Der Schatten Spiel

Alyndur

Zwielichtiger
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„Leise!“ Er hörte sie kommen. Das Ohr eines Dunkelelfen vernahm im näheren Umfeld alle Erschütterungen der Erde – sowohl unter, als auch über ihr. Hufgetrappel. Eine Menge Reiter näherte sich – mindestens ein Dutzend. Und zu dem Lärm ihres Rittes gesellte sich das unverkennbare Grollen eines schweren, rädernen Fahrzeuges. „Achtung!“ Lautlos griff er zu seinem Sithyrr, legte einen Pfeil auf die Sehne und spannte sie behutsam. Seine hellblauen Augen durchdrangen die Dunkelheit der Nacht bis hin zur Kurve, hinter der der Waldweg verschwand und, wo der Trupp in Kürze auftauchen würde. In regungsloser Ruhe harrte der Schattentänzer seiner Beute. Dieser Überfall würde einen meilenlangen Schatten auf alles andere werfen, was sie jemals gewagt hatten. Die Beute würde um ein Vielfaches reicher ausfallen als alles, was sie während der letzten Monde angehäuft hatten, zusammen. Doch weitaus schwerer würde die Bürde der Gefahr sein, die wie eine eiserne Robe für den Rest ihres Lebens auf ihnen lasten würde. Vyseris hatte sich bis zuletzt gegen die Waghalsigkeit dieses Unterfangens gewehrt, doch die Entscheidung hatte wie immer bei Barson, dem Kopf der Bande, gelegen, der sich vermutlich gerade das letzte Bisschen Verstand versoff. Und bei der grenzenlosen Selbstüberschätzung seines kurzen Menschenlebens. Wieder einmal war der Wunsch in ihm aufgeflammt, sich beider ein für alle Mal zu entledigen, nun, da sein Überleben nicht mehr an seinem bloßen Nutzen für den Anführer ihrer Bande hing. Diesmal war das Feuer noch schwerer zu bändigen gewesen als die Male zuvor. Doch es war bereits zu spät gewesen, um den Fehler zu verhindern, den sie nun begingen. Heute Nacht würden sie sich selbst verurteilen. Sie würden den Racheeifer der Menschen von Vèlhindorn auf sich ziehen und die Schwertspitze der Inquisition auf die wenigen Zufluchtsorte richten, die sich Gesetzlosen wie ihnen versprachen, von den Rassen des Unterreiches ganz zu schweigen. „Thrityh!“ Wie zwei rivalisierende Windstöße fegte eine Salve von Pfeilen von beiden Seiten des Dickichts aus gegen den Zug auf der Straße. „Schilde!“ , drang es als Antwort von einem der Soldaten Vèlhindorns und seine schlachterprobten Kameraden reagierten sofort. Der Erfolg ihrer ersten Parade ließ die Soldaten übermütig werden, sodass sie entgegen Vyseris’ Erwartung nicht versuchten, mit dem Wagen entlang der Straße auszubrechen, wo eine Blockade auf sie gewartet hätte. Im Nahkampf auf offener Straße hatten die Räuber den berittenen Hütern der Inquisition kaum etwas entgegenzusetzen und wurden von ihren Klingen zurechtgestutzt wie das Korn von der Sense. Doch die eisernen Pfeilspitzen ihrer Bogenschützen durchdrangen die Brustpanzer der Soldaten aus sicherer Ferne von den Bäumen und dem Buschwerk aus und hielten das Blatt des Schlachtenglücks im Schwanken, bis es sich durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit allmählich zu ihren Gunsten wand. Schließlich stürzte auch der letzte Reiter, als ein Pfeil seine Flucht vereitelte. Vyseris legte sich seinen Sithyrr wieder über die Schulter und trat aus dem Dickicht hervor, um sich zu den Banditen zu gesellen, die die toten Soldaten schon gierig nach Wertgegenständen absuchten. Er hatte sich kaum einer Hand voll silberner Münzen bemächtigt, als eine vertraute Gestalt mit kurzen Beinen die Straße heraufhastete. Der schweißdurchnässte Zwergenkörper bebte und keuchte vor Erschöpfung, als er zum Stehen kam, und rang einen dramatischen Kampf gegen die Selbstständigkeit seines Magens. „Ihr kommt spät, Duergar“ , bemerkte Vyseris in gespielter Gleichgültigkeit und riss beiläufig einen Pfeil aus der Brust eines gefallenen Soldaten Vèlhindorns.
Nachdem ihm die Ächtung seines Volkes widerfahren war, hatte sich sein Weg mit dem des Grauzwerges Arlois gekreuzt, den das Schicksal ebenfalls aus seinem Klan ausgestoßen hatte, und ihn, auf sich allein gestellt, mit den Häschern der Unterwelt um sein Leben ringen ließ. Von der Nähe des Todes getrieben, hatten sie sich gemeinsam einen Weg durch die Tiefen gekämpft und, obwohl ihnen die Rasse des anderen zutiefst verhasst war, war ihnen zusammen das geglückt, woran der Einzelne gescheitert wäre: Die Flucht aus dem Unterreich.
„Wenn wir Eurer bedurft hätten, wären wir jetzt tot und unsere Beute suchte das Weite. Wenn Barson sich das nächste Mal bequemt, seine Augen zu öffnen, wird er vielleicht zu der Einsicht gelangen, dass Ihr Euren Nutzen verspielt.“ „Tod und Hölle, Vyseris!“ , keifte der Tiefenzwerg. „Das nächste Mal sagt mir einfach genau, in welcher Entfernung ich warten soll! Habt Ihr eine Ahnung davon, wie lang diese verfluchte Straße ist? Ich bin Meile um Meile dieses verdammten Waldes wie ein Tölpel abgerannt, ohne dass sie ein Ende finden wollte, bis…“
„Ihr habt Recht, Arlois. Ich war ein Narr, auf den Scharfsinn eines Duergars zu bauen, als ich sagte: Positioniert Euch in einer Entfernung, die Euch erlaubt, sofort ins Scharmützel einzugreifen! Sein Blick fiel auf einen Menschen, der waffen- und rüstungslos von den Klingen zweier Banditen an die Wand des Wagens gedrängt wurde und am ganzen Leibe zitterte. Vyseris wandte sich ihnen verärgert zu, ehe sich der immer noch schnaubende Arlois zu einer Revanche sammeln konnte. „Nun, was ist denn an den Worten Wir können diesmal keine Geiseln nehmen. so schwer zu verstehen?“ Von der Spitze des Pfeils in seiner Faust tropfte noch das Blut des letzten Opfers herab, als er ihn dem Wagenlenker in die Kehle stieß. „Rivvin!“ Er spie das Wort wie die Gehässigkeit selbst aus und schüttelte über die Zaghaftigkeit seiner Räuber den Kopf. „Wie hoch sind unsere Verluste?“ „Neunzehn Tote!“, meldete man ihm. „Ha! Wunderbar!“ Arlois lachte herzhaft und vergnügt auf. „Neunzehn Neider weniger, mit denen es zu teilen gilt!“ „Wenn es nur das wäre, Arlois.“ Vyseris vermochte sich eines zynischen Lächelns nicht zu erwehren. Der Tiefenzwerg mochte ja ein kleiner Kretin sein, doch sein Temperament war überaus ansteckend. Dennoch, neunzehn Männer waren ein fataler Verlust für ihre kleine Bande. Ein Verlust, den sie nach den Vorfällen der heutigen Nacht umso schwerer bedauern konnten. „Es waren… nützliche Männer“ , erklärte er in gespielter Rührung. „Männer, die etwas von ihrem Handwerk verstanden und zu Höherem gemünzt waren als Klingenfutter - im Gegensatz zu so manchem Duergar.“ „Bei meinem morgendlichen Schwarzbier!“ , empörte sich dieser. „Warum haben Euch Eure Matronen wohl die Hölle heiß gemacht, Aschhaut? Zweifelsohne nicht wegen Eurer Unentbehrlichkeit!“ Der Grauzwerg witterte etwas, was auch Vyseris aus der Ruhe brachte. „Ssusun pholor dos*, Arlois! Wagt es nicht, von meinem Haus zu sprechen! Ich selbst habe mein Schicksal gewählt und scheue die Verantwortung nicht! Wäre es mein Wunsch gewesen, so führte ich noch heute ein Leben in Demut und Willenlosigkeit!“ Doch der Tiefenzwerg schien da anderer Meinung zu sein. „Ach, ist mir entgangen, dass dem heute nicht mehr so ist? Habt Ihr Eure Matriarchinnen nicht lediglich gegen einen Räuberhauptmann eingetauscht?“ Vyseris zuckte belanglos mit den Schultern. „Damit hätte ich mehr bewirkt als Ihr, der Ihr einen versoffenen Kommandeur durch einen anderen ersetzt habt. Die Schlichte eines Duergargemüts ist wahrlich bemitleidenswert.“ „Bemitleidenswert?!“ Die vor Wahnsinn flackernden Augen des Grauzwerges verrieten nichts Gutes. „Wollt Ihr wissen, was bemitleidenswert ist, Schimmelhaar? Dass Ihr zappelnd vor der Rache einer Spinne in die Hand einer anderen Götze kriecht und nach Schutz japst, klein und hilflos wie eine Kua Tao-Quappe an der Luft! Das ist bemitleidenswert!“ Der Tiefenzwerg brach in brüllendes Gelächter aus - ein raues, grölendes, krampfartiges Duergarlachen, das er durch die Weite der nächtlichen Wälder hallen ließ, um allem und jedem in ein paar Meilen Nähe ihre Gegenwart kund zu tun. Er ließ seine hässliche Streitaxt zu Boden plumpsen, um seine bebende Wampe mit den kurzen Armen zu umklammern und wollte sich vor Begeisterung von seinem eigenen Vergleich gar nicht mehr beruhigen. Obwohl er mehr als einmal auf den Kopf gefallen sein musste, verfügte der Grauzwerg über ein ungetrübtes, geradezu makelloses Gedächtnis für alles, womit er glaubte, die Schwäche und Erbärmlichkeit anderer beweisen zu können. Die Banditen schienen unsicher, wie sie sich verhalten sollten. Hier und da erhaschte Vyseris einen Blick auf die Spur eines Grinsens, doch niemand wagte es, sich Arlois anzuschließen und die rechte Hand seines Hauptmanns offen ins Lächerliche zu ziehen. Fieberhaft durchforschte Vyseris das Leben des Grauzwerges, soweit es ihm bekannt war, nach etwas abgrundtief Hässlichem. Nach etwas, was ihn einst zu tiefst gedemütigt hatte und es nun durch die Versammelten vor der ganzen Bande wieder tun würde… und fand es. „Seht Euch diese Brocken an!“ Einige Räuber hatten indes das Verdeck des erbeuteten Wagens geöffnet und Arlois damit vorläufig gerettet. Die Quelle ihrer Information hatte nicht gelogen: Grauerz. Selbst im nächtlichen Dunkel vernahm Vyseris seinen matten Glanz und die sanfte Kälte, die von dem Inneren des Wagens ausging. „Nun denn, uns sollte ein hübsches Sümmchen auf dem Schwarzmarkt lächeln“, verkündete er trocken. Denn, um sie für die Gefahr zu entschädigen, die sie heute auf sich gezogen hatten, bedurfte es mehr als Geld. Vyseris ließ ein paar Männer für die wenig versprechende Aufgabe zurück, ihre Spuren zu verwischen und machte sich mit dem Rest und der verfluchten Beute auf den Weg zurück zum Lager.

