Politik, 7. Staffel

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Diarmuid

Priester des Kekses
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@Veldryn: Bist Du sicher, dass diese Typen nicht eher krank im Kopf sind?
 

Falk

ChickenWizzardwing
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@Veldryn: Mal nicht von den pharmakologischen sondern eher von ethischen Grundsetzen gesehen befinden wir uns hier meiner Meinung auf sehr dünnen Eis.

Wenn wir damit anfangen, mit dem Recht auf Unversehrtheit rumzuspielen, wo hört es dann auf? Als Gegenargument kann man natürlich bringen, dass der Täter das Recht auf die Unversehrheit einer anderen Person auch mit Füßen getreten hat. Hinzu kommt, das es sich um ein Kind, also um einen noch schutzbedürftigen Menschen handelt. Da kochen die Emotionen schnell hoch. Also will man recht schnell Gleiches mit Gleichem vergelten. Was steht dann auf einen Mord? Logische Konsequenz wäre nach dieser Argumentation ja dann die Todesstrafe.

Alleine die Kommentare mancher Personen unter dem Artikel machen mir deutlich, dass man von sowas lieber die Finger lassen sollte. Ich persönlich fühle mich bei der ganzen Sache eher an verschiedene Strafen aus dem Mittelalter erinnert.
 

Veldryn

Strauchdiebin
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@Diarmuid: Natürlich. Aber Fehlfunktionen in der Psyche (die auch nichts anderes als Fehlsteuerungen auf biochemischem Niveau im Gehirn sind) sind ja mit körperlichen Funktionen eng gekoppelt. Man darf da zwischen geistig und körperlich keine Trennlinie ziehen, auch wenn das - schon allein aus historischem Unverständnis der Psyche heraus - allzuoft getan wird.
Wo genau bei Triebtätern im Kopf etwas schiefläuft, kann aber ohnehin noch nicht hundertprozentig festgestellt (und somit ursächlich behandelt) werden. Daher bleibt die Ausschaltung des Sexualtriebs (jeglicher Art!) durch Kastration die bisher einzige wirklich effektive Methode, das Problem des Triebtäters "medizinisch" anzugehen. Psychotherapie ohne medikamentöse Maßnahmen dürfte hier ziemlich ins Leere laufen - der Täter wird vielleicht mehr auf die Folgen seines Tuns sensibilisiert, aber der Trieb bleibt.

@Falk: Du hast natürlich recht mit dem dünnen Eis. Ich habe mich dazu auch mehr aus pharmakologischer Sicht geäußert... entscheiden würde ich so etwas nicht wollen. Ebenso wie ich der Todesstrafe kritisch gegenüberstehe. Im Gegensatz zur Todesstrafe hat man hier aber eine Bestrafung, die dem Täter a) nicht eines normalen Lebens beraubt, b) nicht umumkehrbar ist und c) sogar im Gegenzug dem Täter ein normales Leben ermöglicht (wie schon erwähnt, gibt es ja mitunter schon Täter, die freiwillig zu dieser Maßnahme gegriffen haben). Eigentlich ist das nichtmal eine "Strafe". Darum finde ich den Vergleich nicht so ganz treffend.
Irgendwie ist das aus meiner Sicht eine verschwimmende Grenze zwischen die-Unversehrtheit-verletzen und den-Täter-medizinisch-behandeln. Man könnte es auf eine ähnliche Stufe stellen wie einen wahnhaften Schizophreniepatienten, der zwangseingewiesen und in der Klinik therapiert werden muss. Dieser wird auch, gewissermaßen, gegen seinen Willen dort festgehalten und behandelt. Die chemische Kastration ist eben auch eine Behandlung einer psychischen Störung, die dem Täter/Patienten ein normales Leben zurückgeben kann.

Ob das alles aber rechtlich standhält, keine Ahnung... für mich ist das aber rein medizinisch betrachtet durchaus nicht verkehrt.

edit
Beim erneuten Durchlesen des Artikels fällt mir auf, dass diese Maßnahme in Polen nicht einmal neu ist - die Richter hatten schon vorher die Wahl, die chemische Kastration anzuordnen. Neu ist jetzt nur die Verpflichtung dazu bei jedem Straftäter, der in die entsprechende Kategorie fällt. Insofern... ändert das etwas an der ethischen Frage? Ob es bei einigen gemacht wird oder bei allen, spielt für die ethische Grundsatzfrage keine wirkliche Rolle - sondern nur, ob es überhaupt gemacht werden darf, oder? Diese Frage scheint ja Polen damit für sich schon länger beantwortet zu haben.
Mich würde interessieren, wie andere Länder dazu stehen, insbesondere in der EU.

