Politik, 7. Staffel

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Olome Keratin

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@David: Bezüglich gute Deutsche:
Als obs unsere Schuld wäre, wenn man in Griechenland die Steuern nicht eintreibt oder sinnlose Jobs in der Verwaltung schafft. Oder als ob die deutsche Exportindustrie mit 1-Euro-Jobbern arbeiten würde oder als ob es verwerflich wäre die wettbewerbsfähigkeit nicht an Europa sondern an der ganzen Welt festzumachen.

Von bösen Märkten les ich nichts, auch nicht davon, dass nicht genug Geld da wäre oder irgendetwas in der Richtung. Am Ende der Seite geht es um einen Vergleich mit Spanien. Seite2 wäre ein neuer Artikel namens "Die europäischen Defizitkreisläufe". Hab ich bis jetzt tatsächlich nicht gelesen.
 

David

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Da gehts doch nicht um gut oder böse, sondern darum, das da immer wieder Sachen zusammengeworfen werden, die höchstens am Rande miteinander zu tun haben.

Natürlich sind wir wettbewerbsfähiger als Griechenland, so dass deren Wirtschaft dadurch Probleme hat, genauso wie wir Probleme mit China oder Japan haben, weil die in manchen Bereichen besser sind als wir. Aber wenn man zB Steuerhinterziehung im großem Umfang zulässt oder eine ineffektive Verwaltung hat, ist das fast schon nebensächlich, weils der Staat ja eh nicht schaffen würde, einen angemessenen Teil der Wirtschaftsleistung abzuschöpfen, egal wie hoch die ist.
Btw. sind wir da ja eher noch schlechter: Wir haben zwar eine starke Wirtschaft, aber der Staatshaushalt ist trotzdem marode hoch 3. Spätestens hier greift die Ausrede mit den fiesen Exporten der Anderen nicht mehr.

Und was Hartz 4 und die Exportindustrie angeht: Ich hab bis heute keine Statistik gesehen, wonach in der Exportindustrie ein größerer Anteil an Niedriglohnempfängern arbeiten würde als in anderen Wirtschaftsbereichen. Wenn aber die Exportindustrie gar nicht überproportional davon profitieren würde, ists Unsinn das als Programm zur Förderung des Exports zu bezeichnen. (Die Frage, ob Hartz 4 einen wirklich dazu nötigt einen Job anzunehmen, für den man effektiv kaum mehr verdient ist eh nochmal ne Andere)

PS.: Ich hab mich auf den letzten Artikel / die letzte Seite bezogen, wos mal wieder darum ging, dass wir nicht mehr genug Arbeit für alle haben. Aber wenn du auch nur einmal die Woche was auf TP liest, haste das eh schon gelesen, das kommt da immer wieder. :D
 
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Darghand

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Du hast bis heute nicht einen überzeugenden Grund dafür genannt, warum es einen Zusammenhang zwischen Produktivität und Lohnniveau geben sollte. Da diese Produktivitätssteigerung in der Regel nicht durch besser ausgebildete Arbeiter sondern durch bessere Maschinen (sprich Kapitaleinsatz der Arbeitgeber) zustande kommt, ist das völlig unsinnig.

Mh, sicher. Und das Kapital fällt vom Himmel, oder was? Ich befürchte ja mal, bevor man es zum Kauf von Maschinen oder Arbeitern einsetzt, muss es irgendwie erwirtschaftet werden - gemeinhin über den gewinn- i.S.v. überschuss bringenden Verkauf des vorher produzierten Mumpitz. Es steht ebenso zu befürchten, dass sich der Kapitaleinsatz dahingehend rentieren muss, als dass das Mehr an maschinenproduziertem Mumpitz wiederum gewinnbringend veräußert werden muss. Geschieht das nicht, ist der Arbeitgeber ein Idiot, seinem Posten nicht gewachsen und findet sich nach der Insolvenz bald neben den Leuten wieder, die vorher bei ihm am Band standen. Was nun? Üblicher Ausweg aus solcherlei Bredouille ist der Gang zur Bank, wo sich auch der Kapitalist mit Kapital versorgen kann, bei dem die auf üblichem Weg erfolgende Erzeugung desselben nicht so doll hingehauen hat. Pferdefuß: der Einsatz von diesem Kapital muss sich per Verkauf der mehr-produzierten Waren sogar noch mehr lohnen, denn es hängt auch noch Zins dran, der je nach Großwetterlage, Feierabendlaune und Würfelglück unterschiedlich hoch ausfällt.

Ansonsten gibst du die Antwort selber:

Und die 'Produktionsüberschüsse' hätten sich auch ganz anders erledigen können: Die Kaufkraft fehlt, es gibt keine unverantwortlichen Konsumkredite, das Zeug kauft niemand, also wird die Produktion eben eingestellt.