In den Tiefen der Welt hatte er früh gelernt, den Schatten zu lauschen. Sie wussten viel und redeten gerne. Sie erzählten einem von Weisheit und Wissen. Von Zeit und Schicksal, von Vergangenheit und Zukunft, von Geburt und Bestimmung. Von Gut und Böse, von Leben und Tod und vom Anfang und dem Ende aller Dinge selbst. Im Unterreich wirkte ihre Präsenz stärker als an der Oberfläche, selbst bei Nacht. Doch diese Nacht war anders. In dieser Nacht, da sich die finsteren Körper der Grünen Berge ins sternlose Meer des dunklen Himmels reckten, flüsterten die Schatten sehr deutlich zu ihm. Lauter und deutlicher als jemals zuvor. Tief und langsam sog er die kühle Luft des sterbenden Winters ein und ließ seinen aufgewühlten Geist zur Ruhe finden. Zum ersten Male seit langem… vielleicht zum ersten Male seines Lebens begann Vyseris Ul’Ussthadiirr zu ahnen, wie es sein mochte, sich daheim zu fühlen.



*Licht über Euch!
 
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Mynora

Teufelchen
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Mynora packte ihren Rucksack, zog sich die Robe über und verließ das Haus. Sie hatte einen langen und anstrengenden Auftrag vor sich. Ihr Blick schweifte zu dem Knochenstab, einem mächtigen Artefakt, das einst ihre Eltern besessen hatten. Doch nein, heute musste er hier bleiben. Er würde sie nur behindern.
Die Sonne ging gerade unter. Es war wolkenlos und der Mond beleuchtete die Stadt. Die Bibliothek, in der Mynora arbeitete, wirkte bei diesem Licht recht bedrohlich. Wie oft hatte sie diesen Anblick schon genossen. Doch heute war keine Zeit dafür. Mynora kannte den Weg sehr gut, zielstrebig verließ sie die Stadt und folgte einer breiten Straße.

In Gedanken ging sie nochmal den Plan durch. Eigentlich klang es ganz einfach. Ihr Meister brauchte ein paar magische Stoffe für ein Ritual. Diese gab es bei einem Magier, der in Jon'hardûn lebte. Die Schwierigkeit war nur, dass auf keinen Fall eine Verbindung zwischen den Materialien und ihrem Meister gezogen werden durfte. Deshalb musste alles heimlich ohne viel Aufsehen geschehen. Heute Nacht sollte die Gelegenheit günstig sein. Immerhin war eine große Versammlung in der Bibliothek, so dass vielen Leuten klar war, dass der Meister die Materialien selbst nicht gestohlen haben kann. Mynora war zwar nicht auf dieser Versammlung, aber wenn sie ihr Ziel außergewöhnlich schnell erreichte, dann würde niemand Verdacht schöpfen. Nur Teleportieren durfte sie sich nicht, das könnte man bemerken und rückverfolgen.
Aber dafür hatte sie sich einen Plan zurechtgelegt. Als sie die Straße zu einem kleinen Wald führte, schaute sie sich kurz um und verschwand hinein.

Mynora suchte sich einen Platz in dem Wald, der nur sehr schwer einzusehen war.
Dort entfernte sie etwas Gestrüpp vom Boden und legte 5 größere Steine in gleichen Abständen auf einen gedachten Kreis. Zufrieden nahm die den Rucksack vom Rücken und durchsuchte ihn. Sie holte 5 Kerzen hervor. Nun dachte sie an Feuer, und schon entzündete sich eine Kerze nach der anderen. Mit etwas Wachs befestigte sie die Kerzen auf den Steinen. Jetzt nahm sie einen Stock aus dem Rucksack und zog Linien zwischen den Steinen, so dass ein Pentagramm entstand.
Zufrieden betrachtete Mynora ihr Werk. Dann sprang sie in das Zentrum des Pentagramms. Plötzlich erloschen die Kerzen. Völlige Dunkelheit herrschte in dem Wald. Mynora war vollkommen in den Schatten verschwunden. So zog sie wieder zurück auf den Weg. Auch dort schienen die Schatten nun viel dunkler zu sein. Mynora war praktisch nicht mehr zu sehen.

Jetzt konzentrierte sie sich auf ihre Kraft und ließ sie in die Beine strömen. Dann lief sie los, entlang des Weges. Mit dem Tempo hätte sie sicher jeden Reiter überholt. Und auch nach mehreren Minuten war in ihrem Gesicht keinerlei Erschöpfung zu sehen.

Es funktioniert, dachte sich Mynora. Ich kann wirklich stundenlang laufen, ohne Kraft zu brauchen. Zufrieden setzte sie ihren Weg fort in Richtung Grenzgebirge.
Der Weg zu dem Haus war also kein Problem. Eindringen wird sicher auch leicht, und leise ein paar Dinge entwenden sollte auch kein Problem sein. Der Rückweg war sicher nicht schwieriger als der Hinweg, also konnte eigentlich nichts mehr passieren. Nur musste sie die gesuchte Schachtel finden, ohne entdeckt zu werden. Aber da hatte sie auch eine gute Idee und dachte an die Fledermaus, die schon die ganze Zeit um ihren Kopf kreiste. Ja, dieses war Mynoras vertrauter, er konnte unbemerkt durch die Wohnung fliegen. Und mit ein wenig magischer Unterstützung konnte sie so einfach und sicher die Wohnung durchsuchen.

Nach zwei Stunden wurde das Land hügeliger. Unbeirrt setzte Mynora ihren Weg fort, mit unvermindertem Tempo. So war sie sich sicher, dass niemand auf die Idee kommen würde, dass sie etwas mit der Tat zu tun hat. Irgendwie wirkte der Auftrag viel zu einfach. Der Weg führte mitten in den dichten Wald der grünen Berge hinein. Hier war sie in der Dunkelheit nahezu unsichtbar.
Als sie das Ende des Waldes erreichte, reduzierte Mynora die Geschwindigkeit und verließ den Weg. An dem Weg waren sicher Wachen, die die einreisenden kontrollierten. Das wollte sie auf jeden Fall vermeiden. Doch ein paar hundert Fuß abseits der Straße war sie nicht zu bemerken.

