Politik, 9. Staffel

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
@Mynora: Deine Beiträge erinnern mich an einen Beitrag im Spiegel Online Forum, in dem jemand argumentiert hat, das der Produktivitätszuwachs doch gerade mal die Inflation ausgleicht.

Nein, die Lebenserhaltungskosten und der Absolutwert der Löhne ist völlig irrelevant. Relevant ist, das Deutschland seine Lohnstückkosten relativ zu den anderen EU-Ländern immer mehr gesenkt hat und deshalb immer mehr Marktanteile erobern kann. Und dafür braucht man keinen anderen Wert zu wissen als die relative Höhe der Lohnstückkosten.
 

Mynora

Teufelchen
Registriert
02.04.2008
Beiträge
800
Also die Absolutzahlen der Löhne verschiedener Länder kann man leider nie vergleichen. Z. B. kenne ich ein paar deutsche, die in der Schweiz arbeiten. Die bekommen relativ gesehen mehr Geld, da sie die höheren Löhne haben, aber niedrigere Lebenshaltungskosten. Wieviele schlechtbezahlte Putzfrauen können von ihrem Geld eine Familie finanzieren, weil die im Ausland leben?

Was bringt es, wenn man doppelt so viel Geld verdient, aber auch doppelt so viel zahlen muss für alles? Die absoluten Zahlen sind also nicht aussagekräftig, da brauchen wir einen Vergleichswert.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn für alle Arbeiten in Deutschland auch ein brauchbarer Lohn gezahlt werden würde. Dadurch würde man dann noch mehr Dinge im billigeren Ausland produzieren lassen, also bräuchten wir irgendwann fast nur noch hochqualifizierte Arbeitskräfte. Sonderlich weit sind wir davon ja jetzt schon nicht mehr entfernt, die meisten Arbeiten, die Handarbeit erfordern, werden ja schon jetzt ins Ausland ausgelagert.
 

David

Moderner Nomade
Registriert
05.10.2000
Beiträge
18.447
@Y:
Natürlich ist das mein Ernst, wenn zB Griechenland nie eine nennenswerte Industrie hatte die mit unseren Exporten konkuriert hat und die Krise der dortigen Staatsfinanzen einfach mit zu geringen Steuereinahmen oder zu hohen Staatsausgaben zu tun hat gibt es da überhaupt keinen Zusammenhang.
Und das Griechenland ohne Deutschland selber eine Auto- oder Maschinenindustrie aufbauen würde ist auch unrealistisch, dann würde man eben aus Frankreich, Japan oder den USA etc. importieren.

Und eine soziale Marktwirtschaft bedeutet nicht dass man unwirtschaftliche Betriebe rettet indem man die Besseren dazu zwingt genauso teuer zu produzieren, das ist schon eher Planwirtschaft, sondern nur dass man denen die keine Arbeit finden Sozialleistungen zukommen lässt. Was das angeht sind wir in Deutschland wahrscheinlich auch nicht gerade das Schlusslicht in Europa.

Wettbewerbsvorteile durch eine höhere Produktivität sind in einer Marktwirtschaft völlig legitim, im Grunde ist das sogar das Kernstück der Marktwirtschaft. Wer das abschaffen will hat entweder nicht verstanden wie die Marktwirtschaft funktioniert (was ich mich hier nicht vorstellen kann), oder er will sie im Grunde abschaffen, verpackt das aber in harmlos klingende Forderungen (was ich mir hier sehr gut vorstellen kann :D ).
Problematisch ist nur eine Wettbewerbsfähigkeit durch (in Bezug auf die Kaufkraft vor Ort) zu niedrige 'Hungerlöhne'. Und da glaub ich nichtmal, dass die Exportindustrie die Branche ist, die innerhalb Deutschlands unterdurchschnittliche Löhne bezahlt. Das man da wo die absoluten Löhne doch zu niedrig sind (Mindestlohn, Leiharbeit) mit Gesetzen einschreiten kann hab ich ja geschrieben, aber das macht nicht alleine die Konkurenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft aus. Klar wirds passieren dass man zB bei der Gebäudereinigung auf Firmen zurückgreift die nur 3,50 die Stunde zahlen, aber wenn man das abstellt werden die Exportunternehmen nicht grade pleite gehen.

