Topic für Kurzgeschichten

Lisra

Schmusekater
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Hm... schön...

Also:
Dass das GEständnis so überraschend kam, muss darauf zurückzuführen sein, dass die Andeutungen im Text einerseits zu nsidermäßig und zum anderen nciht häufig genug, nicht stark genug sind? Weil es schon nicht *so* überraschend hätte kommen sollen. Also für Clara schon, nicht für den Leser.

*notiz mach*

Niklas klingt nur unmotiviert. Das liegt an einem inneren Konflikt - wie soll er sich den so ausdrücken? Ich hab' darauf auch hingedeutet, aber wieder nicht stark genug.

Das mit den Songtexten ärgert mich mittlererweile. An zwei Stellen waren sie wichtig, weil sie tatsächlich gespielt wurden (Krypterias "Night All Angels Cry" und Katatonias "Quiet World") und weil es da um einen wichtigen Punkt ging. Später, vor allem mit dem I've become grey Zitat aus Babylon5 wurde es dann anstrengend für mich. Der Zwiespalt liegt darin: Wenn ich einmal angefangen hab', ist es blöd damit wieder aufzuhören, aber ich will die Story nicht darauf aufbauen Songzitate zu nehmen. Gelgentlich sind sie aber ein cooles Mittel, find' ich.

We've become grey. Colorless, shapeless, incomprehensible. We come in so many shades even though we are the same we barly understand each other. We've become grey...

Da sist allerdings von mir, nicht zitiert.

Weiterhin: Danke :)
 

Wedge

Wedgetarian
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Du musst das mit den Zongtexte ja nicht lassen, sondern kannst dich ein wenig beschränken.

Ich fand z.B. ganz gut, wie der Lukianenko das mit den Liedern in seinen Wächter-Büchern gemacht hat. Auch wenn ich kein enziges von denen kannte/kenne.
 

Faerlanthis

Steppenwolf
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@ Lis:
Als Autor liegen die Dinge immer glasklar vor einem. Oft schreit es schon beinahe und man kann nicht wirklich nachvollziehen, wie der Leser so taube Ohren (bzw. trübe Augen) haben kann. Vielleicht bin ich auch ein besonders schwerhöriges/blindes Exemplar, aber ja: Mir waren die Andeutungen nicht stark genug und haben nicht ausgereicht.

Wenn dich die Songtexte selber stressen, dann begreife sie doch einfach als eine Art modernes Stilmittel: Du nimmst es, wenn du es brauchst und wo's passt, bist aber nicht davon abhänig und es strukturiert auch deinen Text nicht. Das ist dann okay und sogar originell. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass du den Zitaten wesentliche Eckpunkte der Geschichte überlässt, und das wollte ich einfach aus meiner Sicht mal kritisch anmerken.
 

Lisra

Schmusekater
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Achja... Wenns gefällt werf ich hier demnächste inen ~2000 Worte Kurztext dazwischen, damit ihr was zu lesen habt, während ich meine Schreibprobleme überwinde? ;)
 

Lisra

Schmusekater
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Enthält Gewalt, Andeutungen zu Sex und so... lest auf eigene Gefahr...

