Der Begriff "Entartet"

Fischli

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Hallo zusammen,

es gibt ja gerade eine Debatte über diesen Begriff wegen einer Predigt.

"Entartete Kunst" ist laut Wikipedia von den Nazis verwendet worden. Im Spiegel-Artikel und im Radio wurde aber mehr auf "entartet" als auf der Kombination der beiden Wörter herumgehackt. Muss ich jetzt im Alltag aufpassen, dass ich das Wort nicht verwende :rolleyes:? Meiner Meinung nach ist das Wort "entartet" zwar nicht das positivste Wort das man sich vorstellen kann, da es dabei um etwas eher negatives geht, aber wie sollte man sich denn sonst ausdrücken.

Das man im Netz und Wörterbüchern Synonyme dafür findet ist mir klar, aber das dieses Wort so schlimm ist, dass man es am besten aus dem Gedächtnis einer Nation löschen sollte war mir bisher noch nicht klar.

Jedenfalls kann man im Forum hier danach suchen und findet auch etwas, ohne das sich jemand darüber aufregt, wenn es jemand verwendet.

Mal abgesehen davon, weiß ich nicht wann ich das Wort zuletzt ausgesprochen habe ^^.
 

David

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Das Wort ist schon ziemlich belastet. Wenn ichs höre, ist diese Nazi-Propaganda das erste, was mir einfällt.

Mir täten auch einige Sachen einfallen, die diesen Begriff eigentlich verdient hätten (zB dieser wiederlichen Körperwelten), aber trotzdem tät ich dann lieber sowas wie "abartig" oder "wiederlich" sagen, um erst gar nicht so eine Diskussion anzustoßen..

Und grade von nem gebildeten Mann wie diesem Kardinal muß man erwarten, daß er genau weiß, was er sagt. An Zufälle glaub ich da nicht. Aber wahrscheinlich wollt er nur mal wieder in die Nachrichten. :D
 

Belgarath

Rätselhexer
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Hmm.. beim Begriff entartet fallen mir spontan entartete Energieniveaus von Elektronen ein, also verschiedene Zustände, die aber dieselbe Energie haben. :p

Mit anderen Worten: "Entartet" ist (auch) physikalisches Fachvokabular. :rolleyes: ;)
 

Wedge

Wedgetarian
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Hm... ich benutz das eigentlich recht gerne - wenn auch zugegebner Maßen nur sehr selten - wenn ich irgendwelche abartigen Dinge spezifizieren will. Und mir war auch bis heute überhaupt nicht klar, dass das Wort "vorbelastet" ist, weil die Nazis das benutzt haben.

Verstehe auch nicht, warum da so ein Aufstand drum gemacht wird. Wenn ich die Lösung für ein Problem suche oder in ein Lager gehe, schreit auch keiner auf...
 

Durin

Schlachtenwüter
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Unterstützung für Belgarath:

Ich benutze diesen Begriff, um in einer Allgemeinen mathematischen Theorie Fälle zu beschreiben, die noch Sonderausmerksamkeit erfordern, da sie am Rande der Definition liegen und irgendwie nicht ganz richtig der Theorie entsprechen.

Beispiel.: Die Innenwinkel eines Dreiecks liegen zwischen 0° und 180°, wobei sie zusammen 180° ergeben. Ein Dreieck mit einem 180° Winkel und zwei 0° Winkeln ist entartet (da es nur ein Strich ist).
 

Schuck

Fürst des Chaos
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Wenn es nicht gerade um Mathematik oder Physik geht empfinde ich das das Wort als unangebracht, bzw. sollte man sich der stark negativen Konnotation bewusst sein, was es für den normalen Sprachgebrauch disqualifiziert.

Das Adjektiv "entartet" beinhaltet ja schon das Wort "Art", welches imho wenn man es auf den Menschen und seine Kultur anwendet schon latent sozialdarwinistische oder gar rassistische Züge aufweist. "Entartet" ist so quasi etwas, was der "Art" oder auch Natur des Menschen widerspricht.
Rein objektiv betrachtet ist es streitbar ob diese Auslegung noch wertneutral ist, oder schon eine abwertende Tendenz aufweist. Im Falle der Nazis und ihrer verqueren Rassentheorie war ja genau das "entartet", was nicht ihrem faschistischem Bild vom Menschen und seiner Kultur enstprach.
Wenn Kardinal Meisner also von "entarteter" Kultur spricht, so bewertet er ähnlich wie die Nazis nach absoluten Wertmaßstäben die keine von ihrem Ideal abweichende Art von Kultur tolerieren.

