Politik, 8. Staffel

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Ysrthgrathe

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Ich frage mich schon immer, wo die Idee herkommt, dass CERN bzw. der LHC "so extrem sauteuer" ist.

Das Jahresbudget von CERN ist momentan besonders hoch, etwa 800 Millionen Euro, davon werden unter anderem 3500 Mitarbeiter bezahlt.
Der LHC selbst hat etwa 3 Milliarden Euro gekostet. (Geplant waren Kosten von 1,6 Milliarden.)
Die Teilchendetektoren ATLAS, CMS, LHCb usw. im Ring haben insgesamt weniger als 1 Milliarde gekostet.

So, die lächerlichen paar Milliarden verteilen sich über etliche Jahre auf 20 CERN-Mitgliedstaaten und 36 weitere Staaten, die sich als Nichtmitglieder an CERN-Programmen beteiligen.
Deutschland bezahlt daran also nur einen kleinen Bruchteil.

Im Vergleich: Stuttgart 21 kostet mindestens 4,5 Milliarden und das zahlt Deutschland allein.
Sollen wir mal zusammenrechnen, wie viel im Vergleich die Entwicklung des Eurofighters als Großprojekt gekostet hat? Von den Anschaffungs- und Unterhaltskosten ganz zu schweigen.
Der Sinn mancher milliardenteurer 6-spuriger Autonbahnen im Osten erschließt sich auch nicht jedem.
Ich wette, jedem fallen noch einige Beispiele ein, wie Deutschland ganz allein etliche Milliarden mehr für völlig nutzloses Zeug verpulvert hat.


Wie schon gesagt, wo wären wir heute, wenn man 1905 beschlossen hätte, nur noch Forschung mit absehbarem direktem Nutzen zu finanzieren? Bei Grundlagenforschung ist doch gar nicht abzusehen, was dabei rauskommt. Das ist gerade der Witz daran. Niemand weiß, ob und wann Grundlagenforschung Ergebnisse bringt. Das muss nicht zwangsläufig Jahrzehnte dauern. Das geht manchmal ganz schnell und weltverändernd.
Mit dem Beispiel mach ich mir bestimmt keine Freunde, aber die Kernspaltung wurde im im Dezember 1938 entdeckt, die erste Atombombe 1945 gezündet und das erste zivile Atomkraftwerk ging schon 1955 in Betrieb.
Der Laser wurde 1960 entwickelt. Die Forschergemeinde konnte nach der Entdeckung zunächst keine praktische Nutzanwendung ausmachen. Der Erfinder selbst beschrieb den Laser als „eine Lösung, die ein Problem sucht“.
Wer hätte zu Beginn des Computerzeitalters Geld in den Computer gesteckt?
Thomas Watson, Vorsitzender von IBM meinte damals: „Ich denke, es gibt weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer“.
Da gibt es noch etliche Beispiele mehr.

@Gala
Die ISS hat mittlerweile mindestens 100 Milliarden gekostet. Raumfahrt ist wirklich im Vergleich zu nichts "richtig billig". Dafür hätten dir die Teilchenphysiker einen Kasten hingestellt, den man vom Mars aus noch sehen könnte und trotzdem wären die Toiletten alle aus Gold. :rolleyes:

@David
Nutzen der Mission:
Elektronik, neue Werkstoffe, verbesserte Raketentechnik, usw.
Außerdem die Faszination am Weltraum, das Begreifen, das wir alle Bürger des selben, winzigen Planeten sind und daher ein Atomkrieg Schwachsinn ist und andere ebenfalls unwichtige gesellschaftliche Veränderungen. Das ist aber natürlich kein unmittelbarer technischer Nutzen, also wertlos... :shine:

@Olome
Heilbronn, in HD hab ich Diplom gemacht
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Whow, waren die echt alle so billig ?

Dann laßt uns doch gleich was dreimal so Großes bauen. :D
 

Mynora

Teufelchen
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Übrigens hat das CERN schon sehr viele Dinge hervorgebracht, die wir alle nutzen. Sie sind nicht nur an der Entwicklung des Internet beteiligt gewesen, nein, auch weitere spanndende Forschungen gab es am Rande. Das ist ja das Tolle an Grundlagenforschung, man weiß nie, was herauskommt :D.
 