kein Titel.

~~~

Geräusche am Rande des Bewusstseins. In der Nähe oder weit weg? Ein Tier, ein Mensch?

Stimmen. Menschen.

Hilfe.

Rettung.

Untergang.

Zeit.

„Schau da, man kann sie noch sehen, wie sie da liegt. Hat sich schon eine Weile nicht bewegt, Bruder. Nein, wir gehen nicht zu ihr hin. Lass mich doch, dann hab‘ ich halt Angst! Komm, ich helf dir hoch, schau‘s dir selber an; ich sag dir, du willst da auch nicht rein!“

Am Anfang schien noch die Sonne. Sie erinnerte sich an die Sonne, spürte die Wärme im Nacken als sie sich durch zugewachsene Wege kämpfte, bis sie, den Schweiß aus den Augen blinzelnd, dort stand wonach sie gesucht hatte.

Der Spiegel zog sich über die ganze Wand, war vom Zahn der Zeit verschont geblieben, während die hölzerne Decke, der Fußboden, selbst die Wand, in die er eingelassen war, sich bogen und langsam verfaulten.
Sie setzte sich auf einen fleckigen, feuchten Teppich, schlang die Beine in den Schneidersitz und starrte auf den Boden, wusste nicht warum, ob sie nach Tierchen zwischen den nassen Fäden ausschau hielt oder einfach nichts mit dem Blick anzufangen wusste, es war ihr letztlich egal.

Ihre Hände fanden etwas hartes; Plastik. War es das wonach sie gesucht hatte? Was war das überhaupt…

Sie grinste sich selbst an, verewigt auf der Plastikkarte, gefangen unter dem Schutzumschlag, gebrandmarkt mit einem Namen unter dem Schlagwort Personalausweis. Wir wissen wer du bist, es steht genau hier…

Die Sonne verschwand, sie verblieb so regungslos wie zuvor, den Blick versenkt in ihr eigenes Konterfei, so verzerrt es ihr jetzt auch erschien. Lisa ‚Lenya‘ Sjermansvåg… wir wissen, dass du da drin bist. Komm raus wie ein braves Mädchen!

Lenya stand ruckartig auf, schwankte, als ihr Kreislauf protestierte und warf die Plastikkarte fort. Verdammt soll das sein was sie war…

Sie hob den Blick, sah in den Spiegel. Ein wenig Licht gab den Blick frei. Sie starrte sich selbst an, anders als auf dem Bild im Dreck. Lange schwarze Haare hingen ihr in Strähnen im Gesicht, gingen bis über ihre Schultern. Zwei verkrustete Schnitte zogen sich auf der linken Wange entlang, die Haut war dunkel unter den Augen.

Aber Hallo Sonnenschein, was bist du nicht wieder grässlich hell heute… sagte, dachte, murmelte, schrie sie? Ihr Hals fühlte sich rau an, Gänsehaut kletterte ihre Arme hinaus, bis unter die Haut, die sicher verborgen war unter schweren Baumwollshirt und Bluse, als sie die Oberfläche des Spiegels berührte, sich selbst in die Augen sah, mit der Nase an das Glas stieß.

„Und sie stand da, wirklich, minutenlang. Ich dachte schon die würde mal was Richtiges machen… fingern vor’m Spiegel, oder so, aber nichts.“


Die Faust traf zum ersten Mal das Glas, ein zweites Mal. Risse breiten sich aus, verzerren Teile des Bildes. Splitter fallen, bleiben an ihrer Hand, schneiden, reißen.

Wer du bist, das siehst du genau hier, direkt vor dir und du kannst nichts daran ändern. Gar nichts. Es liegt alles hinter dir und was kann da jetzt noch kommen, von jemandem wie dir… schau es dir an, schau dein verdammtes Gesicht an. Die Flecken sind weg, aber du kannst sie noch immer sehen, sie sind in deinem Kopf eingebrannt und du weißt noch wer sie schlug, jeder einzelne, du kennst das Gesicht, die Augen und du weißt wie sich jede Faust anfühlte. Die Schnitte sind geblieben. Du weißt genau woher die stammen. Du weißt genau wer -

SEI STILL.

Beide Fäuste treffen das Glas, dann die Stirn, hart, einmal, zweimal, dreimal.

Haut und Fleisch reißen, als sie den Spiegel hinab rutscht, Blut verschmiert das Spiegelbild, einzelne Splitter fallen heraus. Ihre Augen sind leerer geworden, Hände geballt, die kleinen Glasfragmente tief im Fleisch, und sie drückt die Hände so fest sie kann, verbleibt so bis die Muskeln schließlich nachgeben. Schmerz, körperlicher Schmerz… guter Bekannter, doch unwillkommener Gast…

