Armanz
Die Sonne war gerade im Begriff unterzugehen, als Krolakk sich seinen Weg durch das Dickicht des dämmernden Waldes erkämpfte. Man sah ihm die Anstrengung im leicht verkrampften Gesicht an, doch das Ziel, dass er vor Augen hatte, liess ihn mehr leisten, als er es für möglich gehalten hätte. Hoffentlich finde ich das Dorf, bevor ich mich in diesem räuberverpesteten Wald verirre und als Totem irgendeines Waldgeistes ende, dachte der übermüdete Halbork. Er wusste, dass er nicht einschlafen durfte, aber seine Augenlider waren schwer wie Blei und seine Muskeln schmerzten schon seit Tagen.
“Nur eine kurze Pause...”, murmelte Krolakk. Er setzte sich neben einen Baum und lehnte sich an diesen an, ohne seine beiden Waffen abzulegen und schloss für einen kurzen Moment seine Augen. Unweigerlich packte ihn die Müdigkeit und er schlief, trotz seiner Gegenwehr, ein. Doch es war keine traumlose Nacht, wie sie gewöhnlicherweise immer auftritt, wenn der Ork solche Mühen überwinden musste. Krolakk träumte von einem finsteren Wald, den er durchforstete. Nach was, war ihm nicht bewusst.. Nachdem er den schemenhaften Wald verlassen hatte, fand er sich in einer Lichtung wieder und sah eine riesige Höhle vor sich, dessen inneres unmöglich zu erblicken war. Krolakks Schlaf wurde unruhig, als er die Höhle betrachtete. Als er sie dann, ein wenig zögerlich betrat, wachte er auf, bevor er irgendetwas darin ausmachen konnte. Unmut und Verwunderung machten sich in ihm breit. Etwas stimmte nicht mit diesem Traum. Jemand will, dass ich diese Höhle aufsuche, dachte sich Krolakk. Unschlüssig, ob er dem vagen Ruf Folge leisten sollte, stand er auf und schaute sich um. Nichts. Nur Stille und Dunkelheit. Krolakk grunzte unzufrieden und nahm seinen Weg wieder auf. Sein Ziel war zu wichtig, um sich von einem undeutlichen Traum aufhalten zu lassen. Andererseits, wenn es stimmte, was man über das Dorf sagte, hatte er genug Zeit, vorher noch einen kleinen Zwischenstopp zu machen. Der Ork entschloss sich dazu, die Höhle aufzusuchen, falls sie sich tatsächlich am Ende dieses Wald befinden würde. In Gedanken über seinen Traum, der kein natürlicher war, dessen war sich Krolakk sicher, versunken, achtete er nicht ausreichend auf seine Umgebung und trat beinahe in eine Bärenfalle. Mit bleichem Gesicht, bemerkte er diese und fühlte, wie sein Herz raste.
“Konzentrier dich auf den Weg, du Tölpel.”, sagte er zu sich selbst und stellte sich vor, was passiert wäre, wenn er hineingetappt wäre. Vielleicht hätte er es nicht überlebt. Oder er hätte das “Glück” gehabt, von Räubern gefunden zu werden. Seine Gedankengänge wurden abgebrochen, als er auf einmal ein schwaches Licht bemerkte. Seine Schritte wurden schneller, ja beinahe hastig und seine Lunge wurde mal wieder aufs Höchste strapaziert, aber es war ihm egal. Sein Eilen wurde zum Rennen, als er das Licht näher wähnte. Es dauerte nicht lang und er fand sich auf einer Lichtung wieder. Das unangenehme Gefühl eines Deja Vus durchzuckte ihn.
“Jemand hat mit meinem Traum gepfuscht.”, stellte er fest und schaute sich hastig um, was seinen Blick allerdings nicht daran hinderte, eine Gestalt etwas abseits der, Krolakk nur allzubekannten, Höhle wahrzunehmen. Sie hatte ihn vermutlich noch nicht erblickt, also lockerte der Halbork den verkrampften Griff von seinem Flegel und seinem Hammer. Er schaute sich noch einmal genauer um, konnte aber sonst niemanden ausmachen, also beschloss er eine Konfrontation zu wagen. Nach ein paar Schritten konnte Krolakk die Person genau erkennen und musterte sie.