Die Kurzarbeit als Instrument die Krise zu überwinden wird aber glaub ich eher als nachahmenswertes Erfolgsmodell angesehen, wenn man in der Krise Mrd. für Konjunkturprogramme ausgeben kann, ist es für mich kein Problem sehr viel gezielter Geld zum direkten Absichern von Jobs auszugeben (zumal das ja auch wie ein Konjunkturprogramm wirkt weil das Geld wieder ausgegeben wird), das Ganze darf halt nur nicht zur Dauersubvention werden und muss irgendwann auslaufen. Und was Subventionen angeht: ZB Irland oder Osteuropa werden ja auch immer wieder für ihre niedrigen Steuern angegriffen weil das als Subvention angesehen wird, da sind wohl alle Staaten fleissig dabei.

Und auch wenns natürlich vorkommen wird, dass deutsche Banken ausländischen Unternehmen Kredite geben, mit denen dann deutsche Güter gekauft werden: Unsere Hauptabnehmer sind glaub ich Unternehmen in Frankreich und den Niederlanden, da kann wohl kaum von drohender kollektiver Pleite die Rede sein. Außerdem verkaufen wir auch zum Teil Investitionsgüter, d.h. die Unternehmen die das kaufen wollen damit mittelfristig mehr Geld verdienen als sie dafür bezahlt haben. Außerdem sind ja vor allem die Staaten pleite und nicht die Unternehmen. Staatlicherseits ist Deutschland auch nicht gerade dabei Geld zu horten, im Grunde sind das nur graduelle Unterschiede zu den Pleite-Kandidaten.

PS.:
Vielleicht sollten sich Deutschland, Frankreich und die Niederlande einfach politisch vereinigen, dann sind die bisherigen Exporte nämlich plötzlich Binnenwirtschaft und alles ist gut, auch wenn sich eigentlich nichts verändert hat. :D
 
Zuletzt bearbeitet:

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Das Problem ist nach wie vor, das Mynora gar nicht begriffen hat, wovon ich überhaupt rede. Löhne und Lebenskosten sind nicht das Thema, es geht hier um die Krise der Eurozone. Ich gebs jetzt auch auf.
 

Mynora

Teufelchen
Registriert
02.04.2008
Beiträge
800
Gala, das konnte ich aus Deinen zwei Zeilen Text einfach nicht erkennen. Und leider verstehe ich auch nicht, wie Du aus dieser Entwicklung auf eine Kriese in der EU schließen willst. Irgendwie sehe ich den Zusammenhang einfach nicht. Aber ich habe von Wirtschaft eh keine Ahnung, nur von Statistik :D.

Ysrthgrathe, das klingt schon erschreckend. Na gut, die Löhne im Osten waren so grauenhaft niedrig, da sind Steigerungen von 300% auch dringend nötig. Offensichtlich sorgt die EU schon dafür, dass sich die Löhne in den Mitgliedsstaaten zumindest ein wenig aneinander anpassen. Aber Deutschland liegt sicher nicht so weit an der Spitze, dass dafür hier die Löhne sinken müssen...
 

David

Moderner Nomade
Registriert
05.10.2000
Beiträge
18.447
Wenn wir vom Außenhandel reden müsste man diese gesamtwirtschaftlichen Zahlen aber weiter aufdröseln: Sind die Reallöhne in der Exportindustrie stärker/schwächer gesunken als die im Durchschnitt, oder vielleicht sogar gar nicht ?
Oder ist das evtl. vor allem ein Problem zB der einfachen Dienstleistungen im Inland ?
Die Beispiele für Dumpinglöhne die in den Medien aufgeriffen werden kommen ja oft aus diesem Bereich: Briefträger, Friseure, Reinigungskräfte, Kassierer beim Discounter etc.

Das ist wirklich was ganz Anderes als das was Gala meinte, aber wenn überhaupt ist das eher ein Problem als die Lohnstückkosten, auch wenns kein Naturgesetz gibt dass die Reallöhne immer steigen müssen. Aber wenigstens jetzt nach der Krise hab ich vollstes Verständnis dafür wenn Lohnerhöhungen gefordert werden die das ausgleichen. Die Inflation ist für mich auf jeden Fall ein besserer Indikator für die wünschenswerte Lohnentwicklung als die Produktivität, eine langfristig stabile Kaufkraft zu fordern ist nachvollziehbar. (Auch wenns niemanden umbringen wird 2011 die Kaufkraft von 1998 zu haben, es war ja nicht alles schlecht damals :D)

Und natürlich sind hohe Steigerungen dann am leichtesten wenn vorher wenig da war, die Reallöhne in Simbabwe oder Nordkorea könnten mit etwas Glück irgendwann gigantische Steigerungen von mehreren 100(0) Prozent hinlegen, trotzdem wird niemand tauschen wollen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ysrthgrathe

