Politik, 7. Staffel

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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Noch eine Nachbemerkung zu Spiegel Online: dort sollen ja laut Gerüchten auch haufenweise Leute posten, die dafür bezahlt werden, bestimmte Inhalte zu verbreiten. Und ich bin alles andere als sicher, das dieses Gerücht nicht stimmt. So politisch desinteressiert und argumentativ farblos, wie viele Poster dort sind, wäre es kein Wunder.

Gerade das im nachfolgenden Artikel genannte Argument, das die SPD "in der Mitte bleiben solle" oder das die SPD "eine bessere CDU werden solle", kam dort gestern dauernd vor. Solche Ideen sind offensichtlich Unsinn, ich kann mir nicht vorstellen, das besonders viele Deutsche von selbst so denken.


Sozialdemokraten in der SPD: Abgesang ?
Die Signale sind eindeutig – und sie sind beunruhigend. Während schwarz-gelb auch noch für die läppischsten und nur auf Symbolkraft ausgerichteten Mikroreparaturen bei Hartz IV gelobt wird und damit den tatsächlich beabsichtigten Griff in die Taschen der Arbeitnehmer, Arbeitslosen und Rentner übertüncht, machen sich die üblichen Medien daran, das Entstehen einer sozialeren und gerechteren politischen Alternative zu verhindern.

Unter Ignoranz aller Wahlanalysen und der deftigen Wahlniederlagen der vergangenen Jahre wird schon wieder vor einem Linksruck gewarnt und die SPD gedrängt, den bisherigen Kurs beizubehalten. Das Interesse der konservativ-reaktionären Gruppierungen ist klar: Wenn die SPD weiter geschwächt wird, fehlt auf absehbare Zeit eine politische Kraft, die sich gegen den schwarz-gelben Kurs des fortschreitenden Sozialabbaus und der weiteren Umverteilung von unten nach oben stellt. Und je länger sich die SPD einmauern lässt, desto geringer sind die Chancen, bei den nächsten Wahlen besser abzuschneiden, insbesondere in Nordrhein-Westfalen den selbsternannten Arbeiterführer Rüttgers abzulösen.

Kein Wunder, dass die Warnungen vor einem angeblichen Linksruck sich mehren, kaum dass die ersten Diskussionen um eine inhaltliche Erneuerung begonnen haben. Und besonders fatal ist, dass ausgerechnet Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier keine Gelegenheit auslassen, sich in den Dienst dieser neuen Kampagne gegen die eigene Partei zu begeben. Dass Peer Steinbrück seine Politik sowieso für supertoll hält, überrascht nun wirklich niemanden. Während weite Kreise der Partei sich kritisch mit den Auswirkungen sozialdemokratischer Regierungspolitik befassen, hält der neue Fraktionsvorsitzende unverbrüchlich an der Agenda-Politik sowie der Rente mit 67 fest und kommt zu einer geradezu abenteuerlichen Interpretation, warum die SPD dieses Mal über 5,5 Millionen Stimmen verloren hat. Ganz abgesehen davon, dass sich unter Zuhilfenahme der Grundrechenarten leicht erkennen lässt, wohin die Mehrzahl der ehemaligen SPD-Stimmen gewandert sind. Wie soll da eigentlich konsequente Oppositionsarbeit im Bundestag und der Wiederaufbau der SPD, geschweige denn Erfolg bei den nächsten Landtagswahlen funktionieren.

Vollends gespenstisch wird es allerdings, wenn man Münteferings Schuldzuweisungen betrachtet. Das fügt sich irgendwie nahtlos an die Jubelarie am Wahlabend an, völlig außerhalb jeder Wirklichkeit und mit einem Blick auf die Ergebnisse der eigenen Politik, die überall nur ungläubiges Kopfschütteln auslöst. Und wenn man dann noch Müntes Wasserstandsmeldungen aus dem Wahlkampf mit berücksichtigt, als er unaufhörlich kundtat, dass wir gerade zum Überholen der CDU ansetzten und Angela Merkel schon mal packen könne, dann muss man sich ernsthaft fragen, was für eine Welt der Sauerländer in den letzten Jahren überhaupt wahrgenommen hat. [...] Wer eine lebendige und diskussionsfreudige Partei und sozialdemokratische Grundwerten verpflichtete Fraktion nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam führt, muss sich auch nicht wundern, wenn Begeisterung von Frustration abgelöst wird und die Partei mutlos und kraftlos dem verordneten Kurs folgt. [...]
Das Problem mit der SPD ist einfach, das es noch viele Jahre, ja wahrscheinlich länger als ein Jahrzehnt dauern kann, bis die Linke so stark geworden ist, um die Rolle der SPD zu übernehmen. Bis dahin würde man noch viele, vielen Leuten erklären müssen, das die Linke nicht die SED ist und die Linke nicht die DDR wiedereinführen will. Man kann also nur hoffen, das auf dem nächsten SPD-Parteitag im November die Basis die Führungselite in der Luft zerreißt und dahin schickt, wo der Pfeffer wächst.

Andernfalls sehe ich Merkels Wiederwahl 2013 schon gesichert.
 

Diarmuid

Priester des Kekses
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Andernfalls sehe ich Merkels Wiederwahl 2013 schon gesichert.

Das sowieso. Schließlich wird in diesem Land ein(e) Kanzler(in) im Normalfall nur dann abgewählt, wenn er (sie) es herausfordert...:rolleyes: Ausnahmen bestätigen die Regel. Da ist es auch egal, ob er/sie tatsächlich regiert... Die Menschen in Deutschland glauben anscheinend ein Kanzler sei wie ein Schiedsrichter: Je weniger er/sie auffällt, desto besser...:rolleyes::rolleyes::rolleyes:


Tja, es sieht so aus, als sei die SPD bis auf weiteres eingeklemmt zwischen "nicht wählbar" und "überflüssig". Eine CDU gibt's nämlich schon.
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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Abwarten, Jungs. Merkel muss zusehen, dass es dem Land wirtschaftlich wieder besser geht, sonst kriegt sie 2013 oder auch schon davor massiv Probleme. Einfach nur schöne Bilder machen und die Lage schön reden, wird weitere 4 Jahre nicht funktionieren und Geld ist keins mehr da, um alles zuzudecken.