Am Horizont waren schon die Lichter des Dorfes zu sehen. Das Haus ganz rechts, das müsste es sein. Magier wohnten nie in der Mitte von Ortschafen, denn die Einwohner fühlten sich in ihrer Nähe immer etwas unwohl. Deshalb sollte sie auch besser aufpassen, dass niemand sie für eine Magierin hielt.
Deshalb suchte sie sich erstmal einen Platz hinter ein paar Büschen, um die Lage zu überblicken. Sie konnte sich keine Fehler erlauben, zu viel hing davon ab. Also setzte sie sich auf den Boden und rief in Gedanken ihre Fledermaus. Diese kam sofort und hing sich an Mynoras ausgestreckten Arm. Mynora spürte den Geist der Fledermaus und konzentrierte sich ganz auf diesen.
Dann flog sie los. Hin zu dem Licht in weiter Ferne. Keine Menschenseele war zu sehen. Nun näherte sie sich dem Haus. Alle Türen und Fenster waren verschlossen. Dort, hinter dem einen Fester im Obergeschoss, konnte sie ein Licht erkennen, eine Kerze. Eine Gestalt saß an einem Tisch und schien etwas zu lesen. Noch war es zu früh, sie würde warten müssen.

Das Haus hatte zwei Türen. Doch sah die eine so aus, als würde sie nur in das Lager im Erdgeschoss führen, während die andere Tür wohl zur Küche und in das Obergeschoss führte. Würde sie im Lager suchen müssen? Oder in der Wohnung? Der Gegenstand war nichts ungewöhnliches. Nur konnte man ihn in Kajithárn nicht bekommen. Also würde er vermutlich im Lager aufbewahrt.
Mynora kreiste noch ein paar mal um das Haus. Doch es gab nichts interessantes mehr zu sehen. Alle anderen Häuser waren weit entfernt, niemand hier wollte in der Nähe eines Magiers wohnen. Ja, sie hatten Recht, wenn sie sich vor Magiern fürchten, denn sie waren mächtig. Sie flog zurück und zog ihren Geist aus der Fledermaus zurück. Jetzt hieß es warten, bis der Magier sich in sein Schlafzimmer verzog.
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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Montag Escha-'Um sarrte dumpf vor sich hin. Was sollte er auch sonst tun, er war mit einem eisernen Ring um den Hals festgekettet in einem schwankenden Planwagen. Die Männer in den glänzenden Rüstungen würden ihn losketten, sobald die schweren Kisten mit dem glitzerdnen Zeug wieder in irgendwelche Schatzkammern geschleppt werden sollten, die in tiefen Kellern oder mächtigen Türmen untergebracht waren, und natürlich nur über viele Treppen und geheime Gänge zu erreichen waren. Eine Schinderei ohne gleichen. Für sowas hatte man Sklaven. Sklaven wie Montag. Der konnte eine Kiste alleine tragen, die sonst zwei von seinen Bewachern kaum hochbekamen. Nun, die mussten ja auch ihre glänzenden Rüstungen tragen, so etwas hatte Montag nicht. Sollte der Konvoi überfallen werden, war sein Verlust das Geringste, was zu Buche schlagen würde.
Genau in diesem Moment schienen sich Montags dumpfe Gedanken und die Wirklichkeit in unguter Weise zu verflechten. Der gemächlich rumpelnde Wagen blieb unvermittelt stehen und lautes Rufen erscholl von allen Seiten. Und schon schwirrten die ersten Pfeile. Einer bohrte sich unmittelbar neben Montag in eine Holztruhe und blieb zitternd stecken. Montag brauchte nicht viel von seinem orkischen Instinkt aufzuwenden, um sich sicher zu sein, dass er in höchster Gefahr war. Noch ein Pfeil schlug ein, und dann noch einer. Montag konnte sie nicht kommen sehen, panisch warf er sich von einer Seite auf die andere, um den spitzen Dingern auszuweichen, aber er war ein Montagskind, bei so einem Roulette hatte er schlechte Karten. Sein massiger Körper brachte den Wagen zum Schwanken.

Hey, Sklave, halt still, sonst bringst du den Wagen noch zum Khhhhrrglllrrr"
Der Soldat konnte den Satz nicht vollenden, neben unverständlichem Gegurgel kam Blut aus seinem Mund und seiner Nase. Er verdrehte die Augen und fiel vornüber, ein gefiederter Schaft in seinem Rücken erklärte wortlos, was nicht mehr zu erklären war. Montag wurde rasend, und es passierte, was passieren musste, der Wagen schwankte und stürzte schließlich auf die Seite. Es war unmöglich den umstürzenden Kisten und Truhen auszuweichen, doch dem Halbork gelang es sich mit beiden Händen an seiner Halskette festzuhalten, dass ihm durch das Getöse nicht der Kopf abgerissen wurde. Als er einen klaren Gedanken fassen konnte, stellte er fest, dass es gar nicht so übel ausgegangen ist. Seine Knochen waren heil geblieben, sein Kopf war noch dran, und der umgestürzte Wagen gab jedenfalls nach der einen Seite schon mal eine passable Deckung gegen den Pfeilhagel. Und um ihn herum glitzernde und glänzende Schätze, denn manche Truhen waren aufgesprungen, und ihr Inhalt ergoss sich nun zu Montags Füßen. Nun, das alles würde den Räubern die Augen übergehen lassen, wenn sie in das Wrack dieses Wagens klettern würden. Doch für Montag war es nutzloser Plunder, denn spätestens dann würde sein letztes Stündlein geschlagen haben. Aber halt, Moment mal.... nicht alles hier war wirklich wertlos. Inmittten von Bechern, Münzen, Schmuck und Zierrat glänzte ihm die Schneide einer mächtigen Axt entgegen. sie schimmerte matt, als würde von ihr ein ganz eigenes, feines Leuchten ausgehen. Das war dem Ork unheimlich, aber Axt ist Axt, und wenn er seine Kette loswerden wollte, brauchte er ein Werkzeug, und da ist eine Axt nicht das schlechteste. Mühsam tastete er mit den Füßen nach der mächtigen Waffe und bugsierte das schwere Teil in Griffweite. Endlich bekam es zu fassen und egriff sie mit beiden Händen. Ein leichtes Donnergrollen war zu vernehmen, und die Axt leuchtete kurz in einem erschreckten Orange auf, als die groben Hände eines Menschenorks zugriffen. Montag konnte ja nicht ahnen, dass dies hier eine vielfach geweihte Zelebrantenaxt war, aus damasziertem Stahl von Grauerz, Silber und Ithilium, geschaffen die Untoten, lykanthropischen und dämonischen Horden des Schattenreiches zu Ehren der irdischen Götter zu opfern. Sie war etwas zu mächtig geraten, so dass die Priester immer teure Stärketränke zu sich nehmen mussten, wenn sie sie überhaupt anheben wollten. Aber sie war dennoch mit Abstand das wertvollste Objekt der gesamten Karawane. Und die Götter murmelten keineswegs zustimmend, als sich die Klauen eines sklavischen Halbmonsters um den geweihten Schaft dieses Kultgegenstandes schlossen. Aber sie hatten ihren Segen dem Gegenstand gegeben, und so brach im Anschluss an das Gemurmel eine theologische Grundsatzdiskussion im Götterhimmel aus, ob man nich in Zukunft nur besonders heilige Männer weihen sollte, statt irgendwelche Geräte, die dann doch in falsche Hände geraten könnten. Davon jedoch bekam man auf der Erde nichts mit, und am wenigsten derjenige um den es dabei ging. Montag machte sich nämlich derweil an die Arbeit, auf den Führungsholm einzuhacken, an dem seine Kette befestigt war. Die Axt schimmerte in beleidigtem Violett, das hatte ihr noch gefehlt, dass sie zum Holzhacken zweckentfremdet wurde. Am Anfang stellte sie sich stumpf, doch musste sie feststellen, dass das die entwürdigende Arbeit nur in die Länge ziehen würde. Dieser - das stellte sie mit einem wohligen (kurzzeitig rosa aufleuchtendem) Schauer fest - überaus starke Kerl würde den hölzernen Pfosten auch mit einem plumpen Streitkolben kurz und klein schlagen. Also gab sie das ihrige dazu und schon nach dem nächsten Hieb war Montag frei.
Der blickte ungläubig auf seine lose am Hals baumelnde Kette und die schimmernde Axt in seinen Händen. Doch ein Pfeil, der ihn nur um Haaresbreite verfehlte holte ihn in die Wirklichkeit zurück. er warf die Kette zwei Mal um den mächtigen Nacken, damit sie ihn nicht behinderte und kroch dann zwischen den Truhen und Kisten Deckung suchend aus den Überresten des Wagens.
Draußen war der Kampf im vollen Gange, und außer der Wache, die in pflichtvergessener Leblosigkeit auf ihrem Gesicht lag, waren keine Männer in der Nähe des Wagens geblieben. Die Ritter kämpften am Waldrand mit den Räubern, so dass die Pfeile auch nicht mehr so gezielt in Richtung des Wagens flogen, sondern einen nach dem anderen von den geharnischten Reitern aus dem Sattel holten. Montag war es egal. Er robbte ein Stück Richtung Waldrand. Er erreichte das erste Gebüsch. Doch nunr galt es, durch die Linen von Freund und Feind zu schlüpfen - wobei nicht so ganz klar war, wer eigentlich für den entlaufenen Sklaven was war. Da fiel ihm erneut seine Axt in der Hand auf. Das Ding leuchtete noch immer, in einem matten Goldschimmer, das würde ihn verraten. Sollte er sie einfach hier zurücklassen? Aber dann wäre er völlig unbewaffnet in einer feindlichen Umgebung. Selbst zum Feuerholz machen wäre sie besser geeignet als seine bloßen Hände. Und sollte er gestellt werden hätte er zumindest die Chance sich zu verteidigen. Nach kurzer Überlegung zog er seine schmutzige Tunika aus, und wickelte sie um die glänzende Klinge. Nun war er zwar nackt, aber nicht wehrlos. Dass die Axt in einem Schauer angewiderten Ekels ihren Glanz in grün wechselte, bemerkte er gar nicht. Er musste das Getümmel nutzen. Mal auf dem Bauch, mal auf allen Vieren krabbelnd und kriechend näherte er sich der Kampflinie. Die Angreifer waren gute Schützen. Links von ihm aber versuchten zwei Reiter, gemeinsam vorzugehen, den einen riss es aus dem Pferd als ein Pfeil seinen Hals durchbohrte, der andere aber erreichte mit drei gefiederten Schäften in seinem Schild den Schützen und machte ihn nieder. doch statt die entstandene Lücke in der Angreiferreihe zu nutzen, preschte er seitwärts zum nächsten Räuber der offenbar mehr Glück hatte, und erst das Pferd und dann den Reiter tödlich traf. Montag wusste, dass dies seine Chance war. Die Angreifer würden die Lücke bald schließen. Geduckt hastete er zu der Stelle, wo der gefallene Bogenschütze lag. Mit Pfeil und Bogen konnte der Halbork nichts anfangen, also ließ er ihm die Waffen. Er hatte auch keine Zeit, die Leiche weiter zu untersuchen, sondern verschwand so schnell er konnte in den Wald.
Nachdem er eine Weile quer durch das Dickicht gerannt war, und sich neben den blauen Flecken vom Umsturz des Wagens auch etliche Schrammen und Dornen eingefangen hatte, hielt er inne. Der Schlachtenlärm war verstummt. Montag war allein. Plötzlich wurde ihm klar wie hoffnungslos seine Situation war: Er war ein Sklave, er wurde gehalten wie ein Hund an der Kette. Nie hat er Entscheidungen treffen müssen, und stets wurde ihm ein undefinierbarer Pamps als Fraß vorgesetzt. Wie sollte er jetzt splitternackt, verletzt und mit einer unförmigen Axt bewaffnet mitten in der Wildnis überleben? Er hätte den toten Pfeilschützen ja wenigstens nach einer Ration zu Essen oder einer Trinkflasche absuchen können. Doch dafür war es jetzt zu spät.
Montagskind! sagte er zu sich wie seine Mutter es immer sagte, wenn ihm etwas gründlich misslang. Du bist einfach zu dumm zum Leben. Sie hatten alle recht, das einzige was du kannst, ist schuften. Tun was einem gesagt wird. Nicht Nachdenken. Fressen wenn es auf dem Teller steht. Nicht Murren. Nun bist du frei und so gut wie tot.
 