Wer also solch einen mMn nicht auf den Menschen anwendbaren Begriff verwendet, der begiebt sich, ob nun aus Torheit oder Kalkül, in zweifelhafte Gefilde abzulehnender Gesinnungen und Weltanschauungen und darf sich über ablehnende Reaktionen nicht wundern.
 

Arodon

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Als Kölner Katholik bin ich natürlich besonders mit unserem Freund Herr Meißner vertraut.
Vielleicht gerade deswegen aber eigentlich auch sonst war ich entsetzt als ich heut früh im KstA die überschrift las.

Entarte Kunst also grad die Nutzung des begriffs im zusammenhang mit Kunst, ist auf jeden Fall von Nazionalsozialisten vorbelastet.

edit : Schuck ist viel besser und schneller
 
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Tsaya

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Während ich die negative Konnotation des Ausdruckes "Entartete Kunst" nicht anfechten will (gerade wenn man zum Thema Kunst und Kultur eine Aussage macht, sollte man derartige solche Patzer nicht erlauben), kann ich zur Diskussion über den Begriff "entartet" eigentlich nur noch den Kopf schütteln - manche Leute haben scheinbar echt nichts Besseres zu tun.

Wie der Begriff grundsätzlich abwertend sein soll kann ich nicht wirklich verstehen, zumal ich ihn wie Belgarath auch hauptsächlich aus dem naturwissenschatlichen Bereich kenne wo er verschiedene, vollkommen gleichwertige Zustände beschreibt.

Es gibt Personen, die durch Einstreuen solcher Ausdrücke den Zuständen und Geschehnissen im dritten Reich etwas Positives abgewinnen und dieses dann propagieren wollen. Das ist absolut nicht in Ordnung.
Es gibt aber auch Leute, die hinter jeder Äußerung genau einen solchen Versuch sehen - das ist ebenfalls nicht in Ordnung sondern paranoid. Aus der Vergangenheit sollte man Lernen, nicht sich zwanghaft daran festklammern.

Man kann auch alles übertreiben!
 

Fabian

Hefti
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In dem Fall stimm ich Schuck voll und ganz zu.
Der Begriff ist (zumindest für mich als nicht Mathematiker/Physiker/Naturwissenschaftler) komplet negativ besetzt.
Zwar bin ich grundsätzlich immer skeptisch wenn man Begriffe verdammt auf Grund möglicher stark negativer Implikationen, ich denke damit schiest man oft übers Ziel hinaus (zB halte ich Gendermainstreaming für überflüssung, an dem Kern der Sache vorbeigehend, ideologisch durchtränkt und kontraproduktiv).

Aber in dem Fall ist die Sache für mich eindeutig, vor allem da ich, wie Schuck schon geschrieben hat, dieses Einteilen in absolute Bereiche von Kunst ablehne.
Das ist doch Kunst, die muss einen Spielraum haben um sich entfalten zu können.
Meiner Meinung nach ist Kunst bis zu einem gewissen Grad immer subjektiv zu beurteilen, so lange nicht menschenverachtende Grenzen überschritten werden.
Oder mit anderen Worten, so lange die Kunst keine Gesetze verletzt, ist sie frei und jeder darf sich selbst ein Bild machen ob er sie gut oder schlecht findet.

zB Wenn David die Körperwelten Ausstellung nicht gefällt hat er ja die Wahl und muss nicht hingehen.
Andere sehen dass vielleicht anders, aber das ist jedermanns private Angelegenheit, das Einteilen in solche absolute Größen halte ich für Grundfalsch. Gehört es doch zu den ersten Schritten einer Diktatur die Kunst und die Medien zu zensieren. Was in direkter Linie mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit steht.
Wie gesagt, so lange gegen keine Gesetze verstoßen wird (zB durch üble Nachrede), sollte und muss Kunst frei sein.