Zudem kann es gut passieren, dass eine außenpolitische Krise uns wirklich mal betrifft und Merkel mit ihren Allgemeinplätzen daran auch nichts ändern kann.

Ihr denkt, habe ich den Eindruck, wenn die SPD nicht die Wahl gewinnt, gewinnt automatisch die Union. Das stimmt aber nicht, hat schon 2005 und 09 nicht gestimmt. Gut möglich ist eher, dass die kleinen Parteien auf Kosten von SPD und CDU so stark werden, dass wir 3er oder 4er Koalitionen brauchen.
 

Ribalt

Ork-Metzler
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Es kann theoretisch genausogut wieder der Aufschwung ausbrechen und Merkel steht toll da.

Abwarten ist selten zu empfehlen...
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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@Ribalt: Gut, wenn das passiert, hab ich von Wirtschaft keine Ahnung und dementsprechend von Politik wohl auch nicht und Merkel ist wirklich eine tolle Politikerin.:p Damit kann ich dann auch leben.:shine:
 

Ribalt

Ork-Metzler
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Erwarten tu ich das auch nicht wirklich :).
Aber naja, bis 2003 kann einiges passieren und selbst wenn der Aufschwung bzw. das Ende der Krise erst gerade beginnt und Merkel das einigermassen als Ihren verdienst darstellen kann dürfts schwer werden sie vom Thron zu stossen.
Oder es kommt ne Flut oder ewas anderes, was sich wunderbar politisch ausschlachten lässt...
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Hmm ich kann mich Olome nicht ganz anschließen.

Klar, wirtschaftlich wird es uns sehr schlecht gehen. Ich erwarte für nächstes Jahr eine Explosion der Arbeitslosigkeit, wenn z.B. die Kurzarbeit ausläuft.

Warum aber sollte das die Deutschen aufregen ? Es geht dem Rest der Welt doch auch nicht besser. Da kann sich die deutsche Regierung wieder problemlos der Verantwortung entziehen, wie sie schon vorher erfolgreich behaupten konnte, nichts mit dem Beginn der Krise zu tun zu haben.

Und die USA und China haben schon bisher mit gewaltigen Konjunkturprogrammen die Kohlen aus dem Feuer geholt für die Welt - und es gibt keinen Grund, zu vermuten, das sie es nicht wieder tun sollten. Also ist mit ein bisschen Optimismus ab 2011 eine gewisse Erholung zu erhoffen.

Und spätestens dann rotiert auch wieder die Propagandamühle wieder. Die CDU ist doch längst die Partei von Springers Gnaden. Ohne die Bildzeitung wäre eine Merkel in dieser Form gar nicht möglich.

Hohe Arbeitslosigkeit und hohe Staatsschulden sind zu erwarten, aber damit sind die deutschen Regierungen inzwischen seit Jahrzehnten durchgekommen. Wieder kann man einen gewissen Gewöhnungseffekt der Deutschen erwarten.

Und theoretisch ist es durchaus möglich, das wir 2013 einen Aufschwung haben. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, denn die USA schwört ja derzeit der Verschwendung ab, die in den vergangenen Jahren herrschte. Aber möglich ist es.
 

Chinasky

Dirty old man
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Ich nochmal... Ice und Astaldo haben schon die meisten Punkte gesagt, die auch ich anzumerken hätte. Aber sie haben es viel zu kurz und unumständlich formuliert... :fies:

Punkt eins: Ich bin insofern vielleicht arrogant, daß ich mir manche Sachen nicht mehr erklären lassen zu müssen meine. Irgendwann gehen mir bestimmte Sachen auf den Senkel. Ich hab lange genug im linken Studentenmilieu gelebt, der Bruder meines besten Freundes ist ewiger Soziologie/Politikwissenschafts-Student... Das geht nicht ohne Spuren an einem vorbei. :D Aber es reicht einem irgendwann, und gerade dies hier:
Und ich komme eher aus der Ecke, in der ein unbedingter Antirassismus zum Mindeststandard gehört...
bringt die Sache auf den Punkt. Diese links gerichtete Gesinnungsschnüffelei, die irgendwann zum Reflex wird und die das eigentlich Gesagte gar nicht mehr wahrnehmen kann, weil es von den roten Warnblinklichtern namens "Rassismus" oder "Sexismus" oder, Klimax allen Diabolischen, "strukturell faschistoid" überstrahlt wird. Ich bin es so leid, nach einem Vierteljahrhundert, in welchem ich mich schon mit dieser political correctness beschäftige (n muß)! Oh ja, ich bin rassistisch, und zwar bezüglich des politischen Selbstverständnisses. Ich hatte doch tatsächlich den Fehler begangen, zu meinen, ich müsse einen farbigen "Kronzeugen" dafür, daß unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Arbeitsmoral haben, bringen, um bei Dir, Darghand, Gehör zu finden. Statt einfach darauf zu setzen, daß Du einen Fakt als solchen anerkennen könntest, mußte ich von dem Bahnfahrt-Gespräch berichten... Und schwupps - waren wir auf einmal beim Rassismus, der natürlich in uns allen schlummert wie ein Alien-Ei, lauernd und jederzeit bereit, mordend hervorzubrechen. :D
Diese Art der Schwerpunktverlagerung in Diskussionen ist es, der die Debatte mit "Berufslinken" so enervierend macht. Wenn nämlich eins funktioniert in der linken Pädagogik, dann dieses: den alarmistischen Reflex zu verankern.