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Seradin

Kleine Drow
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Der Wind pfiff über die Dächer der Stadt und brachte die Gerüche von Satz und Algen mit sich, die er auf dem Meer eingesammelt hatte. Heulen durchstreifte er die Masten der Schiffe im Hafen, brach durch das Tor im Süden und machte sich auf selbst die schmalsten Gassen mit seiner Anwesenheit zu beehren. Noch war es eine schöne Nacht, in der Mond und Sterne auf Kajithárn hinab blickten. Doch jeder der schon einmal an der Küste lebte, spürte, dass dies nicht mehr lange so sein würde. Dunkle Wolken brauten sich am fernen Horizont über dem Meer zusammen und vereinzelt erhellte ein Blitz den Wolkenberg.
Doch nur wenige in Asharin bekamen davon etwas mit. Da waren ein paar Matrosen, die schwankend, wie ihre Schiffe, die letzte offene Taverne suchten oder hier und dort einer der Nachtwache, der gähnend durch die Straßen und Gassen schlenderte. Die restlichen Stadtbewohner lagen eingekuschelt in ihren Laken, Decken oder Lupen und schliefen. Selbst die vereinzelten Diebe, die sich sonst fast jede Nacht herum trieben, verschwanden nach und nach in ihren Löchern und Verstecken.
Si'Xela zog ihre Decke enger um sich und wand den Blick von dem Mann in der Gasse unter ihr ab, der gerade versuchte unauffällig in einer der Hintertüren zu verschwinden. Sie gähnte herzhaft. Nicht das sie müde war, ihr war einfach langweilig. Sie wäre auch gerne, wie die anderen in eine der Hütten verschwunden, aber die anderen verließen sich auf sie. Es war immer schwerer ein sicheres Versteck für die Nacht zu finden. Vor allem seit die Nachtwache begonnen hatte auch die Lager und Hütten im Hafen genauer zu patrouillieren. Und somit war ihre Aufgabe noch wichtiger geworden. Tagsüber konnten die Kinder gut auf sich selber aufpassen. Jeder von ihnen war flink und wendig und wusste genug Möglichkeiten wo er sich verstecken konnte, um den Fängern zu entkommen. Doch Nachts waren sie umso mehr angreifbar. Nur durch Si'Xela hatten sie nun eine Chance auch dann ihren Häschern zu entkommen. Zumindest hatten das die großen Jungen gesagt und Si'Xela glaubte ihnen.
So zog Si'Xela ihre Beine enger an ihren Körper und schlug die alte Decke über ihren Kopf, denn die ersten Vorboten des Gewitters fielen zu Boden. Das Dach, auf dem sie sich positioniert hatte, bot ihr einen guten Blick auf die umliegenden Gassen und auch auf die größere Straße die in der Nähe direkt zum Hafen führte.
Wieder gähnte Si'Xela herzhaft vor Langeweile. Jemand der sie nicht kannte, würde wohl denken sie sei müde. Eigentlich nicht verwunderlich bedachte man das Fortschreiten der Nacht und die Kälte, die seit dem einsetzten des Regens zugenommen hatte. Doch kannte Si'Xela so etwas wie Müdigkeit überhaupt nicht. Sie konnte sich nicht ein Mal daran erinnern jemals geschlafen zu haben. Zu Anfang hatte sie immer so getan als würde sie wie alle anderen schlafen, immerhin war es etwas das wohl alle außer ihr taten. Doch ihre Eltern hatten es doch irgendwann bemerkt. Als Si'Xela mal wieder nur da lag und krampfhaft versuchte so wie alle anderen zu sein und zu schlafen. Ihre Mutter hatte sie damals in den Arm genommen, fest an sich gedrückt und gesagt, es sei in Ordnung, sie hätten sie dennoch über alles lieb. Wenn Si'Xela die Augen schloss, konnte sie noch heute die Wärme ihrer Mutter fühlen und den Duft den sie immer verströmte. Doch wie so oft, wenn sie an ihre Eltern dachte, brachen auch diesmal die Tränen durch und vermischten sich mit dem kalten Regen der ihre Wangen hinunter lief. Si'Xela verzog vor Wut ihr Gesicht und wischte sich groß über die Augen.

„Du darfst nicht weinen. Du musst aufpassen. Die anderen verlassen sich auf dich.“ Und wie so oft half ihr der Gedanke an die anderen Kinder, die dort unten in der Hütte schliefen. Sie waren nun ihre Familie und als Familie musste man auf einander aufpassen.
Si'Xela begann unter der Decke zu kramen, doch verließ ihr Blick nie die Gasse unter ihr. Sie wusste nach was sie suchte und wo es war. Inzwischen war das ganze schon zu einem Art Ritual geworden, immer wenn Si'Xela traurig wurde und an ihre Eltern dachte, dann holte sie Maus hervor. Sie hatte Maus von ihrer Mutter geschenkt bekommen, kurz bevor ihre Eltern verschwunden sind und seither beschützte Maus sie, wo immer sie beide auch waren.
Maus war es auch gewesen, der Si'Xela mit den anderen Straßenkindern zusammen brachte. Damals hatte sie mit Maus gerade geredet und geplant wie sie etwas zu Essen finden sollten. Durch das Gespräch mit Maus waren einige Passanten auf sie aufmerksam geworden und plötzlich steckten ihr einige ein paar Münzen mit den Worten 'Armes Kind' zu. Schneller als Si'Xela sich versah hatte sie sogar ein Stück Brot in der Hand. Die ganze Zeit hatte ein als ein Junge mit pechschwarzem Haar und einer auffälligen Zahnlücke sie neugierig beobachtet und als Si'Xela gerade in das Brot beißen wollte, hatte er sie am Arm gepackt und mit sich geschleift. Alle Versuche sich zu wehren schlugen fehl, denn er war älter und stärker als sie gewesen. So hatte sich Si'Xela irgendwann ihrem Schicksal ergeben und war seither ein Mitglied seiner Bande. Zuerst hatte sie vor allem durch betteln die Herzen der Bürger berührt. Später brachte ihr Jurosh, der neugierige Junge von damals und Anführer der Straßenkinder, bei, wie auch auf anderen Wegen Münzen ihre Besitzer wechseln konnten.
Endlich hatte Si'Xela was sich suchte und zog ein verfilztes Etwas hervor. Sie drückte es feste an sich ehe sie streng flüsterte:
„Du darfst raus, musst aber ganz leise sein, damit uns keiner hört. Hast du verstanden, Maus?“ und lächelte dann zufrieden, so als hätte es ihr zugesichert Muchsmäuschen still zu sein.
So konnte Si'Xela sich wieder auf ihre wichtige Aufgabe konzentrieren und die Tränen würden sie nicht behindern oder gar aufhalten, nun wo Maus da war sie zu vertreiben.
 