Genau dieses Szenario ist weder in der VWL noch in der sonstigen politischen Ökonomie auch nur ansatzweise vorgesehen: es ist schlichtweg gleichbedeutend mit einem Ende des Wachstums und, bedingt durch die Einstellung der Produktion, mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Innerhalb der Systemlogik, die du beständig bestreitest, kann es gar keinen anderen Weg geben als auf irgendeine Art und Weise sicher zu stellen, dass die Konsumtionsmittel (Lohn, Renten usw.) ausreichen, um die Produktionszuwächse aufzukaufen. Weiter gedacht bedeutet das, dass ein Mittel zur Produktivitätssteigerung nicht genutzt wird - geh in deine Uni-Bibliothek, zur Abteilung Wirtschaftsgeschichte: du wirst nicht ein einziges historisches Beispiel dafür finden.
Wenn du dort schon bist, such dir Literatur zu den bisherigen Wirtschaftskrisen raus (von denen es nun wahrlich genug gibt). Insbesondere die frühen Krisen zeichneten sich stets durch eine Diskrepanz von Lohnniveau, Produktivität und Überakkumulation aus - das ist schlicht die klassische und immer wieder auftretende Krise des Kapitalismus. Die Krise sorgt - in den meisten Fällen - für eine drastische und gewaltsame Korrektur dieser Diskrepanzen. Etwa auf genau die Art und Weise, die du oben geschildert hast: Stilllegung von Produktionskapazität, Ansteigen der Arbeitslosigkeit, weiterer Verfall der Nachfrage bis sich beides ungefähr wieder angleicht.
Beschäftige dich mal mit dem sogenannten "Goldenen Zeitalter", also den 50er und 60er Jahre: deren Erfolg bestand zum einen aus der massenhaften Durchsetzung einer Technologie, die schon zwei Jahrzehnte alt war - dem Fließband. Nur: ohne einen im Vergleich zu den Vorjahrzehnten überdurchschnittlichen Anstieg des Lohnniveaus wäre dieser Zeitabschnitt ebenso ökonomisch instabil gewesen wie die 20er und 30er Jahre, deren Krise im Grunde erst mit der defizitären Kriegswirtschaft beendet wurde. Das Wachstum und die Stabilität des Fordismus waren nur möglich, weil sich die Erzeuger der (mehr-)produzierten Waren diese auch selber leisten konnten.


Das wir diese Probleme verdrängt und dabei einen Schuldenberg angehäuft haben der uns jetzt um die Ohren fliegt ist einfach unsere eigene Dummheit, nicht nur der böse Willer irgendwelcher Spekulanten.

Da isser wieder, der Westentaschen-Anthropologe. Vorschlag zur Güte: es ist zu 50% Dummheit, und zu 50% systembedingt. Preisfrage: woran lässt sich eher was ändern?
 

Olome Keratin

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@David: Den Zusammenhang siehst du einfach, wenn du dir die allgemeine deutsche Lohnentwicklung anschaust. Die Löhne steigen überall seit Jahren weniger als in anderen Ländern, zuletzt sind sie glaube ich sogar gesunken (die Bruttolöhne wohlgemerkt). Das betrifft natürlich nicht nur die Exportindustrie, aber auch diese.

Wir haben zwar eine starke Wirtschaft, aber der Staatshaushalt ist trotzdem marode hoch 3.
Was aber an der deustchen Steuerquote liegt. Bei dem Vermögen, was wir im Land haben, gibt es keinen Grund für ein öffentliches Defizit. Und wie aus den ganzen Grafiken entnehmen kannst, hat Deutschland im gegensatz zu den meisten anderen Eurostaaten einen leistungsbilanzüberschuss.
 

David

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Wenns danach geht ist aber selbst ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, des Gesundheitswesens oder der Hochschulen ein Programm zur Förderung des Exports, weil es <b>auch</b> dem Export hilft. :D
Ich persönlich sehe das ja eh nicht negativ, es wäre ziemlich dumm von uns die wenigen Stärken, die wir noch haben, nicht zu fördern. Im Ergebnis würde das Einkommen in Deutschland nur noch weiter sinken und andere Exporteure würden sich über unsere Dummheit ins Fäustchen lachen. Aber wenn schon ist eine geringfügige Senkung der Lohnkosten ein Programm zu generellen Förderung der Wirtschaft, nicht zum gezielten Ausbau des Exportes.

Das zu einer Sanierung des Haushaltes auch höhere Steuern und eine Bekämpfung der Steuerhinterziehung (auch der legalen Schlupflöcher) gehört hab ich ja schon mehrfach geschrieben. Im Grunde könnten wir da jetzt gemeinsam mit Griechenland mit anfangen anstatt auf den Beginn der angeblichen Verbindlichkeit der 'Schuldenbremse' (wers glaubt wird seelig :rolleyes: ) in ein paar Jahren zu warten.

@Darghand:
Auf Dauer wäre es aber billiger und krisenresistenter gewesen, Arbeitslosigkeit zu finanzieren als Jobs mit Krediten künstlich am Leben zu halten, die eigentlich nicht mehr haltbar sind. Und wenn man das gemacht hätte, hätte man auch viel früher gelernt mit hoher Arbeitslosigkeit zu leben.
So fliegen uns halt jetzt die Kredite um die Ohren, das liegt nur nicht an der Marktwirtschaft (in Abgrenzung zu Subsidenz, Planwirtschaft oder dem Himmelreich auf Erden), sondern einfach nur am schlechtem Wirtschaften auf allen Ebenen, vom einzelnen Kreditnehmer über die Banken bis zum Staat. Auf die eine oder andere Weise rächt sich das in jedem System.