Man darf mir gern Rassismus, und sei es auch nur "unbewußter" oder, immer gut, da so schön wissenschaftlich klingend, "struktureller" Natur, unterstellen. Ich weiß, daß ich kein Rassist bin, und zwar gerade deswegen, weil ich immer meine Verhaltensweisen und auch Gedanken genau daraufhin überprüfe, ob sie nun rassistisch im eigentlichen (und das heißt: negativen) Sinne seien oder nicht. Und in diesem Sinne sind sie es nicht. Denn ich bin nicht dafür, Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Haut- oder Haarfarbe, wegen ihres Geschlechts oder wegen angeborener körperlicher Besonderheiten schlechter zu behandeln als andere Menschen. Ich sage: "schlechter". Natürlich behandele ich in einem Land, wo die weiße Hautfarbe die statistische Norm ist, einen andersfarbigen Menschen anders. Nämlich z.B., indem ich nach seiner Herkunft frage. Weil sie mich interessiert, auch, weil es mich interessiert, ob ich "richtig geraten" habe. Ich frage z.B. auch Leute, die einen auffälligen Akzent haben, wo sie herkommen. Grad letztens auf dem Bahnhof kam ich in's Gespräch mit einem Herrn so um die Neunzig herum, der mir erzählte, er habe hier im Wuppertal einen "Kriegskameraden" besucht. Diesen Herrn fragte ich, ob er aus Thüringen komme. Da war er ganz erstaunt: Ja, da komme er tatsächlich her, nämlich aus Gera. Aber er lebe schon seit den sechziger Jahren in Hamburg und dächte, er hätte seinen Dialekt inzwischen abgelegt. Hehe, da war ich stolz wie Nachbars Lumpi. Lag vielleicht daran, daß mein eigener Großvater auch aus Thüringen stammte und diesen Dialekt in über 50 Jahren auch nie ganz zu verleugnen geschafft hatte - eine Schmach für einen Deutschlehrer wie ihn. ;)
Als ich noch als Kassierer an der Museumskasse saß, versuchte ich, die geografische Herkunft der Leute an ihrer Kleidung zu erkennen. (Merke: holländische Touristen und berliner Studenten lassen sich am leichtesten an ihrem Kleidungsstil erkennen, Russinnen und Polinnen unterscheiden sich optisch dagegen nicht von der düsseldorfer Durchschnittsfrau)

Darauf, Regelmäßigkeiten und eben auch Ausnahmen von Regeln zu erkennen - darauf sind wir Menschen von Natur aus angelegt. Das das ist auch gut so, um mal einen Nicht-ganz-Regelmäßigen zu zitieren... :D

Und eben weil das der Fall ist kommt es im weißen Bewusstsein auch erstmal nicht vor, dass gewisse Fragen und Vorschläge strukturell rassistisch sind, ohne das derjenige, der sie äußert, rassistisch sein möchte oder sich selbst so bezeichnen würde.

Merke: Derjenige hat gar keine Chance. Egal, ob er rassistisch sein möchte oder sich selbst so bezeichnen würde - er ist auf jeden Fall rassistisch, da kommt er nicht drum rum. Wir sind alle kleine Sünder. Niemand ist frei von Sünde. Wir brauchen alle Erlösung. Und umso mehr, je weniger wir unsere Sündhaftigkeit bekennen wollen. Am wenigsten sind wir von ihr frei, wenn wir sie selbst nicht bemerken - denn unser Bewußtsein ist ja schon sündig - pardon! weiß - an sich. Keine Rettung, nirgends. Mensch, Darghand, wenn Du wüßtest, wie solche an mich gerichteten Sätze nostalgische Gefühle in mir auslösen! Es wurde wirklich mal wieder Zeit, daß jemand mir mein falsches Bewußtsein darlegte - man vergißt das ja mit den Jahren... ;)


Es geht halt um Gespräche wie sowas hier:

Weiß: Und wo kommen Sie her?
Schwarz: Aus Bergisch-Gladbach.
W: Nein, ich meine: wo kommen Sie wirklich her? Wo sind sie geboren?
S: Ich wurde in Bergisch-Gladbach geboren.
W: *verwirrt* Ach, tatsächlich? Aber ihre Mutter oder ihr Vater, die sind nicht von hier, oder?
S: *genervt* Nein, man Vater kommt aus Kenia.
W: Und, waren Sie denn schon in Kenia?
S: Nein, wieso?
W: Na, ich dachte so... halt mal die eigene Kultur und die Familie kennenlernen.
S: Ich habe keinen Kontakt zur Familie meines Vaters.

Menschen, die sowas äußern, würden sich vermutlich nie als rassistisch bezeichnen.

Worum geht es bei Gesprächen wie dem von Dir entworfenen? Bei mir ging es nicht darum. Es ging auch in unserer Diskussion nicht darum - solange, bis Du diese Diskussion auf das Rassisten-Nebengleis umgelenkt hattest, in welchem sie nun munter im Kreise fährt. Ich jedenfalls führte dieses Gespräch nicht. Prototypisch war wohl höchstens, daß ich ein weißer Deutscher war und er einen dunkelhäutigen Vater hatte. Wir kamen in's Gespräch, weil noch zwei weitere Leute im Abteil saßen: Ein us-amerikanisches Pärchen auf Europa-Tour. Die sprachen zuerst den dunkelhäutigen Mitreisenden an, wohl in der - irrigen - Annahme, er spräche besser Englisch als ich. Irgenwann, als ihm im Gespräch eine Vokabel fehlte, konnte ich ihm aushelfen, da ich ebendiese Vokabel vorher zufällig auf der Straße aufgelesen und - man weiß ja nie, wozu man sie noch brauchen kann - eingesteckt hatte.
So kamen wir in's Gespräch. Und unterhielten uns dann über das, was wir beruflich/studentisch so machen. Und wohin wir gerade führen (ich nach Hause, er zu einem Vorstellungsgespräch). Und dann unterhielten wir uns über die generelle wirtschaftliche Lage - wie hoch die Nachfrage nach Künstlern sei sozusagen, und wo man als Künstler am besten leben könne. (Er riet mir davon ab, nach Berlin zu ziehen, weil es dort schon so viele Künstler und so wenige solvente potentielle Kunden gäbe. Womit er mir nicht viel Neues verriet...) Und dann fragte ich ihn, in was für Berufe sein Studium denn münde und ob er für einen guten Job auch sein Berlin verlassen werde. Denn er balinate dermaßen, daß ich davon ausging, daß er sehr heimatverbunden war. Er meinte, daß es wohl sogar auf eine Karriere im Ausland hinauslaufe, auch die Firma, bei der er sich vorstellen wolle, bräuchte einen entsprechenden Ingenieur für ein Projekt im Ausland.
Und dann erzählten wir uns noch allerhand anderes auch über unsere familiären Verhältnisse - es sind ein paar Stündchen von Hamburg nach Wuppertal - und darunter erzählte er mir, ohne daß ich fragen mußte, von seinem Vater, der seine Mutter früh verlassen habe und so weiter und so fort.
So. Das war das Gespräch, an das ich mich erinnere. Wahrscheinlich hatte ich meinen strukturellen Rassismus gerade verlegt und kam deswegen nicht schnell genug ran, und so konnte ich die inquisitorischen Fragen "Wo kommen Sie denn her, Herr Neger?!" gar nicht stellen, bevor er sie schon von sich aus, in vorauseilendem Gehorsam wahrscheinlich, seine Furcht vor Massa Hank geschickt tarnend, beantwortet hatte. Tja nun, dachte ich mir, das ist doch fein, diese Ausländer stehen einem schon Rede und Antwort, wenn man sie nur richtig anfaßt... Dazu fummelte ich an der Uhrkette über meinem Wanst und zwirbelte mir zufrieden den Willhelmzwo-Schnurrbart.
Bis zu dem Moment, wo dieser brave Neger doch den unerhörten Satz fallen ließ: "Die sind doch alle faul da unten!" Pling! - vor Erstaunen riß ich die Augenbrauen hoch, und mein Monokel hüpfte über die Mensurschmisse hinab auf den nur nachlässig gekehrten Abteilfußboden.
Und deswegen, weil wir hernach gemeinsam uns auf die Suche nach dem Monokel machten, deswegen blieb mir dieser Satz imGedächtnis haften, und deswegen brachte ich ihn jetzt in der hiesigen Debatte an, nicht ahnend, daß ich damit meine Rassistenmaske fallen lassen würde wie seinerzeit das Monokel...