Senior Member
Registriert
16.06.2001
Beiträge
1.601
@David
Gut, du bist also der Meinung, dass nur zufällig 60% der Exporte des Exportweltmeisters bzw. Vize-Exportweltmeisters Deutschlands in die EU-Mitgliedsländer gehen.
Außerdem bedeutet das für dich auf gar keinen Fall, dass deutsche Unternehmen überhaupt im größerem Umfang mit der dortigen einheimischen Wirtschaft konkurrieren.
Nicht zuletzt würden sonst einfach Japan oder die USA unseren Anteil übernehmen, die ja ebenfalls die selbe Währung wie Griechenland besitzen und sich wie Deutschland im selben zollfreien Wirtschaftsraum befinden.:rolleyes:

Übrigens hab ich nirgends geschrieben, dass man in einer sozialen Marktwirtschaft unwirtschaftliche Betriebe retten müsste oder künstlich höhere Produktivität verhindern sollte.
Für mich bedeutet soziale Marktwirtschaft aber im Gegensatz zu deinem Verständnis nicht nur, dass Arbeitslose Sozialleistungen bekommen.
Wenn die Wirtschaft deutlich wächst und die Gewinne der Unternehmen steigen, sollten in einer sozialen Marktwirtschaft die Reallöhne ebenfalls steigen.
Stattdessen sinken diese in Deutschland sogar.
Das ist eigentlich ein Skandal.
Natürlich müssten in anderen Ländern die Reallöhne dann sogar schneller sinken, damit die Kluft zwischen den Lohnstückkosten nicht noch größer wird.

Vielleicht sollten sich Deutschland, Frankreich und die Niederlande einfach politisch vereinigen, dann sind die bisherigen Exporte nämlich plötzlich Binnenwirtschaft und alles ist gut
Vielleicht solltest du dir mal anschauen, welcher Prozentsatz unserer Exporte nach Frankreich und Holland gehen und wohin wiederum diese Länder exportieren.
 

David

Moderner Nomade
Registriert
05.10.2000
Beiträge
18.447
An den 60% (bzw. x Mrd.) hat der Euro natürlich einen Anteil, aber nicht unbedingt den Größten. Dass der uns unterm Strich durchaus nutzt hatte ich ja gestern oder vorgestern schonmal geschrieben. Aber auch mit für uns unvorteilhaften Wechselkursen wäre die höhere Produktivität ein legitimer Wettbewerbsvorteil (genau wie der gute Ruf bestimmter Marken) den die deutschen Unternehmen ausspielen würden um andere mögliche Hersteller zu überbieten, was ihnen ja auch vor Einführung des Euros schon gelungen ist. Unbegrenzt abwerten könnten die anderen Länder ihre Währung auch nicht, zumindest nicht ohne damit große Nachteile in Kauf zu nehmen. Und wenn amerikanische Produkte trotz Wechselkurs, Zoll und Transport günstiger wären als frz. würden auch frz. Unternehmen in Amerika bestellen statt die eigene Wirtschaft zu unterstützen. (Überhaupt sollte man bei der Diskussion besser zwischen Wirtschaft und Staat trennen, und nicht immer nur von "Deutschland exportiert" sprechen, es exportieren deutsche Unternehmen die nichtmal mehr Deutschen gehören müssen)

Aber damit Konkurenz besteht müssen erstmal Unternehmen mit ähnlichen Produkten vorhanden sein: Wer behauptet dass die deutschen Exporte Schuld an den griechischen Problemen sind muss zeigen, dass in Griechenland genau in den Branchen im größerem Umfang Arbeitsplätze verloren gegangen sind wo Deutschland nach Griechenland exportiert hat, mit den entsprechenden Folgen für die Steuereinnahmen und die Sozialausgaben. Die pure Gleichzeitigkeit reicht noch nicht um einen ursächlichen Zusammenhang anzunehmen.

Wenn Griechenland wirklich vor allem wegen der deutschen Konkurenz Probleme hätte könnten wir natürlich trotzdem nicht Griechenland zur Liebe unsere Wirtschaft dazu verdonnen die Preise um x% zu erhöhen, aber es wäre immerhin ein Argument dafür dass Griechenland im eigenem Interesse den Euro verlassen sollte. Das könnten wir sowieso nicht verhindern wenn Griechenland sich dazu entschließen würde, der Euro war nie ein Zwang den Deutschland Anderen aufgezwungen hätte. Wenn der unterm Strich ein Wettbewerbsnachteil ist, dann einer, den diese Länder sich freiwillig eingehandelt haben. Würden die Regierungen Galas und Darghands Argumentation zustimmen könnten auch alle Länder bis auf Deutschland wieder eigene Währungen einführen. (Woraus sich die gute Frage ergibt ob die wirklich alle so dumm sind nicht zu sehen dass sie mit der Euro-Einführung und Beibehaltung nur Deutschland nutzen..)

