Ich arbeite ja seit einiger Zeit in der Psychiatrie, und da finden sich tatsächlich in letzter Zeit vermehrt junge Erwachsene so zwischen 19 und 25 ein ( in der Kinder- und Jugendpsychiatrie schauts diesbezüglich sicher noch spannender aus ), die beim Aufnahmegespräch angeben, "
in der virtuellen Welt versumpft zu sein".
Das ist dann meist entweder WoW oder SL.
Diese Menschen fallen vor allem dadurch auf, dass es Ihnen nicht möglich ist, Ihrem Tagesablauf in der realen Welt eine Struktur zu geben. Hartz IV, 2 Flaschen Wein am Abend und ein Onlinegame sind dann oft die einzigen Konstanten im Leben. Manchmal entsteht dann ein Leidensdruck, und der führt sie in die Klinik. Tun kann man da stationär und vor allem als Arzt eigentlich nix. Die Leute genießen natürlich die Struktur, die Ihnen die Klinik gibt. Meist zeigt sich dann auch ein Alkoholproblem in Form von Entzugserscheinungen, auch da kann man etwas tun.
Aber nach Entlassung müssen Sie wieder auf eigenen Beinen stehen, und das schaffen sie meistens nicht, weil halt die Fähigkeit zur Strukturierung des Tagesablaufes fehlt, selbst ein tagesklinischer Status überfordert sie oft. Ambulante Behandlung scheitert einfach an der mangelhaften Zuverlässigkeit.
Ohne Witz handelt es sich dabei erstaunlich oft um ein äußerst klischeehaftes häusliches Umfeld...Einzelkind, beide Eltern Pädagogen, konsequent antiautoritäre Erziehung...ect. Letztlich bietet WoW diesen Leuten eine virtuelle soziale Anerkennung. Sie werden ständig belohnt und die dafür aufzubringende "Leistung" ist einfach nur Zeit, die sie reichlich haben. Den Weg aus dem Bett zum Rechner bekommen sie grad noch hin.
Nur gabs solche Konstellationen sicher auch schon vor WoW, die Menschen haben sich halt dann in andere Bereiche geflüchtet, da ist sicher keine Spiele-innovation der letzten Jahre schuld.
Natürlich sollte man genauer hinschauen, wenn dann der 12jährige Nachwuchs anfängt, tagelang vor dem Rechner zu hängen. Aber das mußte man auch schon, als ich 12 war. Man kann sich ja heute gar nicht mehr vortstellen, dass man damals auch 10 Stunden am Tag Summergames gezockt hat, um nach zwei verschlissenen Joysticks endlich den 100-Meter_Weltrekord zu brechen - in 16 Farben.
Gruß
Anti