Aber es stecken genügend Grundannahmen drin, die rassistisch sind:
- der Mensch ist schwarz, er*sie kann also kein*e Deutsche*r sein

Dies ist eine statistisch betrachtet vollkommen legitime Annahme. Annahmen sind - das steckt in dem Begriff drin - nicht sicher, sondern offen für Korrekturen. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Nicht-Weißer, den ich hier bei mir auf der Straße treffe, kein Deutscher ist, ist vergleichsweise hoch zu derjenigen, daß ein Weißer hier auf unserer Straße kein Deutscher sei. Wenn es also rassistisch ist, Annahmen zu treffen, die statsitisch betrachtet mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zutreffend sind - nun ja...

- es ist völlig okay, wildfremde Menschen nach Eltern und Großeltern auszufragen (wer macht das bei Weißen?)

Nun, ich halte es nicht okay, wildfremde Menschen über ihre Eltern und Großeltern auszufragen. Aber das Gespräch war ja auch von Dir ausgedacht, so, wie es Belege für Strohmanargumente häufig sind, nämlich: ausgedacht.

- wessen Vater/Mutter aus einem afrikanischen Land kommt, fühlt sich selber dort wohler, versteht die dortige Mentalität und mag deren Kultur --> er*sie passt nicht in die deutsche Kultur

Ja, klar, wer den genervten Tonfall, welcher in Deinem ausgedachten Gespräch vom Befragten gekennzeichnet war, nicht bemerkt, ist ja nicht nur rassistisch, er ist auch noch erstens taktlos und zweitens dumm. Üblicherweise geht man aber davon aus, daß Menschen ihre Heimat mögen. Und wenn, um mal wieder von Deinem ausgedachten Strohmann-Argument-Dialog zu meinem konkret erlebten Dialog zu wechseln, der farbige Berliner mir mit einem gewissen Stolz davon erzählt, wie wichtig und angesehen die Familie seines Vaters in dessen Dorf sei - dann ist die Frage, ob er sich mal überlegt habe, seinen Job vielleicht dort auszuüben, nicht so sehr taktlos. Vielmehr macht sie Sinn, denn Ingenieure wie er werden in der Heimat seines Vaters tatsächlich gebraucht. Seine familiären Verbindungen könnten ihm da einen weiteren Karrierevorteil verschaffen. Und seine mit einem abwinkenden Lachen vorgebrachte Reaktion belegte, daß er selbst durchaus diese Möglichkeit schon in Erwägung gezogen - und dann eben aus dem Grund, den ich zitierte, wieder verworfen hatte. Ich oller Rassist hatte doch tatsächlich einen Augenblick meinen strukturellen Vorurteile derartig gut verdrängt, daß ich ganz vergaß, daß alle Afrikaner feistfaule Tunichtgute seien. Oder fragte ich perfiderweise nicht, weil ich die Frage ernst meinte, sondern nur, um mich in meinen Vorurteilen bestätigen zu lassen? Darüber läßt sich jetzt rätseln, wenn man Lust hat, weiterhin die Diskussion im Kreise fahren zu lassen.

- es ist selbstverständlich, dass Schwarze Deutsche "ihren eigenen Leuten da unten" helfen wollen & sollen; jeder soll ja erstmal vor der eigenen Tür kehren...

Das ist jetzt aber eine dialektische Raffinesse, eingedenk des Umstandes, daß Du hier die "unbewußten" Grundannahmen des Rassisten in einem fiktiven Strohmanargument-Beleg untersuchst. Der fiktive Deutsche ist hier dermaßen rassistisch, daß er dem fiktiven Farbigen altruistische Motivationen unterstellt. Positiver Rassismus - die schlimmste Sorte von allen, denn von der läßt man sich noch schwerer abbringen. Das Vorurteil, daß dunkelhäutige Deutsche in Afrika helfen wollen, ist ja so schwer auszurotten wie dasjenige, daß Schwarze die längeren S.... - äh - die ausdauernderen Liebhaber seien. Zwar läßt sich dieses Altruismus-Vorurteil schwer mit dem anderen Vorurteil, daß die Schwatten nur alle hier bei uns sind, weil sie Stütze kassieren wollen, in Übereinstimmung bringen - aber Rassisten sind ja bekanntlich nicht nur dumm, sondern auch schizophren und da wir alle irgendwie kleine Rassisten sind, müssen wir uns also alle ein klein wenig diesen Schizophrenie-Schuh anziehen. Am allermeisten jene, die, so wie ich, sich weigern. Da muß halt der große Zeh der Logik gegebenenfalls ein bisserl mit dem Messer gekürzt werden. :D

Ich weiß nicht, wieviele Umwelt- und Energietechnikstudenten du so in der Bahn triffst, und mit wie vielen davon du dich über deren Berufsaussichten unterhälst und ob sie nicht Interesse an technischer Aufbauhilfe hätten.
Das ist eine rhethorische Finte. Natürlich weißt Du ganz genau, wieviele dieser Art Studenten ich in der Bahn treffe. Haufenweise! Die drängeln sich jeweils in meinem Abteil. Du tust nur so, als würdest Du hier Dein Nichtwissen eingestehen. In Wirklichkeit machst Du Strichlisten... ;)
Wenn du das bei allen so machst, wunderbar, dann hätte ich mir die Posts auch sparen können.
Und wenn ich das nicht bei allen so mache? Vielleicht - nur vielleicht, aber ganz eventuell nur... dann möglicherweise... auch?