Und im Gegensatz zum 'goldenem Zeitalter' fehlen uns heute einfach die neuen Jobs. Wenn die Leute, die in der alten Industrie arbeitslos werden, neue und sogar besser bezahlte Jobs in einer neuen Industrie finden, steigt die Lohnsummer des ganzen Landes und alle sind glücklich. Wenns aber keine neuen Jobs gibt, helfen auch individuelle Lohnsteigerungen in der alten Industrie nichts mehr, noch dazu in einer Situation, wo das dazu führen könnte, das diese Jobs auch noch verschwinden. Die Lohnsumme auf nationaler Ebene bekommt man so oder so nicht mehr so stark gesteigert, das das Modell von vor 50 Jahren durchzuhalten wäre.
Der einzige Ausweg ist im Moment die Erschließung neuer Märkte, denn in den Schwellenländern steigt die Lohnsumme ja weiter an. Also gibts da doch noch neue Absatzmöglichkeiten. Im Grunde ist das dasselbe Prinzip, nur diesmal auf globaler statt nationaler Ebene.
Das Problem ist, das früher viele Menschen im Ausland sowohl als Produzent wie auch als Konsument nicht gebraucht wurden, während das heute viele Menschen bei uns betrifft. Insofern ist das eigentlich auch nichts Neues, wir sind nur geschockt, dass es diesmal auch uns trifft und nicht immer nur die Anderen.

Wenn man sich den Aspekt der Staatsverschuldung rausgreift kann man das Problem btw. sogar auf die Demokratie zurückführen, weil es anscheinend nicht möglich ist, dem Wähler einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu verkaufen. Das heisst aber natürlich nicht, dass eine Diktatur besser wäre, denn erfahrungsgemäß schneidet die selbst dann schlechter ab, wenns nur um die Wirtschaft geht. Die Parallelen zu Marktwirtschaft/Sozialismus dürften offensichtlich sein. (Sowohl zur Demokratie als auch zur Marktwirtschaft fallen einem sofort zig Probleme ein, aber nichts was unterm Strich besser wäre)

PS.:
Mangels besserem Alternativsystem liese sich am leichtesten was an der Dummheit ändern. Aber dafür sind wir wohl zu dumm. :D
 
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Micha

Kutte
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Hm, Diktatur und Marktwirtschaft haben doch bisher stets wunderbar harmoniert? :hae:
 

Ysrthgrathe

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Danke für den Link, schöner Artikel.

Die ersten Seiten finde ich gut und nachvollziehbar.
Die letzte Seite ist mir aber ein bisschen zu marxistisch.
Sie beschreibt doch im wesentlichen, dass Kapitalismus nie funktionieren kann.

"Letztendlich ist der Kapitalismus schlicht zu produktiv für sich selbst geworden."
Der Kapitalismus ist doch nach dieser Logik von Beginn an zu produktiv für sich selbst, oder worin liegt die neue Entwicklung?

"die Krise ist nicht drei Jahre, sondern 40 Jahre alt"
Warum also nur 40 Jahre?

"Dem kapitalistischen System ist die – bewunderte wie gefürchtete – Dynamik eigen, seine Produktion beständig zu revolutionieren und mit permanenten Produktivitätsfortschritten sein eigenes ökonomisches Fundament zu untergraben."
Ich finde irgendwie schon, dass unsere Lebensverhältnisse heute besser sind als zu Beginn des Kapitalismus im 18 Jahrhundert, oder? Ist das kein Widerspruch zu der obigen Behauptung?

"Zudem könnten militärisch potente Staaten versucht sein, ihren ökonomischen Abstieg mit militärischen Mitteln aufhalten zu wollen. Wie dieses Unterfangen nach Ausbruch der letzten Weltwirtschaftskrise von 1929 endete, ist hinlänglich bekannt."
Den zweiten Weltkrieg als logische Folge des kapitalistischen Systems zu begreifen klingt ein bisschen wie aus einem DDR oder Sowjetunion Schul-Lehrbuch.

@David
Aber wenn schon ist eine geringfügige Senkung der Lohnkosten ein Programm zu generellen Förderung der Wirtschaft, nicht zum gezielten Ausbau des Exportes.
Was haben die Menschen von einer Förderung der Wirtschaft wenn dadurch das allgemeine Lohnniveau sinkt? Mehr Dinge, die sie sich jetzt nicht mehr leisten können?
 

David

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Wer sagt denn das ohne solche Maßnahmen das Lohnniveau nicht noch stärker absinken würde ?
Im Ergebnis ist das immer das Produkt aus Anzahl der Jobs und dem durchschnittlichem Lohn, und Ersteres entzieht sich jeder Kontrolle durch die Politik.