Ysrthgrathe

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Ich glaube, bei einigen gibt es ein Missverständnis. CERN ist nicht gleich LHC. CERN ist die Europäische Organisation für Kernforschung, der LHC ist nur einer von fast 10 Beschleunigern, die CERN betreibt. Daneben gibt es noch etliche andere bedeutende Anlagen und Experimente. Die sind nur nicht "sexy" genug, um es in die Medien zu schaffen.
http://de.wikipedia.org/wiki/CERN#Forschungsanlagen
Schaut mal, was allein bei ISOLDE alles gemacht wird:
http://isolde.web.cern.ch/ISOLDE/schedule/isexp.html

@Astaldo
Der LHC simuliert nicht den Urknall. Jede Sekunde finden zigtausende Ereignisse in der Atmosphäre statt, die jeweils unglaublich viel mehr Energie freisetzen als der LHC bei einem Ereignis. Da kann man aber leider keinen tausende Kilo schweren Detektor an die richtige Stelle bringen, deswegen braucht man den LHC.
Es macht viel eher Sinn, sich das Experiment als besonders starkes Mikroskop vorzustellen.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
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Äh Tausende von Kilo ? Das wäre nur ein paar Tonnen. Jeder Laster bringt mehr. :D

Wenn ich mich recht entsinne, war Atlas glaube ich ca 7000 Tonnen schwer.

Also 7 Millionen kg.

Oder 7 Milliarden g.

Oder 7 Gg, aber wer benutzt schon "Giga-Gramm" ? :D
 

Lisra

Schmusekater
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Und in Berlin stehen die beiden BESSYs, die im vergleich zum LHC schon beinahe alltäglichen Nutzen haben. Die 300mio DM sind "gut" angelegt, ganz zu schweigen davon wie ausgesprochen cool so ein Ding ist. Nie gab es mehr organisiertes Chaos als in einem Teilchenbeschleuniger.

Ich war mal mit nem Physikkurs drin. Faszinierend, auch wenn ich fast nichts verstanden hab'.
 

Ysrthgrathe

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Pff, Kilo oder Tonnen, ist doch alles das selbe. :shine:
Sind Millionen kg nicht auch irgendwie viele tausende? :shine:
Wie hat der Spiegel mal so schön geschrieben: Nasser Schnee ist besonders gefährlich, da 100 Kilo nasser Schnee fast 10 000 Kilo wiegen können. :D
Und das ist dann noch eher leichter "100 Kilo schwerer" Schnee.:rolleyes:
 

David

Moderner Nomade
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@Ysrthgrathe:
Die Erkentnis, dass man nicht woandershin auswandern kann und deshalb besser auf die Erde aufpassen sollte, ist wahrscheinlich das wichtigste Ergebnis der gesammten Raumfahrt. Die Bilder, auf denen die Erde nur ein winzig kleiner Punkt mitten im Nichts ist, haben schon was.

Aber ob man für bessere Elektronik etc. wirklich selbst zum Mond fliegen muss ist ne andere Frage, grade wenn die Alternative unbemannte Sonden sind, die vollautomatisch funktionieren müssen, ohne dass nen Mensch noch schnell was gradebiegen könnte. Wenn man sowohl Kosten als auch wissenschaftlichen Nutzen berücksichtigt, erscheinen mir unbemannte Sonen im Moment halt der bessere Kompromiss zu sein, wenns über die Erdumlaufbahn hinaus gehen soll. AUCH aufs Geld zu achten muss man grade in der aktuellen Lage von allen verlangen.

Was Stuttgart 21 und Co angeht, das ist wirklich der größte Schwachsinn den man sich vorstellen kann, genau wie andere Prestigeprojekte ala Elbphilharmonie, der Flughafen Berlin-Brandenburg oder die Berliner 500m U-Bahn vom Brandenburger Tor zum HBF. (Der Transrapid als Turbo-S-Bahn wäre ähnlicher Unfug gewesen.. :rolleyes: )
Da hab ich eher den Eindruck, dass sich irgendwelche Provinzpolitiker im Stadtbild verewigen wollen als dass es darum geht, mit den begrenzten Mitteln das Beste für die Einwohner zu erreichen.