Wenn du aber, wie die allermeisten Weißen, feststellst, dass bei Fragen, die du geäußert hast, der Anknüpfungspunkt oder Auslöser ganz klar die Hautfarbe war, ist die Frage erlaubt und notwendig, ob das nicht strukturell rassistisch und übergriffig war.
Erlaubt und notwendig? Wie auch immer - beantwortet hast Du die Frage mit einem "Ja" ohnehin schon selbst und egal, wie sehr ich auch versuchte, diese Antwort zu widerlegen - alles könnte mir als Verstocktheit ausgelegt werden. Denn diese unbewußten, strukturellen Motivationen, die mich umtreiben, an die komme ich ja nicht heran, ja es ist gerade ein Kennzeichen dafür, wie sehr sie mich im Griff haben, wenn ich mich hier der Einsicht sperre. Verdrängung lautet dann das Zauberwort. Dazu muß man den den C.G. Jung nicht im Original gelesen haben, soviel Küchenpsychologie schnappt man allemal auf.
Die Frage war also erlaubt - und vor allem notwendig. Notwendig nämlich, um dem einen Argument, daß bestimmte Gruppen erfahrungemäß weniger fleißig sind als andere, weiträumig aus dem Wege gehen zu können.
Ich fasse mal zusammen: Sarrazin nennt als eine Erklärungsmöglichkeit dafür, daß die Rußlanddeutschen sich innerhalb kürzerer Zeiträume in die Mehrheitsgesellschaft integrieren können als die Türken und Araber, daß in dieser Gruppe ein bestimmte Arbeitsethos (altdeutscher Fleiß) verbreitet sei. Da klingelt dann Deine Alarmismus-Glocke. Wie kann der Mann es wagen, einfach so dermaßen rassistische Äußerungen von sich zu geben?! Daraufhin bringe ich das Gespräch mit einem des teutonischen Rassismus nun vielleicht auf den ersten Blick hin Unverdächtigen, der davon berichtet, daß in einem bestimmten - zufälligerweise nicht-deutschen - Land die Leute alle dermaßen faul seien, daß er keinen Bock hat, sich dort beruflich zu engagieren. Warum bringe ich dieses Zitat? Weil ich meine, daß die Aussage Sarrazins eventuell gar nicht inhaltlich verkehrt sei. Daß es also bestimmte kulturelle Backgrounds geben könne, die zur Faulheit in statistisch signifikantem Maße disponieren.

Warum drechsele ich hier eigentlich immer noch im Konjunktiv herum? Es ist so, daß in manchen Ländern/Gesellschaften eine Pascha-Kultur herrscht, die Faulheit, gerade unter Männern, ermuntert. Dir sollten die Kleinkredit-Förderungsprojekte in der Dritten Welt bekannt sein, bei denen solche Kleinkredite nur an Frauen vergeben werden. Weil die nämlich nicht das Geld gleich versaufen und es drauf ankommen lassen, wegen Nicht-Rückzahlung verknackt zu werden. Daß Verwöhnen der männlichen Sprößlinge äußert sich in manchen Milieus dadurch, daß man ihnen nicht zumutet, hart zu arbeiten. Das dürfen die Mädchen tun aber bitteschön nur im Haushalt...
Und wo ist noch gleich diese Ungleichbehandlung der Geschlechter, welche insgesamt für eine niedrige Arbeitsproduktivität sorgt, besonders ausgeprägt? Jetzt sage nur nicht: in den strukturkonservativen (sprich: nationalistisch-religiös gefärbten) türkischen und arabischen Migrantenmileus hierzulande! Das wäre ja... Da könne man ja denken...

Sofern das am eigenen Stolz als offener, toleranter, rassismus-verurteilender Mensch kratzt: das ist kein persönlicher Angriff, sondern eine Infragestellung von Denkkategorien, die man sich als Weißer angewöhnt hat, ohne das zu merken.

Nein, es ging nicht darum, daß mein Stolz angekratzt worden wäre. Das kann ich locker verknusen. Ich brauche Dir oder irgendwem im Forum gegenüber nicht mein Gesicht zu wahren, meinen Stolz oder meine Ehre hochzuhalten. Was mich nervt, ist, wenn Sachargumente ignoriert werden, sondern man sich lieber auf Formulierungen stürzt. Was mich nervt, ist, wenn vom wichtigen Thema abgelenkt wird, nur, weil es bequemer ist, die Aufklärung wieder und wieder nachzuspielen, die seit spätestens den siebziger Jahren bekannt sein dürfte. Was mich nervt, ist, wenn der Einsicht, daß man bezüglich Rassismus die Augen immer offen halten sollte, dadurch nachgekommen wird, daß man den Leuten Streichhölzer zwischen die Lider zu applizieren sucht, und auf sie eindrischt, sobald sie auch mal auf andere Themen gucken. Insofern hat Ice vielleicht mehr mich in Schutz genommen, Astaldo aber kürzer und effektiver gesagt, worum's eigentlich ging.

Wie gesagt, es geht um die Sichtbarmachung eines Bewusstseins und der Umstände, die dieses Bewusstsein hervorbringen. Und daran anschließend an die Sichtbarmachung der zahlreichen Privilegien, die Weiße so genießen.
Nun - wäre Sarrazin dunkelhäutig gewesen, fragt sich, ob er dann nicht das Privileg genossen hätte, sein Interview wortgleich so zu geben, ohne dafür abgewatscht zu werden. Eine hypothetische Frage, sicherlich. Aber hey: überleg Dir mal... ;)
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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@Hank: *verbeugt sich tief und ehrerbietig* Meine Hochachtung! Du hast hier gerade sher gut auf den punktgebracht, was mich isher leise an der Diskussion gestört hatte ohne dass ich es greifen konnte.:up::)
 

David

Moderner Nomade
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Was Merkel als Kanzlerin angeht, wird das vor allem davon abhängen, ob sich ein stabiles Rot-Rot-Grünes Lager gegen Schwarz-Gelb bilden kann. Also müssen erstmal SPD und Linke zusammenfinden und dann müssen sie zusehen, daß die Grünen nicht auf die Idee kommen, den Königsmacher spielen zu wollen, indem sie zwischen den Lagern wechseln.
Im Grunde müsste die Regierung zusehen, so ein Lager zu verhindern, aber mit dem Ausstieg aus dem Atomausstieg und den erwartbaren neuen Schulden und mehr Arbeitslosen könnten sie durchaus zum gemeinsamen Gegner der 3 Oppositionsparteien werden. Ob das langt, auch zusammenarbeiten zu können, muss sich erst noch zeigen.