@Micha:
Normalerweise konnte man doch eher davon ausgehen, dass Diktaturen sich (egal ober per Markt- oder Planwirtschaft) wirtschaftlich ruinieren und damit am Ende scheitern und auch keine Chance haben, von der Bevölkerung akzeptiert zu werden.

In dem Zusammenhang macht mir China sorgen, weil da zumindest die gesamtwirtschaftliche Performance stimmt, wenn man jetzt noch die Innenpolitik ändert, könnte da am Ende eine wirtschaftlich überlebensfähige Diktatur/Autokratie entstehen. Das wäre für die westlichen Länder auch in der Hinsicht ein Problem, denn ob die Demokratie für sich, d.h. bei ausbleibendem wirtschaftlichem Erfolg, immer noch im selben Umfang akzeptiert wird, kann man zumindest bezweifeln.

Mit der Parallele zwischen Demokratie/Marktwirtschaft meinte ich nur, das Beide weit davon entfernt sind perfekt zu sein, aber das es zu Keinem eine überzeugende Alternative gibt. Und bei Beiden machts keinen Sinn ihre Schwächen zu bekämpfen, dabei aber auch deren Stärken zu beseitigen.
 
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Micha

Kutte
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Der Kapitalismus hat sich doch in Diktaturen überhaupt erst entwickelt über die letzten 1000+ Jahre? Klar mit Krisen, aber der Einzug der Demokratie als herrschende Staatsform der westlich geprägten Staaten ist im Vergleich dazu eher jung. Abgesehen davon gab und gibt es jede Menge Diktaturen auf der Welt, die wunderbar von der Finanzwelt und den Großkonzernen hofiert wurden und werden, denn dort gibt es in vielen Bereichen für den freien Markt geradezu paradiesische Bedingungen (keine Arbeitnehmerrechte, oft geringe bis keine Umweltauflagen etc.)

Und China ist mit der Welt mittlerweile so verflochten, die werden genauso weggerissen wie alle anderen auch.

Die Frage ist auch meiner Meinung nach eigentlich nicht, ob "eine Demokratie noch akzeptiert wird", sondern ob die bestehende Kluft zwischen Arm und Reich noch akzeptiert wird.
 

David

Moderner Nomade
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Was genau Marktwirtschaft oder Kapitalismus sein soll definiert sich ja eh jeder anders, aber mir gings weniger um die Verknüpfung von Staats- und Wirtschaftsform als darum, wie gut ein Staat generell wirtschaftet. Und da ists doch schon so, dass Diktaturen oft auch an der Wirtschaft gescheitert sind, während die meisten längerfristig wirtschaftlich erfolgreichen Länder Demokratien sind. (Dieser Vergleich macht natürlich nur in jüngster Vergangenheit Sinn, nicht in Zeiten, wos keine bis kaum Demokratien gab)

Ist halt die Frage, in wievielen dieser Länder die Demokratie sich nur deshalb halten kann, weil es den Leuten gut bzw. wenigstens besser als früher geht. Einen echten Härtetest haben wir was das angeht auch in Deutschland noch nicht bestanden.
 
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Mindriel

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Ich habe von Wirtschaftszusammenhängen herzlich wenig Ahnung, aber ein Punkt der mir in den verlinkten Artikeln aufgefallen ist:
Der Euro nahm den südlichen Euro-Ländern die Möglichkeit, mittels einer Währungsabwertung die Konkurrenzfähigkeit ihrer Wirtschaft zumindest partiell wiederherzustellen.
Irgendwie gibt einem das zu denken. Konsequent weiter gedacht heißt das doch, dass auf Dauer die gemeinsame Währung ein Riesenproblem wird, weil es mehrere Länder gibt, die die Leistungsbilanzdefizite (hoffe der Begriff stimmt..) nicht wie vorher kompensieren können, sondern jetzt über mehr und mehr Schulden decken müssen. Katastrophe vorprpgrammiert.
Würde mich über mehr Erläuterungen dazu freuen, und wie und ob man mit diesem Problem irgendwie aktuell umgeht.

Angenehme Träume,
Mindriel
 

Micha

Kutte
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Aktuell wird da garnix gemacht, weil nix gemacht werden kann. Die einheitliche Währung und die Unmöglichkeit für nationale Regierungen, einfach mal so Geld zu drucken und auch Schulden "wegzuinflationieren" lassen da einfach keinen Spielraum. (*)

Die Kreditgeber sind ja auch nicht per se gegen ausufernde Staatsschulden - denn Kreditgeber sind zu guten Teilen wieder Banken, die über die Zinsen ihre Rendite erwirtschaften können. Nur dass ein Staat pleite geht (und die Schulden dann mit einem Mal quasi null sind) würde dort weh tun, deshalb zögert man dieses Szenario auch so lange wie möglich hinaus. Man darf auch nicht vergessen, dass die Staatsschulden eine der größten Umverteilungsmechanismen von unten nach oben darstellen - denn die Zinsen werden aus den Staatshaushalten erbracht, also aus Steuergeldern, also von der gesamten Bevölkerung, während nur wenige Promille davon profitieren.

