Verbotene Geschichten

Lazarus

Lumpenbarde
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Hallo Textschöpfer des Forums!

Kürzlich habe ich eine alte Geschichte von mir ausgekramt. Es ist eine besondere, weil sehr persönliche Geschichte. Es ist eine so persönliche Geschichte mit einem so offensichtlich riesigen Risiko, falsch verstanden zu werden, dass ich sie als eine Art "verbotene" Geschichte bezeichnen möchte. "Verboten", weil ich sie "eigentlich" niemanden zu lesen geben darf, der die beiden Hauptpersonen kennt!

Nach mehr als zehn Jahren finde ich das etwas zu schade. Denn so persönlich und "gefährlich" die Geschichte auch sein mag, ist sie immer noch eine (vielleicht schöne) Geschichte über ein Grunde genommen schönes Thema: Augen!

Bevor ich die Story hier zum Besten gebe, würde ich mir aber noch interessieren, ob Ihr auch schon mal solcher Art "verbotener Geschichten" geschrieben habt?
Und vor allen Dingen was aus diesen "verbotenen Geschichten" geworden ist?
Frei nach dem Motto: "Jede Geschichte hat ihre Geschichte!"


... mangels Diskussionsinteresse gelöscht ...
 
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Mantis

Heilende Hände
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Ja.

Die meisten von diesen 'verbotenen' Geschichten wurden tatsächlich nie von irgendjemandem gelesen, oder nur von einer einzelnen Person. Die mich dann auch, wie erwartet, darin bestärkt hat, die betreffenden Geschichten niemals irgendwem zu zeigen - nicht, weil man mich falsch verstehen könnte, sondern weil man mich richtig verstehen könnte.
Weil das verletzend sein könnte für die Leute, um die es geht.
Weil man als Schreiberling sicher nicht unbedingt fair mit den Personen und Situationen umgeht, die man be- oder umschreibt oder sonstwie verarbeitet.

Konkret geht's da bei mir in den meisten Fällen um das Verarbeiten von (unglücklich beendeten) Beziehungen, bei mir also weniger als bei dir ums Idealisieren als um den harten Fall zurück auf den Boden der Tatsachen, mit ein wenig unfairem Nachtreten von verletztem Stolz und zerbrochenem Herzen und so.

Eine von diesen könnte ich tatsächlich inzwischen veröffentlichen, da ich mich schon lang nicht mehr in dem sozialen Umfeld bewege und mir sehr sicher sein kann, dass die betroffene / gemeinte Person das hier niemals lesen würde - und selbst wenn, dann wäre es nicht schlimm, da sich die Haupt"kritik" im Werk vor allem gegen mich selbst richtet.
Aber ich werde das Stück hier dennoch nicht veröffentlichen - es ist erstens zu lang, zweitens zu privat. Gewisse Teile meiner Persönlichkeit (z.B. meine Paranoia und bestimmte Ängste) zelebrier ich gern auf öffentliche Weise in Geschichten in diesem Forum, aber persönlichere Dinge, die mehr an die Substanz gehen, werde ich auch weiterhin nicht einer öffentlichen Leserschaft zugänglich machen.

Verbotene Geschichten in deinem Sinne, oder die deiner Geschichte ähneln habe ich nicht - dafür hatte ich immer Gedichte :p
So viel zu mir.

Schade, dass du deine Geschichte dann doch wieder rausgenommen hast, und schade, dass sie niemand kommentiert hat.
Ich habe nichts dazu geschrieben, weil ich sie vermutlich - trotz der vielzähligen Vorworte (-wörter?) - auch noch falsch verstanden haben. Als sehr starke Überhöhung einer anderen Person mit großem Fokus auf Äußerlichkeiten.
In einem Setting, das Betriebsfeier und Karneval miteinander kombiniert, zwei meiner größten Nemeses. ;)
Nimm's mir nicht übel...

Nachsatz: ich finde es für mich immer wichtig, mir bewusst zu machen, warum ich schreiben - ob nur für meinen eigenen Nutzen (Unterhaltung, Befreiung, Übung) oder auch oder vor allem für den Nutzen anderer. Sicher, im Idealfall (für dieses Forum) ist es die Kombination von beidem, aber ich glaube, die meisten "verbotenen" Geschichten fallen eher in die erste Kategorie.
 

Holaro

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Hallo!

