 

Chinasky

Dirty old man
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@Darghand:
...so einen blödsinnigen Begriff wie den „Fleiß“, als sei das irgendein Wert an sich.
Dieser "blödsinnige Begriff" bezeichnet meines Dafürhaltens (man schätzt wohl immer das am wertvollsten ein, woran es einem selbst am meisten mangelt :shine: ) eine der wichtigsten Tugenden überhaupt. Wenn Tugenden keine "Werte an sich" sein sollten, dann bin ich da vielleicht sprachlich zu ungebildet.
Wie das zustande gekommen sein soll, nachdem diese Leute bis 1990 im Ostblock lebten und z.T. dort vollständig aufgewachsen sind, darüber schweigt sich Sarrazin natürlich aus.
Ja, er hat nicht für alles sogleich auch die Erklärungen parat - er beschreibt erstmal die Situation, wie er sie sieht.

1. Mindestens die Großeltern-Generation spricht deutsch, 2. man sieht Russlanddeutschen nicht an, dass sie oder ihre Eltern nicht in Deutschland geboren wurden, 3. sie wurden als heimkehrende Volksgenossen empfangen und mit der deutschen Staatsbürgerschaft ausgestattet, nicht als „Gastarbeiter“ kritisch beäugt und 4. sofern sie einen Glauben hatten, fanden sie entsprechende kirchliche Strukturen bereits vor. Reicht das?

Nun, abgesehen davon, daß das mit der deutsch sprechenden GroßelternGeneration so'ne Sache ist (als all die nicht-Deutsch sprechenden Osteuropäer in den 80ern und 90ern hier rüberkamen, ging die Diskussion hoch her, weil die meisten von ihnen außer einem bißchen "deutschen Blut" im Stammbaum angeblich wenig deutsche Wurzeln hatten und beispielsweise überhaupt kein Deutsch sprächen), bringst Du ja gerade selbst das, was ich mit "Traditionen, die auf deutsche Einflüsse zurückgehen" meinte. Wenn die Großelterngeneration deutsch sprach - ist das dann keine solche Traditionsauswirkung, wenn die Enkel sich dann hierzulande leichter integrieren? Zu dem unterschiedliche Arbeits-Ethos, dem Differenzen, was den "blödsinnigen" Fleiß angeht, reichen mir Deine Ausführungen denn aber doch noch nicht. Wenn Türken hier in der dritten Generation (es geht nicht um die Leute, die als Arbeitsimmigranten hier ins Land kamen!) noch immer kein Deutsch sprechen, obwohl ihre Eltern schon besser deutsch sprachen als die von Dir erwähnten Großeltern der Rußlanddeutschen - dann sagt das für mich zunächst einmal aus, daß hier der dringende Wille fehlt, sich die deutsche Sprache anzueignen. Warum fehlt aber dieser Wille, wo doch offenbar ist, daß zum Erfolg in einer Gesellschaft gute Sprachkenntnisse essentiell sind?
Könnte es daran liegen, daß die dritte Generation der Türken hierzulande nicht so besonders starken Willen hat, hier erfolgreich zu sein? Falls ja - warum fehlt dieser Wille?
Unterscheide bitte zwischen Klischee, Vorurteil und Ressentiment.
Ich bemühe mich drum. :)

Wenn ich hier über die von mir vermuteten Erfahrungen Sarrazins sprach, dann unterstellte ich ihm - im Gegensatz zu Dir und anderen seiner Kritiker - dabei, daß er als jemand, der jahrelang praktisch in der Regierung von Berlin mitgearbeitet hat, Erfahrungen hat, die aussagekräftiger sind als "ich kenne da einen Türken, der ist so und so und deswegen sind alle Türken so".

sondern der Sarrazin nimmt seine „Erfahrungen“ und sonstigen Wissenshintergründe derart ernst, dass er aus ihnen (falsche) politische Handlungsanweisungen ableitet.
Das ist ein absurder Vorwurf. Wovon sonst als von Erfahrungen und "sonstigen Wissenshintergründen" soll man denn bitteschön politische Handlungsanweisungen ableiten? :confused: Du müßtest hier darlegen, daß seine Erfahrungen nicht statistisch signifikante Sachverhalte widerspiegeln. Dann müßtest Du aber vermutlich ähnlich wie die Dame vom Ditib vorgehen, nämlich Tatsachen einfach leugnen. Daß man aus denselben Tatsachen nachher unterschiedliche Schlüsse ziehen kann - das bestreite ich freilich nicht.

upps - muss hier Schluss machen, das leidige Fleiß-Problem meldet sich in Form von "noch was arbeiten müssen"... ;)
 

Ribalt

Ork-Metzler
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Also zumindest warum diese Leute oft nicht gut deutsch können last sich relative einfach erklären.