Was die Diskussion um eine gerechte Lohnentwicklung angeht, darum gings mir im vorletzten Beitrag weniger. Was das angeht ist wie oben gesagt die Inflation für mich ein brauchbarer Maßstab, und gegen zusätzliche Gewinnbeteiligungen der Angestellten in guten Zeiten hab ich natürlich auch nichts. Auch Mindestlohn und bessere Löhne für Leiharbeiter sind für mich Themen über die man reden kann. Das sind aber andere Diskussionen.

Die Forderung die Produktivitätsgewinne durch Lohnerhöhungen auszugleichen hat eine ganz andere Dimension, da gehts darum dass es am Ende kaum noch Wettbewerb zwischen verschiedenen Produktionsverfahren geben würde weil es nicht mehr möglich wäre über bessere Maschinen oder Organisationen Kostenvorteile zu erzielen. Das ist wie wenn man die Betreiber von maschinengetrieben Webstühlen dazu verdonnert hätte dieselben Preise zu verlangen wie die, die Textilien per Hand herstellen, damit Letztere nicht pleite gehen und uns diese Jobs auch im 21. Jhd. noch erhalten bleiben.
Diese Forderung geht in letzter Konsequenz wirklich in die Richtung dass man <i>"unwirtschaftliche Betriebe retten müsste oder künstlich höhere Produktivität verhindern sollte."</i>. Gala hat ja zB selber geschrieben das es ihm ausdrücklich nicht um den Lohn geht den die Arbeiter nach Hause tragen sondern um die Lohnstückkosten.

Mag sein, dass die Politiker der Linken die das fordern in Wirklichkeit einfach nur höhere Löhne für ihre Wähler kreativ begründen und das nicht wirklich 1:1 umsetzen wollen, aber manchmal frag ich mich schon, ob das wirklich alles ist was die Linken heute noch wollen, oder ob sie insgeheim nicht doch immer noch vom Sozialismus träumen..
 
Zuletzt bearbeitet:

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
Registriert
07.06.2008
Beiträge
3.151
@Dargh und ein paar andere: Ich glaube, ich habs schon mal geschrieben, aber besser nochmal:
Die exportstarken Länder in Europa sind neben Deutschland, den Niederlanden und Österreich in erster Linie die osteuropäischen Neumitglieder - Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen in allererster Linie. Alle west- und südeuropäischen Staaten sind Nettoimporteure, auch Frankreich und GB.
Deutschland betreibt die Exportstärkung wohl am aggressivsten von allen, es ist damit aber nicht alleine. Es handelt sich eher um eine europäische Spaltung zwischen Südwesten und Nordosten.

@Mynora: Ich versuch mal, dir das anhand eines Beispiels zu erklären (Zahlenverhältnisse sind jetzt hypothetisch, ich versuche, den Grundsatz zu verdeutlichen). Mal angenommen, ein Unternehmer möchte in Europa Schuhe produzieren. In Deutschland hat er einem Arbeiter 100 €/h zu zahlen, in denen dieser 10 Schuhe herstellt. In Irland kostet der Arbeiter 50 € und fertigt 5 Schuhe, in Rumänien kostet der Arbeiter 30 € und fetigt 3 Schuhe. Für den Unternehmer ist es so erstmal egal, wo er die Schuhe fertigen lässt, die Lohnstückkosten sind überall die gleichen, nämlich 10 €/Schuh.
Wirtschaft ist allerdings ein dynamischer Prozess und deshalb verändert sich das Gefüge mit der Zeit. Ein Jahr später schafft der Deutsche wegen Fortschritten in der Maschinenherstellung 11 Schuhe/Stunde, der Ire gleich viel und der Rumäne wegen Streiks einen wneiger. Um die Lohnstückkosten gleich zu halten, müsste der Deutsche mehr Geld kriegen, der Ire gleich viel und der Rumäne weniger. Passiert das nicht, wäre es das beste, in Deutschland zu investieren, da hier mehr Schuhe für das gleiche Geld wie in Irland und Rumänien hergestellt werden.
Kommt als weiterer Faktor mit dazu, dass der Deutsche von seinem hohen Lohnniveau runtergeht und der Rumäne mehr fordert, bspw. wegen teurerem Benzin, auf dessen Weltmarktpreis er keinen Einfluss hat, verschiebt sich das ganze noch mehr zu Ungunsten Rumäniens, in kleinerem Maße auch Irlands. Die Folge davon ist, dass Schuhproduktion immer mehr nach Deutschland verlagert wird und die Iren und Rumänen deutsche Schuhe importieren müssen. Können sie das mit den Gewinnen auf irgendeinem anderen Gebiet bezahlen, geht das gut. Ist Deutschland bei zu vielen Gebieten besser, müssen sich die Iren und Rumänen verschulden für deutsche Schuhe.
Da könnte man jetzt sagen: Na, solange wir die Arbeitsplätze haben, ist alles ok. Aber entweder finanziert irgendwer den Iren und Rumänen dauerhaft deutsche Schuhe oder der Absatzmarkt bricht weg und auch die deutschen Schuhmacher werden arbeitslos.
Das ist das Kernproblem der derzeitigen Überschuldung einiger EU-staaten: Lässt man diese pleite gehen, kann auch niemand mehr Waren dorthin verkaufen. Und das hat sehr viel damit zu tun, dass Deutschland eine negative Lohnentwicklung bei steigender Produktivität hat.
 