Zuguterletzt, hat's David ja schon geschrieben: Es ist stark davon auszugehen, dass sich ein so gebildeter Mann durchaus der Bedeutung seiner Worte bewusst ist.
Sprich er hats mit Absicht getan, auch wenn er sich vielleicht andere Reaktionen erhoft hatte.
Ich unterstelle mal, er wollte nicht diese Art von Medienaufruhr, sondern lieber brav klatschende Hände die ihm zu seinem kühnem Vorstoß gegen die "gottlose Kunst" der modernen Zeit zustimmen. *rolleyes*
 
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Theron

Kampfmagier
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Meine Güte, "entartet" ist ein böses Wort??? Gut, dass ich das jetzt auch mal weiß, ich hab mir nie was böses bei dem Wort gedacht.:rolleyes:
 

Fabian

Hefti
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Es geht doch um den Zusammenhang.
Entartete Kunst ist eben eindeutig.

Gleich wie zB der Spruch "Arbeit macht frei." Da gehts nicht um die wörtliche Bedeutung sondern die Zusammenhänge und Implikationen.
Welche bei manchen Begriffen ziemlich eindeutig sind.
 

Tsaya

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@Fabian:
Schau doch nochmal in Fischlis ursprünglichen Beitrag. Das Problem ist doch gerade, dass es nicht nur um den Begriff "entartete Kunst" geht, sondern bereits nur um das Wort "entartet"...
 

Chinasky

Dirty old man
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Worte sind immer unschuldig, der Kontext ist ausschlaggebend. Schließe mich Schuck und Fabian an.

Es geht Meißner (der sein Kunstverständnis ja schon bezüglich des Richter-Fensters im Kölner Dom eindrucksvoll demonstrierte) darum, von einer bestimmten Gruppe Applaus zu erhalten. Ich unterstelle ihm Kalkül - selbst die jetzige hitzige Debatte dürfte ihm gelegen kommen.
Die katholische Kirche muß sich profilieren, da sie außer dem Papst wenig zu bieten hat und andauernd von den evangelisch-lutherischen Kirchen sowie insbesondere den Evangelikalen und sonstigen Freikirchen (denen die Gläubigen im Gegensatz zu den etablierten Großkirchen zu- statt weglaufen) in den Medien ausgestochen wird. So langsam scheint sich herumzusprechen, daß die Leute bei den Kirchen nicht etwa differenzierende Nachdenklichkeit suchen, sondern knallharte Richtungsvorgaben. Je rigoros-reaktionärer die Kirchen, desto größer der Zulauf.

Bedenken sollte man, daß Meißner hier vor allem die ethymologische Abstammung des Wortes "Kultur" zum Vorwand nimmt, reaktionär-Inhaltliches zu thematisieren. Das positiv besetzte Wort "Kultur" will er gewissermaßen für seine Kirche kapern, nach dem Motto: "Echte Kultur gibt's nur im katholischen Kultus." Nun hat sich aber auf katholischem Gebiet in den letzten paar Jahrzehnten kulturell nicht mehr sehr viel getan, die heute angesagte Kultur ist die von MTV (Popetown... ;) ) und großen Ausstellungshighlights (MomA in Berlin). Und bei der Interpretation dessen, was der Mensch sei, ist die moderne Kunst ganz vorn mit dabei, ebenso im Kino wie im Museum, im Tanztheater wie in der literarischen Lesung. Überall in der Kultur kommt man ganz gut ohne die rkK aus, deren kulturelle Leistungen eher der Vergangenheit (Dombauten, Barocke Malerei usw.) angehören.

Wenn das eigene Produkt gegen die Konkurrenzprodukte abstinkt, hat man drei Möglichkeiten: Entweder man verbessert sein eigenes Produkt. Oder man verzichtet auf Marktanteile. Oder man macht die Konkurrenzprodukte madig.

Das taten die Nazis, als sie die starke, lebendige, aufregende, spannende Gegenwartskunst als entartet diskreditierten. Was an Kunst nicht für ihre Sache sich einspannen ließ, das wurde als entartet bezeichnet.
Und nun bezeichnet Meißner jene Kultur, die nicht den Interessen seiner Kirche dient, als entartet.

Er hätte vielleicht noch hinzufügen sollen, daß nicht alles im Dritten Reich schlecht war, z.B. die Autobahnen... Aber sein Ratze-Vorgesetzter wird ihn kaum feuern, wie es der NDR mit einer bundesbekannten Blondine tat. Wer weiß? Vielleicht klatscht man in Rom sogar Beifall?
 