Oha ja ich kenne verbotene Geschichten und habe dasselbe Gefühl wie du, nämlich dass es eigentlich die schönsten Geschichten sind, aber die Sorge dass sich jemand erkennen könnte ist nicht so lustig :D ... daher werde ich sie wohl auch nie im Netz veröffentlichen, die Gefahr ist leider relativ groß...

LG
 

Chinasky

Dirty old man
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Ich denke, daß Mantis schon sehr richtig liegt: man sollte sich immer die eigenen Motive klar machen, derentwegen man schreibt, bzw. etwas Geschriebenes veröffentlicht. Und die Rekation der Leser sollte man möglichst antizipieren und nicht einfach nur nach dem Motto vorgehen: Ich find's gut und wichtig, also gehört es veröffentlicht.

Es gibt eben Angelegenheiten die nur für einen selbst wichtig sind - warum sollten die dann veröffentlicht werden? Weil einem da mal zwei, drei gute Formulierungen unterliefen, und so eine Glücksstähne dokumentiert gehört?

Aus literarischer Sicht läßt sich meines Erachtens jede Begebenheit von allgemeinerer Bedeutung auch soweit anonymisieren, daß keine Gefahr mehr besteht, einzelne konkrete Personen könnten sich selbst (aber eben ihrer Meinung nach falsch dargestellt) im Text erkennen.
Wenn man aber keine Lust hat, einen Text auf diese Weise zu bearbeiten, sollte man sich vielleicht klar machen, daß dieser Text dann vielleicht doch nicht soooo wichtig sein kann, daß er unbedingt veröffentlicht gehört.

Bei Texten ist das so ähnlich wie bei Bildern: Man muß nicht alles zeigen, was man gemacht hat und es ist gerade ein Kennzeichen für Anfängertum, wenn jemand alles, was er so fertigbringt, sogleich auch dem Publikum präsentiert. (Heißt also: die meisten tendieren gerade am Anfang ihrer "künstlerischen Karriere" dazu, alles zu veröffentlichen. Hauptsache, man wird überhaupt erstmal wahrgenommen...) Später dann hat man erstens einen besseren Blick für die Qualitäten in der eigenen Arbeit, und zweitens hat man auch bezüglich seiner künstlerischen Ergüsse ein bestimmtes Arbeits- und Qualitätsethos entwickelt: Man weiß, daß zu einem guten Kunstprodukt auch das Daran-Herumfeilen gehört, das skrupulöse Korrigieren, Zusammenkürzen, Auswechseln und Umstellen.

Persönlich gibt es von mir auch diverse Texte, die ich in jungen Jahren mal schrieb. Texte, die durchaus die 100-Seiten-Grenze überschritten und die teilweise auf mehrbändige Romanreihen hin angelegt waren. Manchmal stöbere ich in diesen von mir auf der Schreibmaschine meines Opas getippten Ergüssen herum und finde einzelne Formulierungen erstaunlich gut, witzig, geistreich. Aber meist schäme ich mich vor mir selbst für all die Logorrhoe, die mir da schwarz auf Weiß entgegenblickt: Was war ich doch für ein eingebildeter Narr, für wie weise und tiefblickend, schlau und scharfsinnig hielt ich mich damals! Vor mehreren Jahren veröffentlichte ich mal eine Art Kurzgeschichte auf der Leselupe.de - und war über das magere Interesse daran enttäuscht, ja praktisch beleidigt! Wie konnten die alle es wagen, nicht meinen literarischen Genius darin zu entdecken!
Vor Kurzem stolperte ich wieder über das Manuskript - und fand es vor allem eines: fad und langweilig. Der Autor erschien mir da wie ein mit Luft aufgeblasener Frosch: dicke Backen und nix dahinter. Upps - der Autor war ja ich selbst gewesen! Oh wie gut, daß diese Geschichte damals von nur wenigen und von denen nur sehr unaufmerksam und bruchstückweise gelesen worden war. Am Ende hätte sich sonst jemand gemerkt, was für Idiot dieser Chinasky offenbar sei... :fies:

