Vergessene Reiche - Alte Gewohnheiten - Eine Kurzgeschichte

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Eine Story an der ich gerade arbeite und die ich extra für das Forum in unregelmäßigen Abständen hier reinposten werde.

Ich wünsche viel Spaß und Vergnügen. Kommentare sind gern selbstverständlich gern gelesen- vor allem die, die mein Ego stärken:rolleyes:;).

Liebe Grüße Zelon:)
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Prolog

Er stand immer kurz vor Sonnenaufgang auf, verrichtete seine Notdurft, betrachtete sich im Spiegel und ging allen restlichen Reinigungsritualen nach derer er mächtig war.
Danach trat er mit den Nachttopf nach unten in den Schankraum und schüttete seinen Inhalt in die Tonne draußen, um danach den Topf wieder nach oben zu tragen und auf der Liste nachzuschauen, ob er mit fegen dran war. Wenn dem so war, fegte er und das oftmals besser als alle anderen. Wenn dem nicht so war, saß er noch eine Weile im Raum und wartete darauf dass Mutter Meyla reinkam und ihn, wie immer, dafür ausschimpfte dass er sie nicht geweckt hatte.
Stets folgte ein einfaches, aber gutes Frühstück.
Dann ging er zum Hafen, wie jeden Tag, zur selben Stunde, stets auf den Augenblick genau.
Es war alles reine Gewohnheit. Herr Lächler, so lautete der Name den ihn die Bewohner des Viertels zunächst aus reiner Ironie gegeben hatten da er dies nie tat, wusste, wie sehr einen die Gewohnheit prägte, egal ob gut oder schlecht.
In seinem Fall versuchte er es auf ein gutes Maß zu beschränken, hatte der Trinkerei abgeschworen indem er mit dem Rauchen anfing, ließ sich nicht dazu verleiten sich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen oder selbst an Feiertagen von seinen eingetretenen Pfaden abzuweichen. Das hätte etwas Schlechtes bedeutet, da war er sich sicher.
Zum Beispiel die Erinnerungen an etwas geweckt, das er im Laufe der Jahre so gut es ging unterdrückt hatte und das nun ruhte, tot und begraben, für immer.
Für immer.
Über seinen Kopf kreischten die Möwen und es sah nach einem wolkenverhangenen Tag aus. Die salzige Seeluft füllte seine Nüstern, die ersten Lagerhäuser öffneten sich und in manchen herrschte sogar schon reger Betrieb, wie das Schreien der Vorarbeiter und die zahlreichen Flüche der oftmals verkaterten Lagerarbeiter verrieten. Ein Nachtwächter, an der erloschenen Lampe an seiner Hellebarde gut zu erkennen, in den Farben der flammenden Faust schritt an ihn vorbei und nickte ihn träge zu. Der Zwiebelgeruch verriet ihn als Chorley und so grüßte Herr Lächler mit einem angedeuteten Nicken und einem halben Lächeln zurück.
Er mochte den pflichtbewussten Nachtwächter. Jeden dritten Abend tranken sie einen Becher Wein zusammen. Nicht mehr und nicht weniger. Eine weitere gute Gewohnheit.
Käpt'n Orich wartete wie jeden Tag am Anlegeplatz auf ihn.
Der alte Seebär lächelte ihn zahnlückenreich an, begrüßte ihn beim Namen und er grüßte zurück.
Danach gönnten sie sich ihre morgendliche Zigarette.
Und wie jeden Morgen gab der Käpt'n seine Meinung zum derzeitigen Geschehen ab.
,,Jetzt kommen böse Zeiten auf uns zu Lächler, das sag ich dir. Mein rechtes Bein hat heute höllisch geschmerzt und das rechte Lid flatterte auch ganz heftig sag ich dir.''
,,Sind vielleicht nur die Nerven Käpt'n. Ihr solltet vielleicht weniger trinken.''
,,Red nicht so'n Stuss daher Kerl! Was'n echter Seemann wie ich ist, der kann alleine vom Rum und der guten Seeluft leben, merk dir das. Ist nur so, dass es auf die Dauer ziemlich einseitig wird und ein wenig Abwechslung immer besser ist, klar?''
,,Natürlich Käpt'n.''
,,Kluger Junge. Und jetzt mal ernsthaft: Ich glaube wirklich, dass was Schlimmes bevorsteht denn der alte Bron hat sich bisher nicht blicken lassen, um zu kassieren. Nicht dass das jetzt so schlecht wäre, kann ja mal passieren und ich behalte mein Geld gern bei mir, aber die anderen Fischer sagten mir, dass bei ihnen auch keiner vorbei kam um zu kassieren. Entweder steckt die ehrenwerte Gilde in Schwierigkeiten oder aber die Jungs von der Flammenden Faust sind früher wieder da als gedacht und deswegen verkrümeln sie sich schon vorzeitig aus dem Hafen. Hoffen wir, das Letzteres stimmt.''
Sprach's, nahm einen Zug, atmete diesen aus und verstummte erstmal. Lächler sparte sich eine Erwiderung und dachte sich seinen Teil. Wie alle größeren Städte Faeruns hatte auch Baldurs Tor seine Diebesgilde, welche im steten Rhythmus zerschlagen und neu gegründet wurde und deren internen Streitigkeiten innerhalb und außerhalb oft dazu führten dass Unbeteiligte verletzt wurden, wogegen die Flammende Faust stets mit eiserner Härte und brutaler Effizienz vorging, was ebenfalls nur zu weiteren Toten führte.
Von den daraus resultierenden Kämpfen um die Nachfolge der ehrenwerten Gesellschaft ganz zu schweigen. Auf Grund dessen war man insgeheim mit der derzeitigen Diebesgilde übereingekommen, deren Tätigkeiten auf illegale Glücksspiel-, Einbruch-, Schmuggel- und Diebstahldelikte zu verlegen, solange die Söldnerarmee ihre volle Stärke vorzuweisen hatte und Baldurs Tor weiterhin vom Unrecht freihielt. Sobald jedoch größere Teile aus irgendwelchen Gründen abgezogen werden mussten, räumte man die ärmeren Viertel und überließ sie den Dieben, die diese unter ihren Schutz stellten und sich dies mit klingender Münze oder den einen oder anderen Gefallen vergüten ließen.
Am Ende war man zu einer profitablen und durch und durch anständigen Übereinstimmung gekommen und alle Beteiligten konnten mit dem was sie bekamen zufrieden sein.
Selbstverständlich hatte man den Vertrag nicht offen kundgetan, aber das Wissen der restlichen Bewohner darum und ihre mangelnden Proteste genügten bereits um ihn weiterhin als gültig zu sehen.
Umso mehr war es jedoch ein Grund zur Sorge wenn die alten Rhythmen nicht eingehalten wurden und es zu Störungen im perfekt funktionierenden System von Beschützern und Beschützten kam, da dies schnell wieder die verhassten alten Zustände zurückbringen konnte.
All dies wussten die beiden Fischer, aber selbstverständlich sprach es keiner von beiden aus. Es ging sie nichts an und war sowieso besser für die eigene Gesundheit, sich nicht weiter darum zu kümmern.
Sie traten ihre Zigarettenstummel aus, stiegen das Boot und setzten anschließend Kurs auf die See.
So wie jeden wunderschön langweiligen und von Gewohnheit durchsetzen Tag.