Tsaya

Self-Tortured Soul
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Um es vorweg nochmal deutlich zu sagen: Ich finde die Äußerung ebenfalls nicht in Ordnung und habe kein Interesse daran, Meisner zu verteidigen. Wer mich kennt weiß außerdem, dass ich - obwohls auf dem Papier anders steht - wenig an der katholischen Kirche oder gar am neuen Papst finde, das ich akzeptieren kann.
(Da ich mir sonst gleich unter Garantie das Gegenteil vorwerfen lassen muss).

Nachdem das gesagt ist möchte ich aber ebenfalls loswerden, dass ich einige Äußerungen hier als ebenso unangemessen empfinde, wie die Meisners. Gerade du Hank, bist außerordentlich schnell dabei, Meisner Absicht und Kalkül zu unterstellen. Du stellst ihn als Menschen dar, der bereit ist sich argumentativ auf unterstes moralisches Niveau zu begeben um seinen Glauben zu verkaufen - und das obwohl er im angesprochenen Zusammenhang nicht einmal von christlichem oder gar katholischem Glauben gesprochen hat sondern lediglich von "Gottesverehrung". Auch der Schluss von Meisner als Einzelperson zur ganzen Kirche als Organisation geht dir sehr leicht von der Hand. Letztlich implizierst du sogar, die Kirchenführung würde es ganz bewußt gutheißen, wenn sich einer ihrer "Bauernfänger" zu selbigem Zweck auf das moralische Niveau des Nationalsozialismus begibt.

Mir ist durchaus klar, dass ich deinen Beitrag da sehr zu deinen Ungunsten interpretiere - aber genau das ist es auch, was du mit Meisner tust. Deine Aussage ist nicht weniger provokativ als die des Kardinals. Ich empfinde es schon als verdammt harten Tobak, wie da aus persönlicher Abneigung der Kirche gegenüber solche Aussagen gezimmert werden.

Auch wenn es um jemanden geht, der der gesamten Öffentlichkeit bewiesen hat, dass er von Kunst keine Ahnung hat und der einer Organisation angehört, die nun wirklich nicht liberal oder aufgeschlossen genannt werden kann, muss man trotzdem nicht gleich zum Mittel der Sippenhaft greifen.
Priester, Bischöfe und Kardinäle sind auch nur Menschen, machen Fehler und sind manchmal einfach Idioten - keiner von ihnen hat Anspruch auf Unfehlbarkeit. Aus einigen dummen Äußerungen, seien sie nun kalkuliert oder nicht, auf die gesamte Kirchenpolitik zu schließen empfinde ich als wirklich unangemessen - und dabei lästere ich eigentlich sogar gerne über selbige!
 

David

Moderner Nomade
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@Hank:
Öhm, wo sagt uns denn die (moderne) Kunst, was ein Mensch ist? :confused:
Da denk ich doch eher an die Biologie und Psychologie..

Was "Kultur" im Allgemeinen angeht, haben wir ja eh zwei Definitionen:
Die erste wäre die, daß Kultur diese eher elitäre Veranstaltung ist, die sich in Galerien und Theatern abseits der Massen abspielt, die zweite wäre die, das als Kultur zu verstehen, was unsere Gesellschaft ausmacht. Also Konsum, Klingeltöne, Fastfood und Hollywood. :D

Was ich in diesem Sinne immer lustig finde: Die Kunst immer weiter von der ursprünglichen Form zu entfernen, nennt sich moderne Kunst und kommt vor allem in der Kultur-Elite an. Bei Musik ists aber grade umgekehrt: Da hört die Kultur-Elite meistens die Klassiker und findet alles moderne unwürdig Kultur zu sein. :D
Obwohl doch Techno eigentlich viel besser zu moderner Kunst passen würde als Klassik, auch vom rein handwerklichen Anspruch her. :D