Mynora

Teufelchen
Registriert
02.04.2008
Beiträge
800
Olome, ja klar, aber die Maschinen, mit denen man mehr produzieren kann, kosten auch mehr Geld. Das ist mein Kritikpunkt an der Zahl, denn der Lohn ist nur ein Teil der Kosten. Wir machen hier in Deutschland viel Endverarbeitung, da wir keine Rohstoffe haben, in anderen Ländern sieht das anders aus. Deshalb ist die Zahl nur bei sehr ähnlichen Ländern aussagekräftig, oder übersehe ich hier etwas?

Das heißt ja nicht, dass ich nicht auch dafür bin, dass wir alle ordentlich bezahlt werden, ich will nur verstehen, was mir die Zahlen sagen sollen :D.
 

Matthew McKane

Senior Member
Registriert
01.03.2000
Beiträge
2.073
@Mynora: 1.Deutschland ist gerade im Bereich Maschinenbau und Export führend. 2.Rohstoffe und Energie kosten auf dem Freien Weltmarkt für alle Länder gleich viel. Daher sind die Lohnkosten, die einzig relevanten Kosten.


@David:
Aber damit Konkurenz besteht müssen erstmal Unternehmen mit ähnlichen Produkten vorhanden sein: Wer behauptet dass die deutschen Exporte Schuld an den griechischen Problemen sind muss zeigen, dass in Griechenland genau in den Branchen im größerem Umfang Arbeitsplätze verloren gegangen sind wo Deutschland nach Griechenland exportiert hat, mit den entsprechenden Folgen für die Steuereinnahmen und die Sozialausgaben. Die pure Gleichzeitigkeit reicht noch nicht um einen ursächlichen Zusammenhang anzunehmen.

Das stimmt so nicht, es kommt nicht darauf an, ob Deutschland nach Griechenland exportiert hat, sondern es reicht wenn Deutschland, nach irgendwohin auf der Welt Güter exportiert, die auch Griechenland exportieren könnte!

Sogar wenn Deutschland schon immer, das grösste Stück des Exportkuchens hatte, hindert das andere Länder daran in diesen Branchen Fuss zu fassen. Der springende Punkt ist ja das es sich für Griechenland, gar nicht rentiert über z.B. über eine eigene Autoindustrie nachzudenken, weil 1. Deutschland bereits Marktführer ist, und 2. Frau Merkel mit Steuergeschenken winkt, wenn ein deutscher Autobauer auf die Idee kommt ein werk in Griechenland aufzumachen, damit der standort Deutschland erhalten bleibt.

Da die EU ein Binnenmarkt ist macht es nach Marktkapitalistischen Gesichtspunkten keinen Sinn wenn sich die Mitgliedsstaaten auf diese Art in Standortfragen Konkurenz machen. Es sollten vielmehr in allen EU Ländern ähnliche Bedingungen herrschen, da diese als gemeinsamer Markt auftreten und durch die gemeinsame Währung Ausbrüche einzelner Mitglieder nach unten oder oben gemeinsam tragen müssen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
Registriert
07.06.2008
Beiträge
3.151
@Mynora: Wenn du dir die EU anschaust, dann sind fast alle Länder quasi "rohstofflose" Länder. So ganz stimmt das mit "rohstofflos" bei Deutschland nicht, da wir Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft haben, außerdem auch einiges an Bergbau wie Kohle, Kali, verschiedene Steine etc.
Meist ist mit rohstofflos kein/wenig Erdöl und Erdgas sowie Edel- und Halbedelmetalle gemeint.
Wenn man das anlegt, hat in der EU eigentlich nur GB nennenswert Rohstoffe, eben Nordseeerdöl und -gas.
Dementsprechend sind alle EU-Staaten zu Deutschland nach deinen Kriterien vergleichbar.
Außerdem ist eine Maschine in aller Regel eine einmalige Investition, die sich irgendwann amortisiert hat. Löhne sind dagegen immer laufende Kosten, die finanziert werden wollen. Löhne auf Kredit zu zahlen, ist wirtschaftlicher Schwachsinn, Maschinen auf Kredit nicht.
 