Mynora

Teufelchen
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Nun erschien es Mynora lange genug, dass sie keine Bewegung mehr in der Wohnung wahrgenommen hatte. Also schlich sie langsam in Richtung Haus. Zuerst hielt sie sich verborgen hinter ein paar Büschen. So kam sie schon mal sehr nah an das Haus heran. Aber die letzten 50m gab es nicht, was ihr Deckung geben könnte. Vorsichtig schaute sie sich um, ob es irgendwelche Lichtquellen gab. Nein, es war nichts zu sehen. Zur Vorsicht schaute sie auch nach magischen Barrieren. Aber auch solche konnte sie nicht entdecken. Geduckt huschte sie an die Rückwand des Hauses.
Erneut schaute Mynora sich um. Wieder konnte sie nichts sehen, weder normal noch magisch. Aber vielleicht gab es Fallen. Vorsichtig suchte sie den Boden ab. Doch es war nichts zu sehen. Moment, gar nichts. Noch nicht mal Fußspuren. Das war auf diesem recht weichen Boden doch sehr ungewöhnlich. Mynora stellte fest, dass im Umkreis von einem Meter um die Tür wirklich keine Spuren zu sehen waren. Und das sollte sie besser auch so belassen.
Also konzentrierte sich Mynora auf ihre Füße. Sie erzeuge unter sich eine Scheibe aus verdichteter Luft und hob diese in Gedanken hoch. Schon begann sie zu schweben. Langsam näherte sie sich der Tür. Erneut schaute sie sich um, ob nun irgendetwas zu sehen war. Aber immer noch nichts, welch ein Glück.
Jetzt berührte Mynora mit der rechten Hand vorsichtig das Schloss. In Gedanken konzentrierte sie sich darauf. Es war nichts magisches zu erkennen. Sie ließ ihre Gedanken hineingleiten. Ah, dort war der Schließmechanismus. Den konnte man sicher durch einen leichten Druck diesem Hebel bewegen. Aber was war das? Noch ein Hebel. Wenn er bewegt wird, dann drückt er dort drauf und da ist eine Glocke. Also hielt Mynora diesen Hebel mit den Gedanken fest, während sie leicht gegen den anderen drückte. Unterbewusst erschuf sie noch zwei Luftpolster um die Türangeln. Sie hatte in ihrer Vergangenheit schon so viele Türen geöffnet, dass sie daran keinen Gedanken mehr verschwenden musste. Die Tür sprang auf, wenn auch nur einen Spalt breit. Das musste reichen. Langsam schwebte sie weg von der Tür und verbarg sich an der Hausecke hinter einem Fass. Dann rief sie ihre Fledermaus.


Als Fledermaus flog Mynora in den Lagerraum. So würde sie die Kiste sicher finden können, ohne viel Lärm zu produzieren. Der Spalt der geöffneten Tür reichte problemlos aus. Im Inneren schaute sie sich schnell um. Überall standen Regale an den Wänden. Nur an einer Stelle nicht, da gab es eine weitere Tür, die ins Innere des Hauses führte. Mynora flog von Regal zu Regal und suchte sie von oben nach unten ab. Aber keine Kiste sah richtig aus. Sie hatte ein klares Bild bekommen, wie sie auszusehen hatte.
Plötzlich hörte sie ein Knarren in ihrem Rücken. Schnell versuchte sie, die Tür zu erreichen. Aus den Augenwinkeln sah sie den Magier durch die Tür kommen. Er schloss die Außentür. Verdammt. Jetzt konnte sie nicht mehr entkommen. Schnell suchte sie sich einen bequemen Platz an der Decke, um nicht aufzufallen.
Der Magier schaute in eine Holztruhe, die unter dem Tisch stand. Erleichtert blickte er wieder auf und ging entschlossen in Richtung der Außentür. Schnell flog Mynora hinterher, sie musste sich beeilen. Wenn er ihren Körper finden sollte, während sie hier drin war, wäre sie wehrlos. Er öffnete die Tür, und blitzartig schoss sie vorbei in die Freiheit und zurück zu ihrem Körper. Der Magier musste sie allerdings bemerkt haben, denn er sprang auch schnell in diese Richtung. Sie verschwand hinter der Ecke.
Der Magier sah die Fledermaus und folgte ihr. Plötzlich war sie jedoch verschwunden. Also blieb er an der Hausecke stehen und schaute sich um. Plötzlich sah er eine ruckartige Bewegung. Er blickte hinab, schrie kurz auf und wich einen schritt zurück.
Jedoch zu spät. Mynora hatte ihn schon erwartet und begrüßte ihn mit einem Blitzstrahl, der ihn mitten im Gesicht traf. Von der Wucht getroffen, flog der Körper nach hinten, und Qualmwolken stiegen auf. Das Gesicht war vollkommen verbrannt.
Gut, der ist aus dem Weg, dachte Mynora und ging schnell zu der Tür. In der Truhe müsste die gesuchte Kiste wohl sein. Sie verschwand in dem Lager und fand auch sofort die gesuchte Kiste. Doch gleichzeitig hörte sie auch Laute von draußen. Scheinbar hatte jemand den Schrei gehört. Mynora blieb wohl keine Wahl. Schnell durchsuchte sie ihren Rucksack und holte eine Schriftrolle heraus. Damit sollte sie sich ohne viel Aufsehen und ohne große Spuren teleportieren können. Von draußen hörte sie eine Stimme: Diese Drecksmagier. Ich wusste doch, dass sie nur Ärger bereiten. Sie begann zu lesen und verschwand. Gerade noch rechtzeitig, denn nur wenige Sekunden später flog die Tür auf.


Mynora landete sicher in einem kleinen Wald. Diesen hier kannte sie schon sehr gut, denn hier teleportierte sie sich immer hin, wenn es zu gefährlich wurde. Und bisher hatte sie auch noch niemand entdeckt. Warum sollte auch jemand eine Verbindung zu ihr ziehen, schließlich lag dieser Wald in einem anderen Land. Zufällig genau neben ihrer Lieblingstaverne. Schnell schaute sie nach ihrer Robe, ob sie ausreichend sauber war und trat heraus auf die Straße. Dann ging sie sicheren Schrittes in die Taverne hinein.
Guten Abend. Einmal das übliche bitte
Mynora setzte sich an einen kleinen Tisch in der Ecke. Um diese Uhrzeit waren nicht mehr viele Gäste in der Taverne. Die Bauern mussten schon schlafen, damit sie am nächsten Tag wieder arbeiten konnten. Und andere hatten gerade mit ihrer Arbeit begonnen. Doch sie hatte ihre Arbeit schon erfolgreich erledigt. Es war auch Zeit, den so langsam wurde Mynora müde. Und morgen sollte sie wieder in der Bibliothek sein, bevor es hell wurde. Nun, diese Stärkung würde ihr sicher gut tun.
Der Wirt brachte Mynora einen Krug von Bier und eine Platte mit Brot, Wurst und Käse. Sie schob eine Kupfermünze über den Tisch und begann zu essen. Er schaute erfreut und sprach:
Oh, habt Dank. Es ist mir immer eine Ehre, Euch hier begrüßen zu dürfen.
Ich komme auch gerne hier her. Gibt es spannende Neuigkeiten aus der Gegend?
Habt Ihr schon von den Gerüchten über den Forscher gehört? Man sagt, dass es in Kajithárn einen Magier gibt, der gefährliche Experimente macht. Schon damals war man nicht begeistert darüber. Doch nun scheint er sogar unser Volk zu verärgern. Es scheint schon so weit zu gehen, dass sogar Spione entsandt wurden.
Oh, das klingt interessant. Vielen Dank für die Informationen. Ich werde meine Augen und Ohren offenhalten, damit ich noch oft hier her kommen kann.
Na, das will ich doch hoffen.
Bis zum nächsten Mal, sagte Mynora, die nun fertig gegessen hatte, und verschwand durch die Tür. Dort lief sie zurück in den kleinen Wald, kniete sich auf den Boden, und begann erneut mit ihrem Ritual. Die Schatten werden mich sicher nach Hause geleiten, dachte sie und machte sich auf den Weg. Erneut nutze sie die magische Energie, um schnell nach Hause zu kommen.

Nach einer ereignislosen Reise erreichte Mynora die Stadt lange vor dem Morgengrauen. Schnell huschte sie durch die Gassen zur Bibliothek. Als sie die Eingangstür durchquerte, sah sie eine Gestalt. Erschrocken blieb sie stehen.