In dieser Rede hätte man einfach "seelenlos" sagen müssen, wenn man das selbe ohne Skandal hätte aussagen wollen. In dem Zusammenhang passt das Wort auch viel besser, und irgentwie stimmt es ja auch.
Nen tieferen Sinn hat unsere Kultur ja wirklich nicht. Ob das anders wäre, wenn man wieder jeden Sonntag ein Fabelwesen anbetet, ist natürlich nochmal ne andere Frage. Meiner Meinung nach ist jemand, der blind seinem Glauben folgt, auch nicht besser als der, der sich verschuldet, um immer die neueste Spielkonsole zu haben. Beide sind im weiteren Sinne einer Marketingkampange zum Opfer gefallen, die verspricht, das man sich gut fühlt, wenn man nur das Richtige macht/kauft.
Im Grunde trifft "Ersatzreligion des Konsums" also genau ins Schwarze: Die Leute wollen sich gut fühlen, und weils mit dem Beten nicht geklappt hat, versuchen sies jetzt per Konsum, auch wenn das am Ende auch nix bringt, weil man immer mehr haben will, und das, was man sich gerade gekauft hat, im Zweifel mehr Ärger macht als alles Andere. :rolleyes:

@Fabian:
Ich will keine Körperwelten-Diskussion anfangen, aber Leichen zweifelhafter Herkunft zur Schau zu stellen, ist für mich nicht viel besser als die Straßendekokration die ein gewisser <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Licinius_Crassus" target="wiki">Crassus</a> im alten Rom veranstaltet hat. :rolleyes:

Hier ist meiner Meinung nach die Würde des Menschen aufs Gröbste missachtet wurden. Und die wiegt stärker als die Freiheit der Kunst.
Von mir aus können selbsternannte Kunstexperten Millionen für nen paar Quadrate, Zigarettenkippen oder röhrende Hirsche ausgeben, das kann jeder machen wie er will.
Aber unter dem Deckmantel der Kunst ne Geisterbahn aus menschlichen Leichen zu machen, finde ich derart daneben, das mir dazu keine passenden Worte mehr einfallen. :down:

Hier gehts nur um Sensationsgier, mit dem Kalkül, das die Medien darüber berichten, und deshalb mehr Besucher kommen. Hat ja auch prima geklappt.
Nur mal am Rande: Gabs damals nen Mindestalter, oder durften sich auch Kinder dieses Gruselkabinett anschauen?
Ich mein, wenn schon Killerspiele aus braven Kindern Amokläufer machen sollen, welchen Einfluss muss dann erst so ein Horror auf Kinderseelen haben? :rolleyes:
 
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Fischli

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Okay, ich denke den Herrn Meißner haben wir nun genug abgehandelt ;).

Ich möchte diese Diskussion nun nicht weiter "entarten" ;) lassen, auf dass sie zu der Mainstream-Diskussion der Öffentlichkeit/Presse führt.

Ich möchte der Sache noch einen etwas anderen Blickwinkel geben. (Siehe Post 1 und 12)

Ich komme aus der naturwissenschaftlichen Ecke und bin wahrscheinlich nicht gerade der Prototyp eines ungebildeten Menschen, da ich es immerhin geschafft habe ein Studium abzuschließen und mir bald einen akademischen Grad auf die Visitenkarte drucken lassen darf. Allerdings, zu meiner Verteidigung, bin ich noch jung. Und mir wurde im Geschichtsuntericht nichts von "entarteter Kunst" erzählt. Jedoch hat es mir in Geschichte eigentlich immer für gute bis sehr gute Noten gereicht.

Allerdings will ich nicht behaupten, dass mir es nicht hätte passieren können das Wort "entartet" in einem bestimmten Zusammenhang (Kunst) falsch zu verwenden.

Ich kann mir also vorstellen, dass ich in dieses Fettnäpfchen (ich nenne das jetzt einfach so) hätte treten können. Wer ist schon frei von Fehlern?

Dann wäre man natürlich daran sich zu entschuldigen und seine Aussagen zu korrigieren. Aber, würde man so etwas überhaupt 100%ig akzeptieren und dann völlig Vorteilsfrei mir gegenüber treten? Ich denke, an so einer Stelle ist man trotz einer Entschuldigung stark für Unwissenheit bestraft.

Aber glücklicherweise habe ich mit Kunst nichts am Hut (außer das meine Schwester Kunst studieren will ^^).

PS: Villeicht ist das sogar ein neues Topic-Wert - so schnell wie wir hier schon bei anderen Themen sind ^^.
 