Sein Gegenüber, dass sich soeben umdrehte und Krolakk ebenfalls zu mustern schien, war ein junger Mann, keiner der grossen Sorte und recht schmächtig. Der Junge, oder Mann, Krolakk war sich nicht sicher, trug ein Kettenhemd, dass ihm irgendwie nicht zu passen schien und war mit einem Bastardschwert bewaffnet. Er sah ziemlich unbeholfen aus, aber gleichzeitig auch erfahren. Der Halbork hätte schwören können, dass es sich um einen Paladin in Ausbildung handelte, wenn da nicht das Bastardschwert wäre, denn der Mann hatte etwas im Gesicht, dass Hilfsbereitschaft ausstrahlte und ihn, Krolakk, mit freundlichen Augen anschaute. Allerdings war da auch etwas trübes in seinem Blick, dass dem Halbork etwas Sorgen bereitete. Es bedeutete nichts Gutes, dessen war Krolakk sich sicher.
“Einen guten Tag, der Herr.”, begrüsste die Person ihn.
“Oder handelt es sich um einen Räuber?” Der Mann hatte schon längst eine Hand am Schwertgriff. Dann mangelte es ihm wohl nicht an Vorsicht, dachte sich Krolakk, verwarf den Gedanken allerdings wieder. Der Mann hatte die Höhle angestarrt und den Halbork erst bemerkt, als dieser ihm schon hätte gefährlich werden können, wenn er das gewollt hätte.
“Hallo.”, erwiderte der Ork seinen Gruss und schaute ihm noch ein weiteres Mal in die Augen. Etwas stimmte nicht mit dem Mensch.
“Ich bin weder ein Räuber, noch hege ich irgendwelche anderen bösen Absichten. Ich bin nur ein einfacher Reisender, auf der Suche nach einem bestimmten Dorf.”
Der Mann schaute ihn misstrauisch an.
“Recht streng bewaffnet seid ihr, dafür, dass ihr vorgebt ein einfacher Reisender zu sein.”
“In einem Wald, der so stark nach Banditen stinkt, sollte man seine Waffen lieber stets in der Hand behalten. Und was seid ihr, wenn man fragen darf.”
“Ein junger Paladin, im Auftrag seines Ordens. Nicht mehr und nicht weniger. Mein Name lautet Pelegrinus.”, antwortete der Mann freundlich.
Wusst ichs doch, dachte der Halbork und sagte: “Ich heisse Krolakk und bin, nunja, eine Art Waldläufer vielleicht.” Dabei grübelte er ein wenig und kam zu dem Entschluss, dass dies wohl am meisten zu seinen Tätigkeiten passte.
“Ihr klingt aber nicht sehr überzeugt.” Pelegrinus wurde noch misstrauischer, seine Stimme allerdings, blieb freundlich.
“Das liegt wohl daran, dass ich keinem bestimmten Beruf nachgehe. Die Tatsache, dass ich bereits vielen Menschen für ein paar Münzen geholfen habe, macht mich zu einer Art Berufswaldläufer, findet ihr nicht?”
“Das könnte man so sagen. Und was macht ihr hier?” Pelegrinus' Misstrauen schwand, je mehr er Krolakks ehrliches Gesicht betrachtete, dass irgendwie nicht zu einem Ork zu passen schien, wie er fand.
“Ich bin, wie bereits gesagt, auf dem Weg zu einem Dorf von dem ich gehört habe. Wenn es stimmt, was man darüber sagt, ist es mein Wille, mich dort niederzulassen. Und was führt ihr hier im Schilde? Seit wann schicken Ordensmänner ihre Zöglinge in einen gefährlichen Wald? Von welchem Orden sprechen wir hier eigentlich?”