Ah, schön, Dich hier zu sehen. Sogar etwas schneller als erwartet. Hast Du die Kiste?
Ja, Meister, hier ist sie. Ich werde jetzt erstmal ausschlafen.
Das ist sicher eine gute Idee, entgegnete er und verschwand.
Mynora verschwand in ihrem Zimmer und viel erschöpft in ihr Bett. Als sie wieder aufwachte, war es längst Mittag.
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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Montag starrte auf das Bündel in seiner Hand. Würde diese Axt ihm helfen? Unbeholfen packte er sie aus. Ein leises goldenes Glimmen spiegelte sich in seinen Augen. Sollte er mit diesem Riesending auf Jagd gehen? Plötzlich spürte er intensiv den Hunger. Bald würde es hell werden - und dann? Dann... dann würde ihm bestimmt etwas einfallen. Genauso unvermittelt wie den Hunger überfiel ihn die Müdigkeit. Aber er durfte nicht einschlafen, in diesem Wald wimmelte es von Feinden. Jenen, die den Konvoi überfallen hatten oder jenen, die ihn als Dieb und entlaufenen Sklaven auf der Stelle massakrieren würden. Von irgendwelchen Monstern oder wilden Tieren ganz zu schweigen.
Er blickte wieder auf das schimmernde Metall. Irgendwie vermittelte ihm diese Axt Hoffnung. Frieden. Geborgenheit. Selbst bei seiner Mutter hatte er nie etwas derartiges gespürt - und in den Zeiten seiner Sklaverei erst recht nicht. Komisch, dass so ein hartes kaltes Ding soviel Wärme ausstrahlen konnte. Vorsichtig strich er mit seinen groben Fingern über den filigran verflochtenen Stahl der Klinge. Seinen Fingern folgten wohlig dunkelrot schimmernde Spuren, als würde die Axt genießen, dass er sie berührte.