Mynora

Teufelchen
Registriert
02.04.2008
Beiträge
800
Zum Glück sind Maschinen nicht einmalige Investitionen, genausowenig wie Software. Die laufenden Kosten übersieht man zwar oft, aber sie sind vorhanden und sehr wichtig. Mit Wartung sind auch haufenweise Leute beschäftigt. Werden die in den Lohnstückkosten berücksichtigt? Werden die Verwaltungskosten mitberücksichtigt, die in einigen Ländern höher sind als in anderen? Werden Kosten durch Umweltauflagen berücksichtigt, die es nicht in allen Ländern gibt? Auch wenn Gehälter sicher einen großen Anteil an den Kosten ausmachen, sind sie nicht die einzig entscheidenden. Selbst bei uns in der Softwareentwicklung liegen die Ausgaben für Personal nur bei 90% der Ausgaben. Also kann mir keiner weismachen, dass die restlichen Kosten zu vernachlässigen sind. Und vor allem sind die sehr stark von den Ländern abhängig.
 

Tigerle

Member
Registriert
02.01.2011
Beiträge
73
Ich sehe das Problem ganz anders gelagert und das, was hier beschrieben wird, sind in meinen Augen nur Auswirkungen:

Es wird immer auf Wirtschaftswachstum gesetzt. Wir (weltweit gesehen) produzieren immer mehr und immer besser. Im Ergebnis steigt der Gesamtwert der produzierten waren ständig an. Man rechnet auch schon nicht mehr mit dem vorhandenen Kapital sondern mit dem zu erwartendem Gewinn. Dies ist aber schon die erste Falle:
Das Wirtschaftswachstum wird begrenzt durch die Kaufkraft der Abnehmer und durch eine Obergrenze der Ressourcen. Letztendlich gilt im Groben: Kapital, das wir in Deutschland erwirtschaften, erwirtschaften wir immer zum Teil auf Kosten des Kapitals anderer Staaten. Dies kann durch steigenden Rohstoffmangel oder eine erhöhte Sättigung des Marktes geschehen. Letztendlich ist das, was bei uns ein Gewinn ist, woanders ein fehlender Gewinn.
Wir können nicht erwarten, Kapital aus dem Nichts zu erschaffen. Wir können Werte aus dem Nichts erschaffen (Jeder Produktionsprozeß ist ein z.B. ein solcher Veredelungsprozeß, welcher den Wert des Gutes erhöht), aber sobald wir dieses Gut auf den Kapitalmärkten bewerten lassen (Dies geschieht schon durch den Normalen Prozeß von Angebot und Nachfrage), fällt der finanzielle (nicht der reelle) Wert vergleichbarer Güter um den Wert, um den unser frisch veredeltes Gut bewertet wurde.
Blicken wir jetzt auf die Länder. Deutschland produziert Güter und hat ein Wirtschaftswachstum. Wir können also einen finanziellen Zugewinn verzeichnen; eben dieser finanzielle Zugewinn, um den unser Mehr an Güter höher zusätzlich bewertet wurde. Die gesamte Welt mit Ausnahme Deutschlands hat nun einen finanzielle Abwertung zu verkraften, die den Mehrgewinn Deutschlands egalisiert. Dies ist in der Summe ein Verlust.

Ob Griechenland wegen Deutschland Verlust hat ist genso unklar zu beantworten, als ob ich ein Krug Wasser in ein Fass kippe, jemand anderes das wasser entnimmt und ich mich frage, ob das mein Wasser sei.
Letztendlich gilt aber: Das, was Deutschland finanziell erwirtschaftet muss woanders abgeschrieben werden.
Und eines sei angemerkt: Wir streben jedes Jahr einen Wirtschaftswachstum an ;)
 

Matthew McKane

Senior Member
Registriert
01.03.2000
Beiträge
2.073
@Tigerle Es ist schon möglich das die gesamte Weltwirtschaft wächst. Das hat sie im Prinzip im Verlauf der Weltgeschichte auch immer getan. Sonst würde das ja bedeuten, das wir unser gesamtes Wachstum seit der Steinzeit, dadurch erkauft hätten das die meissten anderen Länder auf ein vorsteinzeitliches Level gesunken sind. Das ist ja nicht der Fall!
 