*​

Brodkars Kopf schmerzte, als er sich aufrichtete. Ein Weinkrug, der vorher auf seiner Decke gelegen hatte, zersprang in alle Einzelteile und gesellte sich zu seinen leeren Gefährten, die der Hüne mit unwirschen Tritten und unter Flüchen beiseite schaffte und noch unflätiger zu fluchen begann, als ihn schmerzhaft bewusst wurde dass er seine Stiefel nicht trug. Grunzend zog er sich diese über und erhob sich endgültig, achtete nicht auf die Scherben am Boden und den allgemein muffigen Geruch in seiner Kammer. Ihm fiel auch erst im runtergehen auf, dass er schon wieder in seinen Sachen geschlafen hatte.Aber das war egal.
Dort wo man auf ihn wartete, legte man keinen Wert auf sowas.
Sie waren fast alle da. Der Kleine Narkch und der große Leyf saßen bereits am Tisch und spielten Karten. Brodka hatte es schon immer verwirrt, dass die beiden sich so falsche Namen gaben wo doch Nakch fast so groß war wie er und Leyf sogar für einen Halbling als klein galt. Sie hatten ihn mal erklärt, dass das so eine Art Scherz zwischen ihnen war, aber so richtig verstanden hatte er das nie.Er setzte sich zu ihnen. Sie fragten ihn, ob er etwas trinken wollte und er bejahte. Kurz darauf hatte er seinen ersten Krug Wein getrunken und war schon fast mit seinen zweiten fertig, als der Chef reinkam.
Er war so gepflegt wie immer, hatte sich das Gesicht rasiert, die Haare gekämmt und wohl auch die schwarze Lederkluft von oben bis unten gesäubert, was dazu führte, dass er auf den ersten Blick nicht in den Raum passen wollte. Bis man ihn in die Augen sah. In diese von Drogenkonsum gezeichneten, leblosen blauen Augen, denen jegliches Gefühl fehlte und die schon fast zu Gänze von der geröteten Nase und dem leichten Ausschlag am Hals ablenkten.
Diese Augen, die inzwischen einer der Gründe waren warum Brodka soviel trank, aber auch nur einer, blickten sich nun um, wohl um sicherzugehen dass ansonsten jeder anwesend war und zuhörte. Dann räusperte sich der Chef und begann zu erläutern was sie heute an diesem Tag zu tun hatten. Brodkar hörte zu, nickte, verstand nicht einmal die Hälfte genau, aber er wusste ungefähr was von ihm verlangt wurde.
Und damit war alles Wichtige für ihn geklärt.
 
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