Wenn man jetzt sparen muss wäre sowas neben diversen Subventionen mein erster Vorschlag: Keine neuen Großprojekte mehr und statt dessen lieber erstmal die bestehende Infrastruktur (also auch Schulen, Schwimmbäder etc.) erhalten. Für das Geld, dass zB die Elbphilharmonie kosten wird, hätte man wohl auch Dutzende kleine Theater / Orchester offenhalten können, die so früher oder später weggespart werden.
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Irgendwie versteh ich diesen Vorschlag von Krugman nicht :D
Perhaps the most startling and frustrating thing about the debate over the fate of the euro is the way almost everyone avoids confronting the core issue — the elephant in the euro. [...] WAGES IN THE PERIPHERY NEED TO FALL 20-30 PERCENT RELATIVE TO GERMANY. [...]
Äh ja.

Ignorieren wir jetzt einfach mal das allzu Offensichtliche - wer kauft dann diese Produkte, wenn die Löhne derart drastisch fallen ? Gibts eine krasse Deflation, so das die Löhne im Effekt gleich bleiben - oder wie stellt sich Krugman das vor ? Oder: Europa als billiger Zulieferer der USA ?

Also ich kann mir ganz leicht vorstellen, wie man die Löhne in Deutschland auf einen Schlag um 30% steigern kann - man führt hier einfach die 32 Stunden Wochen ein, bei vollem Lohnausgleich. Das sind dann eben 20% weniger Arbeitszeit und entsprechend höhere Stückkosten etc.

Umgekehrt geht übrigends nicht. Ein Mensch kann nur ca 40 Stunden pro Woche konzentriert arbeiten. Mehr als 40 Stunden Arbeitszeit lohnen sich also nicht wirklich, denn diese überfleißigen "Arbeiter" holen sich dann ihre Freizeit auf andere Art und Weise wieder. Die Griechen am Samstag arbeiten zu lassen ist also sowieso sinnlos.

Das muß man sich auch im Hinterkopf behalten, wenn man z.B. diverse Politiker wie die Katja Kipping von ihrer 70 Stunden Woche reden hört. Die Hälfte dieser Zeit ist die Kipping notwendigerweise nicht mehr dabei, weil die sich einfach hoffnungslos überlastet hat.

Ein Mittel aber, den anderen Staaten die Löhne um 20% und mehr zu kürzen, fällt mir beim besten Willen nicht ein. Das führt doch in jedem Fall zum Generalstreik. Auch die Deutschen selbst haben Lohnkürzungen dieser Größenordnung nur akzeptiert, weil sie schleichend über mindestens zwei Jahrzehnte hinweg vorgenommen wurden.

Summa summarum, Krugman hat auch einen schlechten Tag gehabt. :D

Aber der Elefant ist auch das Wappentier der Republikaner (der USA, nicht unser Nazis), da ist es kein Wunder, das es eine dumme Idee ist.
 

David

Moderner Nomade
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40 Stunden wirklich hochkonzentriert arbeiten könnt ich auch nicht, aber zum Glück gibts in fast jedem Job ja auch viel Routine, für die man nicht bis zum Letzten hochkonzentriert sein muss.

Die Idee mit dem Lohnausgleich halte ich zwar für Unsinn, aber ohne das wär ich froh, wenns mehr 30 Stunden-Jobs (eben für 3/4 des normalen Gehaltes) geben würde, würd ich sofort machen. Schon eine Stunde weniger pro Tag bringt extrem viel, das hab ich neulich während eines Praktikums wieder gemerkt.

Nur ist das nicht wirklich Sache der Politik, die muss eine zumutbare Höchstgrenze als Schutz für die Arbeitnehmer festlegen, alles darüber hinaus ist Sache zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. Gewerkschaften wos Tarifverträge gibt. Ich weiß gar nicht wo diese Grenze im Moment ist, aber 40 Stunden sind auf jeden Fall noch zumutbar.