Olome Keratin

Gleichgewichtiger
Registriert
07.06.2008
Beiträge
3.151
@Mynora: Ich weiß grad nicht ganz genau, woraus sich Lohnstückkosten zusammensetzen, dementsprechend nicht, was alles berücksichtigt wird. Jedenfalls hab ich aber noch nie gehört oder gesehen, dass irgendein anderes Vergleichskriterium als die Lohnstückkosten zum Wettbewerbsvergleich herangezogen wurde. Daher nehme ich an, dass alles andere, was eventuell nicht eingerechnet wird, vernachlässigbar ist.
Was den Inner-EU-Vergleich angeht: Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind dank EU-Richtlinien überall annähernd gleich. Dementsprechend gibt es keine Unterschiede, was Umweltgesetze etc. angeht.

@Tigerle: Wirtschaftswachstum an sich muss kein Nullsummenspiel sein, also nicht des einen Gewinn des anderen Verlust. Ein Beispiel hast du ja schon genannt: Bessere Produktion. Die kann z.B. darin bestehen, dass weniger Abfall entsteht und daher aus der gleichen Menge Material mehr Waren entstehen. Das ist Wachstum, was niemanden etwas kostet. Analog gibt es vielfältigste Möglichkeiten, Verwaltunsgprozesse etc. zu optimieren, was auch niemanden etwas kostet. Außerdem ist es denkbar, dass zusätzliche Rohstoffvorkommen ausgbeutet werden, die bisher nicht genutzt wurden und auf diese Weise ein Mehrwert entsteht, der niemanden etwas kostet. Hierbei muss man sich allerdings immer fragen, was an Folgekosten, insbesondere in der Umwelt, anfällt.
Im Grunde kann Wirtschaftswachstum als Nullsummenspiel nur dann denkbar sein, wenn man eine einzelne Volkswirtschaft isoliert betrachtet. Sonst ist es kein Wachstum, sondern eben die Verlagerung von Gütern, Wertschöpfung etc.
Wenn du recht hättest mit dem Nullsummenspiel, müsste die Summe aller wirtschaftlichen Zugewinne und Rückgänge weltweit 0 ergeben. Was sie sicherlich nicht tut.
 

David

Moderner Nomade
Registriert
05.10.2000
Beiträge
18.447
@Matthew McKane:
Ok, da ist natürlich was drann, es reicht wenn wir dem griechischen Export auch anderswo auf der Welt Konkurenz machen, aber der Punkt dass es erstmal konkurierende Betriebe geben muss bleibt.

Was die gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen angeht wäre das für schwache Unternehmen meiner Meinung nach aber eher schädlich:
An der unterschiedliche Produktivität und damit verbunden den Lohnstückkosten würde das nichts ändern, diese Konkurenz gibts ja auch innerhalb Deutschlands zwischen einzelnen Unternehmen. Und je mehr andere Faktoren (Währung, Umweltauflagen, Steuern etc.) im Zuge einer Harmonisierung wegfallen, desto stärker schlägt die Produktivität durch, d.h. wer mehr Harmonisierung will fordert sogar einen stärkeren Wettbewerb. Im Extremfall wärs dann EU-weit so als ob die Unternehmen Nachbarn im selben Gewerbegebiet wären. Das ist ja auch durchaus so gewollt, aber wenn man die schwachen Unternehmen schützen will ist mehr Harmonisierung eher schädlich. (Was bei einer aprupten Anpassung von Währung und sämtlichen Gesetzen passieren kann haben wir ja mit der Wiedervereinigung erlebt, obs damals Alternativen gab ist aber nen anderes Thema)

Wenn man meint, dass die Unternehmen eines Landes dem direkten Wettbewerb nicht gewachsen sind und sie deshalb vor der Konkurenz schützen will, muss man die Harmoniserung reduzieren, was eben auch bedeuten könnte dass ein Land aus dem Euro austritt. Darum gehts mir ja von Anfang an: Das ist der einzige Weg solche Unternehmen zu schützen und ihnen Zeit zum Aufholen zu geben, zu erwarten dass die starken Unternehmen sich künstlich verteuern bis die Schwächsten aufgeschlossen haben kann nicht funktionieren wenn nicht die ganze Welt mitmacht. Dann würde der gesamte Euro-Raum überholt werden, und wenn dann irgendwann mal griechische Maschinenhersteller konkurenzfähig zu deutschen sind, kaufen alle in Polen oder China, weil die längst Jahrzehnte weiter sind.

PS.:
Die Frage inwieweit es sinnvoll ist schwache Unternehmen zu schützen muss jeder für sich selbst beantworten. Meiner Meinung nach macht das für eine gewisse Zeit durchaus Sinn, aber es muss auch wirklich dazu führen dass die Unternehmen aufholen und sich nicht dauerhaft auf die Schutzmechanismen verlassen und deshalb stagnieren. Da die richtige Balance zu finden ist schwer.