OK, du und ich - wir werden schon irgendwie durchkommen. Irgendwohin.
murmelte der Halbork leise. Die Axt wie eine Machete schwingend lichtete er das Gestrüpp um sich herum. notdürftig deckte er sich mit den Fetzen seiner Tunika zu. Morgen früh würde er dringend etwas zu essen auftreiben müssen. Wo auch immer, wie auch immer. Mit diesem Gedanken schlief er ein.

~~~oOo~~~

Und so fand ihn Nokilis, die Waldläuferin. Sie war keine Schönheit, keine wohlproportionierte Amazone mit knapper Bekleidung, wie sie in den Abenteuerbüchern immer abgebildet wurden. Sie hatte aschblondes Haar und graublaue Augen, die ein wenig zu weit auseinander standen. Zusammen mit ihren eher kantigen Zügen und ihrer sehnigen Figur hätte man sie auch für einen Mann halten können. Auch fehlten ihr die für die Waldläufer der Romane typischen Waffen Bogen und Schwert. Beide waren in der Wildnis des Waldes ziemlich unhandlich. Im Fernkampf verließ sie sich auf ein kleines Blasrohr, das sie im Ärmel trug. Betäubungspfeile hatte sie immer in einer speziellen Brusttasche. Ihr Element war aber der Nahkampf, den sie mit zwei Khukris wie eine Raubkatze mit ihren Krallen führte: schnell, wendig und erbarmungslos tödlich. In der frühen Morgendämmerung hatte sie sich aufgemacht, die Spur der Banditen zu verfolgen. In der Tat hatten sie sich einige Mühe gemacht, selbige zu verbergen aber Nokilis' Augen waren nicht leicht zu täuschen. Im Prinzip waren ihr die Räuber egal. Ihre Aufgabe war es, die Wälder zu durchstreifen um eventuelle Lecks in der Felsbarriere zur Unterwelt aufzuspüren. Dies sollte dann den Hohen Herren mitgeteilt werden, damit sie versiegelt werden könnten. Etwaige Elemente des Dunklen und Bösen hatte die Waldläuferin zu stellen, zu verfolgen und zu eliminieren. Nichts aber deutete darauf hin, dass die Bande, die hier einen ganzen Konvoi ausgelöscht hatte, etwas anderes war als gewöhnliche Banditen mit ungewöhnlicher Dreistigkeit und einer gehörigen Portion Glück. Dann entdeckte sie die Spur eines Flüchtlings. Nun, wenn es Überlebende gab, dann war es ihre Waldläuferpflicht, ihnen zu helfen. Vorsichtig verfolgte sie die Spuren. Sie endeten vor einem spärlich zugedeckten Halbork, der im tiefen Schlaf eine mächtige Axt umklammert hielt.
Nokilis nahm sich Zeit zum Nachdenken. Der Kerl trug eine Kette um den Hals, er war als Gefangener gewesen. Oder Sklave. Nokilis war lange nicht mehr in der Zivilisation gewesen, aber sie wusste dass Sklaverei bei den Hohen Herren eigentlich verboten war. Aber nichtmenschliche Rassen wie Elfen, Orks oder Gnome waren nicht geheuer. Magisch verseucht, so lehrte man an den Priesterakademien. Bei solchen hatte man hier und da Ausnahmen zugelassen. Ihr schauderte. Sie empfand solche Ausnahmen als bigott und dem Selbstverständnis einer menschlichen Hochkultur zuwider. Aber sie wurde ja nicht gefragt - den Priesterakademien galt sie wahrscheinlich auch schon als Halbwilde.
Sie schüttelte die Gedanken ab. Eine Entscheidung wartete darauf, gefällt zu werden. Sie könnte den Hünen im Schlaf überraschen, und er wäre tot bevor er gemerkt hätte, dass der Schmerz echt und kein böser Traum war. Ihre Hände tasteten nach den Griffen ihrer Khukris. Aber eigentlich war sie hier, um Leben zu retten. Nur wenn dieses Halbmonster sie mit dieser riesigen Axt angreifen würde, könnte sie mit einem Schlag erledigt sein. Obwohl sie das nicht vermutete, beschloss sie, auf Nummer Sicher zu gehen. Vorsichtig sog sie das Blasrohr aus dem Ärmel.
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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Montag spürte einen bitteren Geschmack im Mund. Sein Kopf dröhnte. Ihm war übel. Vor seinen Augen tanzten Bilder aus seinem Leben, leider sämtlich jene Ereignisse in denen er geprügelt und gedemütigt wurde, und davon gab es eine Menge. Das ganze passte überhaupt nicht zu dem Geruch. Es roch rein und sauber, nach frischem Moos und im Hintergrund sogar frisch gerösteten Kaffeebohnen. Das passte nicht zusammen, wirbelte durcheinander und sein Kopf drohte zu explodieren. Da beschloss sein Magen sich, ein wenig Druck abzubauen, und entleerte sich schwallartig. Als sich Montag beim Übergeben reflexartig nach vorne beugte, spürte er jäh den Eisenring um seinen Hals, und besudelte sich von oben bis unten. Jetzt war er wach. Er riss die Augen auf.
Oh Mann, die Konstitution von Halborks ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Ey, sorry alter Knabe, ich hab' dich echt falsch eingeschätzt. Die Bärendosis war eindeutig überdosiert, komm, ich mach dir den Dreck weg...
Die Stimme gehörte einer Frau, die routiniert das Erbrochene von seiner Brust abwischte. Montag stellte fest, dass er nackt war, und langsam kam seine Erinnerung zurück. Aber irgendein wichtiges Teil musste fehlen. Da war der Überfall, seine Flucht und dann - nichts mehr. Nun saß er auf einer Lichtung. Die Kette seines Eisenrings war durch ein paar dünne aber kräftige Lederriemen an einen Baum befestigt. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Neben diversen Prellungen und Schürfwunden von seiner Flucht hatte er am linken Arm eine Art überdimensionierten Insektenstich mit einer nässenden Wunde, der dazu höllisch juckte. Montag nahm sich Zeit, die Frau zu mustern, die da zu ihm sprach. Ihre Stimme war resolut, aber nicht herrisch, und obwohl es ganz offensichtlich war, dass sie ihn in diese prekäre Lage gebracht hatte, schien sie es nicht böse mit ihm zu meinen. Sie war nicht mehr die jüngste, ihre Haare waren aschblond und hier und das mischten sich graue Strähnen hinein. Ihr Gesicht, nein ihr ganzer Körperbau wirkte kantig. Das lag auch daran, dass sie enorm starke Knochen und kein Gramm Fett auf dem Leib hatte. Wären ihre Muskeln nicht gewesen, die sich deutlich abzeichneten, wenn sie sich bewegte, man hätte sie fast für ausgemergelt halten können. Die Frauen aus den vornehmen Häusern Velhindorns sahen jedenfalls anders aus, runde Brüste, schwingende Hüften, einfach lecker, wie ein orkischer Zug in Montags Gedankenwelt sich zu Wort meldete. Diese Frau würden die Orks wohl nur an ihre Hunde verfüttern, nur Haut, Knochen und sehniges Fleisch. Himmel! Was hatte er wieder für Gedanken! Aber er konnte nicht leugnen, dass sein Magen sich nach der abrupten Entleerung besser fühlte - und daher sogleich nach einer neuen Füllung verlangte. Die Fremde kam ihm jetzt ganz nah, als sie mit einem feuchten Lappen seinen Mund abwischte. Er blickte in ihre Augen. Sie waren grau-blau mit einem dunklen Schatten, der etwas von einer Tiefe in ihrer Seele ahnen ließ. Vielleicht das einzig attraktive an ihr - ob sie das wusste? Sie beachtete seinen Blick jedenfalls nicht sondern arbeitete schnell und routiniert.
Na, das sieht ja schon besser aus mit dir. Ich hatte schon sorgen du gehst an dem Betäubungsmittel drauf. Aber jetzt kommt ja wieder Farbe in dein Gesicht, auch wenn unsereins dieses Grün nicht *wirklich* als gesund bezeichnen würde
Montag war irritiert. Hatte die Frau gerade einen Witz gemacht? Was wurde hier eigentlich gespielt? Einerseits hatte sie ihn offenbar übel vergiftet, hat sie ihn an einen Baum gefesselt und andererseits macht sie ihn sauber und hat sogar einen fast freundschaftlichen Ton für ihn parat. So hatte noch niemand mit ihm geredet. Er beschloss, vorsichtig zu sein.
Hast du denn schon wieder Hunger? Natürlich hast du Hunger, dass dein Magen leer ist, weiß ja keiner so gut wie ich. Ich hab Wasser aufgesetzt. Wir sind hier auf einem Waldläuferlager, also gibt es was einfaches. Grütze mit Pökelfleisch.
GRÜTZE MIT PÖKELFLEISCH? Entweder hatte die Frau einen ganz abgrundtiefen Sinn für Humor, oder sie hatte keine Ahnung, was man einem halborkischen Sklaven sonst so zum Fraß vorwarf. Da waren rohe Schlachtabfälle mit dem Gekröse von Rindern und Schweinen des Vorvorvortages noch ein Festessen.
Aber ein bisschen Luxus gibt es auch in der Wildnis. Ich habe Kaffeebohnen geröstet, und ich denke so ein Tässchen könnte helfen, den Rest deiner Benebelung aus dem Hirn zu blasen.
Tatsächlich begann die Frau, die verführerisch duftenden schwarzbraunen Bohnen in einem Mörser zu zerreiben, verteilte das Pulver in zwei Krüge und goss vorsichtig das kochende Wasser darauf. In den Rest des Wasserkessels warf sie Salz und ein paar Hand voll Buchweizenkörner und tatsächlich einige ordentliche Streifen herrlichsten Pökelfleisches. Montag lief das Wasser im Munde zusammen. Die Fremde tat das alles, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. Sie kam mit den dampfenden Krügen zu ihm herüber und stellte einen davon vor ihm in das Moos. Ohne mit der Wimper zu zucken knotete sie die Riemen an seinen Händen auf.
Den Hals mache ich dir auch noch los, aber vorher muss ich dir ein paar Fragen stellen. Aber jetzt trinken wir erst mal Kaffee. Dieser Zaubertrank weckt die Lebensgeister und verjagt die Dämonen der Nacht. Manchmal träumt man ziemlich übel, wenn man so ein Zeug in den Adern hat, was ich dir eingeimpft habe stimmts?
Montag brummte nur. An die demütigenden Bilder in seinem Kopf wollte er gar nicht erinnert werden. Vorsichtig nahm er den Krug in seine groben Pranken. Der Inhalt war heiß und duftete verführerisch. Nur die Edlen von Velhindorn leisteten sich Kaffee zum Frühstück. Dass er als Sklave so eine Kostbarkeit einmal angeboten bekommen würde, hätte er nicht zu träumen gewagt. ARGH, schon wieder war er mit seinen Gedanken bei seiner Vergangenheit. Was hatte die Frau gesagt, man könnte mit diesem Trank die üblen Träume verscheuchen? Dann soll er mal seinen Zauber wirken lassen. Vorsichtig nahm er einen Schluck. Das Zeug schmeckte um Längen schlechter als sein Duft es verheißen hatte. Heiß und bitter, leicht säuerlich - und nur wenig von diesem leckeren Röstaroma, das in Luft hing.
Dein erster Kaffee, hm? An den Geschmack gewöhnt man sich, und an die Wirkung noch viel mehr. Obwohl ich als Waldläuferin jedes Gramm im Gepäck zähle und dieses Zeug zudem teuer wie die Sünde ist, gehört das bei mir zu einem guten Morgen dazu. Ach ja, guten Morgen übrigens.
Sie schenkte ihm eine Art Lächeln. Dann nahm die Frau einen ordentlichen Schluck aus ihrem Becher. Also tat Montag es ihr nach, und tatsächlich schien die Benommenheit zu weichen. Nun, dann ist es eben Medizin, entschied der Halbork. Und genoss darüber hinaus gerne den Duft dieses eigenartigen Getränkes
Die Grütze braucht noch ein bisschen und außerdem will ich dich mal von diesem Hundehalsband befreien, deshalb lasst uns gleich mal die Verhältnisse hier klären. Denn ich muss wissen wer du bist, wo du herkommst, was du machst und was gestern Nacht passiert ist. Ich muss dir vertrauen können, denn ich habe keine Lust mich mit einem Einsfünfundneunzig großen Halbork zu kloppen, auch wenn ich dich nicht als jemanden einschätze, der auf Streit aus ist. Es wäre auch nicht besonders clever mich anzulügen, weil ich einiges schon selber in Erfahrung gebracht habe, und in dem Falle, dass ich dich für gefährlich halte, hier einfach verrotten lassen kann