Es müsste einfach normaler werden, nicht nur den Lohn, sondern auch die Arbeitszeit auszuhandeln, anstatt dass die 40 Stunden in den meisten Arbeitsverträgen fix drinnstehen. Etwas mehr Flexibilität je nach persönlichem Wunsch (also die Mischung aus Gehalt, Wochenstunden und Urlaubstagen) ist hier angesagt, keine generelle Regelung für alle Arbeitnehmer die von oben vorgegeben wird.
 
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Lisra

Schmusekater
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@David
Unterschätz diese U-Bahn nicht. ;)
Im Vergleich wofür in Berlin sonst so Geld ausgegeben wird, war das ne tolle idee. Sie hat ja sogar Sinn! Wenn auch nicht viel.
 

David

Moderner Nomade
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Naja, für Gehbehinderte vielleicht schon, aber ansonsten schafft jeder fusskranke Rentner die Strecke in nen paar Minuten zu Fuß. :D

Besonders ulkig ist ja, dass diese Strecke keine Verbindung zum restlichen U-Bahn-Netz hat, wenn das eine Verlängerung einer bestehenden Strecke wäre um die Lücke zum neuem HBF zu schließen sähe das etwas anders aus.
Wobei dieser HBF selbst natürlich auch so ein Fall von potentieller Geldverschwendung ist: Zum Einem wundere ich mich immer noch darüber, dass man erstmal mitten im Grünen steht wenn man den Hauptstadt-HBF verlässt und zum Anderen hätte es in Anbetracht der Haushaltslage ein etwas bescheideneres Bauwerk wohl auch getan. Das die alte Notlösung mit dem Bahnhof Zoo kein brauchbarer Dauerzustand war mag ja stimmen, aber man muss ja nicht gleich den protzigsten Bahnhof im ganzen Land bauen.

Aus touristischer und finanzieller Sicht wäre ne Straßenbahn vielleicht auch ne gute Idee gewesen: Die kostet viel weniger (und es fallen einem keine Häuser in die Grube..) und man kann sie als Tourist für ne Stadtrundfahrt 'missbrauchen'. Diese U-Bahn fährt ja ausgerechnet unter dem Teil Berlins durch, den man sich am ehesten anschauen will wenn man dort zu Besuch ist. Bei einer Straßenbahn (bzw. Stadtbahn, muss ja nicht direkt auf den Straßen fahren) hätte man fürs selbe Geld auch viel mehr Strecke bekommen und den Anschluss ans restliche Netz vielleicht geschafft.

Solange das Platzproblem nicht ganz extrem ist, halte ich Straßenbahnen sowieso für das beste Verkehrsmittel innerhalb von etwas größeren Städten, die sind nen guter Kompromiss aus Kosten, Kapazität und Tempo. Ist halt blöd, dass viele Städte ihre Straßenbahnen irgendwann abgebaut haben, um auf Autos und manchmal auch U-Bahnen zu setzen, aber im Moment denken ja viele Städte wieder um. :up:
(Nach kaum mehr als 50 Jahren Planung könnte sogar die Würzburger Uni irgendwann demnächst nen Straßenbahnanschluss bekommen, nachdem man zuletzt jedes Jahr ne neue Buslinie geschaffen hatte.. :D )
 
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Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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Ich bin irritiert darüber, wie viele Stimmen es hier gibt, die alle möglichen Bauprojekte landauf landab, die ewig von den zuständigen Stellen geprüft und für gut befunden wurden, einfach verdammen und als schlecht abtun.
Wer von euch hat sich denn genauer mit einem der kritisierten Projekte auseinander gesetzt? Bevor so ein Pauschalurteil teuer=Geldverschwendung=Geltungssucht von Provinzpolitikern kommt, möchte ich schon eine Reihe schlagender Argumente hören, die ein solches Urteil begründen. Denn die Leute, die das alles beschlossen haben - sind das wirklich alles unfähige Deppen, die nicht mit Geld umgehen können?