“Er gehört zu Helms wachendem Auge. Mehr kann ich euch momentan nicht verraten. Man sollte nicht gleich alles einem Fremden hinausposaunen, findet ihr nicht?” Er lachte Krolakk zu.
“Mein Orden hat mich hierhergeschickt, um das was sich in dieser Höhle befindet, zur Strecke zu bringen.” Als Pelegrinus das sagte, wurde aus seinem freundlichen Blick purer Zorn und seine Stimme wurde heiser. Krolakk erschrak und der Griff um seine Waffen wurde unwillkürlich fester. Vielleicht ein Gestaltwandler, dachte er.
“Aus persönlichen Gründen würde es mich interessieren, was sich in dieser Höhle befindet.” Krolakk konnte sein Interesse kaum verbergen, was dem Paladin nicht entging.
“Nennt mir eure persönlichen Gründe, dann sage ich euch, was sich darin befindet.” Bei dem Wort 'was', flammte wieder Hass in Pelegrinus' Blick auf. Der Halbork war sichtlich verwundert. Wenn der Paladin wirklich war, was er sagte, was um Himmels Willen war dann mit ihm los?
“Ich könnte auch einfach in die Höhle gehen und...” Pelegrinus unterbrach ihn harsch und vollendete Krolakks Satz: “und sterben.”
“Glaubt ihr wirklich, dass..” Ein weiteres Mal liess der Paladin den Halbork nicht zum Ende kommen.
“Ja, das glaube ich. Nennt mir euer Anliegen.”
Krolakk zögerte. “Es wird ein bisschen seltsam erscheinen, aber ich habe soeben, vielleicht vor einer Stunde, einen seltsamen Traum gehabt und in jenem Traum habe ich diese Höhle betreten. Ich habe Grund zu der Annahme, dass was auch immer sich dort befindet, irgendwie an meinem Traum gespielt hat.” Krolakk konnte seine Worte selbst kaum glauben und Pelegrinus schien das gleiche zu denken.
“In der Höhle befindet sich ein grausamer Drache.”, sagte er kalt.
“Im Auftrag meines Ordens soll ich diesen zur Strecke bringen, da er Menschen entführt und tötet.” Pelegrinus' Stimme zitterte. Krolakk war sich nicht sicher, ob es an der Nervosität vor dem bevorstehenden Kampf lag, den er wohl schwerlich überleben würde oder den gleichen Grund hatte, wie sein hasserfüllter Blick.
“Ihr wollt einen Drachen töten?”, fragte der Halbork ungläubig.
“Ja.”, erwiderte Pelegrinus tonlos.
“Alleine?”
“Ja.”
“Das kann unmöglich euer Ernst sein.”
“Mein bitterster. Ich werde dieses Scheusal zur Strecke bringen und von seinem widerlichen Dasein befreien. Ich habe das schon einmal getan und ich bin bereit es noch einmal zu tun!”, schrie Pelegrinus ihn wütend an.
“Nicht so laut...” Mehr konnte Krolakk nicht herausbringen. Er war zu überrascht, um noch etwas anderes zu sagen. Seine Hände schmerzten von seinem festen Griff um seine Waffen und er herrschte den Paladin an: “Entweder ihr seid besessen oder ihr seid ein Gestaltwandler oder ihr sagt mir jetzt, was zum Teufel hier los ist.” Krolakks Körper bebte vor Aufregung und Pelegrinus sprang erschrocken nach hinten, in der zitternden Hand sein Schwert, dass er aus Angst gezückt hatte.
“Ich...also...Es ist so..”, stammelte er.
“Ich sage euch...also ich habe nicht gelogen.” Er lockerte seine Hand wieder.
Der Halbork schaute ihn prüfend an und fragte: “Nun gut, ihr wollt also einen Drachen erlegen, der Menschen tötet, nichts für Ungut. Ein Drache...” Er wusste nicht mehr, ob er überhaupt noch in die Höhle wollte.