Wobei man Hartz 4 in Sachen Schonvermögen ja schon entschärft hat und soweit ich das mitbekommen hab, könnte bald nen Urteil kommen, daß dazu zwingen könnte, die Leistungen für Kinder nochmal zu erhöhen, dann wären ja schon 2 große Kritikpunkte entschärft, und gleichzeitig die Ausgaben schon gestiegen, was den Handlungsspielraum für weitere Wohltaten natürlich drastisch einschränken würde. (Zumindest wenn man auch von denen gewählt werden will, die das Ganze bezahlen müssen)

Was die Wirtschaft angeht kann bis zur nächsten Wahl viel passieren, aber im Grunde ist das fast schon egal: Wenn die Krise überstanden ist, wird die Regierung sagen, daß sie ihren Anteil daran hatte, stecken wir immer noch in der Krise, wird sie sich als erfolgreiche Krisenmanager verkaufen, die man nicht während der Krise austauschen sollte. Was ich mir vorstellen könnte ist, daß man umso mehr echte und symbolische Maßnahmen zur Bankenaufsicht etc. ergreift, je länger die Krise dauert, schon weil man so immer wieder demonstrieren kann, daß man selber ja nicht die Schuld trägt.
 
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Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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Die größte Gefahr für Merkel ist, wenn die Opposition nicht einig ist. Denn dann stehen als Alternativen nicht rot-rot-grün gegen schwarz-gelb, sondern es geht einfach nur um Zustimmung oder Ablehnung der Regierung. Und dann ist ein Szenario wie 2005 ohne eindeutige Lagermehrheit gut vorstellbar. Wenn die CDU dabei weiterhin Verluste einfährt wie bei allen Wahlen seit 1990, von 2002 mal abgesehen, ist Merkels interne Stellung schwer gefährdet. Die Junge Union ist btw. schon jetzt unzufrieden.
 

David

Moderner Nomade
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Sowas kann ich mir auch gut vorstellen. Richtig lustig wirds, wenns nicht für Schwarz-Gelb reicht, Rot-Rot-Grün sich noch nicht zusammenraufen kann, die SPD aber auch nicht nochmal den Juniorpartner einer großen Koalition spielen will. Wenn dann auch noch die Grünen wegen der Atompolitik nicht mit der Union wollen, haben wir nen Problem. :D

Was Merkel angeht, die wird sich in der Partei wahrscheinlich exakt solange halten wie sie Kanzlerin ist, schon weil die Union so so tun kann, als hätte nur die SPD ein Problem. In dem Moment, wo Merkel nicht mehr Kanzlerin ist, wirds wahrscheinlich auch in der Union Krach geben.

In der Einführung in die Politikwissenschaft wurde das ganz gut beschrieben: Das alte Parteiensystem bildet sozusagen die Konfliktlinien aus den frühen Jahren der BRD ab, aber inzwischen haben sich die Parteien und das Land geändert, so daß die neuen Konliktlinien heute eher mitten durch die beiden großen 'Volksparteien' durch gehen.
 
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Micha

Kutte
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Achja, das Schonvermögen für Hartz IV Empfänger... zum Lachen. Alle, die bis jetzt sowas bezogen haben, mussten eh schon alle Rücklagen und Versicherungen etc. verfressen - und für die zukünftigen Empfänger sei mal gefragt, woher denn bitte ein Hartz IV Empfänger sich ne Altersvorsorge ansparen soll? Klar ist es möglicherweise ein Schritt in die richtige Richtung - aber doch wohl eigentlich eher ein Schrittchen, das bejubelt wird, als wären die Regelsätze verdoppelt worden*. Oder zählt das Schrittchen bei ner Schwarz-Gelben Regierung plötzlich doppelt und dreifach, nur weil mans so nicht von denen *erwartet* hätte?

*Man rechne es sich mal durch: der neue Freibetrag beträgt statt 250 Euro pro Lebensjahr anrechnungsfreies Schonvermögen 750 Euro pro Lebensjahr - also statt knapp 17.000 Euro insgesamt knapp 50.000. Klingt gut, aber ist nicht viel. Bei etwa 20 Jahren, die man Rente bekommt, wären das 2.500 Euro pro Jahr, also knapp 200 Euro mehr pro Monat. Davon kann man aber WUNDERBARE Sprünge machen. Und möglicherweise wird es ähnlich wie Riester vielleicht sogar noch von der Aufstockung der Rente auf die Grundrente abgezogen - das weiß ich aber nicht.

Edith sagt: Kindergelderhöhung... wenn es so läuft wie die letzten Erhöhungen, bekommen Hartz IV Empfänger diesen Betrag postwendend vom Regelsatz wieder abgezogen. Was nichts anderes heißt, als: wer auf das Geld *wirklich* angewiesen wäre, profitiert nicht davon. Diese Herangehensweise zieht sich durch die komplette Steuergesetzgebung... toll, man kann mehr von der Einkommenssteuer absetzen - die Einkommen, die aber so niedrig sind, dass sie gar keine Einkommenssteuer mehr zahlen müssen, können davon auch nix wiederkriegen: obwohl sie die entsprechenden Ausgaben *dennoch* zu tätigen haben. Wer also genug verdient, bekommt Auslagen erstattet, wer zu wenig verdient, muss dort auch noch draufzahlen. Super Gerechtigkeit... sorry, bei sowas kommt mir das Kotzen.
 
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Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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Sehr wahrscheinlich wird das Szenario bei einem 6-Parteien-Parlament wie in Sachsen. Mal schauen, obs so weit kommt. Bei deinem Szenario hättest du ein ähnliches Ergebnis, wenns für Union + SPD nicht reicht. So unwahrscheinlich ist das nicht mehr.