Achtlos hinter ihr liegt ein Rucksack, abgetragen, aber heil. Sie reißt ihn unwirsch auf, wühlt darin herum, verteilt ihr eigenes Blut auf dem rauen Material. Flasche, Shirt, Messer, Feuerzeug, Reste… gefunden. Schon wieder Plastik, schon wieder eine Hülle, ein Gefäß. Synthetischer Tod blickt sie an, grinsende Gesichter in die Form geritzt. Mit genug Wasser zwingt sie eine Handvoll ihre Kehle hinunter.

„Hab‘ erst gedacht sie fixt, aber dann hat sie nur Pillen geschluckt.“


Schmerz verblasst und mit ihm der feste Rahmen der Welt. Alles zerbricht in lose Farben, Licht und letzten Endes, Dunkelheit. Dunkelheit und dem wagen Empfinden von abwechselnd Hitze und eisiger Kälte. Bewegung setzt aus, die Augen sind hinter den Spiegel gerichtet, verloren, verstoßen.

Du hast dich sicher nach viel gesehnt, nicht wahr? Nach Wärme und Zuneigung, nach einem Ende des Horrors und nach einem grausamen Tod für jene, die über dir standen. Und sieh dich an, ist alles schlecht? Du liegst auf einem stinkenden Teppich, die Arme um dich selbst geschlungen und irgendwann erfrierst du vielleicht, aber du fühlst dich doch warm, fühlst dich doch sicher, stehst nahe am Abgrund und würdest lächeln, wenn du nicht in Starre wärst… ist es alles schlecht? Ist es schlecht wenn du noch mehr nimmst? Ist es nicht ein Segen, wenn du der Wärme nahe kommst, die du nicht bekommen kannst? Es will dich niemand, hilf dir selbst und vielleicht ist dann auch bald alles vorbei.

Körper zuckt. Muskeln kontraktieren, Atmung stockt immer wieder.

Starrer Moment.

Vage Entspannung, nichts Richtiges, nichts Befreiendes, etwas Zurückstoßendes.


Hallo du, ich bin die Welt und noch immer da.

„Das war so krank… gezuckt hat die, immer wieder, dann blieb sie ruhig, vielleicht zwei Minuten lang.“

Was ist das für eine Welt, die sich dir da offenbart? So verzerrt, kalt und doch fühlst du dich warm im Innern, glühst doch fast… was ist das da vorn, das bin ich, haha, ich, ich, ichichichichich.

Lenya schlägt den Rucksack in den Spiegel. Was sie war, was sie ist und was sie werden wird folgt ihr überall hin, selbst in den Drogenrausch.

Du stirbst, du stirbst, langsam, aber du stirbst. Wenn nicht heute, dann beim nächsten Mal. Du wirst dich verkrampfen, irgendwo im Dreck und irgendwann wird dein kaputtes Herz aufhören zu schlagen. Du würdest dann lächeln wollen, aber du wirst nicht können, weil die Überdosis deine Muskeln lähmt. Gefällt dir das? Ja? Und das ist gnädig für dich, das weißt du…

Will diesen Körper nicht mehr, will diesen Körper nicht mehr, will nicht mehr.

Schlanke Finger schließen sich um ein großes Stück Glas. Es wird ruckartig über Lenyas Bauch gerissen, dreimal, viermal. Stoff reißt ein, Haut und Fleisch geben nach. Heißer Schmerz durchdringt sie, unbemerkt und abgedämpft, bis er abgetötet wird. Sie lächelt langsam, die Muskeln sind so langsam, denn Wärme breitet sich in ihr aus, heiße, ungehemmte Wärme. Es ist nicht mehr kalt, nicht mehr kalt.

Nach einer halben Stunde ist der Großteil der Pillen resorbiert.

Schwere Dunkelheit kriecht heran. Bis auf die Wärme ist alles verschwunden. Die Sicht ist Dunkelheit gewichen, Lenya liegt zusammengekrümmt teil in den Überresten des Spiegels, hält die Arme über den Bauchwunden, spürt die Wärme ihres eigenen Blutes. Sie ist glücklich.

Sie kann gar nicht anders.

„Ich weiß nicht was sie dann gemacht hat, es ist so dunkel, aber dann hat sie aufgehört und blieb so liegen“

„Wie lange schon?“

„Vielleicht fünfzehn Minuten, du hast ja etwas gebraucht um herzukommen.“


Stimmen schleichen sich immer wieder an, doch sie erreichen kaum etwas. Was denkst du eigentlich an Hilfe… komm zu mir, komm zu mir. Du kannst dich nicht mehr bewegen und der Schlag deines Herzens in deinem Kopf wird langsamer, du spürst es doch auch.

Empfange die Ruhe, es bleibt dir nichts anderes übrig.

Und es hätte nicht anders kommen können, weißt du? Es war alles doch schon klar, als du das erste Mal zu ihm gegangen bist. Und jetzt ist es gut, so hast du’s dir gewünscht, nicht wahr? Du hast dich selber im Traum gesehen, ich bin du. Ich liege hier bei dir, kann mich bewegen, weil du es nicht kannst, fühle das Blut, was aus dir strömt und teile es. Ich bringe das Lächeln auf dein Gesicht, küsse deine kalte Haut. Ich war immer in dir, wurde mit dir geboren und jetzt hast du mich gefunden. Und zusammen werden wir gehen. Hab‘ keine Angst. Du bist nicht allein. Und du wirst nie mehr allein sein.

