[flüster]Tolle Idee, Zora.
[/flüster]
Es war lausig kalt in der kleinen Feste, die den Alrikspaß beherrschte. Mehr als mannshoch lag der Schnee hier in den Höhen des Finsterkamms - und das bereits seit Wochen. Und es schneite fast jeden Tag erneut. Die Räumtrupps, die jeden Morgen und jeden Nachmittag ausrückten, um den unmittelbaren Vorplatz der Burg vom Schnee zu säubern, kämpften einen schier aussichtslosen Kampf. Eine halbe Wache später sah es es meist so aus, als wären sie heute noch gar nicht draußen gewesen.
Die Abenddämmerung brach gerade herein und es versprach eine sternenklare Nacht zu werden.
Der Wachposten auf dem Torturm, ein junger Mann namens Sighelm, fror schon nach wenigen Augenblicken des Herumstehens erbärmlich und schlang den alten Kapuzenmantel, den er über dem Lederpanzer trug, enger um sich - der aussichtslose Versuch eines Unerfahrenen, sich warm zu halten.
`Wieso hab ich eigentlich immer die Turmwache? Hergerd und Ulfried waren seit Monaten nicht hier oben. Was habe ich Phex getan, daß ich immer beim Losen verliere?`
In solcherlei Gedanken versunken, hätte er das Getrappel der Hufe beinahe überhört, mit dem sich die Rückkehr der Kundschafter ankündigte, die die nahe Umgebung nach Spuren der Orks abgesucht hatten. Er blickte zum Waldrand hin und stellte überrascht fest, daß sich die kleine Schar trotz des ungünstigen Geländes nicht so vorsichtig, sondern so schnell wie möglich bewegte. Und während ihm noch die Frage durch den Kopf ging, was das wohl zu bedeuten habe, hörte er bereits den hohen Ton des Signalhorns, dessen verschiedene Tonfolgen (und deren Bedeutungen) er inzwischen im Schlaf aufsagen konnte. Er lauschte kurz. `2 lange Töne. Gefahr!`Das hieß nach der Feldordnung Pervals, die hier draußen noch immer Gültigkeit besaß, daß nicht die Zugbrücke herabgelassen, sondern die Mannpforte geöffnet werden sollte, die sich viel schneller und leichter wieder schließen ließe und die zudem leichter zu verteidigen wäre - der einzige Zugang zu ihr war ein nicht einmal anderthalb Schritt breiter Grat, der zu beiden Seiten fast 30 Schritt lotrecht in die Tiefe abfiel.
Sighelm beugte sich über die Brüstung des Turms in den Hof hinein und rief in Richtung Torhaus: "Mannpforte öffnen!"
Seltsam, die beiden Torwächter reagierten gar nicht. Er versuchte es nocheinmal, diesmal brüllte er mit aller Kraft: "Mannpforte öffnen!"
Ulfried war sauer. Nicht nur, daß im Torhaus wiedermal nicht geheizt war (die Holzvorräte gingen langsam zur Neige, doch mit den Orks so nahe vor den Toren wagte der Kommandant es nicht, Holz schlagen zu lassen), auch Phex hatte sich scheinbar heute von ihm ab- und Hergerd zugewandt. Das war jetzt bestimmt schon der zehnte Heller, den er verlor! Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen!
Ulfried stand ruckartig auf. "Du betrügst doch! Soviel Glück kann man doch gar nicht haben!"
Auch Hergerd sprang auf die Beine. "Spinnst Du? Das nimmst Du zurück!"
"Gar nichts nehm ich zurück! Du gewinnst doch nur noch! Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen!"
Die beiden wären vielleicht sogar handgreiflich geworden, wenn Ulfried nicht in diesem Moment etwas gehört hätte. Er hob den rechten Zeigefinger an die Lippen und lauschte. Hergerd wollte gerade etwas sagen, da hörten sie es beide. Vom Turm schrie Sighelm aus voller Brust: "Mannpforte öffnen!"
Die beiden Torwächter stürzten zur Tür des Torhauses und eilten zur Pforte. Wenige hundertfach geübte Handgriffe genügten, dann war der Riegel zur Seite geschlagen und Hergerd stieß mit Mühe das kleine Tor auf, das ihm unerwartet starken Widerstand entgegensetzte. Fast schien es dem altgedienten Soldaten, als ob sich auf dem Grat ein Hindernis befände, das die Tür blockierte. Doch noch bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, war der Widerstand bereits verschwunden und das kleine Tor schwang auf.
Kurz darauf waren die Kundschafter heran. Die Torwächter beeilten sich, die Pforte hinter ihnen wieder zu schließen, während der Anführer der Reiterschar bereits zur Kommandantur eilte, um Bericht zu erstatten.
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Den Fremden mit der herausgeschnittenen Zunge und der fehlenden rechten Hand, der in der Schlucht vor der Mannpforte lag, entdeckte man erst im Phex nach der Schneeschmelze.