Eine andere Erfahrung zum Thema: In den Jahren nach dem Abitur pflegte ich noch mit mehreren Mit-AbiturientInnenn Brieffreundschaften. Ein Mädel war darunter, mit der mich eine robuste komplett platonische Freundschaft verband, für die ich dankbar war: endlich ein Mädel, mit dem ich frei von der Leber weg kommunizieren konnte, weil sie nix von mir wollte und ich nix von ihr. Und dann interessierten wir uns auch noch ungefähr für die gleichen Sachen... Leider fingen wir irgendwann an, uns auch unsere "literarischen Versuche" zu zeigen. Und bei den ihren war eine Art - hhm - ... Kurzgeschichte? ... nee... - Pamphlet? - ... auch nicht... Satire?... nee. Also ein Text - über einen jungen Mann, der darin nicht sehr gut weg kam. Er wurde als so ein Möchte-Gern-Cooler-Macker dargestellt, der sich viel auf sein gutes Aussehen einbildet und die Mädchen umgarnt aber im Innern nur hohl und leer und egoistisch ist. Seine Art, in seinem Oldtimer durch die Stadt zu fahren und dabei lässig den Arm aus dem niedergekurbelten Fenster zu lehnen, wurde ausführlich beschrieben. Und dann eine Szene, wie er irgendein Mädchen einem anderen Mädchen vorzog, nur weil sie etwas besser aussah...

Aus all den Details war eindeutig zu erkennen, wer dieser junge Kerl war (jemand aus unserer damaligen Abi-Clique). Und der ganze Text war nur der bemüht-sarkastische Versuch einer verschmähten Frau, den Mann, der sie nicht "erhört" hatte, als lächerlich und mies darzustellen. Es war eine Art Eigentherapie in Schriftform, der Versuch, mit einer Kränkung zurande zu kommen, indem man sie in Literatur verpackt und so eine Art "Sinn" aus ihr zu quetschen versucht. Aber dieser Versuch ging gnadenlos in die Hose - und niemand konnte das so gut erkennen wie ich, der ich den beschriebenen Typen eben als einen sehr guten Freund kannte. Ich wußte, daß dieser Freund weder eitel noch egoistisch war, daß seine Lockerheit nicht gespielt sondern echt war. Und da ich ihn für sein gutes Aussehen selbst beneidete, waren die Passagen des Textes, in denen dieses Aussehen als etwas lächerlich Irrelevantes hingedreht wurden, umso offenkundiger ein Versuch der Autorin, sich selbst zu belügen.
Letztlich hatte sie sich - wie so ungefähr die Hälfte der Mädels unseres Abi-Jahrganges - in den coolsten Typen der Schule verknallt. Und kam damit nicht zurecht. Im Gegensatz zu den üblichen College-Filmen aus Hollywood war dieser "Schul-Star" aber eben kein glattgebügelter, substanzloser Depp. Die Mädels hatten allen Grund, ihm nachzulaufen, denn er war einfach so, wie frau sich den Traummann vorstellt und so, wie man(n) selbst gern sein würde: witzig, gutaussehend, sportlich, klug, künstlerisch und naturwissenschaftlich begabt, freundlich, verbindlich, mit interessanten Hobbies und eine riesigen Bekannten- und Freundeskreis...

Nachdem ich den Text gelesen hatte, war es für mich nicht mehr möglich, meine (Brief-) Freundin weiterhin so ernst zu nehmen wie zuvor. Nicht nur hatte sie in diesem Text zu erkennen gegeben, wie wenig souverän sie mit einer Abfuhr umzugehen wußte, wie kleinlich und rachsüchtig sie sein konnte, wenn sie einen Korb erhielt. Sondern sie hatte auch gleichzeitig demonstriert, wie einfach sie sich von den Klischees und Stereotypen aus Hollywood (oder entsprechender Frauenliteratur) beeinflussen ließ und echte Begebenheiten und reale Menschen nach solchen Schablonen einordnete. Das, was ich vorher bei ihr als erfrischenden Humor verstanden hatte, kam mir danach irgendwie weniger frisch, sondern vielmehr wie die Ironie einer sich verkannt Fühlenden vor, die nur mit Mühe ihr Gesicht zu wahren vermag und ihre Wut auf die Welt, die nicht nach ihren Wünschen sich dreht, durch spitze Bemerkungen nur halb zu kaschieren vermag.