(*) Edit sagt: Die Europäische Zentralbank hat ihr Aufkaufverhalten geändert, damit griechische Banken trotz der Herabstufungen noch an Geld kommen können: http://www.boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_433088
 

Darghand

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"Letztendlich ist der Kapitalismus schlicht zu produktiv für sich selbst geworden."
Der Kapitalismus ist doch nach dieser Logik von Beginn an zu produktiv für sich selbst, oder worin liegt die neue Entwicklung?

Wie kommst du darauf? Die marxistische Analyse geht davon aus, dass sich bestimmte Gesetzmäßigkeiten in jeder konkreteren Ausformung kapitalistischer Gesellschaften finden. Je nach dem, welcher Schule man gerade anhängt ;), wird eine Art von linearer Entwicklung des Kapitalismus angenommen (Lenin, Luxemburg, Hilferding), die auf eine "Endkrise" hinausläuft, oder die Gesamtgeschichte wird in Perioden aufgeteilt. Im zweiten Fall wird anschließend geschaut, welche politischen und gesellschaftlichen Institutionen die grundlegenden Widersprüchlichkeiten des Systems temporär über eine bedeutende Zeitspanne so stabilisieren, dass die Kapitalverwertung scheinbar reibungslos abläuft (Aglietta, Liepitz u.a.). Der Keynsianismus hat eine ganze Wirtschaftslehre daraus gemacht; der Fordismus der 50er und 60er Jahre ist ein gutes und so gut wie unumstrittenes Beispiel solch einer Periode.

"die Krise ist nicht drei Jahre, sondern 40 Jahre alt"
Warum also nur 40 Jahre?

Weil die Annahme die ist, dass zur Befriedigung des Wachstumsdrangs des Kapitals eine mehrwert-abwerfende Verwertung des investierten Kapitals stattfinden muss. Dies geschieht durch Produktion und anschließenden Verkauf von Ware, dann erneute Investition und Produktion. Als Kurzformel: G - W - G'; wobei G < G'. Sofern das gegeben ist, funktioniert Geld als Kapital.
Die Theorieschule, aus der Konisz kommt, stützt sich weitgehend darauf, dass die massive Rationalisierung und Automatisierung des Fertigungsprozesses dazu führt, dass trotz Ausweitung der Produktion (also: Steigerung der Produktivität bzw. Produktivkraft pro Arbeiter) dies nicht mehr zur Ausweitung von Arbeitsplätzen führt. Über kurz oder lang schränkt das die Verwertungsmöglichkeiten des Kapitals ein, da die Produktionskapazitäten dauerhaft, weil technologisch bedingt, über den Konsumtionskapazitäten liegen. Soweit die arg verkürzte und vereinfachte Darstellung.
Die De-Industrialisierung der USA und GB und das Wachstum des Dienstboten- und Finanzsektors sind damit verknüpft. Dieses Phänomen ist erst 40 Jahre alt, also etwa so alt wie die ersten computerisierten Automatisierungsprozesse.

"Dem kapitalistischen System ist die – bewunderte wie gefürchtete – Dynamik eigen, seine Produktion beständig zu revolutionieren und mit permanenten Produktivitätsfortschritten sein eigenes ökonomisches Fundament zu untergraben."
Ich finde irgendwie schon, dass unsere Lebensverhältnisse heute besser sind als zu Beginn des Kapitalismus im 18 Jahrhundert, oder? Ist das kein Widerspruch zu der obigen Behauptung?

Nein, warum? Wie schon gesagt, es wird von einer Funktionsweise des Kapitalismus ausgegangen, die in sich widersprüchlich ist und daher in ihrem Fortgang Krisen bedingt. Es ist diese Krisendynamik, die neue Produktionsmöglichkeiten ebenso wie neue Stabilitätsregime hervorbringt - das schließt doch aber einen Fortschritt nicht aus? Wenn dir Marx nicht passt, kannst du das bei dem neoklassisch denkenden Schumpeter und seinem Konzept der "Schöpferischen Zerstörung" nachlesen. Die Idee kommt bloß nicht von ihm. ;)

"Zudem könnten militärisch potente Staaten versucht sein, ihren ökonomischen Abstieg mit militärischen Mitteln aufhalten zu wollen. Wie dieses Unterfangen nach Ausbruch der letzten Weltwirtschaftskrise von 1929 endete, ist hinlänglich bekannt."
Den zweiten Weltkrieg als logische Folge des kapitalistischen Systems zu begreifen klingt ein bisschen wie aus einem DDR oder Sowjetunion Schul-Lehrbuch.

Monokausal gedacht - ja. Es lohnt sich aber trotzdem, mal einen Blick auf den italienischen und deutschen Faschismus zu werfen. Sieh dir mal an, was der Duce so alles an irgendwie antikapitalistischen Versprechungen gemacht hat, und was davon umgesetzt wurde. In Deutschland ist das noch deutlicher: es gibt gute Gründe dafür, den Röhmputsch als eine Säuberung der faschistischen Bewegungen von den Elementen zu betrachten, die tatsächlich gefährdend für die deutsche Kapitalinteressen waren und den kruden Antikapitalismus* der Nazis zu wörtlich nahmen.