PS2.:
Um nochmal den Bogen zu oben schlagen: Wenn die griechische Regierung zu dem Schluss kommt, dass es wirklich in erster Linie an der deutschen Konkurenz und dem Euro liegt dass sie wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand steht ist die Lösung eigentlich klar: Griechenland kann genauso freiwillig wie es eingetreten ist wieder austreten und den Wechselkurs wieder als Waffe benutzen, bzw. als Schutzschild bis die Wirtschaft aufgeholt hat.
 
Zuletzt bearbeitet:

Matthew McKane

Senior Member
Registriert
01.03.2000
Beiträge
2.073
Nur, das damit ihre Schulden dann aufgewertet würden. Wenn sie ihre Kredite in Euro abzahlen sollen, haben sie mit einer eigenen Währung keine Chance. Ausserdem ist Griechenland an der Euroskrise schuld und nicht der Euro an der Griechenlandkriese. Vom niedrigen Euro profitieren im Moment alle nur, auch die Griechen. Für die Mitglieder der Eurozone ist die Euroschwäche keine Krise. Die Güter des täglichen Bedarfs stammen zum grossen Teil aus der Eurozone, da gibt es keine Währungsschwankungen und so hält sich die Inflation in Grenzen. Und die Exportindustrie boomt.
 

Darghand

Einer von vielen
Registriert
30.07.2001
Beiträge
6.016
Zum Glück sind Maschinen nicht einmalige Investitionen, genausowenig wie Software.

Falsch.

Eine Maschine ist ein Verschleißgerät mit determinierter Lebensdauer (die meist von vornherein mit einkalkuliert wird). Kann man mit einem Schweißroboter 10 Jahre lang Autotüren fertigen bis das Ding auseinanderfällt, wird pro Produktionsjahr ein Zehntel des Wertes der Maschine auf die in diesem Jahr hergestellte Menge Autotüren aufgeschlagen. Er wird sozusagen mittels des Produktionsprozesses übertragen. Wird in den Wirtschaftswissenschaften auch Abschreibungen genannt und ist der einzige Grund, weshalb es überhaupt solchen Schwachsinn wie Nachtschichten gibt: es ist ökonomischer, die CNC-Fräsen bis zum Exitus durchlaufen zu lassen und so den Output pro Lebenszeit der Maschine maximal zu halten.
Die ökonomische Lebenszeit einer Maschine kann darüberhinaus kürzer sein als die physische: führt die Konkurrenz eine neue Technik ein, die die Produktivität erhöht, bleibt den übrigen Marktteilnehmern (die dasselbe produzieren) im Zweifelsfall nichts anderes übrig als ebenfalls ihre Maschinen zu erneuern. Bei der Software ist das unmittelbar einsichtig, denn sie verschleißt nicht. Sie ist beliebig reproduzierbar und hält ewig. Sie veraltet nur hinsichtlich der Entwicklung und gerät hinsichtlich Stabilität, einfacher Handhabung, Umfang, Funktionen etc. pp. irgendwann ins Hintertreffen und muss ausgetauscht werden.

Arbeitskraft ist im Gegensatz zu diesem konstanten Kapital in ihrem Wert variabel. Eine Maschine wird zu den herrschenden Marktpreisen erworben; ihr Wert geht auf die oben beschriebene Weise auf die Waren über. Der Wert der Arbeitskraft hingegen ist Verhandlungssache.
Auch das ist unmittelbar einsichtig: es hat nie einen Fall gegeben, in dem ein Unternehmen, das gerade in der Krise steckt, verkündete, es würde fortan im Maschinenpark gespart, indem man nur noch Auslaufmodelle von Billiganbietern verwendet. Oder es würde neue Maschinen nur noch unter Marktpreis kaufen. Das ist Quatsch, weil ein Unternehmen rationalisieren - also den Produktionsprozess effizienter gestalten; die Produktivität erhöhen - muss, um aus einer Krise herauszukommen. Das variable Kapital der Arbeitskraft kann praktischerweise je nach Lage gesenkt werden; Einsparungen beim Personal werden bei wirtschaftlichen Schieflagen immer vorgenommen: etwa durch Vereinbarungen, die den gültigen Tarifvertrag unterschreiten.

Ob dieses Personal die Maschine programmiert, bedient oder repariert ist gänzlich irrelevant. Ein Unternehmer, der einigermaßen bei Verstand ist, wird die Ausgaben für alle drei Tätigkeiten so gering wie nur möglich halten.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Oben