nochmal edit
Hier mal ein interessanter Artikel über einen Pädophilen und seinen Werdegang. Vielleicht lässt das die Vergleiche mit Todesstrafe und Handabhacken in einem anderen Licht erscheinen.

noch ein Gedanke zum Schluss:
Letzen Endes dient doch die Haftstrafe, die bei diversen Verbrechen weltweit zur Bestrafung angewandt wird - und die Grundrechte des Täters auch einschränkt (oder ist Freiheit kein Grundrecht?) - doch in erster Linie der Resozialisierung, oder? Die Strafe soll ja nicht einfach nur eine Strafe sein und dem Täter in irgendeiner Form "weh tun", sondern den Täter in die Gesellschaft wieder eingliedern - nach Möglichkeit in einer Verfassung, in der er eben nicht erneut straffällig wird. Dass das praktisch nicht immer gegeben ist, ist klar - aber in vielen Fällen funktioniert das sogar, denke ich.
Triebtäter hingegen sind von ihrem unsäglichem Trieb nicht heilbar - egal wie lang sie in Haft sitzen und egal wieviele Psychotherapiesitzungen sie mitmachen (siehe der von mir verlinkte Artikel). Die chemische Kastration ermöglicht hier eigentlich erst das, was mit der Haftstrafe allein bei dieser Kategorie Täter nicht gelingt - eine Resozialisierung mit einem weitaus verringertem Risiko einer erneuten Straftat.
Jeder Pädophile, der sich einmal an einem Kind vergriffen hat, hat ein sehr hohes Risiko, das noch einmal zu tun. Viele dieser Menschen haben durchaus einen Sinn dafür, dass ihr Tun falsch ist - aber trotzdem passiert es auch denen, dass der Trieb überhand nimmt. Welche Lösung bietet nun unser Rechtssystem für dieses Problem? Eine lebenslange Verwahrung erscheint in Deutschland ja wohl nicht angemessen, also tun wir was? Lassen die Täter nach Tat und Haft wieder auf die Straße zurück? Mit ungebremsten Trieb? Das ist für die Täter genausowenig ein angenehmes Leben wie für potentielle Opfer. Wenn wir also keine chemische Kastration als Behandlung für diese Störung wollen, welche Alternativen gibt es zur Resozialisierung solcher Täter?
 
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David

Moderner Nomade
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Ich würds so zusammenfassen:
Gala: Nachfragepolitik ist besser als Angebotspolitik und benötigt hin und wieder auch Schulden.
Ich: Wir müssen die Neuverschuldung in den Griff bekommen, was aber nicht heissen muss, jedes Jahr exakt ne schwarze Null zu schreiben.
Für mich ist das eigentlich kein Widerspruch, mir gings nur um die angedachte Umgehung der Schuldenbremse, nicht darum, wofür das Geld ausgegeben wird.

Was die Wirksamkeit von wirtschaftspolitischen Maßnahmen angeht (->anderes Thema) würd ich nicht unbedingt "egal" sagen, sondern "auf die Mischung kommts an". Alle Staatsausgaben (zB fürs Sozialsystem) zu streichen um die Steuern senken zu können bringt natürlich genausowenig wie Steuern von 75% auf alle Einkommen und Gewinne, um damit die Staatsausgaben pushen zu können.

Ich sage nicht, daß Keynes Unsinn erzählt hat, sehe aber einige praktische Probleme bei der Umsetzung (das gilt für angebotsorientierte Maßnahmen btw. genauso) und bin vor allem der Meinung, daß mans nicht übertreiben darf: Es ist für mich OK, wenn man in der Krise sinnvolle Investitionen (Renovieren von Schulen, Infrastrukturmaßnahmen etc.) vorzieht und vor allem keine Ausgaben kürzt um sofort zu sparen, aber in Anbetracht der Finanzierung darf sowas auch nicht ausufern.
Zumal die Sozialsysteme in Krisenzeiten ganz automatisch gegensteuern, indem sie verhindern, daß die Arbeitslosen gar kein Einkommen mehr haben. Damit haben wir also schon ein großes nachfragepolitisches Instrument, das ganz automatisch die Staatsausgaben antizyklisch steigen und sinken lässt, auch wenn das natürlich nicht der Hauptsinn der Sozialsysteme ist.