Ansonsten halte ich von solchen Prognosen und Vergleichen auch nicht allzuviel. Um andere Länder in importfähige Märkte zu verwandeln braucht man keine Kriege mehr, da gibt es IWF und Weltbank für.

*Es war eher ein reaktionärer Akapitalismus
 

Ysrthgrathe

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Ah, dann ist der Artikel also tatsächlich von einem Marxist. Das war mir nicht klar.

Wie kommst du darauf? Die marxistische Analyse geht davon aus, dass sich bestimmte Gesetzmäßigkeiten in jeder konkreteren Ausformung kapitalistischer Gesellschaften finden. Je nach dem, welcher Schule man gerade anhängt , wird eine Art von linearer Entwicklung des Kapitalismus angenommen (Lenin, Luxemburg, Hilferding), die auf eine "Endkrise" hinausläuft, oder die Gesamtgeschichte wird in Perioden aufgeteilt.
Aber dann war mein Einwand doch richtig? Der Kapitalismus wird von Beginn an als zu produktiv für sich selbst angenommen. Die Schere klafft mit der Zeit eben immer weiter auseinander. Entweder nähern wir uns jetzt gerade der "Endkrise" oder wir befinden uns gerade wieder am Ende eines Zykluses.

Die Theorieschule, aus der Konisz kommt, stützt sich weitgehend darauf, dass die massive Rationalisierung und Automatisierung des Fertigungsprozesses dazu führt, dass trotz Ausweitung der Produktion (also: Steigerung der Produktivität bzw. Produktivkraft pro Arbeiter) dies nicht mehr zur Ausweitung von Arbeitsplätzen führt. Über kurz oder lang schränkt das die Verwertungsmöglichkeiten des Kapitals ein, da die Produktionskapazitäten dauerhaft, weil technologisch bedingt, über den Konsumtionskapazitäten liegen. Soweit die arg verkürzte und vereinfachte Darstellung.
Die De-Industrialisierung der USA und GB und das Wachstum des Dienstboten- und Finanzsektors sind damit verknüpft. Dieses Phänomen ist erst 40 Jahre alt, also etwa so alt wie die ersten computerisierten Automatisierungsprozesse.
Schon, aber Rationalisierung und Automatisierung gibt es nicht erst seit 40 Jahren, also seit 1970.
Ist es hier die Idee, dass der zweite Weltkrieg eine Art Zäsur war und dadurch danach einige Jahrzehnte "echtes" Wachstum möglich wurde?

Als Kurzformel: G - W - G'; wobei G < G'.
Hast du da nicht was vergessen. Muss in einer Formel nicht irgendwo ein Gleichheitszeichen vorkommen?

Zum Römputsch aus Kapitalinteressen:
Die SA war doch eher gefährdend für Hitlers alleinigen Führungsanspruch und für die Akzeptanz beim Militär. Schließlich forderte die Reichswehr die Entmachtung der SA und die Zusicherung, der einzige Waffenträger im Reich zu sein. Sonst wärs nix mit der Zusammenarbeit geworden. Ohne Armee kann man aber schlecht Kriege führen.
Und freiwillig hätte sich die SA nicht aufgelöst.
 

David

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Ist das wirklich so überraschend oder kapitalismus-spezifisch, dass es immer mal wieder Krisen gibt ? :confused:

Die Technik entwickelt sich weiter, die Gesellschaft verändert sich, und beides hat eigentlich immer gute UND schlechte Seiten. Da ist es doch praktisch ausgeschlossen, dass man eine Gesellschaftsform finden könnte, die nie irgendwelche Probleme bekommt, wenn sich ihre Umwelt oder ihre Wertvorstellungen verändern, völlig egal wie sie wirtschaftet. Die Krisen schauen im Kapitalismus halt nur anders aus (zB Schulden, kein Geld in der Tasche, steigende Preise) als in ner Planwirtschaft (zB leere Regale) oder Subsistenz (zB nicht genug Land für alle).

Und wenn man sich das Endergebnis anschaut, lebt ein Arbeitsloser heute besser als nen Industriearbeiter in den 50ern, und dafür, das wir die schwerste Krise seit 80 Jahren haben, gehts uns auch nicht wirklich schlecht. Selbst wenn unser Lebensstandard in den nächsten Jahren etwas sinken sollte, reden wir doch eher von Bus statt PKW oder Ostsee statt Malle als von echten Problemen. Und das gleichzeitig Millionen von Menschen in den Schwellenländern ihren Wohlstand steigern können, sollten wir auch nicht aus den Augen verlieren.