Ghettobildung... Wenn du mit Türkisch und Deutsch aufwächst und feststellst, dass du mit Türkisch besser durch kommst, weil du schlicht mehr Leute kennst die gut türkisch aber schlecht deutsch sprechen, es dir nicht besser/schlechter gehst als den andern Leuten die du näher kennst und auch keinen *einfachen* Ausweg zu einem besseren Leben vor dir siehst, wozu solltest du dich dann genau bemühen deutsch zu lernen, deinem Umfeld geht’s ja auch so "ganz gut"?

Das Problem gibt es in so ziemlich jedem Land Europas... In manchen schlimmer als in andern. In Paris wird man von Polizisten aufgehalten wenn man als Tourist mit Kamera bewaffnet in die Banlieus will (versehentlich) - wir waren 6 Männer zwischen 20-30...


Ansonsten und eigentlich überhaupt stimm ich Darghand zu (selten genug :)). Was Sarrazin da raus lässt ist rassistisch und allgemein unter aller Sau. Es gibt Probleme, die er zum Teil durchaus anspricht, aber diese liegen nicht im Islam oder irgend einer abstrusen Volksfaulheit, diese liegen wohl eher in der nicht vorhandenen oder zumindest sehr mangelhaften Integrationspolitik.
 

Gala

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Äh doch, das Vergewaltigung ein Offizialdelikt ist, heiße ich äußerst gut und wollte ich auch nicht anders haben. Das wäre ein Dealbreaker, wenn eine politische Partei sowas fordern würde. Sowas würde ich absolut nicht wählen. Ich wüßte auch keine im Bundestag vertretene deutsche Partei, bei denen ich auch nur im Entferntesten so eine Forderung vermuten würde. Ich wüßte auch kein seriöses Motiv, warum man so etwas ändern wollte.

Und es ist in der Realität schon schwer genug, jemanden für Vergewaltigung dranzukriegen. Bei weitem die meisten Täter kommen mit sowas davon. Verhältnisse wie in manchen islamischen Ländern, bei denen die Frau zwei männliche Zeugen braucht und, Wunder über Wunder, nie jemand wegen Vergewaltigung verurteilt wird, will ich mich diesbezüglich hier in Deutschland sicher nicht annähern.
 

Micha

Kutte
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Ich schließ mich da einfach Gala mal an... ob das Opfer die Tat verziehen hat oder nicht, *darf* gar keine Rolle spielen - immerhin wurde der Staat als Ankläger geschaffen, um objektiv als Kläger auftreten zu können, ohne persönliche Motive (im Normalfall Rache).

Im konkreten Fall hat wohl einer der Anwälte die Justiz in Amerika letztes Jahr verärgert, mit der Äußerung, dass sie ihn ja scheinbar nicht wirklich fassen wollen, wenn sie sich 30 Jahre Zeit lassen. Andererseits hat sich Polanski laut Wikipedia fast nur in Polen und Frankreich aufgehalten und ist als Besitzer beider Staatsbürgerschaften nicht ausgeliefert worden. In diesem Delikt kann man den Ermittlern auch nur schwerlich vorwerfen, ne ganze Abteilung jahrelang jeden seiner Schritte verfolgen zu lassen, nur damit man ihn bei einem möglichen Grenzübertritt sofort verhaften lassen kann.

Ich kann ernsthaft nicht verstehen, wieso diese Person, nur weil sie berühmt ist, jetzt Unterstützerbriefe etc. bekommt. Es geht immerhin um die Vergewaltigung einer 13jährigen, die mit Drogen und Alkohol gefügig gemacht wurde! Das ist eine Straftat, für diese muss man sich verantworten. Ob das Opfer vergibt oder nicht, hat damit erstmal überhaupt nichts zu tun: es wird die Übertretung der Richtlinien betraft, die sich eine Gemeinschaft zum Funktionieren auferlegt.

Die Verjährung von Straftaten *kann* durchaus Sinn machen. Gerade bei einem so gelagerten Tatbestand schließe ich mich aber Galas Meinung und Argumentation an.
 

David

Moderner Nomade
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Das Vergeben darf schon deshalb keinen Unterschied machen, weil man sich so eine Vergebung auch erkaufen kann..
 

Olome Keratin

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@Gerichtsprozess: Was haltet ihr davon, die Gerichte einfach mal ihre Arbeit tun zu lassen und ein Urteil zu fällen? Niemand von uns wird sich über Medien ein auch nur halbwegs objektives bzw. umfassendes Bild über solche Fälle machen können, deswegen finde ich solche Diskussionen recht überflüssig. Egal, obs dabei nun um Kündigung wegen ner Frikadelle oder diese Vergewaltigungsgeschichte geht. Wenn ihr es trotzdem weiter diskutieren wollt, bitte, ich les dann halt drüber, ist auch nicht schlimm.:)