“Passt mal auf. Ich möchte euch wirklich nicht kränken, aber wie gedenkt ihr einen ausgewachsenen Drachen zu erlegen?”
“Das lasst meine Sorge sein.”
“Hört zu, ich wäre bereit euch zu helfen, wenn ihr mich vorher mit dem Drachen reden lasst. Schliesslich hat er mich...irgendwie...zu dieser Höhle gelockt. Glaube ich.”
Krolakk legte seine Waffen ab; seine Hände brannten zusehr, und dachte nach. Er vertraute diesem Kerl nicht sonderlich und hatte keine Lust, sich lange mit ihm aufzuhalten, doch seine Neugier war zu stark und alleine wollte er nicht einem Drachen begegnen, auch wenn es nicht das erste Mal wäre.
“Ich wäre euch für eure Hilfe dankbar. Doch es wird langsam kalt. Was haltet ihr davon, wenn wir ein Feuerchen anmachen?” Er legte sein Schwert ebenfalls nieder und gähnte.
“Gut, aber jetzt erklärt mir, wie ihr schmächtiges Kerlchen alleine einen Drachen umbringen wollt. Das interessiert mich wirklich ungemein, da ich nicht glaube, dass euer kleines Schwert überhaupt durch dessen Schuppen kommt und eure Rüstung würde bei dem geringsten Schaden jämmerlich an euch zerbrechen. Wieso habt ihr eigentlich kein vernünftiges Schwert?”, bemerkte Krolakk und lachte leise vor sich hin.
“Das hier ist ein vernünftiges Schwert und ich könnte euch damit auch durchspiessen.”, sagte Pelegrinus trotzig.
“Mir...mir liegen grosse Schwerter nicht.” Die Wahrheit war ihm ein wenig peinlich, im Angesicht eines, vor Kraft trotzdenden Kampforks.
“Ein drachentötender Paladin mit unkontrollierten Wutausbrüchen, dem zweihändige Schwerter nicht liegen, soso.”
Pelegrin schmunzelte ein wenig, auch wenn der Teil mit den unktrollierten Wutausbrüchen nicht stimmte.
“Zeigt mir doch mal eueren Zahnstocher, Pelegrinus.”
Der Paladin griff nach seinem Schwert, doch es war nicht da. Stattdessen stand dort ein riesiger Ork mit einem zweihändigen Schwert in der Hand. Pelegrinus erschrak und stammelte: “Kro..lakk, ich hoffe, dass das...eure Freunde sind...”
Krolakk schaute sich um und konnte vier grosse Orks ausmachen. Einer hatte seinen Kriegshammer in der Hand, einer seinen Flegel, einer das Bastardschwert des Paladins und der Grösste der vier schwenkte sein überdimensionales, zweihändiges Schwert Pelegrinus bedrohlich vor dem Kopf herum.
“Wir möchten eure kleine Unterhaltung nur ungern stören, aber wenn mir die beiden Herren doch bitte ihr gesamtes Hab und Gut überreichen würden. Oder ihr Leben. Mir ist beides recht.” Der vermeitliche Anführer der kleinen Räuberbande lachte laut auf. Langsamen Schrittes ging er zu Krolakk und herrschte ihn an: “Nun mach schon!” Der Halbork starrte ihn an, als wäre er der Drache aus der Höhle und brüllte dann völlig unerwartet den Räuber mit voller Lautstärke an. Dieser wich verunsichert nach hinten, genauso wie die anderen drei. Einem von ihnen, er hielt Krolakks Flegel in seinen schmutzigen Händen, sah der Halbork die Angst in den Augen an. Fest entschlossen schnellte er empor und schlug den Banditen mit seiner blossen Faust zu Boden. Im gleichen Moment zog der Paladin einen Dolch aus seinem Stiefel und stach den entsetzten Ork, der sich das Bastardschwert angeeignet hatte, ins Bein, worauf dieser ebenfalls zu Boden stürzte. Der Räuber, der Krolakks Hammer trug, sammelte sich aber schneller als der Anführer und schlug den Halbork mit einem kräftigen