„Fuck, was ist das? Blut? Scheiße Mann-“

„Lass. Fass sie nicht an. Du fickst keine Leichen, was man dann mit dir macht...“

„Okok… fuck Mann… lass abhauen!“

Du warst ganz leise, das ist gut. Sie sind weg und stören deine Ruhe nicht mehr. Schau mich noch einmal an…

Die Augen öffnen sich, doch sie schauen in’s Leere. Trotzdem sehen sie etwas. Sie sieht sich selbst, eine Abgrundgestalt in eigenem Dreck und Blut, klammer Körper und verstummendes Herz. Sie sieht den letzten Weg vor sich, den letzten Ausweg.

Doch diesmal hat sie die Dosis richtig hinbekommen.

Lenyas Herz hört auf zu schlagen. Die Muskeln entspannen sich, nur um später zu erstarren.
 

Durin

Schlachtenwüter
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Klasse!

...Naja, einen Selbstmort durch Pillen und Verbluten empfinde ich als eher feige, wenn sich jemand ernsthaft den Tot wünscht, könnte er sich definitiv schneller und effizienter töten und müsste nicht irgendwas machen, dass Minuten später zum Tod führt. Das ist doch eher "Ich habe eigendlich Angst davor, deshalb kann ich es nur sehr indirekt tun."

Die letzten 3 Zeilen der Brüder wirken irgendwie falsch. Der eine Scheint wohl geschockt zu sein, da selbst das schlimmste Gossenkind "fuck" und "Scheiße" in der Geschwindigkeit nur rausläßt, wenn es anderen imponieren will, oder sonst kein Wort rausbringt. Dazu noch die ersten Sätze ...
- Und dann unterstellt der andere ihm, das der sich an der Leiche vergehen will?
- Und der sagt noch Okok, als hätte er das tatsächlich vorgehabt?
Ich kann mir die Beiden in der Situation einfach nicht vorstellen.

Aber ansonsten klasse geschrieben. Am Anfang hatte ich leichte orientierungsprobleme, aber das hat sich schnell gegeben. Die Wechsel zwischen Ich-, Du- und Sie-Perspektieve sind gewagt aber funktionieren, das Gesamt "feeling" stimmt. :)
 

Lisra

Schmusekater
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Ja... aber ich hab' irgendwann aufgegeben und den Dialog so stehen lassen. Mir fiel einfach nichts mehr ein.
 

Wedge

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Pillen wären definitv meine Wahl. Von der Brücke springen war mir immer viel zu schmerzhaft und den Föhn in die Wanne schmeißen ist nicht so angenehm für die Familie/Freunde, die einen unweigerlich finden werden.

Von dem Thema mal abgesehen: Ganz gut geschrieben, aber die letzten drei Dialogzeilen passen wirklich überhaupt nicht irgendwie... ^^
 

Durin

Schlachtenwüter
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Föhn in die Wanne ... immer diese Filmmythen... :rolleyes:
 

Lisra

Schmusekater
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Der Punkt den diese nicht ganz so effektive Methode darstellen soll ist: Hat sie wirklich so sehr sterben wollen?
 

Kraven

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Ganz im Gegenteil, sie wollte leben. Nur nicht in dieser grauen Welt, nicht so. In ihrem Kampf, zu sterben, steckt so viel Aggression und reine Energie, so viel Leben... Das Leben lief ganz anders ab, als sie sich das vorgestellt hat, und darum hat sie beschlossen, nicht mehr mitzumachen. Und sie ist auf ihre Art ausgestiegen. Nicht schnell und effizient, sondern bewusst, kämpfend. Das Mädel war ne Kriegerin.
<- Nur meine Interpretation.

@Durin: Ich kann mir die Beiden super vorstellen. Es muss ja nicht mal sein, dass sich der eine an ihr vergehen wollte, obwohl ich das schon glaube. Es kann auch sein, dass er einfach nach ihr schauen wollte und der andere das als Gefummel interpretiert oder dargestellt hat, um von dort wegzukommen. Ich fand den Dialog gut, er hat exakt zur pessimistischen Grundstimmung gepasst.
 

Durin

Schlachtenwüter