Und normalerweise müsste man die Schulden wie gesagt auch wieder zurückzahlen, wenn die Krise vorbei ist. Nur das wäre für mich echte keynesianische Politik, würde man sich daran halten und für die Finanzierung die Steuern nicht über alle Maße erhöhen müssen (Stichwort auf die Mischung kommts an), hätte ich damit kein Problem. Nur sehe ich aktuell keine Partei, die den Teil mit dem soliden Haushalt hinbekommen würde, die Frage ist nur, ob man Schulden für weniger Steuern oder die Stützung der Nachfrage macht. Langfristig gesehen werden die Schulden damit zu einem viel größerem Problem als die Frage, welche Wirtschaftspolitik aktuell besser wäre, um auf die Krise zu reagieren.

PS.:
In unserer Situation ist es eigentlich schon Nachfragepolitik pur, die Staatsausgaben wenigstens konstant zu halten, genauso wies reine Angebotspolitik ist, die Steuern wenigstens nicht zu erhöhen.
Solange wir in der Krise sind, kann man Beides noch akzeptieren, aber danach müssten eigentlich die Steuern rauf (wenn mans mit der Nachfragepolitik hält) bzw. die Staatsausgaben runter, oder ne Mischung aus beiden.
Diskutiert wird aber, wo wir Steuern senken oder Ausgaben erhöhen sollten, so als gäbs was zu verteilen. Da stimmt einfach die Perspektive nicht mehr. (Das ist das, was ich mit "über die Verhältnisse leben" gemeint hab)
 
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Gala

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Andere Länder schaffen das mit dem Entschulden schon, nur die Deutschen haben sich diesbezüglich nicht mit Ruhm bekleckert, vgl die Wikipedia Seite von Karl Schiller, dem Wirtschaftsminister der ersten großen Koalition 1966 - 1969 und der Wirtschafts- und zweitweise sowohl Wirtschafts- wie Finanzminister Willy Brandts:
Am 2. Juli 1972 legte er schriftlich seine Rücktrittsmotive nieder: „Ich bin nicht bereit, eine Politik zu unterstützen, die nach außen den Eindruck erweckt, die Regierung lebe nach dem Motto: Nach uns die Sintflut.“ Damit meinte er die zunehmende Staatsverschuldung, zu deren Reduzierung der Bundeskanzler nicht bereit war.


P.s.: Man kann nur betonen, das die Politiker mit "Gürtel enger schnallen" meinen, das die Bürger weiter Lohnverzicht üben sollen. So als ob wir uns weiter im Export gesundstoßen könnten.

Davids Verwendung dieser Redewendung ist deßhalb extrem irreführend, da er damit die Meinung vertritt, das der Staat seine Ausgaben auch finanzieren und nicht immer mehr Schulden anhäufen sollte. Was etwas völlig anderes ist.
 
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Veldryn

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@Olome: Ehrlich gesagt, ja. Ich finde es weniger schlimm, wenn ein Unschuldiger seines Sexualtriebes beraubt durchs Leben geht als wenn ein Unschuldiger dieselbe Zeit (= die Zeit, in der er als schuldig gilt) im Gefängnis verbringen muss. Aber das mag Ansichtssache sein. Ich würde ersteres wählen. ;)
Und wie gesagt: die Maßnahme ist jederzeit rückgängig zu machen (im Gegensatz zur Todesstrafe, z.B.).
 

Diarmuid

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@Veldryn: Da geht's aber aber darum, dass diese Leute zuerst in den Knast müssen und sich danach dieser Behandlung zu unterziehen haben. Ein Unschuldiger würde also quasi doppelt bestraft.
 

Gala

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Ganz krasses Interview mit einem gewissen Jean Ziegler (Wie man wohl auf einen französischen Vor- und einen deutschen Nachnamen kommt?) auf Telepolis.
Der Titel meines Buches "Der Hass auf den Westen" kann schockieren. [...] es gibt den vernunftgeleiteten Hass, den Willen zum Aufstand gegen die kannibalische, vom Westen über den Planeten errichtete Weltordnung. In Bolivien zum Beispiel ist seit 3 Jahren zum ersten Mal seit 500 Jahren ein Indianer demokratisch gewählter Präsident. Eine unglaubliche Identitätsbewegung ist im Gange, eine demokratische Widerstandsbewegung, die aus den fünf großen indianischen Völkern des Andenhochlandes hervorgeht. Evo Morales hat dank dieser Widerstandsbewegung die Macht, über 200 ausländische Konzerne zu übernehmen und ganz neue Bedingungen zu diktieren. Plötzlich hat dieser bitterarme bolivianische Staat das Geld, sein Volk aus dem Unglück und dem Hunger zu führen. Das ist der vernunftgeleitete Hass.
 