Kurz: ich konnte dieses Mädel danach nicht mehr ganz ernst nehmen. Ihr Urteil über Literatur galt mir danach weniger, ihre Witze heiterten mich weniger auf, meine freunschaftliche Bewunderung für sie wandelte sich in eine Art mitleidsvolles Verständnis (denn auch ich hatte natürlich so meine unglücklichen Liebes-Angelegenheiten aka "Körbe" zu verarbeiten) - aber Mitleid ist auf Dauer keine Basis für eine ehrliche Freundschaft. So verloren wir beide letztlich einen Freund/eine Freundin, weil sie mir diesen Text zu lesen gegeben hatte: sie war zuuu offen zu ehrlich zu mir gewesen, hatte mich zu tief und zu ungefiltert in ihr (verletztes) Inneres blicken lassen. Was ich dort erblickt hatte, war einfach nicht schön gewesen. Neid, Eifersucht, Kleinlickeit und verletzte Eitelkeit - das brauchte ich mir nicht noch bei anderen zu geben, davon hatte ich selbst genügend damals.

Heute denke ich: Vielleicht hätte sie diesen Text, anstatt ihn mir zu lesen zu geben, mal gaaaanz unten in ihrer Schreibtischschublade aufbewahren sollen, um ihn zwanzig Jahre später mit den Augen einer inzwischen in Herzensangelegenheiten erfahrenen Frau erneut zu lesen und dann einen wirklich interessanten Text zu verfassen, der auf ihr früheres Selbst von einer Meta-Ebene herabblickt. Intelligent genug dafür wäre sie sicherlich, das war damals schon abzusehen.
 

Lazarus

Lumpenbarde
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Huch!

Also erstmal ein dickes Danke für Eure Antworten!

Dein Nachsatz, Mantis, trifft es ganz gut.
Ich frage mich jetzt, worin genau meine Motivation bei dem Schreiben dieser Geschichte gelegen hat.
Ich glaube, ich hatte erstens einfach mal viel zu viel Zeit. :D
Zum zweiten hatte ich ein halbes Jahr vorher begonnen, die Scheibenwelt-Romane zu lesen und war von der verwendeten (übersetzten) Sprache inspiriert, eigene Geschichten zu schreiben. Darunter waren einige unverfänglich vergnügliche Kurzgeschichten (ich glaube, eine über meinen letzten Versuch Eislaufen zu lernen, habe ich auch hier veröffentlicht) und eine längere Geschichte über eine mehrwöchige Urlaubsgruppenreise.
Zu letzterer war ich besonders motiviert, weil ich mich auf dieser Reise verliebt hatte, aber meine neu gewonnene Freundin relativ schnell Schluss gemacht hatte. Ich hatte mir tatsächlich eingebildet, damit könne ich sie beeindrucken. Ich war natürlich ein Narr! Aber es war nur ein Zehntel so schlimm, wie es hier klingt, denn meine Romanze habe weitgehend ich aus der Urlaubsgeschichte rausgehalten. Wir haben auch sonst genug erlebt!
Von allen anderen Reiseteilnehmern gab es daher ein dickes Lob. Allerdings teilten sie auch mit mir die dort erworbenen persönlichen Erlebnisse. Da liest sich diese Geschichte natürlich gleich viel wohlwollender.

Ich hatte also zu viel Zeit, ich hatte Inspiration durch Pratchetts Bücher und ich war auf der Suche nach Themen, über die es sich zu schreiben lohnt. Ich wollte schreiben!
Und dann liefen mir da diese Augen über den Weg. da eben diese Augen! Es sind zweifelsohne Äußerlichkeiten. Und es ist mir klar, dass es nicht "differenziert" ist, eine Frau nur auf ihre "Augen" zu reduzieren. Doch ich wollte was schreiben. Und ich hatte diese Faszination...
Und hattet Ihr nicht auch mal das Gefühl, bei irgendjemand anderen eine bestimmtes Äußerlichkeit zu sehen und zu denken... Boah! ...?
Und gleichzeitig - obwohl einem die Augen aus dem Gesicht zu fallen drohen - sich eben *nicht* Hals über Kopf unsterblich verliebt?

Natürlich ist die "Überhöhung" ein Stilmittel! Ein Stilmittel, dass ich bewusst in übertriebener Weise verwendet habe. Liegt es nicht daran, dass die Geschichte missverstanden wird?

Hm. Ich war in der Schule schon immer schlecht darin, zu interpretieren. Und die eigene Geschichte so zu interpretieren, wie sie Außenstehende verstehen könnten, ist vielleicht noch ne Nummer schwieriger.