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David

Moderner Nomade
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Du hast ehrlich nie was von dem Begriff der "entarteten Kunst" gehört? :eek:

Ich will jetzt nicht sagen, das du (oder deine ehemaligen Lehrer :D ) keine Ahnung von Geschichte hast, aber für mich war es wirklich unvorstellbar, das man davon noch nichts gehört haben könnte.
Aber mich interessiert Geschichte auch, deshalb kannte ich das auch vor dem Studium (Nebenfach Geschichte) schon. Dafür wäre mir nie in den Sinn gekommen, daß das in bestimmten Fächern ein etablierter Fachbegriff sein könnte.. Gutes Beispiel dafür, wie schnell man aneinander vorbei reden kann, wenn man bestimmte Begriffe ganz anders kennt als das Gegenüber.

Insofern bin ich wirklich fest davon ausgegangen, daß der Kardinal diese Redewendung mit voller Absicht benutzt haben MUSS.
Aber vielleicht ist er ja einfach nur unwissender als ich gedacht hab. :D
(Wer weiß, am Ende kannte er das einfach so aus seiner Schulzeit, da seine Lehrer ja die Nazi-Zeit noch voll mitbekommen haben dürften und den begriff vielleicht wie selbstverständlich benutzt haben..)
 
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Chinasky

Dirty old man
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@Tsaya: Wahrscheinlich schätze ich die Intelligenz Herrn Meisners höher ein als Du. Ich bin mir ziemlich sicher, daß er nicht einfach nur mal so ein "Idiot" war, leichtfertig eine dumme Äußerung tat. Wenn dem so gewesen wäre, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, die Formulierung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückzunehmen. Aber er hat seinen Pressevertreter ja losgeschickt, die Passage zu verteidigen.

Ich habe nicht von ungefähr die Blondine (Eva Herrmann) erwähnt, die sich vor Kurzem ganz ähnlich "verplapperte".
Hinter solchen Begrifflichkeiten steckt nicht unbedingt ein faschistoides Denken, ich will Herrn Meißner nicht etwa einen Nazi nennen. Aber ein Reaktionär ist er (das ist etwas anderes als ein Konservativer) und als solchen bezeichne ich ihn auch. Das hat er mit Frau Herrmann gemeinsam - deren "Heim-an-den-Herd"-Bücher sich ja auch wie geschnitten Brot verkaufen.



Meißner ist nicht irgendwer, er ist eine exponierte Führungsperson in der rkK. Und solche Leute plappern nichtmal eben irgendwelche Dummheiten zum Thema Kunst daher, vor allem dann nicht, wenn gerade erst eine Debatte über ihr Kunstverständnis lief (Richter-Fenster). Einem Kardinal traue ich allerhand dialektische Fähigkeiten zu, man fällt nicht soweit nach oben in der Hierarchie, ohne ein extrem gutes Gespür für Timing in politischen Debatten.

Gerade Meisner ist bekanntlich ein "scharfer Hund" und von ihm stammt z.B. auch der Vergleich von Abtreibung und Holocaust.

Naja, bei Wikipedie kann man sich ja näher über ihn informieren:
Kardinal Meisner

Ob man, wie Du, die Sache eher als Ausrutscher oder Dummheit betrachtet, oder, wie ich, eher hinter dem, wie sich die Offiziellen der rkK in jüngster Zeit verhalten, ein System vermutet, ist vielleicht Ansichtssache. Je mehr ich mich allerdings mit der Materie beschäftige, desto mehr sehe ich mich bestärkt in meiner Betrachtungsweise: Ich unterstelle Meisner ebenso Kalkül, wie ich auch Ratzinger bei seiner Regensburger Rede Kalkül unterstelle.