Veldryn

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@Diarmuid: Ok. Einen Unschuldigen zu bestrafen, ist egal wie, nicht richtig, aber kann bei jeder Art Strafe passieren. Wirklich fatal (weil unumkehrbar) ist das aber dennoch bei dieser Art Strafe nicht, ebenso wie bei einer Haftstrafe - daher mein Vergleich. Nun müsstest du aber im Gegenzug dann aber auch eine Verlängerung der Haftstrafen (wie in Polen eingeführt und in vielen anderen Ländern wie z.B. D oft genug gefordert) für Triebtäter kritisieren - denn auch dabei könnte ja ein Unschuldiger viel länger ohne Grund bestraft werden. ;)
Im Ernst: egal welche Strafe, den "Haken" hast du immer. Einem Unschuldigen wird bei einer Verurteilung in jedem Fall ein großes Stück seines Lebens zerstört. Solange es nicht endgültig ist (wie die Todesstrafe), lässt sich da jedoch in jedem Fall etwas retten (egal ob Abbruch der Behandlung oder Entlassung aus dem Knast - je nach Zeitpunkt der Aufklärung des Falls).
 

Danako

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@Gala
Jean Ziegler ist Schweizer, was deine Namensfrage erklärt. Ferner ist er Politiker, Soziologe, war UNO-Sonderberichtserstatter für Recht auf Nahrung (von ihm stammt der Satz: "Jedes Kind, das heute verhungert wird ermordet.") und früher mit Che Guevarra bekannt. ;)
 
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Gala

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@Danako: Dieser Satz steht genau so im verlinken Interview. :D
 

David

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@Gala:
Welche Länder haben denn vor der Krise ihre Schulden ernsthaft in den Griff bekommen ?
(Zumindest die in der von dir verlinkten Grafik haben 2006 alle noch Miese gemacht, obwohl da die Konjunktur noch gut lief)

So gut wie die Konjunktur da (scheinbar) lief, hätten wir (und alle Anderen) eigentlich längst nen ausgeglichenen Haushalt haben müssen. Es gab ja die Situation, wo die unerwarteten Steuermehreinnahmen die geplante Neuverschuldung überschritten haben. Jeder normale Mensch würde dann nen Plus machen, nur die Politiker haben selbst diese unerwarteten Mehreinnahmen noch irgendwo ausgegeben und am Ende doch wieder Schulden gemacht. :rolleyes:
Das ist, wie wenn ich heute 6 richtige im Lotto hab und dann so plane, als hätte ich die in Zukunft in jedem Monat. :D

Das wäre eigentlich genau die Zeit gewesen, wo man sich Luft hätte verschaffen müssen, um jetzt in der Krise einen etwas größeren Spielraum zu haben.

PS.:
Wenn ich von Sparen rede, meine ich beide Seiten: Um die bestehenden sinnvollen Ausgaben beibehalten zu können, müssen die Steuern rauf, aber es gibt auch Ausgaben (vor allem Subventionen), an die man rangehen könnte, ohne großen Schaden anzurichten. Andere Ausgaben (vor allem Bildung) sollte man dagegen sogar erhöhen, weil sich das langfristig gesehen sogar finanziell rechnen wird.

Das jeder Politiker solche allgemeinen Redensweisen so verstehen will, daß es zu seiner politischen Grundhaltung passt, versteht sich von selbst.
 
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Danako

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@Gala
Ich habe den Satz das erste Mal im Dokumentarfilm "We feed the world" gehört. Du musst es dir zudem im allerschlimmsten Schweizerakzent ausgesprochen vorstellen. :D
 

Gala

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@David: die von mir verlinke Wikipedia-Grafik zeigte nur die USA, Japan und Deutschland. Und die haben sich alle noch nie bei diesem Thema mit Ruhm bekleckert. :D Japan schon gar nicht, die haben ja inzwischen eine Extremverschuldung.
 

David

Moderner Nomade
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Soweit ich mich erinnern kann, waren überzogene Konjunkturprogramme in den 90ern daran nicht ganz unschuldig, ich glaub, die haben damals sogar Konsumgutscheine verteilt wie das ja vor einem Jahr auch hier mal die Runde gemacht hat. In der Schule war das immer das Musterbeispiel dafür, daß Konjunkturprogramme nicht über jedes Problem hinweghelfen können.