@Hank: Im Jahr 2002 habe ich auch mal zwei, drei Geschichten auf der Leselupe veröffentlicht. Das hat mich zum Glück eher geerdet! Immerhin habe ich mich wenigstens etwas beachtet gefühlt. Gerade so viel, um zu erkennen, dass das was ich schreibe "ganz nett" und "vergnüglich zu lesen" sein kann. Aber eben auch dass es Tausende da draußen gibt, die es einfach viel besser können als ich!


"Abrechnungs"- oder "Rachegeschichten" habe ich nie geschrieben. Auch meiner Urlaubsaffäre habe ich keine Schmähschrift gewidmet, obwohl ich ziemlich gelitten habe!
Meine "verbotenen" Geschichten sehe ich also eher als Glorifizierungen. Das "Verbotene" an der Geschichte liegt zu einem gewissen Anteil vielleicht auch daran, dass ich - wenn man so will - ungefragt etwas über eine andere Person schreibe. Ich erzähle eine Geschichte - und nicht mündlich in der Familie oder im engsten Freundeskreis, wo diese Geschichte diesen Kreis nicht verlässt. Und selbst wenn doch, das gesprochene Wort ist flüchtiger. Das geschriebene bleibt (5 Euro ins Phrasenschwein)! Eine geschriebene Geschichte hat daher ein ganz andere Qualität, als die Erzählung "Wie es mir bei der letzten Karnevalsfeier ergangen ist..."

Und ich wundere mich, dass ich in den ganzen Vorworten immer nur über das Thema philosophiert habe, warum man denke könnte, ich sei verknallt gewesen, aber nicht über ein ganz anderes Thema: Was geht in Leuten vor, wenn sie erfahren, dass über sie geschrieben wird bzw. geschrieben worden ist? Das könnte der eine oder andere vielleicht (hm... welcher Begriff passt da gut? Vielleicht) "gruselig" finden, oder?

Es fällt teilweise bestimmt in die Rubrik "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß". Denn niemand kann ja verhindern, dass an einen gedacht und sich vielleicht im persönlichen Umfeld über einen Geschichten ausgedacht werden. Aber zu erfahren, dass das tatsächlich geschehen ist und die Geschichte dann vielleicht noch zu lesen... Hm... Welche Reaktion wird das wohl hervorrufen? Bei meiner Geschichte gebe ich zu, dass ich nicht damit rechne, dass sich die Hauptperson geschmeichelt fühlt! Ich könnte eher in die Schublade "Psycho" gesteckt werden...

Über mein letztgenanntes Thema habe ich mich vor einem halben Jahr mit einer guten Kollegin unterhalten, mit der ich die letzten anderthalb Jahre das Büro geteilt habe. Da ging es aber nicht um diese Geschichte, sondern um Liedtexte!
Es gibt ja nicht wenige Lieder, bei denen die Künstler persönliche Sachen verarbeiten und über Leute aus ihrem persönlichen Umfeld schreiben. Ich habe mich (und halt auch sie) gefragt, ob die Künstler sich wohl (immer) den Segen für ihr Werk bei den Betroffenen holen. Oder ob es da... wie soll ich sagen... Überraschungen gibt!

Diese Frage habe ich ihr nicht ohne Hintergedanken gestellt! (Der "Psycho" lässt vielleicht grüßen und schlägt wieder den Bogen zum Eingangsthema. ;) )
Wir hatten beide aus ähnlichen Gründen starken Stress bei der Arbeit.* Sie hatte gerade begonnen, die Stelle zu wechseln. Ihr ging es daher so langsam wieder besser. Aber mir ging es noch relativ schlecht. Ich habe das in einem Gedicht über uns verarbeitet, dessen Existenz ich bei der Gelegenheit zugegeben habe. Es war aber noch nicht fertig geschrieben, also habe ich es auch nicht einmal auszugsweise vorgetragen. Jetzt ist es aber fertig! Es enthält keine Glorifizierung. Es ist keine Abrechnung. Es ist auch - bevor daran wieder gedacht wird - keine Liebeserklärung! Aber es geht halt auch um sie!
Und da frage ich mich.
Lass ich es sie lesen!?
Und natürlich immer noch: "Was geht in Leuten vor, wenn sie erfahren, dass über sie geschrieben wird bzw. geschrieben worden ist?"


Edit und die Suchfunktionen sagen, dass ich die oben genannte Schlittschuhgeschichte wohl doch nicht in die Halle der Barden gebracht habe.