Insofern kann man natürlich die Probleme der Marktwirtschaft benennen, und die fehlenden Arbeitsplätze sind für uns sicher eines der Größten, aber ehe man sie verdammt und pauschal alles besser findet, was irgendwie "antikaptalistisch" klingt, sollte man doch erstmal eine Alternative ausarbeiten, die auch außerhalb von marxistischen / sozialistischen Kreisen Überzeugungskraft hat und vielleicht auch etwas konkreter ist als "irgendwann können wir uns alles selber bauen und brauchen keine Wirtschaft mehr".
 
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Darghand

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Der Kapitalismus wird von Beginn an als zu produktiv für sich selbst angenommen. Die Schere klafft mit der Zeit eben immer weiter auseinander.

Nein. Es wird angenommen, dass die Widersprüchlichkeit bereits in den grundlegenden Kategorien (Geld, Ware, Tausch usw.) und vor allem dem Verhältnis von Kapital und Arbeit angelegt ist. Daraus folgt die Annahme der immer und zu jedem Zeitpunkt gegebenen Krisenanfälligkeit. Die Krise korrigiert das entstandene Missverhältnis, und eine neue, konkrete Formation von kapitalisitischer Gesellschaft entsteht. Anders ausgedrückt: die vorher noch überschüssige Produktivität kann u.U. in einer neuen Formation nicht mehr überschüssig sein.
Siehe den Fordismus: das Rationalisierungsinstrument - automatisierte Massenproduktion - war bereits bekannt und teilweise eingeführt; erst die massive Lohnsteigerung und Massenkonsumtion haben die neue Produktionsweise stabilisiert. Die Kapitalisierung und Finanzialisierung großer Teile der Weltwirtschaft wie wir sie heute kennen, hätte hingegen unter dem fordistischen Produktionsregime nicht oder nur schlecht funktioniert.
Man kann also allenfalls von einer wiederkehrenden Überproduktivität sprechen; das bedeutet aber keine sich im gesamten Zeitverlauf immer weiter öffnende Schere.

Schon, aber Rationalisierung und Automatisierung gibt es nicht erst seit 40 Jahren, also seit 1970.

Ist im Grunde richtig, beides ist in etwa so alt wie der Kapitalismus selber (man erinnere sich: mit Webstühlen und Dampfmaschinen setzte sich diese Gesellschaftsform überhaupt erst weiträumig durch). Die konkreten Ausformungen von Rationalisierung und Automatisierung sind bloß jeweils historisch spezifische. Die Einführung des Fließbandes hat einen Schub an menschlicher Arbeitskraft bzw. deren In-Wert-Setzung ausgelöst - das Ersetzen dieser Arbeitskraft durch Roboter, was ebenfalls eine Form von Rationalisierung ist, entfernt hingegen diese Arbeitskraft wieder. Zudem sind die Expansionspotentiale weitaus eingeschränkter als noch vor 100 Jahren: die Privatisierungswelle hat ja zu nichts anderem gedient als Investitionsmöglichkeiten für das Kapital zu schaffen.
Es gibt noch zig weitere Faktoren.

Hast du da nicht was vergessen. Muss in einer Formel nicht irgendwo ein Gleichheitszeichen vorkommen?

Das ist keine mathematische Formel, sondern beschreibt einfach den Prozess des Kapitals. Geld - Ware - Geld'. Oder halt: K(apital) = G(eld) -> W(are) -> G(eld)'; wobei G<G'


Ist das wirklich so überraschend oder kapitalismus-spezifisch, dass es immer mal wieder Krisen gibt ?

Da die Krisen in Subsistenzwirtschaften so gut wie nichts mit den Krisen im Kapitalismus zu haben, man also die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen vergleichen würde, lässt sich nur feststellen dass es kapitalismus-spezifische Krisen gibt (die analysebedürftig sind).
Den Vergleich von völlig verschiedenen Gesellschaftsformen halte ich für äußerst sinnlos, da keinerlei gemeinsamer Maßstab existiert.
 

David

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Aber wenn man nicht vergleicht, sagt man nichts mehr über die Qualität des Kapitalismus im Vergleich zu anderen Wirtschaftsformen aus. Man zeigt nur mögliche Schwachstellen auf, kann aber nicht sagen, ob andere Wirtschaftsformen weniger Probleme verursachen würden. (also zB ob eine Planwirtschaft effektiver aus knappen Ressourcen und mit starker Automatisierung hergestellte Produkte unters Volk bringen kann als der Markt)

Natürlich ists gut solche Fehler zu erkennen, aber was die Diskussion über die Marktwirtschaft angeht kann man damit nur denen widersprechen, die meinen, es gäb überhaupt keine Probleme (was eigentlich niemand tut), aber nicht denen, die nur meinen, das die Marktwirtschaft die bisher bestmögliche Wirtschaftsform ist, trotz ihrer Schwächen.
 
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Darghand

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Man zeigt nur mögliche Schwachstellen auf, kann aber nicht sagen, ob andere Wirtschaftsformen weniger Probleme verursachen würden.

Wie auch, wenn die nichtexistent sind? Der realexistierende Sozialismus beschränkte sich ja auch nur auf eine staatliche Steuerung der Wirtschaft unter Beibehaltung kapitalistischer Kategorien, die nur gefällig umetikettiert wurden.