Aber welche Länder warens denn, die ihre Finanzen wenigstens auf dem Höhepunkt der aufgeblähten Konjunktur ausgeglichen haben ?
Die Grafik zeigt ja auch noch nen EU-Schnitt, und der war auch negativ, wirklich viel bleibt da ja nicht über. (China wahrscheinlich, aber das ist ja nicht direkt vergleichbar mit westlichen Ländern)

PS.:
Schaut so aus, als hätte Schäuble nen neuen Job:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,656922,00.html
 
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Chinasky

Dirty old man
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@Veldryn:
Neu ist jetzt nur die Verpflichtung dazu bei jedem Straftäter, der in die entsprechende Kategorie fällt. Insofern... ändert das etwas an der ethischen Frage? Ob es bei einigen gemacht wird oder bei allen, spielt für die ethische Grundsatzfrage keine wirkliche Rolle - sondern nur, ob es überhaupt gemacht werden darf, oder?

Für mich ist das durchaus ein entscheidender Unterschied. Damit werden Täter nicht mehr als Individuen betrachtet, sondern als austauschbare Elemente einer Kategorie. Auch wird so eine ganze Verbrechenskategorie aus dem Bereich des ethisch Relevanten in den Bereich des biologisch Relevanten verschoben. Selbst ich als als Naturalist habe Bedenken, wieweit wir hier Menschen auf Krankheitsfälle reduzieren und so die moralische Dimension gänzlich ausklammern dürfen. Wenn es sich bei den Handlungen des Pädophilen um Symptome seiner Krankheit handelt, dürfen wir ihn nach meinem Verständnis eigentlich gar nicht mehr bestrafen. Warum dann also noch die Gefängnisstrafe? Hier kommt aber auch die Fragwürdigkeit des Konzepts der "anschließenden Sicherheitwverwahrung" wieder zum Vorschein. Wenn wir davon ausgehen, daß ein Mensch für den Rest der Bevölkerung eine Gefahr darstellt durch sein So-Sein, das zu ändern wir ihm nicht zutrauen, dann können wir ihm aus ethischer Sicht keine Verantwortung für seine Taten zuordnen. Persönlichkeit und "Krankheitsbild" sind in so einer Betrachtungsweise eigentlich deckungsgleich.

Da müssen wir uns als Gesellschaft dann m.M.n. schon Gedanken darüber machen, was für ein Menschenbild wir überhaupt vertreten. Beispielsweise ist ja wohl die Frage relevant, ob wir von einer prinzipiellen Entscheidungs - und damit Handlungsfreiheit der Delinquenten ausgehen. Wenn wir dies tun und daraus das Recht der Gesellschaft auf Sanktionierung von gegen die Normen verstoßenden Handlungen ableiten - dann können wir nicht gleichzeitig behaupten, ein Pädophiler könne sich nicht gegen seine übergriffigen Handlungen entscheiden. Wer also die Pädophilen regelmäßig chemisch "ruhig stellen" will, der bestreitet damit genaugenommen, daß diesen Menschen eine moralische Verantwortung für ihr Tun zuzuordnen ist. Der muß sich dann aber gegen eine Bestrafung dieser Leute aussprechen, denn es entspricht ja nicht unserer moralischen Auffassung, daß man Menschen für die Symptome ihrer Krankheiten bestrafen sollte.

Da kommen wir in ein gehöriges Dilemma - weil zwei kaum vereinbare Menschenbilder hier aufeinandertreffen: Einmal das Bild des freien und damit für seine Handlungen verantwortlichen Menschen - und einmal das Bild des determinierten Menschen.

Eine Zwickmühle, meiner Meinung nach, welche die unserem gesamten Rechtssystem zugrundeliegende Widersprüchlichkeit aufzeigt. Denn das Menschenbild unseres Rechtssystems ist eben nicht wirklich geklärt: Es kommt aus einer Zeit, in welcher man die Menschen als "moralisch frei" betrachtete, und damit als vollverantwortlich für ihre Taten. Ob man dies nun als religiöse oder philosophisch idealistische Betrachtungsweise bezeichnet, ist sekundär. Jedenfalls ist es ein Menschenbild, welches umso fragwürdiger wird, je mehr wir darüber herausfinden, wie Menschen "funktionieren". Die deterministische Realität kommt uns immer mehr in die Quere. ;)

Wollte man konsequent sein und die Lehren aus unseren wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Menschen ziehen, so müßte man zu einer eher hinduistischen Betrachtungsweise in juristischen Angelegenheiten kommen, d.h. nicht mehr dafür bestrafen, was einer getan hat, sondern dafür, was einer ist. Kharma... Verbrecher wird also nicht, wer eine verbrecherische Tat begeht - sondern Verbrecher ist man so oder so schon, und die Tat ist nur noch Symptom oder Ausdruck der "Verbrechernatur".