Edit: @Micha: Bisher war das Gesamtschonvermögen, von dem das altersabhängige nur einer von drei Teilen ist, 80 000 € + Haus/Wohnung + Auto. Darauf jetzt nochmal was drauf zu legen, wenn deien Rechnung stimmt, 33 000 €, also insgesamt 113 000€, ist schon sehr üppig. Und natürlich bringt das jetzigen Hartz-IV-Empfängern nichts, aber zukünftigen jede Menge, insbesondere, wenn vorherige Gutverdiener nun arbeitslos werden, was in den kommenden Jahren wohl massiv der Fall sein wird. Und die FDP hatte das die ganze Zeit im Programm, enns dann niemand erwartet, jo, kann man nichts machen.
 
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David

Moderner Nomade
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Ich hoffe nur, daß diese 6. Partei sowas harmloses wie die Piraten wäre, und keine Rechtsradikalen..
(Aber auch ohne Mehrheit wäre die Union wohl stärkste Partei und Merkel damit erstmal geschäftsführende Kanzlerin, um die loszuwerden brauchts schon mehr als eine Union unter 30% :D )

@Micha:
Das mit dem Schonvermögen war für mich einer der zentralen Kritikpunkte: Wer gespart hatte wurde bestraft, während der, der sein Geld immer verjubelt hat, sofort Hilfe bekommt.
Natürlich kommt das für viele Betroffene zu spät, aber wer jetzt lange Jahre gearbeitet hat, kann sich deutlich mehr zurücklegen und dann im Fall der Arbeitslosigkeit ziemlich lange seine Sozialleistungen damit aufstocken. Das macht für mich deutlich mehr Sinn als dem arbeitslosen Bänker mehr Geld fürs Nixtun auszuzahlen als dem arbeitslsoem Bauarbeiter.

Ich würde das auch nichtmal in erster Linie auf die Altersvorsorge beziehen, da gibts ja eh schon Sonderreglungen, die bestimmte Anlageformen rausnehmen. Selbstgenutztes Wohneigentum soll ja wohl auch komplett rausgenommen werden, was ich aber auch kritisch sehe, weil das noch ein Fehlanreiz dafür ist, sich mit Wohneigentum zu belasten. Außer für Beamte sind jahrzehntelange Kreditraten und das Gebundensein an einen Ort heute einfach für niemanden mehr sicher zu kalkulieren. Und das Immobilien in jedem Fall zumindest wertstabil sind, hat sich ja auch grad als Trugschluss rausgestellt, und aufgrund des demographischen Wandels werden Immobilien in manchen Regionen zukünftig praktisch unverkäuflich sein. (Bei uns daheim in Osthessen gibts alte Häuser billiger als neue Autos..)
 
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Micha

Kutte
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Nein David - die Anhebung des Schonvermögens bezieht sich *ausschließlich* auf eine Altersvorsorge oder Lebensversicherung, die (um anerkannt zu werden) erst nach dem Renteneintrittsalter zur Auszahlung gelangt. Abgesehen davon ist noch Riestern befreit (war es jetzt schon) und du hast gewisse Freibeträge, die allesamt nicht angetastet werden, die aber alle letztlich Firlefanz sind - was nützen dir 10.000 Euro "Notgroschen", wenn du nen neues Auto brauchst, dein Kühlschrank oder deine Waschmaschine kaputt sind - und du deinen Notgroschen auch die nächsten zig Jahre nicht mehr auffüllen kannst? Von Kosten für Medikamente, Gesundheit generell, Zahnersatz oder ähnlichem ganz zu schweigen.

Bei Wohneigentum galt vorher, dass es "angemessen" sein muss (ohne das näher auszuführen) und dann als Schonvermögen gilt, das Wörtchen "angemessen" soll jetzt gestrichen werden.

@Olome
Wie du auf deine Zahlen kommst ist mir etwas schleierhaft: ich nehme mir mal die Freiheit raus, diese Seite als Quelle des momentan geltenden Gesetzes heranzuziehen.

Edith Nummer 2: Die Seite war wohl nicht ganz aktuell, diese sollte es aber sein.
 
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Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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@Micha: Von Ery weiß ich, - hatten wir schonmal hier im Thread - dass es drei verschiedene Freibetragsregeln gibt. Irgendwo hatte ich die Zahl 80 000€ aufgeschnappt. Das war entweder hier oder in einer Zeitung, wenn letzteres dann eine der Septemberausgaben der Zeit oder FAZ. Die von dir verlinkten Seiten betreffen also einen der drei Freibeträge. Ich bin kein Experte für unser Sozialrecht, ich kann mir aber kaum vorstellen, dass die gesetzlichen Grundlagen tatsächlich so übersichtlich sind wie bei dem Link.

was nützen dir 10.000 Euro "Notgroschen", wenn du nen neues Auto brauchst, dein Kühlschrank oder deine Waschmaschine kaputt sind - und du deinen Notgroschen auch die nächsten zig Jahre nicht mehr auffüllen kannst? Von Kosten für Medikamente, Gesundheit generell, Zahnersatz oder ähnlichem ganz zu schweigen.
Neues Auto ist unnötig, wenns unbedingt ein Auto geben muss, reichen auch Gebrauchtwagen. Waschmaschinen könnte man sich z.B. auch teilen, ansonsten gibts die Dinger genau wie Kühlschränke und Autos in Ratenfinanzierung. Das wird dann zwar langfristig teurer, ist aber eben auch für ALG-II-Empfänger finanzierbar. Was Gesundheit angeht, haben wir immer noch eien Krankenversicherung und die diversen Zuzahlungspflichten dürften meines Wissens nach für sozial Bedürftige nicht greifen.
 

David

Moderner Nomade
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Aber wenn da irgendwo diese 80.000 stehen, dann ist da bestimmt die Altersvorsroge mit dabei, und ob wir von frei verfügbarem Geld reden oder von Geld, das in einer Altersvorsorge fest gebunden ist, macht für mich nen ganz entscheidenten Unterschied.

