Gandalf blieb einen Moment still, versunken in eigenen Gedanken. Dachrismas Zögern wunderte ihn nicht, so abgemagert, wie sie aussah. Er wußte daß sie sich richtig verhielt. Zu viel Essen auf einmal nach langer Fastenzeit war schädlich, konnte sogar tödlich enden. Nein, für den Anfang kleine Bissen, immer nur ein wenig, eine halbe bis ganze Stunde Pause, ein weiterer Bissen, bis sich der Körper wieder an einen 'normalen' Rhythmus gewöhnt hätte. Sollte Dachrisma länger bleiben, wäre das der Weg, den sie gehen mußte. Gandalf würde später essen. Es wäre taktlos gewesen, Dachrisma so sitzen zu lassen und ihr etwas vor zu kauen.
Und was sie ihm erzählt hatte, machte ihn sehr wohl neugierig. Fähigkeiten im göttlichen und prophetischen Bereich. Ach ja....ein alter, schmerzhafter Gedanke kehrte zurück. Eine Erinnerung. Arda........er war so jung gewesen....er hatte sie nicht retten können. Und sie selbst sich auch nicht, trotz all ihrer göttlichen und prophetischen Gaben. Zu zweit waren sie im an die Stadt angrenzenden Wald spazieren gewesen. Eine junge, frisch geweihte Klerikerin des Corellon Larethian und er, Gandalf, ein aufstrebender junger Magier, der die ersten Zauber gelernt hatte. Gemeinsam waren sie aufgewachsen, kannten sich von Kindesbeinen an und ja....sie träumten von einer gemeinsamen Zukunft. Der Wald hätte sicher sein sollen, wo doch die Stadtwache die Wege sauber und beschützt hielt. Doch auf einmal waren sie da, finstere Gesellen, gerüstet in Plattenpanzern und Lederrüstungen, die sich Arda nicht hätte leisten und die Gandalf nicht hätte tragen können. Klar wollten sie das Wenige haben, was die beiden dabei hatten. Aber sie machten sich nicht mal die Mühe, sie zur Herausgabe aufzufordern, sondern griffen direkt an...Mordlust in den Augen. Arda und Gandalf hatten gekämpft, versucht, sich langsam zurück zu ziehen, ihre Habseligkeiten auf den Boden geworfen um Kund zu tun, daß sie aufgaben und gehen würden. Es hatte nichts genutzt. Am Ende waren von den 6 Anreifern noch 3 übrig und Arda lag auf dem Boden, blutend aus mehreren Wunden. Ihre Magie war zu schwach, um sich zu heilen und Gandalf konnte ihr nicht helfen, hatte Mühe, sich seiner beiden verbliebenen Angreifer zu erwehren. Und dann dieser schreckliche Schlag, mit dem der dritte verbliebene Angreifer Arda einfach den Kopf abschlug. Oh ja....dieses Bild hatte sich tief eingebrannt.
An dem Tag war etwas in Gandalf gestorben....und etwas anderes erwacht. Oh, wieviel Schmerz und wieviel Wut er gespürt hatte. Sie war wie Feuer durch seine Adern gezogen. Bis heute begriff Gandalf nicht, was damals passiert war. Auf einmal sprach er Zauber, die er noch gar nicht hätte können dürfen, die er nie gehört, gesehen, studiert hatte. SELTENE Zauber! Schlußendlich war von allen 6 Angreifern nicht mehr als Staub übrig. Doch Arda war nicht zu retten gewesen. Er war zum Tempel gegangen, sie sagten, sie könnten nichts tun. Er hatte Hilfe gesucht, niemand gewährte sie. Ardas Familie und seine eigene waren zu arm. Gandalf begrub sie auf ihrem Anwesen und ging. Er war nie nach Hause zurück gekehrt, hatte seine magischen Studien voran getrieben mit nie gekanntem Eifer. Er spürte, daß er dies Arda schuldig war.
Das war nun über 500 Jahre her. Damals war er gerade mal 21 gewesen. Ja, seine Studien hatten ihn weit gebracht. Er war einer der mächtigsten, vielleicht sogar DER mächtigste Magier geworden, die es zur Zeit gab. Er alterte nicht mehr. Er wurde nicht mehr krank. Er schuf Dinge aus dem nichts, ohne mehr als Magie dafür zu benötigen. Komponenten? Hah, er hatte einen unendlichen Vorrat davon, einfach weil er sie ERSCHAFFEN konnte. Aus dem Nichts. Das war sein Geheimnis. Es war so einfach gewesen und doch so genial. Natürlich hatte auch das seine Haken und Schwierigkeiten gehabt. Er war schließlich nicht der erste Magier mit dieser Idee. Aber der erste, der sie erfolgreich umsetzen konnte. Doch das Alles konnte Arda nicht zurück bringen.
Das Einzige, was Gandalf tun konnte, war, in ihrem Sinne und Vermächtnis zu handeln und ihr Wesen zu ehren. Nur deshalb war er nicht zu einem Zerstörer geworden. Er hätte ihr Andenken verraten, wenn er sich dem bösen Pfad zugewandt hätte. Stattdessen hatte sich Gandalf dazu entschlossen, zu helfen, die Welt zu heilen.
Er brach das Schweigen, lächelte kurz und sprach dann sehr ernst:
"Was mich interessiert, und was nicht, liebes Kind, das überlaßt ruhig mir. Eure Fähigkeiten machen mich durchaus neugierig. Wer wäre ich, wenn ich nicht bereit wäre, neues zu lernen. Und was euch und die arkane Magie angeht: Selbst wenn ihr keine Fähigkeiten in dieser Richtung besitzt und ihr sie nicht anwenden wollt, so wäre es für euch doch wichtig, zu wissen, wie die Welt um euch herum funktioniert. Schon alleine, um euch vor denen zu schützen, die sie GEGEN EUCH einsetzen wollen. Und solche wird es geben. Es gibt sie immer...." der Schmerz in seiner Stimme war in diesen letzten vier Worten zu hören, eine andere Erinnerung, nicht weniger prägsam "...und nicht immer erkennt man sie gleich. Solltet ihr hier länger verweilen wollen, so biete ich euch einen Grundlagenkurs an."
Nach einer kurzen Pause setzte er etwas gesetzter fort: "Hmmm, 'Taverne zum weißen Magier'. Auch wenn der Name gut klingt, so weiß ich nicht, ob ich wirklich weiß bin, Dachrisma. Auch an meinen Händen klebt Blut. Ein Makel, den ich wohl niemals los werden werde. Aber wenn wir schon einen Namen brauchen......beachtet man, daß sowohl ihr als auch ich und auch die beiden anderen seltsamen Kerlchen wohl des Nachts hier angekommen sind....was haltet ihr von 'Schänke zur Nachtschicht'?"