@Fischli: Gratulation zum Abschluß des Studiums! :) Allerdings verstehe ich nicht, worum es Dir geht? Wenn Du in Geschichte gute Noten bekamst und dennoch nicht weißt, wie in Deutschland der Begriff "entartet" vorbelastet ist, dann zeugt das entweder dafür, daß Du wohl gerade krank warst, als die Materie im Unterricht durchgenommen wurde, daß Du vergeßlich bist oder daß Euer Geschichtsunterricht schlecht war. Niemand verlangt von Dir, alle Fettnäpfchen zu umschiffen, aber ich kapiere nicht, was Du sagen willst? Nur, weil Dir die Besetzung des Begriffs "entartet" nicht klar war, braucht ein Bischof/Kardinal da auch keine Ahnung zu haben? Du hast ein naturwissenschaftliches Studium absolviert - aber Meisner hat Theologie studiert, eine Geisteswissenschaft. Und da Gott sich seit rund 2000 Jahren nicht mehr dezidiert äußert, hatte die katholische Kirche recht viel Zeit, die Kunst, jedes einzelne Wort genauestens abzuwägen, zu verfeinern. Meisner ist Jahrgang 33 - er hat also die komplette Diskussion über das Verhältnis zwischen dem Nazi-Regime und den Kirchen bewußt miterlebt und als Kirchenvertreter wohl auch mitgeführt. Wenn so jemand in ein derartiges Fettnäpfchen tritt, weil er es nicht gesehen haben sollte - dann allerdings sollte man ihn eventuell in den (un-) verdienten Ruhestand schicken.

So, und weil unser Schulbildungssystem größere Lücken als von mir erwartet hat, hier noch etwas komprimierte Information zur entarteten Kunst... ;)
 

Fischli

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@Hank:

Den Wiki-Artikel zu entarteter Kunst habe ich gelesen, bevor ich den Artikel eingestellt habe.

Mir geht es weniger um den Kardinal - da tut die Öffentlichkeit schon genug.

Mir geht es mehr um den kleinen Jungen der einen begrenzten Wortschatz hat, in dem zufällig das Wort "entartet" vorkommt. Der ist vor einer solchen Situation nicht geschützt. Und wenn dann so etwas dem kleinen Jungen passiert, wie es dem alten Kardinal passiert, dann wäre das schon etwas hart für den kleinen Jungen. Und dieser kleine Junge wird dann auch etwas schneller erwachsen, als ihm recht ist.

Des weiteren hat es mich gewundert, dass in den Radio/Internet-Berichten nur auf "entartet" und nicht auf "entartete Kunst" in Kombination eingegangen wird. Und wenn das Wort entartet so behandelt wird, wie es mir beim ersten Hören vorkam (als ich den Wiki-Artikel noch nicht kannte), könnte man meinen, dass man es aus jedem <b>Duden streichen</b> sollte, damit die Menschen es vielleicht in 100 Jahren nicht mehr kennen. Dafür muss ein Wort doch sehr böse sein, aber entartet hat auf den ersten Blick für mich nicht einen solchen Eindruck gemacht.

Wie gesagt, es geht um "entartet" und nicht um "entartete Kunst" und auch nicht um den Kardinal.

Ich wollte weniger die große politische Diskussion ansticheln (wobei das Potential vorhanden ist, wie man sieht ;)), sondern eher so eine kleine Diskussion am Rande des Netzes haben die vielleicht nach 14 Beiträgen schon vorbei ist ;).

Zu meinem Geschichtsunterricht: Ich war eigentlich sehr selten krank - aber ob ich an dem Tag gefehlt habe, weiß ich nicht mehr ;). Ich würde aber auch nicht unbedingt behaupten, dass der Geschichtsunterricht schlecht war. Wie dem auch sei, vielleicht kommen einfach ein paar Dinge hier und da auch beim besten Lehrer zu kurz?
 

Bragi

Meister der Mütze
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Stimmt also doch: Aus Reflexen kann man mehr herauslesen als aus seitenlangen Statements. :rolleyes:;)

Ich kenne den Artikel von Meißner zwar nicht und den Begriff "entartet" verwende ich ebensowenig (allerdings eher, weil er mir für einen praktischen Gebrauch zu förmlich und abstrakt klingt, genauso wie bzw. "abnorm"). Aber es ist doch immer wieder interessant zu sehen, was ein einfaches Wort für hohe Wellen schlägt, nur weil man es als "vorbelastet" ansieht.

An diejenigen, die gerade den Begriff "entartet" in seine dialektischen Bestandteile zerlegen, moralisch bewerten und anschließend mit dem Bannstrahl belegen wollen, mal eine provokante Frage: Haltet ihr diese Erhöhung des Nationalsozialismus nicht für ungerechtfertigt?
 
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