@Micha:
Soll diese Erhöhung wirklich nur für die Altersvorsorge gelten und nicht generell für alles angesparte Geld, unabhängig von der Anlageform ?
Das wäre dann in der Tat Beschiss im Kleingedrucktem, denn wenn man das Ganze nur am Rande über die Nachrichten mitverfolgt hat, konnte da durchaus der Eindruck entstehen, daß von generellen Freibeträgen die Rede ist und nicht nur von Zweckgebunden. :down:

Wenn man länger arbeitslos ist, wird im Zweifel die Rente eh vom Staat auf Grundsicherungsniveau aufgestockt werden müssen, das muss man nicht selber vorsorgen. Da 'großzügig' zu sein kostet die Sozialkassen langfristig gesehen nicht viel. Und was nutzt mir das Schonvermögen, wenn ich die laufenden Kosten zB einer Lebensversicherung nicht mehr zahlen kann ?
(Ist ne ernstgemeinte Frage: Was passiert mit solchen Anlagen, wenn man sie im Fall der Arbeitslosigkeit nicht mehr so bedienen kann wie vorher ? Sind die flexibel genug um sowas zu überstehen ? )

Ehe ich mein Geld in eine private Altersvorsorge stecke, an die ich jahrzehntelang nicht drannkomm und von der ich aus diversen Gründen (Inflation, früh sterben etc.) evtl. nie was haben werde, geb ichs lieber hier und heute aus und bin dann eben bedürftig wenn ich arbeitslos werde. :rolleyes:
Das wäre nämlich genau das Verhalten, das man mit zu niedrigen Schonvermögen auf normale Sparkonten fördert. Ist ja vielleicht auch Absicht, um die Binnennachfrage anzukurbeln. :D
(Nicht das ich nix für Später zurücklegen will, aber darüber will ich selber die Kontrolle behalten und es nicht nen halbes Leben lang unerreichbar auf der Bank parken)

PS.:
Davon mal abgesehen: Als Single kann man selbst mit Hartz 4 noch jeden Monat was zurücklegen (auch aus vorrübergehenden Nebenjobs etc.), um die 1000 Euro, die für "Katastrophen" wie nen kaputten Computer/Fernseher/Waschmaschine etc. eigentlich reichen sollten, immer auf nem extra Konto (zB Tagesgeld) zu haben. Zumindest, solange nicht alles gleichzeitig kaputt geht.
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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@Olome:
Die Junge Union ist btw. schon jetzt unzufrieden.
Ist das wichtig ?

@David:
Sowas kann ich mir auch gut vorstellen. Richtig lustig wirds, wenns nicht für Schwarz-Gelb reicht, Rot-Rot-Grün sich noch nicht zusammenraufen kann, die SPD aber auch nicht nochmal den Juniorpartner einer großen Koalition spielen will.
Die Wahrscheinlichkeit von solch einer Konstellation ist praktisch null. Die jetzige SPD würde auch Schwarz-Rot-Gelb mitmachen, eine große Kolation sowieso - und die Grünen scheinen sich prinzipiell auf Jamaika zuzubewegen. Die einzige Konstellation, die wirklich immer noch nicht geht, ist Ampel und irgendwas mit den Linken.

In der Einführung in die Politikwissenschaft wurde das ganz gut beschrieben: Das alte Parteiensystem bildet sozusagen die Konfliktlinien aus den frühen Jahren der BRD ab, aber inzwischen haben sich die Parteien und das Land geändert, so daß die neuen Konliktlinien heute eher mitten durch die beiden großen 'Volksparteien' durch gehen.
Diese Politologen reden wirklich nur Stuss. Ich würde im Gegenteil sagen, das die Konflikte, die es früher in den Volksparteien gegeben hat, also zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerflügel in der CDU und zwischen rechtem und linkem Flügel in der SPD, heute kaum noch zu spüren sind. Der Arbeitnehmerflügel der CDU ist praktisch vollständig verschwunden. Der linke Flügel der SPD existiert nur noch als Schauvitrine.

@Olome:
Sehr wahrscheinlich wird das Szenario bei einem 6-Parteien-Parlament wie in Sachsen. Mal schauen, obs so weit kommt. Bei deinem Szenario hättest du ein ähnliches Ergebnis, wenns für Union + SPD nicht reicht. So unwahrscheinlich ist das nicht mehr.
Da ist eine Partei aber politisch tot, d.h. mit der NPD will sowieso niemand koalieren.

@David:
Ich hoffe nur, daß diese 6. Partei sowas harmloses wie die Piraten wäre, und keine Rechtsradikalen..
Die Piraten sind derzeit völlig unberechenbar. Langfristig rechne ich damit, das sich hier eine neue rechte Partei bildet. Die Reden von "Realismus" und "Vernunft", die man hier hört (über das kleine bisschen von einem Wahlprogramm), deuten sehr darauf hin. Rechte Parteien halten sich immer für Realisten.

Das mit dem Schonvermögen war für mich einer der zentralen Kritikpunkte: Wer gespart hatte wurde bestraft, während der, der sein Geld immer verjubelt hat, sofort Hilfe bekommt.
Das ist eher sekundär, weil die meisten Leute ja gar kein Vermögen mehr aufbauen können. Bei dem Schonvermögen geht es eher um die Alterssicherung.

Ich würde das auch nichtmal in erster Linie auf die Altersvorsorge beziehen, da gibts ja eh schon Sonderreglungen, die bestimmte Anlageformen rausnehmen.
Ja, die Riesterrente, die sich aber für den Durchschnittsverdiener eh nicht lohnt.
 

Diarmuid

Priester des Kekses
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Ich hab' (vorgestern glaube ich) irgendeinen Politiker im Fernsehen gesehen, der sagte, dass diese Regelung eh nur 11000 Leute betrifft, also gut 0,2 % der Hartz Iv - Empfänger... Jürgen Trittin war's.

@David: Dass Dein Ausgabeverhalten etwas anders ist, als das anderer Leute haben wir hier ja schon mal besprochen. Die meisten Leute die wenig oder sehr wenig verdienen (von Arbeitslosen will ich mal gar nicht reden) haben am Monatsende wenig bis nichts über, was zurückgelegt werden könnte. Denen bringt das Schonvermögen mal gar nichts.


Und natürlich bringt das jetzigen Hartz-IV-Empfängern nichts, aber zukünftigen jede Menge, insbesondere, wenn vorherige Gutverdiener nun arbeitslos werden, was in den kommenden Jahren wohl massiv der Fall sein wird.

Genau für diese Leute macht die FDP Politik, weswegen sie für mich unwählbar ist und bleibt.
Beweisführung abgeschlossen Euer Ehren.
 
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