Da sich eine Gesellschaft kaum am Reißbrett planen und ausarbeiten lässt, sondern immer ein Entwicklungsprozess bleibt, lassen sich Ideen nur an der Umsetzung bewerten. Solche Versuche wurden in der Vergangenheit meistens mit Gewalt bekämpft... ist ja nicht so, dass sich die kapitalistische Ordnung nur aufgrund tieferer Erkenntnis und allgemeinem Wohlwollen durchsetzen würde. :rolleyes:
Ohne eine Pluralisierung von Gesellschaftsformen wird man also nirgends ankommen.

Zweitens stellt sich nicht die Frage nach einem "weniger" an Problemen, sondern ein qualitatives im Sinne von "Wie gravierend sind die auftretenden Probleme?" (bzw. als wie gravierend werden sie von den Betroffenen erlebt?) Was das angeht hat das jetzige System die Messlatte recht hoch gehängt.

Die Behauptung der "bestmöglichen Wirtschaftsform" beruht auch nur auf einer speziellen Hierarchisierung von Problemen und Präferenzen und ist daher hochgradig subjektiv und standpunktabhängig. Das Verständnis von "bestmöglich" eines Herrn Henkel oder Ackermann entspricht nicht meinem Verständnis oder dem eines Dorfes in Nicaragua. Der Unterschied ist nur, dass die eine Vorstellung hegemonial ist und sich hinter einer Scheinobjektivität versteckt. Das Denken für andere Menschen übernehmen zu wollen finde ich anmaßend und ekelhaft.
 
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David

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Aber wenn man zugibt, das man keine ausgearbeitete und umsetzungsbereite Alternative hat, welches Land will sich dann schon freiwillig als Expermentierfeld ("try and error" mit offenem Ausgang) für mögliche Alternativen hergeben ?
Das die Leute vor Ort was dagegen haben, kann man doch irgendwie verstehen.

Was die Hegemonie in Bezug auf Nicaragua angeht würd ich das aber etwas anders ausdrücken: Wir hier in Europa stimmen hochdemokratisch darüber ab, dass uns Nicaragua völlig egal ist und das wir uns lieber um unsere eigenen Probleme kümmern wollen. Wenn wir Probleme mit der Marktwirtschaft haben, dann doch nicht weil sie Probleme in anderen Ländern verursacht, sondern weil wir zuletzt nicht mehr ganz oben auf der Gewinnerliste stehen.

Und ob andere Wirtschaftssysteme wirklich effektiver in der Armutsbekämpfung wären als ein Konkurenzfähig werden ala China kann man natürlich auch nicht sagen, wenn man nicht weiß wie diese Systeme aussehen sollen. Was man natürlich sagen kann ist, dass ein Konurenzfähig-werden der ganzen Welt unseren Lebensstandard abstürzen lassen würde, solange der von knappen Ressourcen abhängt.
 

Olome Keratin

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@David:
Und da ists doch schon so, dass Diktaturen oft auch an der Wirtschaft gescheitert sind, während die meisten längerfristig wirtschaftlich erfolgreichen Länder Demokratien sind.
Gegenbeispiele:
1. Wirtschaftlich gescheiterte Demokratien:
a)Weimarer Republik
b) Spanien bis 1936
2. Wirtschaftlich erfolgreiche/stabile Diktaturen:
a) Türkei unter Atatürk
b) Singapur unter Lee Kuan Yew
c) Südkorea unter Park Chung He
d) China unter Deng Xiao Ping
e) Japan unter Kaiser Mushito
f) Iran unter Reza Schah Pahlevi
g) Indonesien unter Sukarno und Suharto
h) Taiwan (Regierungschef weiß ich nicht)

Nimmt man noch konstitutionelle und absolute Monarchien mit dazu, wird klar, dass nichtdemokratische Staatsformen wirtschaftlich in der Regel erfolgreicher sind als kapitalistische Demokratien. Oder große Preisfrage: Was war eigentlich ausschlagegebend für das weitestgehende Verschwinden der Demokratien bis 1941? Eindeutig die in den demokratisch-kapitalistischen Ländern entstandene Große Depression.

Ist das wirklich so überraschend oder kapitalismus-spezifisch, dass es immer mal wieder Krisen gibt ?
Ich empfehle Rogoff: This time is different - 800 years of financial crises. Fazit: Überraschend nicht, kapitalismusspezifisch ja.

@Mindirel:
Irgendwie gibt einem das zu denken. Konsequent weiter gedacht heißt das doch, dass auf Dauer die gemeinsame Währung ein Riesenproblem wird, weil es mehrere Länder gibt, die die Leistungsbilanzdefizite (hoffe der Begriff stimmt..) nicht wie vorher kompensieren können, sondern jetzt über mehr und mehr Schulden decken müssen. Katastrophe vorprpgrammiert.
Genau diese Vorhersage gibt es schon, seit der Euro eingeführt wurde bzw. davor. Die Leute, die damals gewarnt haben, haben jetzt recht behalten.
 
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