*Edit2: Den Stress hatten wir nicht miteinander, sondern mit unseren Vorgesetzten. Wir waren also gewissermaßen "Leidensgenossen".
 
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Mantis

Heilende Hände
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@ Lazarus:

Keine Ursache ^^
Zu viel Zeit und etwas Schönes schaffen wollen sind doch schon mal sehr gute Ausgangspunkte ;)

Ich persönlich hatte zwar schon öfters Momente, in denen ich bestimmte Äußerlichkeiten von anderen Leuten als sehr beeindruckend / schön / wasauchimmer wahrgenommen habe, ich glaube aber nicht, dass mich so etwas jemals zum Schreiben inspiriert hat. Für mich braucht es dann doch etwas anderes, um da etwas Geschriebenes draus zu machen.
Zum Beispiel fallen mir so spontan zwei Männer aus meinem Bekanntenkreis ein, die wirklich sehr schöne Augen haben - aber das läuft dann bei mir eher so ab, dass ich das sehe, mich drüber freue, und damit hat sich das. Ich glaube sogar, das wäre nichts, worüber ich schreiben könnte - oder zumindest nichts, was mir besonders leicht von der Hand ginge.
Gegenbeispiel: Das, was mich inspiriert und dazu bringt, das in einem Text zu verarbeiten, ist meistens eine bestimmte Situation, oder ein Wortwechsel, oder manchmal auch nur ein bestimmter Gedanke.
Allein an einem unbeleuchteten Bahnsteig zu stehen und auf einen Zug zu warten. Von Karnevalisten angeschunkelt zu werden. "Setzen Sie sich schon mal, ich bin gleich bei Ihnen."


Um noch mal auf deine Geschichte zurückzukommen - die Überhöhung als Stilmittel, ich mein, klar, dass deine Geschichte nicht (nur) eine Wiedergabe der Realität ist, dürfte uns allen bewusst sein. Die Frage, die sich mir dabei aber stellt, ist die nach deiner Absicht. Was bezweckst du mit dieser Überhöhung?
Das, was bei mir als Leserin da ankommt, ist, dass du diese Frau vergötterst, Augen hin oder her, dass du sie durch einen rosaroten Schleier wahrnimmst und dich, obwohl es dir bewusst ist dass sie nicht nur auf dich diesen Effekt hat, nicht von dieser Anziehung lösen kannst.

An dieser Stelle muss ich einfach fragen, weil mir die Frage schon eine Weile auf den Fingerspitzen brennt - ist dir eigentlich zum Zeitpunkt des Schreibens, des Veröffentlichens oder inzwischen bewusst gewesen / geworden, dass "schöne Augen" als Kompliment für Frauen auch etwas anders verstanden werden kann? :hae:


Zu deiner anderen Frage, ob du sie deinen Text lesen lässt, in dem es um sie geht...
Du hast es ihr schon erzählt, dass es diesen Text gibt, oder?

Was bezweckst du damit, ihn ihr zu zeigen? Möchtest du ihr damit ein Kompliment machen? Wie gut versteht ihr euch, wie nah seid ihr euch?

Ich würd im Allgemeinen erst mal davon abraten, ihr das zu zeigen - die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass ihr das eher unangenehm wäre und sie nicht wissen würde, wie sie darauf reagieren kann. (So würde es mir zumindest gehen, wenn ich von einem Arbeitskollegen ein Gedicht über mich bekäme.)
Etwas anderes ist es, wenn *sie* dich danach fragt.
Wenn du es ihr jetzt zu lesen gibst, nachdem du es schon mal erwähnt hast, sie aber nicht noch mal nachgefragt hatte - dann kommt das ein wenig verzweifelt rüber, so, als würdest du dich sehr nach Bestätigung und Lob sehnen.
Wenn das so ist, ist das auch nicht schlimm - hey, wer freut sich nicht über Lob und Anerkennung? Aber vielleicht (vermutlich) ist sie nicht diejenige, der du den Text zeigen solltest, wenn es darum geht, Kritik zu bekommen. Nicht, wenn es darin um sie geht.