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@Lisra: GENAU das meinte ich oben. Das ist nichts das beim Lesen aufgefallen ist, aber so beim Drübenachdenken, frag ich mich dann: Wow, wenn sie den Tot so bedingungslos toll findet, alles schön und warm und die schizophrene Stimme ist total lieb und nett .... wieso hat sie dann nicht einfach diese (ungewöhnlich scharfe) Scherbe genommen, sich an die Wand gelehnt, Scherbe gegen den Hals gedrückt und kraftvoll von hinten mit einem Stein draufgeschlagen?
Oder von der anderen Seite: Wenn sie es nötig hatte, Drogen zu nehmen und sich aufzuschlitzen, wieso kommt dann nicht irgendwann die Panik hoch, dass sie den Point of no return überschritten hatte, bzw ein Komentar, das "...die Drogen sie benebelten und ihr die Angst vor dem Tod nahmen..." oder sowas? Ich würde den Teil btw so lassen, da wie gesagt das Leseerlebniss gut damit zurechtkommt und dieser ganze Interpretatonsspielraum der Geschichte etwas ... Literarisches ;) ... gibt.


[flüster](PS: Pöser Durin, das ist genau der Grad an Explizität, von dem ich eingangs abraten wollte und jetzt mache ich es selber) ;)[/flüster]
 
Zuletzt bearbeitet:

Lisra

Schmusekater
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@Kraven

:) :up:

Genau.
 

Faerlanthis

Steppenwolf
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Gerade gelesen. Oha. Starker Tobak. Aber du konntest das heikle Thema gut handeln. Rein von der Aufmachung her fand ich den in die Geschichte eingefügten Dialog sehr innovativ. Ist mir so noch nie begegnet. :up:

Ach ja: War sie Bergenserin? :rolleyes: :c:
 

Kraven

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Weil Lisras Geschichte mich jetzt irgendwie in die Stimmung versetzt hat, auch eine kleine, knapp siebzehnhundert Wörter umfassende Geschichte von mir. Der Text ist schon ein bisschen älter, gefällt mir aber noch ganz gut... there we go.

Grau

Der Kerl steht vor mir, ein platinblonder Riese, und starrt mich aus seinen wässrig blauen Augen an, während er sich an die Pistole klammert, die in meinem Mund steckt. Er ist wirklich sehr groß, auch wenn man nicht vor ihm kniet, wie ich es jetzt tue, und seine breiten Schultern verraten, dass er vermutlich mal ein erstklassiger Preisboxer war. Vielleicht auch ein Ringer oder etwas in der Kategorie; ich tippe dennoch auf einen Boxer, weil es besser zu der Lederjacke passt, die er trägt. Seine Hände zittern leicht, was zur Folge hat, dass der Pistolenlauf mir in rascher Folge gegen die Zähne schlägt. Es tut nicht wirklich weh, ist aber unangenehm.
„Muss es wirklich so sein?“ fragt er. Ich nicke, und meine Zunge streift die Öffnung, aus der die Kugel kommen wird. Natürlich muss es so sein, worum geht es denn hier? Wir sind hier, nur wir beide, in einer grauen, verlassenen Gegend, ein verlassener Fabrikhof im ehemaligen Industrieviertel, der wohl nie mehr saniert wird. Alles ist grau und verdreckt, und von weitem hört man Sirenen, die Menschen Platz verschaffen, welche anderen Menschen das Leben retten wollen.
„Du musst verstehen, ich habe sowas noch nie vorher gemacht...“
Ich blinzle ihm verständnisvoll zu. Mir war klar, dass ich nicht unbedingt an einen Profikiller herankommen würde, ich habe keine Ahnung, wie man mit solchen Menschen in Kontakt tritt. Das Branchenverzeichnis gewährt nur wenig Aufschluss, und auch, wenn man sich an eine der Motorradgangs wendet, die diese Stadt bevölkern, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie einen einfach verprügeln und ohne Antwort nach Hause schicken. Das ist mir jetzt schon zweimal passiert.
Diesen Mann habe ich in einer Kneipe getroffen, wo er gedankenverloren in sein Bier gestarrt hat. Er wirkte so verloren, dass er mir geeignet erschien.Diese Leute glauben nicht mehr wirklich an etwas und sind durchaus ausgebrannt genug, um auf ein Angebot wie das meine einzugehen. Nur schade, dass es ihnen an Erfahrung mangelt.