Hieb seines verzauberten Hammers, nieder, bevor dieser seinen Flegel greifen konnte. Krolakk nutzte dann allerdings die Verwunderung des Banditen über die Kraft des Hammers aus und konnte gerade noch mit zwei Fingern an seinen Flegel herankommen, um dem Wegelagerer in derselben Bewegung dann die Waffe ins Gesicht zu schleudern, als wäre es ein Pfeil, der zielgerade aus der Sehne eines Bogens geschossen käme! Während Krolakk mit starken Schmerzen am Boden lag und sich kaum bewegen konnte, befanden sich Pelegrinus und der Bandit im engen Zweikampf, was dem Paladin sichtliches Unbehagen bereitete. Der Räuber war um einiges stärker als er! Er wich gerade einem mächtigen Hieb aus und sprang geschickt zur Seite, um seinem Gegner das Schwert in den Rücken zu rammen, doch dieser dachte gar nicht daran, so einfach den Kampf zu beenden und sprang ebenfalls zur Seite. Ein schneller Hieb seiner zweihändigen Klinge folgte und riss dem Paladin sein Bastardschwert aus der Hand. Mit einem zufriedenem Grinsen holte der Räuber zum finalen Schlag aus, als Krolakk nach seinem Flegel griff und ihn dem Anführer in den Rücken schleudern wollte! Doch in dem Moment stand der Bandit auf, der den Messerstich vom Paladin abbekommen hatte und schlug dem Halbork gegen den Kopf, der just in diesem Moment den Flegel warf. Die Flugbahn der Waffe wurde gestört und traf nicht den Rücken, sondern das Schwert des Räuberanführers. Pelegrinus, der das Schwert schon beinahe in seinem Kopf gespürt hatte, bekam durch die Entwaffnung seines Gegners gerade genug Zeit, um sich wieder seiner Waffe zu bemächtigen, bekam einen derben Tritt des Räuberanführers ab, hielt dann aber dessen Bein fest, worauf dieser stürzte. Statt dann mit dem Schwert auszuholen, schlug er mit dem Griff des Schwertes den Ork bewusstlos. Krolakk versuchte währenddessen verzweifelt, seinen Gegner davon abzuhalten, ihm mit seinem eigenen Hammer den Rest zu geben. Der Räuber holte abermals zum Schlag aus, als der Halbork den Griff des Hammers in die Hände bekam und seine Kraft spielen lassen konnte. Er entriss unter starken Rückenschmerzen seinem Gegenüber den Hammer und verpasste ihm einen Hieb gegen den Brustkorb! Dann erschlafften seine Glieder vor Schmerz und Anstrengung und er wurde bewusstlos. Krolakks Ohnmacht dauert allerdings nicht besonders lange an, da Pelegrinus ihn mit aller Mühe wachrüttelte. Der Halbork öffnete die Augen und brachte mühsam heraus: “Das war knapp..”
“Du hast mir das Leben gerettet.” Die beiden schauten sich kurz an und dann versuchte Krolakk aufzustehen, was auch ganz gut gelang, wenn man von den Schmerzen absah.
“Diese Schurken haben zum letzten Mal jemanden überfallen!”, sagte der Halbork zornig.
“Moment mal, du hast doch nicht vor sie...sie umzubringen?”, stammelte der Paladin unsicher.
“Was denn sonst? So ein Gesindel kann man nicht frei herumlaufen lassen!”
“Aber wir können doch nicht einfach so jemand töten...”
Pelegrinus schien betroffen zu sein. Der Zorn und die Aufregung von vorhin hatten wieder dem freundlichem Blick gewichen. Und der Rechtschaffenheit.
“Einen Drachen, von dem ihr nicht einmal sicher wisst, dass er etwas Böses getan hat, wollt ihr töten, aber diesen Räuberabschaum am Leben lassen?”
“Alle Drachen sind böse. Menschen aber ändern sich.”, erwiderte Pelegrinus.