@Darghand:
Wann hast du das letzte Mal eine deutsche Frau gefragt, ob sie nach ihren drei bereits vorhandenen Kindern noch weitere „produzieren“ möchte, als wäre das irgendein verwertbares Material und sie eine Gebärmaschine? Und was zum Henker ist bitte „überreichlicher Nachwuchs“? Form und Inhalt lassen sich nicht ohne Weiteres trennen, wer das glaubt, macht es sich zu einfach.
Ich hab das Gefühl, du argumentierst grade sehr emotional und nicht in der präzisen, sachlichen Art, die ich sonst an dir sehr schätze. Aus dem Wort "produzieren" ziehst du eine Menge Schlussfolgerungen; ich habs so verstanden, dass zum Kopftuchmädchen mehr dazu gehört als nur Kinder zu zeuegen, bspw. eine Erziehung, die das Kopftuch als angemessen vermitelt. Meine persönliche Einstellung dazu ist, dass ich durchaus die Vorteile eines Kopftuchs für die Frauen sehe, nämlich die Möglichkeit, sich so sexistischen Äußerungen weitgehend zu entziehen, aber das nur am Rande.
Damit aus der eigenen Tochter schließlich einmal eine überzeugte Kopftuchträgerin wird, muss man mehr tun, als sie zu zeugen bzw. zu gebären. Da kann man meinetwegen das Wort produzieren verweden, ich hätte es wohl nicht gebraucht, aber ich hüte mich, jemandem wegen einem Wort gleich schwerste Vorhaltungen zu machen.

Abgesehen von der „Produktion von Kopftuchmädchen“ ist kein einziges dieser Merkmale spezifisch türkisch/arabisch; die „Kopftuchmädchen“ sind also de facto das Alleinstellungsmerkmal, weshalb Araber und Türken wegen den genannten, ohne Zweifel problematischen Haltungen in besonderem Maße abzulehnen seien.

Sarrazin schreibt nicht, dass Türken und Araber im Besonderen abzulehnen wären, das ist eine Schlussfolgerung deinerseits. Er spricht sehr wohl auch von den Problemfällen der deutschen Unterschicht und das Hauptproblem, von dem er spricht, ist die Zusammensetzung der Berliner Bevölkerung. Hier stellt er allgemein fest, dass ein großer Anteil von dieser von Sozialtransfers lebt und dass dies für die Gesamtstadt ein Problem ist. Wächst diese Schicht an, wird das Problem größer, schrumpft sie, wird es kleiner. Sarrazin nimmt nun einen zeitlich sehr weit gefassten Raum in den blick, nämlich die nächsten 2-3 Generationen. In dieser Zeit würde er gerne ein Auswachsen des auf Sozialtransfers angewiesenen Teils der Berliner Bevölkerung erzielen, zum einen die jungen, noch formbaren Leute herausholen, z.B. in die Berliner Verwaltung, andererseits auf das natürliche Aussterben derjenigen, die sich im Sozialstaat dauerhaft eingerichtet haben und sich wohl nicht mehr ändern lassen. Was hieran falsch oder gar rassistisch sein soll, will mir nicht in den Kopf.

Soll heißen: solange die muslimischen Frauen in ihren Heimatländern von Männern und Familie unterdrückt und zum Söhne-Gebären gezwungen werden, ist das einem wie Sarrazin egal: Hauptsache, es kommen nicht die Falschen hierher, wo immerhin die realistischere Möglichkeit besteht, diese Frauen zu befreien.
Weltweit gibt es etwa eine Milliarde Muslime, grob die Hälfte dürften Frauen sein, die in deiner Sichtweise vermutlich alle unterdrückt sind. Die willst du alle nach Deutschland holen, um sie zu befreien? Das mag gut gemeint sein, ist aber völlig naiv. Wir können die Probleme der anderen 5,92 Milliarden Menschen auf dieser Erde nicht lösen, höchstens zu Propagandazwecken ein paar Einzelnen medienwirksam helfen. Wir können uns darum kümmern, unsere Probleme zu lösen und da mögen qualifizierte Zuwanderer helfen. Wenn du Zuwanderung aus sozialen oder menschenrechtlichen Gründen ermöglichen willst, wo hörst du auf? Bei 10000 oder 100 000 Menschen im Jahr? Da müssten wir ja doch wieder menschliches Leid quantitaiv gegeneinander aufrechnen, was du bei kriegen ja ablehnst.

Was ihn umtreibt, ist die Sorge vor dem schrumpfenden „deutschen“ Volk, das, davon muss irgendwo ausgegangen werden, mal wieder über Familienabstammung, Aussehen und kulturalistische Unvereinbarkeiten definiert wird – in jedem Fall werden die Antagonisten auf diese Weise definiert.
Da findet sich bei Sarrazin eine genau gegenteilige Aussage, in etwa der Art, dass er nichts dagegen hätte, wenn eine Bevölkerung mit höherem Durchschnitts-IQ als die deutsche einwandert. Ich persönlich glaube nicht, dass ein IQ-Test irgendwas über eine Bevölkerungsgruppe aussagen kann, ich verstehe aber, worum es Sarrazin bei der Aussage geht: Er möchte eine möglichst produktive Berliner Bevölkerung in der Stadt haben, wie die sich ethnisch zusammensetzt, egal. Heißt aber auch, wenn eine Bevölkerungsgruppe sich als unproduktiv erweist, sollte sie nicht durch Einwanderung vergrößert werden.
 
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