Ich suche kurz nach einer Möglichkeit, ihm nur durch Gesten und meine Mimik begreifbar zu machen, was ich will. Es geht nicht. Also konzentriere ich mich noch ein letztes Mal auf den öligen Geschmack der Waffe in meinem Mund, das kalte Metall zwischen meinen Lippen, und gebe sie frei. Ich packe den Lauf und setze die Pistole an meiner Stirn an.
Es ist ganz einfach, sage ich, und erkläre ihm nochmal alles Wichtige. Wenn er abdrückt, schlägt der Hammer der Pistole nach vorne und zerstört die Sprengkapsel der Patrone. Die Sprengkapsel erzeugt einen Funken, der das Schießpulver entzündet. Die nun folgende Explosion hat durch die Konstruktion der Pistole nur eine Richtung, in die sie detonieren kann; und dadurch schleudert sie die Patrone mit anderthalbfacher Schallgeschwindigkeit durch den Lauf und verteilt mein Hirn auf dem Boden. Alles, was er dafür tun muss, ist, diesen kleinen Hebel nach hinten zu drücken.
Sein grobes Gesicht verzerrt sich. „Das ist doch krank. Ich meine, du hast gesagt, du würdest mich bezahlen, wenn ich´s tue. Wie denn?“
Ich antworte, dass er sich deshalb keine Sorgen machen muss. Ich habe das Geld in einem Schließfach deponiert.
„Und wo ist der Schlüssel dafür?“
Ich hab ihn verschluckt.
Ich sehe, wie er irritiert blinzelt. Er schaltet nicht schnell genug, um die Konsequenz dieser Tatsache zu begreifen, und kaum kommt mir diese Erkenntnis, kommt seine nächste Frage. „Und wie zur Hölle soll ich da rankommen?“
Ganz einfach. In meiner Tasche ist ein Messer.
Seine Augen weiten sich, und ich erkläre es ihm. Wenn ich den Schlüssel einfach so bei mir hätte, könnte er mich auch ohne Problem zusammenschlagen, den Schlüssel an sich nehmen und sich mit dem Geld ein schönes Leben machen, ohne dass ich ihn belangen könnte. Ich weiß nicht, wer er ist, ich habe keine Anhaltspunkte, mit denen ich zur Polizei gehen könnte. Jetzt, wo ich den Schlüssel verschluckt habe, muss er mich töten, um an ihn heranzukommen.
Er schnaubt. „Das ist Unsinn. Ich könnte dich auch entführen und warten, bis der Schlüssel von selbst wieder raus kommt.“
Punkt für ihn. Aber Scheiße zu sieben ist nicht unbedingt die angenehmste Art, seine Zeit zu verbringen. Davon abgesehen braucht er noch ein Versteck, in dem er mich bunkern kann, bis es soweit ist, ein Aufwand, der Zeugen anlockt, und den ich nicht rechtfertige.
Und es wäre gegen die Abmachung.
Seinem Blick nach bereut er es inzwischen, auf mein Angebot eingegangen zu sein. Dabei klang es so verlockend. Drück einen Hebel nach hinten und verdien dir ganz schnell genug Geld, um dir die nächsten Monate keine Gedanken mehr um deine Miete machen zu müssen.
Vielleicht liegt es am Augenkontakt, dass er jetzt zögert. Vielleicht richten deshalb viele Soldaten ihre Gefangenen mit einem Genickschuss hin. Saubere Sache, keine großen Emotionen. Ich weiß nicht, wieso ich auf die Idee gekommen bin, dass er mir in den Mund schießen soll. Der Plan dabei ist, dass die Kugel das Genick durchschlägt und nebenbei, falls sie nicht richtig trifft, auch noch den Hals so zerfetzt, dass das Opfer verblutet. Durch die Nervenschäden ist die Sache recht schmerzlos, glaube ich. Ich weiß es nicht mit Bestimmtheit, aber ich habe das mal in einem Film gesehen.
Er schaut mich weiterhin an, die Hand um den Griff der Pistole geschlossen, die er von mir gekriegt hat. „Was stimmt eigentlich nicht mit dir?“, fragt er leise. „Hat deine Alte dich sitzen lassen? Todesfall in der Familie? Schlechten Shit geraucht?“
Ich antworte, dass ich nicht glaube, dass ihn das etwas angeht. Ich will nicht beichten oder mir meinen Kummer von der Seele reden. Diese Phase habe ich schon lange hinter mir. Ich will nur sterben.
„Verdammt noch mal, und warum hast du dann nicht den Anstand, von ner Brücke zu springen? Nimm Schlaftabletten, erhäng dich, oder meinetwegen knall dich selbst ab! Wieso ziehst du mich da mit rein?!“
Ich weise ihn darauf hin, dass ich ihn nicht gezwungen habe, mitzukommen. Aber wenn es ihn wirklich interessiert: Ich kann mich einfach nicht selbst umbringen.