“Und Orks.”, fügte er hinzu.
“Alle Drachen sind böse? Weshalb?”
“Es war ein verfluchter Drache, der meinen Vater getötet hat! Völlig grundlos! Viele Jahre ists nun her, aber ihr könnt nicht allen Ernstes von mir erwarten, einen Drachen am Leben zu lassen!”, herrschte der Paladin Krolakk an. Wieder fand der Ork Hass und Wut in Pelegrinus' Blick vor. Seine Fäuste waren geballt und er ging Richtung Wald.
“Ich werde mich kurz beruhigen. Tut...was ihr für nötig haltet, doch seid euch sicher, dass euer Gott es nicht gerne sieht, wenn man so etwas tut.”
Krolakk versank in tiefes Schweigen. Das war also der Grund für das sonderbare Verhalten des Paladins. Ein rechtschaffener Kerl mit einem wunden Punkt. Durchaus verständlich, dachte Krolakk, während er die vier Räuber mit seinem Hammer erschlug. Dann schaffte er die Leichen weg und wartete auf Pelegrinus' Wiederkehr, die auch nicht lange auf sich warten liess. Dieser bemerkte das Fehlen der Orks und fragte erfreut: “Habt ihr sie gehen lassen?”
“Ich habe die Leichen weggeschafft.”, sagte Krolakk kalt.
Pelegrinus' Miene verfinsterte sich.
“Alle Orks sind gleich.”, sagte er.
“Banditen haben meine Familie kaltblütig abgeschlachtet, so wie ein Drache euren Vater. Denkt ihr nicht, ich habe das gleiche Recht, wie ihr?”
Pelegrinus nickte stumm.
“Und jetzt reden wir bitte von etwas anderem.”, bat der Halbork. Das war Pelegrinus recht.
“Was gedenkt ihr in dem Dorf zu finden, nach dem ihr so intensiv sucht?”, fragte er.
“Ich habe Geschichten gehört über dichtende Orks. Grünhäute, die dort als Lehrer tätig sind. Ich suche meinesgleichen. Keine stumpfen Wilden, die nichts als abtrünnige und gewalttätige Gedanken führen. Dort hoffe ich genau das zu finden.”
“Ein interessanter Zeitgenosse seid ihr, Krolakk. Das muss man euch lassen.”
“Danke. Vielleicht verratet ihr mir morgen mehr über euren Orden, Pelegrinus?”
“Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch jetzt sollten wir uns ausruhen. Es steht uns vermutlich ein harter Kampf bevor, wenn ihr mir wirklich helfen wollt.”
“Wenn es wahr ist, was ihr dem Drachen vorwerft, werde ich euch beistehen.”
“Ich danke euch. Soll ich wachen, während ihr schlaft?”
“Einverstanden. Weckt mich nach ein paar Stunden, dann könnt ihr schlafen und ich passe auf euch auf. Gute Nacht.”
Die Sonne ging auf. Sie schien Krolakk ins Gesicht und der Halbork wachte auf. Er schaute sich unwillkürlich um. Pelegrinus sass neben ihm.
“Guten Morgen.”, sagte Krolakk.
“Guten Morgen.”, erwiderte der Paladin und schaute in die Sonne.
“Ein schöner Tag, um einen Drachen zu töten, findet ihr nicht?”, fügte er hinzu.
Krolakk nickte stumm, aber nicht befürwortend, während Pelegrinus seinen Dolch am Stiefel befestigte.
“Seit wann tragen Paladine verborgene Waffen?”, fragte der Halbork.
Pelegrinus schmunzelte.
“Seit sie Schattendiebe als Informanten haben.” Der Paladin hielt den Zeigefinger am Mund.
“Aber pscht.”
“Interessant.”, sagte Krolakk, nahm seinen Hammer und schwang ihn kurz durch die Luft, als ob er überprüfen wolle, ob dieser es noch tut.
“Ihr wollt mit solch stumpfen Waffen einen Drachen verletzen?”, fragte Pele.