Hier in Heidelberg haben wir gerade auch die Diskussion um ein paar für Heidelberger Verhältnisse großprojekte. Gegen diese werden genau die gleichen Pauschalurteile vorgebracht wie hier zu hören. Wenn man sich die Mühe macht, sich näher damit zu beschäftigen, merkt man aber schnell, dass es wohldurchdachte und verantwortungsvoll gestaltete Projekte sind. Die Diskussion um Stuttgart21 kenne ich ein bisschen, den Rest praktisch gar nicht, aber wer weiter meckern will, soll bitte beweisen, dass er/sie weiß, wovon er/sie spricht.
 

Ysrthgrathe

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Es gibt hier viele Stimmen? Muss ich mich angesprochen fühlen? Ich hab neben David ja als einziger Großprojekte erwähnt.
Ich darf doch wohl Stuttgart 21 finanziell mit dem LHC vergleichen und als nutzloser einstufen?
Außerdem wirst du sehr wenige Experten finden, die Stuttgart 21 vom Kosten/Nutzen-Faktor her für eine gute Idee halten.
Ich glaube, man muss sich wirklich Mühe geben, um bestimmte Projekte als wohldurchdacht und verantwortungsvoll zu bezeichnen, zum Beispiel sowas hier:
Eisenbahnbrücke
Autobahnüberführung
Du willst nicht wirklich abstreiten, dass es sinnlose Großprojekte gibt oder zumindest deutlich sinnlosere als Großforschungsanlagen?
 

Astaldo

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Der Großflughafen soll doch dafür sorgen, dass nicht mehr 3 verschiedene Flughäfen in der Stadt gibt, sondern ein zentralen Flughafen. Die alte Struktur ist ja noch aus der Nachkriegszeit in einer geteilten Stadt. Und Berlin ist nun mal ein riesiger Ballungsraum. Bin grad mal die Flugpläne von Schoenefeld und Tegel überflogen und das ist ein Witz um ehrlich zu sein. Die großen internationalen Anbindungen lassen sich an 5 Fingern abzählen. Die größte deutsche Fluglinie nimmt keinen der Berliner Flughäfen als Drehkreuze wirklich ernst, dass sind Frankfurt am Main und München. Klar könnte man jetzt sagen, dass es wieder darumgehen könnte dass man im innerdeutschen Schwanzvergleich mithalten kann, aber ich glaube, dass Berlin noch eher touristisches Ziel sein könnte, als FFM. Außerdem könnte man damit vlt. auch die anderen großen Drehkreuze ein wenig entlasten ohne das jetzt genau einschätzen zu können.
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
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@Y: Ich hab in zwei Anläufen die neuen Sachen gelesen und hab im Geiste Davids Posts mehreren Leuten zugeordnet.:o
Von Lisra kam auch ein entsprechende rkurzer Kommentar, allerdings könnte ich mir vorstellen, dass er sich bei den Berliner Sachen wirklich auskennt, von daher würde es mich interessieren.
Zu Stuttgart21: Und warum wird das Ding gebaut, wenn angeblich so viele Experten dagegen sind? Die Politiker sind alle bescheuert? Warum sind die Politiker dafür und die Experten (welche?) dagegen?
Einer der großen Geldverschwendungsmechanismen waren die riesigen Fördergelder für Infrastruktur im Aufbau Ost, die allerdings so strikt zweckgebunden wurden, dass vielerorts nichts anderes einfiel, als alle Feldwege bestens zu asphaltieren sowie alle möglichen Regionalhäfen und -flughäfen zu errichten, für die das Verkehrsaufkommen fehlt. Das sind aber unzählige Kleinprojekte, nicht das Großprojekt, dass an die Wand gesetzt wurde. es gibt andere Beispiele, in denen ausgehend von einer falschen Einschätzung Bevölkerungsentwicklung Kanalisationen etc. überdimensioniert wurden, die nun teuer rückgebaut werden müssen.
Ein weiteres Beispiel sind die fehlgeschlagenen Leasinggeschäfte für Wasserleitungen etc. grade in Ba-Wü, die viele Städte nun zum Rückkauf ihrer eigenen Netze zwingen.
Bei den ganzen Investitionssachen kann ich aber nur sagen: Es sind einmalige Belastungen, die dafür aber auch einen bleibenden Gegenwert schaffen. Wenn die alle eingespart werden, geht unsere Wirtschaft noch mehr den Bach runter.
 