Wenn wir Verbrechen und damit Menschen aus einer derart deterministischen Perspektive betrachten, stellt sich m.M.n. die Frage, warum wir dies auf die Fälle der Pädophilen begrenzen. Was ist mit Gewalttätern? Wäre es nicht richtig, die dauerhaft medikamentös zu sedieren und damit weiteren Gewaltausbrüchen vorzubeugen? Und wohlgemerkt: Gewalttäter sind nach dieser Betrachtungsweise schon Gewalttäter, bevor sie eine gewalttätige Tat begangen haben!
Aus dem juristischen wird dann ein diagnostisches Problem: Wie finden wir im Sinne der Verbrechensprävention heraus, welche Gewalttäter behandlungsbedürftig sind? Vielleicht, indem wir schon bei den Kleinkindern den Hormonhaushalt überprüfen?
 

Darghand

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Man lese "Überwachen & Strafen" von Michel Foucault.

Die Lektüre ist zwar unglaublich anstrengend und hochkomplex, aber sehr lohnenswert und die Erkenntnisse lassen sich hervorragend auf die gegenwärtigen Überwachungs- und Disziplinierungsdiskurse anwenden.
 

Gala

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Sicherheitsverwahrung gibt es nicht für Menschen, weil diese keine Willensfreiheit besitzen.

Sicherheitsverwahrung gibt es für Menschen, die
(a) eine starke Disposition zum schweren Verbrechen, d.h. zu Gewaltakten gegen andere Menschen, haben, und
(b) klar den Willen erkennen lassen, sich nicht gegen diese Eigendisposition zu wehren.

Mit anderen Worten, es geht um Menschen, die ihre Strafe abgesessen haben, von denen man aber weiß, das sie andere Menschen bereits gefoltert oder getötet haben, und von denen man mit ausreichender Sicherheit weiß, das sie wieder foltern und töten werden, sollte man sie freilassen.

Insbesondere betrifft Sicherheitsverwahrung eigentlich auch nicht die Justiz an sich, denn es handelt sich um keine Strafe. Eigentlich sollte Sicherheitsverwahrung deßhalb von Gefängnispsychologen angeordnet werden, nicht von Richtern.

Deßhalb sehe ich auch die Probleme, die Hank sieht, nicht. Auch eine chemische Kastration ist keine Strafe. Die Frage ist für mich auch viel mehr, ob die chemische Kastration in der Praxis überhaupt funktionieren kann. Meines Wissens gibt es auch Gegenmittel gegen diese Medikamente - wie soll man verhindern, das der Betroffene solche Mittel nimmt ?
 

Ribalt

Ork-Metzler
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Die von der chemischen Kastration betroffenen wollen häufig gar nicht mehr *normal* sein.
 

Chinasky

Dirty old man
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@Gala: Ich sehe ja in der chemischen Kastration auch keine "Strafe" - sofern sie freiwillig ist. Es geht darum (und deswegen brachte ich die Sicherheitsverwahrung nochmal mit ein in die Diskussion), daß die Täter zuerst bestraft werden und die chemische Kastration dann noch zusätzlich kommt. So, wie ich's verstehe, ist die chemische Kastration die Reaktion auf eine angebliche krankhafte Disposition - dann muß man davon ausgehen, daß die Taten eben nur Symptome waren. Und dann darf man für diese Taten auch nicht noch strafen - denn was kann ein kranker Mensch dafür, daß er Symptome der Krankheit zeigt?

Zur Freiwilligkeit: Aufhänger ist ja die Gesetzesänderung in Polen, nach welcher alle Pädophilen mit der chemischen Keule behandelt werden sollen. Da wird also gar nicht mehr das einzelne Individuum gefragt, also fällt Dein unter b) angeführtes Argument fort.

@Darghand: Ist mal notiert. Als wenn sonst nix auf meiner "to read"-Liste stünde... :shine:
 
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