“Mein Hammer kann einiges leisten, genauso wie mein Flegel. Urteilt nicht vorschnell.”
“Ich bitte euch trotzdem, lieber dieses riesige Schwert von dem Räuber zu nehmen. Kraft genug scheint ihr ja zu haben.”
“Vielleicht habt ihr recht...”
Krolakk nahm sich das Schwert und schwang es ein paar Mal durch die Luft.
“Das wirds tun. Seid ihr euch sicher, dass ihr das Biest töten wollt?”
Pelegrinus Blick war wieder hasserfüllt.
“Das nehme ich als ein Ja. Also dann, gehen wir hinein?”, fragte Krolakk, dem nicht weniger mulmig zumute war, als Pele. Zögernd, aber kalt, erwiderte dieser: “Ja.”
Zaghaft und vorsichtig betraten die beiden die Höhle und wurden schon bald von Finsternis umhüllt. Als sie dann tiefer vorstiessen, bemerkten sie Fackeln an den Wänden. Anfangs waren es erloschene, doch je tiefer die beiden vordrangen, auf desto mehr brennende stiessen sie. Und dann, in einem Raum epischen Ausmasses, erspähten Krolakk und Pelegrinus ihn, den majestätischen Drachen. Seine goldenen Schuppen funkelten rötlich im gedämpften Licht. Krolakk und Pelegrinus waren beeindruckt von den Ausmassen und der Pracht des mächtigen Drachen. Angst verspürten sie aus irgendeinem Grund nicht. Als der Drache dann langsam seinen Kopf bewegte, wurden die beiden allerdings sehr nervös. Der Drache sprach zu Krolakk:
“Ah, auf euch habe ich gewartet. Ihr seid meiner Einladung also gefolgt. Ihr müsst wissen, ich habe Interesse an eurer Person. Aber wo sind meine Manieren? Mein Name ist Sarlentar. Und wie heisst ihr?”
Krolakk war verblüfft von der Ruhe des Drachen und seiner Aura, die Alter und Weisheit ausstrahlte.
“Man nennt mich Krolakk. Weshalb seid ihr an mir interessiert? Seid ihr es, der an meinem Traum herumgespielt hat? Ihr wollt mich doch nicht töten?”, fragte der Halbork unsicher, worauf der Drache zu lachen begann.
“Ihr habt euch sehr gewehrt. Ich wollte euch im Traum auftauchen, aber ihr habt einen starken Geist. Ihr denkt doch nicht, dass ich euch töten will? Warum sollte ich so etwas tun? Ihr müsst wissen, dass ich sehr neugierig bin. Und als ich eure Präsenz an diesem Ort spürte...Dieses...Hm...” Er senkte den Kopf und schnupperte an Krolakk.
“Dieses ausserordentlich ungewöhnliche Wesen, dass ihr seid. Viel erlebt habt ihr, vermute ich. Und ein gutes Wesen seid ihr ebenfalls, wenn auch leicht chaotisch, wenn es um Begegnungen mit anderen geht. Ihr versucht jedem zu helfen und seid doch kein Paladin. Ihr kämpft und kämpft, tagein, tagaus, und seid doch kein Krieger. Sagt mir, was ihr seid.”
“Das wüsste ich auch zu gerne.”
Krolakk war sehr verwundert über das friedsame Wesen des Drachen, nicht aber Pelegrinus, dessen Augen puren Hass ausstrahlten. Auch dem Drachen schien dies nicht zu entgehen.
“Und ihr. Ihr scheint ein Paladin zu sein. Eure scheinheilig gute Aura verrät mir das. Doch etwas Böses spüre ich in euch. Hass. Ihr scheint besessen. Was habt ihr vor?”
“Ich bin hier, um euer jämerliches Dasein zu beenden!”, brüllte Pelegrinus, blind vor Zorn.
“Mit welchem Grund?”, fragte der Drache mit ruhiger Stimme.
“Ihr entführt Menschen. Und tötet sie. Im Namen Helms soll ich euch zur Strecke bringen!”