David

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Ich finde, wer Mrd. verbuddeln will, sollte schon schlüssig begründen können, warum er dies tut, und bei den genannten Projekten klingen für mich die Argumente der Gegner immer sehr viel überzeugender. (Ich hab natürlich keine Gutachten dazu erstellt, aber nach allem was ich mitbekommen habe, bin ich in diesen Fällen mit meiner Meinung zumindest mal nicht ganz alleine)

Mal zu den Beispielen:

Die Elbphilharmonie wird ja vor allem dafür angeprangert, dass die ursprünglich geplanten Kosten anscheinend völlig aus dem Ruder gelaufen sind, und das kann man völlig unabhängig vom Zweck eines Bauwerkes immer kritisieren. Und darüberhinaus frag ich persönlich mich auch, ob diese "Elite-Kultur", die dort gezeigt werden wird, wirklich von derart öffentlichem Interesse ist, dass man dafür derartig viele Steuergelder ausgeben muss, wenns gleichzeitig nichtmal für simple Jugendtreffs, Schwimmbäder etc. reicht. Das sind für mich einfach falsche Prioritäten. Ähnlich wie beim Berliner HBF hätte man ja auch ein einfacheres Bauwerk umsetzen können, es gibt ja nicht immer nur die Option ein neues Weltwunder errichten zu wollen oder gar nichts zu machen.

Für den Berliner Flughafen hätte es meines Wissens nach eine Alternative gegeben: Einen ehemaligen Sowjet-Militärflughafen etwas außerhalb Berlins, größer als der in FFM und mit grade mal um die 1000 Menschen, die vom Lärm betroffen gewesen wären, nicht 10.000enden wie jetzt. Außerdem gehört das komplette Gelände schon dem Bund, während man jetzt schon vor der Baugenehmingung angefangen hatte ganze Dörfer umzusiedeln, mit den entsprechenden Millionenkosten. Als kleinen Bonus gab es zu dem alten Militärflughafen sogar schon alte Gleisanbindungen etc., die man leicht hätte reaktivieren können. Soweit ich das mitbekommen hab, hat man auch noch mehrere Gutachten zu möglichen Standorten in Auftrag gegeben, bei denen dieser Standort immer vorne und der in Schönefeld immer hinten lag. Und wo baut man ? In Schönefeld.
Hier schafft man sich bewusst die Probleme, die Frankfurt aufgrund der historischen Entwicklung weitgehend unvermeidbar an der Backe hat, obwohl man die Chance gehabt hätte, einen Flughafen zu bauen, der als Musterbeispiel dafür hätte gelten können, dass gut geplante Flughäfen nicht zwangsläufig abertausenden Anwohnern auf die Nerven gehen müssen. Unterm Strich hat man hier die möglichst schnelle Erreichbarkeit bedingungslos vor alle anderen Faktoren wie Lärmbelästigung und Kosten gestellt.

Mit Stuttgart 21 haben wir uns mal auf einer Exkursion beschäftigt, und da muss ich ehrlich sagen, dass ich schon die Idee an sich ("verlegen wir mal eben nen großen Bahnhof unter die Erde") für größenwahnsinnig halte, noch dazu in einer eher mittelgroßen Stadt wie Stuttgart. Sowas würde von der Dimension her eher nach Tokyo gehören. Und es gab auch ein Konzept zur Erneuerung des bestehenden Kopfbahnhofs, dass sehr viel bodenständiger gewesen wäre. (Die Exkursion war noch vor der Krise und schon damals war wohl nicht absehbar, dass die gewonnen Grundstücke auch nur annährend soviel einbringen würden wie der Bau von Stuttgart 21 kosten würde)

Es geht mir also nicht unbedingt darum, dass man gar nichts bauen sollte, aber manchmal würde es eine Nummer kleiner auch tun (zB auch Strassen- statt U-Bahn) und in Fällen wie dem Berliner Flughafen hat man meiner Meinung nach einfach den falschen Standort gewählt.