Oh, ich habe es probiert. Mein Problem ist nur, dass diese innere Schranke in mir, dieser kümmerliche Überlebensinstinkt, der gar keine Ahnung hat, was er mir eigentlich antut, mich nicht lässt. Ich habe schon so gut wie alles probiert, Rasierklingen, ein Fön für die Badewanne, auch die von ihm vorgeschlagenen Schlaftabletten. Es klappt nur nicht. Ich bringe es nicht fertig, die Klingen in meine Haut zu stoßen, den Fön loszulassen. Vielleicht ist es auch einfach eine gewisse Furcht vor den Schmerzen, wer weiß. Mit den Tabletten war ich zu langsam. Ich bin eingeschlafen, bevor ich die tödliche Dosis erreicht habe, und seitdem wird mir vom Geschmack schlecht; ich kotze alles wieder aus, bevor die Wirkung einsetzen kann. Ich brauche einfach Hilfe.
„Und wieso so? Piss doch einfach nem Rocker ans Bein!“
Schon versucht, aber krankenhausreif geschlagen zu werden reicht mir nicht.
Davon abgesehen wird es langsam spät, ich spüre, wie sich der Wind durch mein Hemd frisst und mich immer mehr auskühlt. Ob wir die Sache bitte langsam hinter uns bringen könnten?
Er lacht, etwas zu schrill. Es klingt sehr nervös, ein merkwürdiger Gedanke in Anbetracht seiner Statur. Große Kerle müssen eben nicht immer seelisch knallhart sein, auch wenn es wünschenswert wäre.
„Du... du willst das wirklich durchziehen, ja? Ich soll dich erschießen, dich danach aufschlitzen und mir das Geld dafür holen. Das ist Mord.“
Ich bitte ihn, sich nur kurz einmal umzusehen. Er tut es nicht, aber er weiß, worauf ich hinauswill. In dieser Gegend ist niemand, höchstens vielleicht ein Pennbruder, der es sich in einem Müllcontainer bequem gemacht hat und den Teufel tun wird, sich mit einem bewaffneten Kerl dieser Größe Ärger einzuhandeln. Ich weise ihn zusätzlich darauf hin, dass er kein logisches Motiv hat und deshalb die Polizei auch mit normalen Ermittlungen nicht zu ihm kommen wird. Ein Fremder aus der Kneipe, die Sache verläuft absolut anonym. Keine Emotionen, kein Geschrei, nur ein Schuss. Er sollte es als aktive Sterbehilfe betrachten, die Diskussionen im Fernsehen wird er doch sicherlich mitbekommen haben. Leider habe ich nicht das Glück, im Koma zu liegen, weshalb ich zu dieser Maßnahme greifen muss. Also, könnten wir dann bitte...?
Er nickt, kurz und abgehackt. „Wohin soll ich schießen? Muss es in den Mund sein?“
Ich muss lachen, nur kurz und sehr humorlos, aber immerhin. Er klingt wie ein verängstigter Strichjunge, wenn er das so sagt. Keine Bange, wenn ihn die sexuelle Metaphorik stört, kann er auch gerne in die Stirn schießen. War nur ne Idee.
Ich bitte ihn, einen Sicherheitsschuss nachzusetzen, sollte der erste Schuss nicht ausreichen, mich zu töten. Ich gebe es offen zu, ich bin kein großer Freund von Schmerzen.
Er nickt wieder, diesmal entschlossener. Er presst den Lauf fester auf meine Stirn und verpasst mir dadurch ein kleines Kainsmal knapp über den Augen. Der Sicherungshebel erzeugt ein leises Klicken, als er ihn mit dem Daumen zurücklegt, wie er es vielleicht in einem Fernsehkrimi mal gesehen hat. Ich schaue ihn an, und zum ersten Mal seit so langer Zeit kann ich beinahe lächeln. Endlich Friede... dann sehe ich, wie etwas in seinem Blick bricht, und am liebsten möchte ich schreien.

Ich sitze noch gut eine halbe Stunde da, nachdem er gegangen ist, wortlos und schnell einfach gegangen ist. Auch er hat es nicht fertig gebracht. Das Geld war kein ausreichender Grund, ebensowenig mein Bitten. Er hat mich einfach hier sitzen gelassen, die Pistole weggeworfen, ohne mich umzubringen.
Ich schaue die Pistole an, ein kleines, schwarz lackiertes Ding, von dem ich weiß, dass es für seine Größe erstaunlich schwer ist. Stumpf glänzendes Metall, das eine Explosion in eine Richtung lenkt.
Die Waffe ist kalt, und als ich sie aufhebe erzeugt sie ein kratzendes Geräusch auf dem rissigen, schmutziggrauen Asphalt. Ich betrachte sie eine Weile, dann führe ich sie zu meiner Schläfe, wobei ich ähnlich fest aufdrücke wie der Blonde vorhin. Ich will nicht, dass der Rückstoß die Kugel ablenkt.