Ich finde auch immer, dass die Texte, die man über andere Leute schreibt, etwas sehr persönliches sind. Nicht nur, weil sie sich mit dieser Person beschäftigen, sondern eben, weil sie deine Gedanken über diese Person offenbaren. Ob es immer so gut ist, diese Gedanken ans Tageslicht zu bringen, ist meiner Meinung nach auch fraglich - und die Person, über die man schreibt, dann direkt damit zu konfrontieren, in einer Form, in der man am besten auch noch sofort eine Reaktion von ihr erwartet, halte ich für eine schlechte Idee. Ich weiß nicht, wie es anderen hier geht, aber ich würd mich damit in den meisten Fällen wie gesagt unwohl fühlen.


Zu deiner letzten Frage, wie das so ist wenn andere über einen schreiben und man es rausfindet / liest, antworte ich mit einem entschiedenen: es kommt drauf an.

Es kommt darauf an, wer da über einen schreibt, und in was für einer Beziehung man zueinander steht.
Es kommt darauf an, was da über einen geschrieben wird, ob tatsächlich man selbst da angesprochen oder besprochen wird, oder eine Persona.
Es kommt darauf an, wie man davon erfährt - bekommt man das zugeschickt, bekommt man das vorgetragen, sieht man es mehr oder weniger zufällig, oder kann man gar nicht anders als es zu finden?
Es kommt darauf an, wie man dargestellt wird - ist das eine realistische Darstellung, ist das Satire, Komödie, wird da aus mir eine Actionheldin gemacht oder ein Engel, rette ich die Welt oder ermorde ich reihenweise Männer, geht es überhaupt um meine Person, erkenne ich mich darin wieder oder ist das - obwohl ich ja offensichtlich gemeint bin - nur eine verzerrte Wahrnehmung meiner selbst?

All das spielt zusammen und am Ende kommt ein Gemisch an Gefühlen raus, die mehr oder weniger positiv sein können.

Konkreter:
Ein Freund hat Geschichten geschrieben, in denen ich als Nebenfigur auftrete - ich hab die Geschichten irgendwann zu lesen bekommen, per Mail von ihm, aber ebenso wie ich nur Nebenfigur bin, hat er auch nur in einem Nebensatz erwähnt, dass ich auch drin vorkomm. Ich fand das interessant und spannend, was er da aus mir gemacht hat und wie er mich bzw meine Persona in einen anderen Kontext eingebaut hat.

Ein Bekannter hat mir ein Liebesgedicht geschrieben, mit dem er mich nicht nur ziemlich überrascht, sondern auch auf dem falschen Fuß erwischt hat. Ich wusste nicht, wie ich reagieren soll - da ist da einer, der anfängt, für einen Gefühle zu haben und sich Gedanken um einen macht, während man selbst so gar nicht so denkt. Durch die Art der "Übergabe" (Instant Messenger) fühlte ich mich außerdem unter Druck gesetzt, sofort drauf zu reagieren. Ging nicht wirklich günstig aus.

Ein anderer Freund hat ein paar Gedichte über mich geschrieben und in einem Forum gepostet, wo ich sie früher oder später lesen würde, ohne mich aber persönlich darauf hinzuweisen. Das (also die Gedichte an sich ^^) hat mich auch sehr überrascht (man kann ja sehr naiv sein), aber es war nichts, was eine Antwort oder auch nur irgendeine Reaktion von mir erforderte. Ich fühlte mich etwas unwohl (das hat das so an sich, wenn es um Gefühle geht, die man nicht erwidert), hab mich auf der anderen Seite aber natürlich auch gefreut, dass es jemanden gibt, der so über mich denkt und das in Poesie umformen kann.


Und, bringt dich das jetzt weiter? :p
 

Lazarus

Lumpenbarde
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Ja, es bringt mich weiter! :)

Tausend Dank fürs Bündeln und Erden meiner treibenden Gedanken!

Ich weiß: Eine so kurze Antwort hat Dein Beitrag nicht vedient! Ich schau mal, wie ich nachlegen kann...
 

Lisra

Schmusekater
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Oh dears, ja... solche Geschichten. Da hab' ich auch ein paar von und fast alle sind irgendwo unter Verschluss oder verschollen. Aus gutem Grund: Die meisten sind ziemlich schlecht. So ein viertel Schritt über self-insert Fanfiction und ein wenig creepy dadurch, dass sie reale Personen beschreiben. Die sie zum Glück fast nie zu Gesicht bekamen (denn really, dafür sind die nicht da, finde ich). Gab mal ein Ereignis wo jemand eine zu Gesicht bekam, weil ich prompt vergaß dass die Geschichte an einer Stelle gepostet war. Immerhin weniger awkward als es hätte sein können, weil das romantische Interesse da schon ein paar Jahre zurück lag.