Und unabhängig von den Einzelfällen hat das Ganze für mich auch immer noch mehrere symbolische Ebenen:
Die erste betrifft erstmal nur meinen persönlichen Geschmack: Solche protzigen Bauwerke wie der Berliner HBF strahlen für mich schlicht überzogene Geltungssucht aus, um nicht zu sagen Größenwahn. Das ist nicht das Image, das ich deutschen Städten verpassen wollte. (Zumal man Städten wie Berlin oder Stuttgart die Rolle als Weltmetropole eh nie abkaufen würde, das ist wie wenn Kinder einen auf Erwachsen machen.. :D )
Die andere Ebene ist aber sehr viel wichtiger: An allen Ecken und Enden muss gespart werden, selbst wenns nur um kleine 5stellige Beträge geht. Da sollte es sich eigentlich von selbst verbieten, Großprojekte durchzuziehen, die nicht absolut alternativlos sind. Ist im Grunde ne ähnliche Geschichte wie bei den großzügigen Hilfszusagen für Griechenland: Auf Dauer kann man dem Wähler sowas nicht verkaufen, und wenn man nicht aufpasst, kreuzt der irgendwann irgendwelche rechtsradikalen Spinner an, weil er vom politischem System die Nase voll hat..
 
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Astaldo

Vampireslayer
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Es ging in der Diskussion eigentlich gar nicht um die Probleme, die der jetzige Bau vorher hatte. Es ging um das allgemeine Thema Großprojekte und da hast du den Flughafen BB einfach so in die Runde geworfen. Ob der nun in Schönfeld oder Sperenberg gebaut wird, ist doch thematisch uninteressant, wenn du das Projekt Großflughafen für Berlin nicht ablehnst. Sonst hättest du einfach sagen müssen, dass du einen einzigen Berliner Flughafen für überflüssig hälst, denn auch ein Bau an einem anderen Standort wäre nicht kostenlos gewesen.
 

David

Moderner Nomade
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Ich hatte halt nur überlegt, was für Beispiele für Großprojekte mir einfallen, wo es für mich so ausschaut, als wären sie nicht mit zuerst mit rationalen Kriterien zu erklären. In Berlin ists die Standortwahl, in Hamburg die Größe und in Stuttgart die Idee an sich, die ich mehr auf politische/persönliche als auf rationale Gründe zurückführen würde, aber das Prinzip bleibt dasselbe.

Ob man in Berlin die beiden anderen Flughäfen (Tempelhof lass ich mal weg, der hatte zuletzt ja eher was von Technikmuseum als von Flughafen) soweit hätte modernisieren können, dass man damit den Berliner Bedarf hätte decken können, kann ich nicht beurteilen. Aber wenn man schon einen neuen Flughafen bauen will, kann man ja wenigstens erwarten, dass man dabei nicht dieselben Fehler macht, die in anderen Städten mit Flughäfen regelmäßig Zündstoff liefern. Spätestens langfristig gesehen dürfte das auch zu höheren Kosten führen, zB wegen eines Nachtflugverbotes oder massivem Widerstand gegen einen evtl. weiteren Ausbau irgendwann in der Zukunft.

PS.:
Wenns um die Grundsatzfrage der Geldverschwendung für überflüssige Aktionen geht kann man hier natürlich auch anführen, dass man sich den Flughafen, den HBF und vieles mehr hätte sparen können, wenn einfach Bonn Hauptstadt geblieben wäre..
Aber zumindest haben ja die meisten Minsiterien jetzt Sitze in Bonn UND Berlin, damit alle glücklich sind. :rolleyes:
 
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Olome Keratin

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@David: meinst du im Ernst, Hamburg könne sich die Elbphilharmonie nicht leisten und müsse dafür Schwimmbäder und Jugendtreffs schließen?
Und Stuttgart hat auch genug Geld, sich sowas leisten zu können. Die haben nicht umsonst die ganzen Autobauer in der Stadt.
Wenn Kiel eine Philharmonie wollte, ok Kritik berechtigt, aber bei Hamburg doch wohl nicht.
 
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