“Ich habe niemanden getötet, der nicht dieselbe Absicht gegen mich hegte, Paladin. Genug davon. Ich würde gerne diese interessante Konversation mit Krolakk fortführen, wenn ihr gestattet.”
Die Ruhe des Drachen machte Pelegrinus rasend!
“Genug von eurer Scheinheiligkeit! Für meinen Vater!”
Pelegrinus rannte auf den Drachen zu und stach ihm mit aller Kraft sein Schwert in den Bauch. Die Klinge bohrte sich in dessen Fleisch hinein und die Waffe steckte bis zum Griff! Der Drache brüllte laut und schlug den Paladin mit seiner Klaue durch die Luft, worauf dieser unsanft zwischen ein paar Felsbrocken landete und dort liegenblieb! Dann wendete er sich zu Krolakk, mit einer Mischung aus Trauer und Wut in den Augen und sagte zu ihm: “Ich entschuldige mich dafür, dass es so enden muss.”
Dann versuchte der Drache Feuer zu spucken, doch nichts als ein paar schwarze Rauchwolken kamen dabei heraus. Er hustete. Krolakk nutzte den Moment und stach sein riesiges zweihändiges Schwert etwas zwei Meter weit weg von der anderen Wunde in des Drachen Bauch, zog sie heraus und stach ihn noch einmal. Der Drache holte abermals zum Feuerspucken aus und diesmal gelang es! Ein riesiger Feuersturm, der ein ganzes Dorf hätte auslöschen können, umhüllte Krolakk und dieser spürte die unglaubliche Hitze, blieb aber unversehrt! Sarlentar riss die Augen weit auf und seine Verwunderung war nicht zu übersehen. Krolakk nutzte den Moment und versuchte mit mehreren Hieben vergeblich des Drachens Bein abzuschlagen, hinterliess aber eine Reihe von Wunden. Der Drache spuckte abermals Feuer und erhellte die gesamte Höhle damit, doch Krolakk spürte nichts als starke Hitze, Sarlentars Bein abermals bearbeitend. Zornig schlug der Drache Krolakk mit seiner Klaue gegen die Brust und dieser flog ebenfalls nach hinten, jedoch nicht annähernd so weit, wie der Paladin, der gerade dabei war, sich wieder aufzuraffen! Er rannte zum Drachen und griff sein Schwert, bevor Sarlentar ihn bemerken konnte. Er drehte die Klinge einmal herum und der Drache brüllte vor Schmerz laut auf! Dann zog Pelegrinus die Klinge heraus, um sie Sarlentar noch ein zweiteres Mal in den Leib zu rammen! Dieser versuchte wieder Feuer zu spucken, aber die Schmerzen störten seine Konzentration. Nur ein kleiner Feuerstrahl kam heraus, allerdings genug, um Pele zu Boden zu ringen! Dann gab Sarlentar seinen Wunden nach und stürzte zu Boden. Der Paladin stand mühsam auf und trennte mir letzter Kraft den Kopf des Drachens vom Körper ab. Dann kroch er zu Krolakk und versuchte, seine Wunden ein bisschen mit seiner magischen Kraft zu heilen. Er half ihm hoch und beide starrten auf den riesigen Leib des Drachens.
“Hoffentlich haben wir das Richtige getan...”, murmelte Krolakk bedrückt.
Pelegrinus dachte an seinen Vater und an die Tugenden und Ziele eines Paladins und mit welchem Hass er vor einem Jahr diesen unschuldigen Baby-Drachen zerfleischt hatte und was sein Orden davon hielt. Er dachte an den Hass, den er gegen alle Drachen hegte, den Hass, der in seinem sonst so rechtschaffenem Körper ruhte und an den Drachen, den er zusammen mit Krolakk erlegt hatte, von dem er nicht einmal sicher wusste, ob er schuldig war im Sinne der Anklagepunkte.
“Nein, das haben wir nicht.”, erwiderte Pelegrinus und senkte seinen Kopf.