Ich bin ein bisschen gespalten über das ganze.

Für mich was anderes sind Gedichte, weil außer man macht es wirklich explizit, können auch immer andere oder generelle Dinge gemeint sein und nicht besondere Personen. Das ist das schöne an dem Medium. Aber auch da gibts Ausnahmen. Kann man die Tatsache dass ich jung und dämlich war als milderne Umstände einbringen? :D Vielleicht.

Eine schöne Ausnahme ist, (imo) meine Geschichte 241 (... das ist der Titel eines Songs). Es ist deshalb eine Ausnahme, weil sie mit dem expliziten Wissen der beteiligten Person entstand und deshalb nicht verboten ist. Also vielleicht auch gar kein Beispiel. Wer weiß.

Jetzt, mehrere Zehntausend Wörter seit der letzten solchen Geschichte bin ich der Meinung, dass man sich von Gefühlen die sowas hervorbringen könnten, eher inspirieren lassen sollte etwas weniger eindeutiges zu schreiben. Kein Einbauen von Details die jemand deutlich zuordnen könnte. Einfach das Gefühl sublimieren und so etwas schreiben, dass jeder Genießen kann, ohne dass es unangenehme Gefühle verursacht. Denn man weiß nie wie etwas aufgenommen wird, Mantis schreibt da ja von.

Und hey, etwas das als so eine Geschichte entstand, ist jetzt ein 50 Seiten Romanentwurf geworden, mit vollständig eigenständigen Charakteren. Inspiration marches on. :D
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Hmm, wenn etwas von mir verboten gehört, findet es sich in diesem oder einem anderen Forum, mal verschluckt, mal immer noch zu lesen. Verboten sind diese Geschichten, weil sie meistens Murks sind.

Charaktere die in Wirklichkeit ich waren wurden nie von mir verwendet (sieht man von einer Ausnahme ab), aber ich habe den anderen großen Fehler begangen: alles hochgestellt was ich geschrieben habe und dann gehofft, dass mich der Rest der Welt dafür hochloben wird.

Schlechter Plan. Sehr schlechter Plan.

Dementsprechend hat man mich auch auseinandergenommen, zurecht, während ich mich wie ein verkannter Künstler fühlte. Jahre später habe ich dann aber auch gesehen, was die Leute meinten. Es war schon schlecht. Noch schlechter als heute:p.

Was ich damit sagen will ist, dass man nicht immer auf die Kommentare der anderen hoffen darf. Keine Kommentare kann manchmal bedeuten, dass die Leser zufrieden sind oder dass sie nichts Böses sagen wollen. Immerhin hat der Autor wohl Herzblut in die Sache gesteckt und es bedeutet ihm etwas, da möchte man ihn nicht des Gefühls berauben etwas Tiefes geschaffen zu haben. Als Autor sollte man sich schon die Zeit nehmen, etwas Abstand zu gewinnen, noch einmal drüber schauen und zu testen, ob der Text auch objektiv lesbar ist. Soll heißen, kann man die Geschichte auch lesen, wenn das Gefühl, das einem zu schreiben bewegt hat verflogen ist? Wenn ja, wunderbar, wenn nicht, auch nicht schlimm, dann war es kein Text für die Ewigkeit.

Am wichtigsten ist es, dass man den eigenen Text zumindest passabel findet. Wenn dass der Fall ist, gut, denn am Ende schreibt man wirklich für sich selbst. Alle anderen machen es nur süßer. Du bist der Autor, dir muss es gefallen, aber gib dem Text Zeit auf dich einzuwirken, es erspart dir vielleicht die eine oder andere Enttäuschung. Außerdem entdeckt man beim zweiten Mal lesen auch Fehler und Formulierungen, deren Beseitigung den Text nur schöner wirken lassen. Bewahrt die Illusion, dass es pure Inspiration und kein Deut Arbeit war die Geschichte zu schreiben;).

Und wenn man vor der Reifezeit mal schwach wird, also vorher veröffentlicht ... der nächste Text wird besser! Ganz bestimmt, ehrlich, versprochen:D;)!

PS: Gedichte sind noch einmal eine ganz andere Sache. An die mag ich aber überhaupt nicht mehr denken, brrrrr.
 
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