Ich will abdrücken. Ich konzentriere mich darauf, denke nur an den Abzug, den mein Zeigefinger umspielt. Ich muss nur abdrücken. Nur einen Hebel nach hinten ziehen, und alles ist vergessen. Nur einen Hebel. Nur einen kleinen Hebel nach hinten ziehen.
Ich wiederhole den Gedanken, wiederhole ihn immer wieder, flüstere ihn mir ein wie ein Mantra, doch mein Zeigefinger rührt sich nicht. Schließlich gebe ich es auf und lasse die Waffe sinken. Ich stehe auf und verlasse langsam das Viertel, lasse den schmutzigen Hinterhof zurück. Es ist sinnlos. Mein Leben wird weitergehen.
 

Lisra

Schmusekater
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Oder von der anderen Seite: Wenn sie es nötig hatte, Drogen zu nehmen und sich aufzuschlitzen, wieso kommt dann nicht irgendwann die Panik hoch, dass sie den Point of no return überschritten hatte, bzw ein Komentar, das "...die Drogen sie benebelten und ihr die Angst vor dem Tod nahmen..." oder sowas?

Durin: Nochmal lesen. Es gibt min. 3 Stellen an der ich so eine Andeutung gemacht habe. Aber ich bin ja sehr zaghaft.

Die Ambivalenz darzustellen war zumindest auch mein Anliegen. Von ihrer Person und ihrer Tat.
 

Durin

Schlachtenwüter
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Ambivalentes Psycho-Teeny. :D Kennst du "Girl, Interrupted" bzw "Durchgeknallt" mit Winona Ryder, Angelina Jolie und Whoopi Goldberg? :)

Kraven: Hm, während ich bei Lisras Geschichte im ersten und auch zweiten Moment mit der Hauptperson mitfühlen konnte und mir erst im dritten Moment dachte: "Hey, Drogen und flache, lange Schnitte? - Das ist doch eher der klassische unfähige Versuch von Stereotyp ' unbewuster Schrei nach Hilfe'."
-Auf der anderen Seite dein Character ... Vielleicht sind das nur meine sexistischen Vorurteile, aber bei dem denke ich nur: "Heul mir nicht's vor. Wenn du noch soviel Selbsterhaltungswillen hast, such lieber, woher der kommt und versuch nicht ihn auszutricksen."
-Stylistisch sicher, und es soll auch schon Leute gegeben haben, die im Internet jemanden gesucht haben, der sie ausisst, von daher sogar irgendwie glaubwürdig - aber höchst unsympatisch und kann mich nicht wirklich fesseln.

Lisra: Hm, ich glaube ich habe die Geschichte genug interpretiert, geht vielleicht noch tiefer und aufmerksamer, aber ich bin nicht der richtige dafür.


Ach ja, und da es noch einmal aufgetaucht ist: Das einzige, was passiert, wenn ein Fön in die Badewanne fällt ist, das die Sicherung rausspringt. ... Aber das konnte der Typ in der Geschichte ja nicht wissen. ;)
 

Kraven

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Kommt auf das Haus an. Moderne Sicherungen reagieren schnell genug, in einem Altbau oder diesen romantischen Fachwerkhäusern auf dem Lande hingegen ist die Reaktionszeit zu hoch - da fliegt die Sicherung zwar auch raus, aber dein Herz hat zu diesem Zeitpunkt bereits einiges mitbekommen.

Sympathie sollte der Charakter auch gar nicht wecken, genauso wie "mit ihm mitfühlen" auch ein ernstes Problem darstellt, weil er schon ziemlich abgestumpft ist. Eine derart ausgebrannte Figur kann halt einfach schwer Emotionen rüberbringen, allein schon, weil er sie selbst kaum empfindet.
Der Typ ist schwach: körperlich und geistig, ohne Sinn für Humor und ohne jede Willensstärke. Korrekt. Soll aber auch so sein. Die Ursprungsidee der Geschichte bestand eher aus dem Konflikt mit dem blonden Riesen: Dass dieser kleine, kahle Schwächling dem großen Kerl mit der Knarre eine Heidenangst einjagen konnte. Die Idee "Selbstmord durch jemand anderen" kam erst später.
 

Lisra

Schmusekater
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@Durin
Ja, den Film kenne ich, und ich weise die "Moral", die er versucht zu zeigen als gefährlich und verharmlosend ab. Aber dieses Topic ist nicht der Platz zum darüberrreden.

[...] und mir erst im dritten Moment dachte: "Hey, Drogen und flache, lange Schnitte? - Das ist doch eher der klassische unfähige Versuch von Stereotyp ' unbewuster Schrei nach Hilfe'."

Ok - ich war nicht überzeugend genug.
 
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