Sie sprach diese ungeheuerliche Drohung mit einer Leichtigkeit aus, dass Montag unwillkürlich zusammenzuckte. Montag wurde nicht schlau aus ihr. Erst vergiftet sie ihn, dann umsorgt sie ihn besser als seine Mutter und teilt mit ihm ihre teure Medizin - und dann spricht sie davon, ihn einem qualvollen Tod auszusetzen. Aber Montag hatte ohnehin nicht vor sie zu belügen. Warum auch? Er konnte eigentlich von Glück sagen, dass er eine neue Besitzerin gefunden hatte, die zudem wenigstens zwischendurch auch mal nett sein konnte, und er war weder von den Häschern der Sklavenhalter, noch von den Räubern erwischt worden. Heute war offenbar kein schlechter Tag.
Also erzählte er von der Reise und dem Überfall. Die Frau stellte hier und da Nachfragen, das meiste konnte er als Packsklave nicht beantworten. Wer von der Reise gewusst hätte, und davon, was geladen war, und wann es losgehen sollte. Dann kam sie auf diese Axt zu sprechen.
Du weißt, dass sie ein Vermögen wert ist?Montag zuckte mit den Schultern. Er hatte sie nur genommen, weil es nichts anderes gab.
Dieses Ding kostet soviel, wie ich in meinem ganzen Leben nicht mit ehrlicher Arbeit verdienen kann
Montag schluckte. Das war keine gute Nachricht. Nach so einem Schatz würde man suchen, würde ihn jagen, würde dafür töten.
Du hast sie. Lässt du mich leben? Er merkte dass seine Stimme zitterte. Er war kein Held. Die Frau brach zu seiner Verwunderung in Gelächter aus.
Von wegen. Ich bin Waldläuferin und keine Diebin. Die Axt gehört dir, du hast sie gerettet, sie wäre sonst in der Hand der Räuber. Natürlich kannst du entscheiden sie zurückzubringen, und dich gleich mit als lebendes Inventar. Ich weiß aber nicht, ob ich dir wirklich dazu raten soll. Sie lachte noch immer.
Komm, genug des Verhörs, ich glaube du bist ein herzensguter, etwas naiver aber sehr kräftiger junger Kerl, und weil ich nicht mehr die Jüngste bin, kann ich ab und zu ein Paar starke Hände gebrauchen.
Die Frau ging hinter den Stamm und löste die Knoten. Montag fiel auf, dass sie die Riemen nicht einfach zerschnitt. Die Frau war sparsam mit ihren Materialien, auch das unterschied sie von den Edlen von Velhindorn.
Für dein nettes Halsband brauchen wir aber einen Schmied, das kriege ich nicht so ohne weiteres weg.
Montag reckte sich und genoss seine neue Bewegungsfreiheit.
Montag sagte er etwas linkisch und reichte ihr seine rechte Pranke
Nokilis antwortete die Waldläuferin und schlug ein.
 

Alyndur

Zwielichtiger
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Das Lager der Räuber war eine verlassene Festung auf dem Gipfel eines bewaldeten Berges. Der Pfad zum Tor schlängelnde sich durch dicht stehende Fichten und Farnen hinauf, deren Wurzeln den felsigen Boden zusammenhielten. Der erbeutete Wagen schwankte bedenklich auf dem engen Weg und über eine lange Strecke konnte das Absinken nur dadurch verhindert werden, dass er von vielen Männern bergaufwärts gestützt wurde. Die Mauern gehörten einer alten Trutzburg, die vor vielen Jahrhunderten von Vèlhindorn als Stützpunkt in den Kriegen gegen die Schergen des Unterreichs erbaut worden war. Jener alte Felsdurchgang hatte sich hier in der Nähe befunden. Nach seiner Zerstörung und dem Ende der Invasionen wurde auch die Festung aufgegeben, da niemand über die Grünen Berge herrschen sollte. Ihre Bande fasste bei weitem nicht genug Männer, um die Burg gegen einen ernsthaften Angriff halten zu können, doch allein die Tatsache, dass eine Meute Gesetzloser nun diesen fürstlichen Sitz hielt und von dort aus Überfälle auf seine einstigen Herren unternahm, war ein besonders köstlicher Triumph.
Sie waren kaum im Inneren der Burg angelangt, als sich Vyseris’ Vermutung schon als richtig erwies: Völlig abgerissen und verwahrlost kam ihnen der Hauptmann der Bande mit einer Woge des Gestanks von mehrwöchigem Schweiß und Wein entgegengetorkelt.
„Ahhhlalalalala, Vyscherisch!“, wurde er begrüßt. „Isch hab doch gwuscht, dasches ne gudeIdee war!“
„Da muss ich Euch wie erwartet widersprechen, Barson. Wir haben mehr Verluste gezählt als Ihr Weinflaschen.“ „Paperlapapp!“, fand Barson und wurde zugleich von einem Schluckauf zurechtgewiesen. „Ihr scheida hier und dasch Ersch auch.“ „Fragt sich nur, wie lange noch“, hielt Vyseris entgegen. „Die Rache Vèlhindorns ist uns sicher.“ „Bahh! Der blöde König scholl nur komm’! Wir haben hier scheine eigne Burgerobert un mit dem Geld von scheinar Grauerschkischte stellma ’n gansches Heer aufie Beine. Schollst ma schehen, Junge!“ Der Räuberhauptmann wurde von einem neuen Schluckauf durchgerüttelt und Vyseris begegnete der strenge Geruch seiner langen, fettigen Haare. In Momenten wie diesen vermochte er nicht zu sagen, was er dem Räuber lieber zuerst durchtrennen würde – die Kehle oder den Schopf. „Ihr bequemt die Ironie selbst für Eure Bezeichnungen. Eure bisherige Lebensspanne fände in der meinen beinahe drei Mal Platz.“ „Bah, Jungesch Junge!“, entgegnete Barson. „Schaut misch ma an und Ihr wischt, wie n reschta Mannaussieht! Sekschhunart Jahrald un no nimma Bartwuksch!“ Vyseris lachte verächtlich. „Im Gegensatz zu Euch habe ich es verstanden, mich so zu halten, dass eine Jalil bei meinem Anblick nicht gerade vor Ekel keifend davon rennt.“ Das Gespräch war ebenso fruchtlos wie Barsons Rechenkünste. „Ihr wollt mir wasch über Fraun erzähln, Scharlatan? Hehehahahaaaaaha!" „Wie dem auch sei, Barson, wir haben über andere Belange zu reden.“ „Ja, in da Tat“, stimmte dieser zu. „WischtIhr wasch, Vyschi“, er stützte sich mit einem Arm auf seine Schulter, sodass der faulige Weinatem unerträglich wurde. „Ihr scheid jetz schon fünf? Nein zweiahre in meina Bande. Ihr kamt hier - ischweisch nisch wie – mit dem Arloisch zuschamm annie Oberfläche. Isch hatte kein Mitleid mit Eusch, hadde nie Mitleid mit Eusch, aber irgendwasch schagte mir ,Barschon, alder Knabe, der kannir noma nützlisch sein!’ und schiehe da, isch hadde Recht! Ihr habt schnella und bescher unschre Sprache jelernt, alsch meine Mudder esch mir je hädde beibring könn und Ihr habt bescher jekämpft un fieschere Hinderhalde jelegt alsch alle meine Männer zuschammen!“ Es war auch eine Zeit, da Ihr noch weniger gesoffen hattet als all Eure Männer zusammen, dachte Vyseris. „Und jetzsch die Erschkischte, Vyschi! WischIhr wasch, Vyschi?“, grinste er mit gelben Zähnen. „Isch mach Eusch schum schweiten Mann inna Bande!“ „Das habt Ihr letzten Mond bereits getan“, bemerkte Vyseris trocken. „Dann jetzsch nochma!“, verkündete Barson mit einem Rülpser. Ich nehme an, daraus ergäbe sich nun ‚erster Mann der Bande’, folgerte der Dunkelelf spöttisch. „Nun gut, Barson“, leitete er über er und befreite sich von der stinkenden Last des Arms. „Lasst uns nun zu meinem Anliegen kommen. Auch ich bin der Ansicht, dass wir nutzbringende Jahre miteinander verbracht haben und ich verspüre den innigen Wunsch, Euch zu danken – auf meine Art.“ Er wühlte tief in seinem Lederbeutel und brachte einen kleinen länglichen Gegenstand zum Vorschein. „Seht Ihr dieses Fläschchen? Es ist eines der wenigen Andenken, die ich aus meiner Heimat mit mir nehmen konnte. Darin befindet sich nichts Geringeres als der feinste Nektar der Tiefen. Nicht zu Unrecht schimpft Ihr mich einen ‚Wassersäufer’, der ich Abstinenz von der brennenden Flüssigkeit gelobte, die Ihr Rivvin ‚Alkohol’ nennt. Für mich hat der Trunk daher nur sentimentalen Wert, doch im Unterreich zählt er zu den … begehrtesten seiner Art. Niemand Geringeres soll damit seinem Gaumen schmeicheln als Ihr Barson, Ihr, der einzige Grund, warum ich noch am Leben bin. Trinkt diese Tropfen und schmeckt meine Dankbarkeit!“ Der Räuberhauptmann nahm das Fläschchen wortlos entgegen, öffnete es und schnupperte skeptisch daran. Plötzlich stieß er es mit einer ruckartigen Bewegung von sich. „Gift! Ihr wollt mir doch tatschäschlisch Gift verabreichen, Vyscherisch? Und dasch, obwohl isch Eusch aufgenommen hab, Eusch befördert hab un immer gut zu Eusch war?! Na wardet, Ihr kleine, undankbare Höhlenratte!“ Barson griff in einer umständlichen Bewegung zum Nagelknüppel an seinem Gürtel, umklammerte ihn mit beiden Händen und holte zu einem kräftigen Schlag zu Vyseris’ Seite aus. Der Schattentänzer ließ sich jedoch flink auf seinen Schritt nach hinten zurückfallen, zog seine Hüfte nach und entging somit dem Schlag. Der Räuberhauptmann schlug ins Leere und wurde von der gewaltigen Wucht seines eigenen Angriffs mit gezogen. Er verlor das Gleichgewicht und fiel der Länge nach in den Dreck. Sachte hob Vyseris das Fläschchen wieder auf. Es war noch zur Hälfte gefüllt. Keuchend, schnaubend und fluchend richtete sich Barson mühselig wieder auf und klopfte sich den Staub von den Lumpen. Er starrte den Dunkelelfen einen Augenblick lang wortlos aus funkelnden Augen an. Dann griff er erneut nach der Keule. Rasch setzte Vyseris einen Fuß auf den Griff der Waffe, ehe die Hand des Räubers sie erreichen konnte, und hob einhaltend die Hand. „Ihr habt Recht, Barson. Gift ist es. Doch nicht weniger als der Wein, den Ihr Tag täglich fässerweise in Euch hinein schüttet. Soll der Grauzwerg etwa Recht mit seiner Behauptung haben, Eure Leber hielte keinem gehrenden Apfel stand?“ Erneut bot er ihm das Fläschchen an. „Seid ein Ehrenmann und schlagt meine Dankbarkeit nicht aus.“ Ohne ein weiteres Wort nahm Barson das Fläschchen entgegen und leerte es in einem Zug. Er drehte sich um, warf das leere Gefäß hinter sich und wankte unter Schluckauf zu einem Strohhaufen, auf den er sich fallen ließ und begann kurz darauf, laut zu schnarchen. „Meinen gesamten Anteil der Beute darauf, dass seine Leber diesem Trunk nicht stand hält“, versicherte Vyseris dem Grauzwerg, als er sich näherte. „Doch, wo werden wir genug Gift für die Leber des neuen Hauptmanns der Bande hernehmen?“, stichelte dieser. „Da macht Euch nur keine Sorgen, Arlois“, beruhigte ihn Vyseris. „Ein Schwarzbier würde vollauf genügen.“
 
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Mynora

Teufelchen
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Als Mynora am Morgen zum Frühstück erschien, begrüßte sie ihr Meister.
Hallo Mynora, schon ausgeschlafen? Ich glaube, wir haben unangenehmen Besuch. Beeil Dich ein wenig, ich halte derweil meine Augen und Ohren offen.
Mynora entgegnete nichts, dafür hätte sie auch kaum genug Zeit gehabt, denn nach diesen Worten verdrückte sich ihr Meister aus dem Zimmer. Was meine er wohl mit unangenehmem Besuch? Stimmen die Gerüchte über den Magier, zu dem Spione geschickt werden sollen? Ist vielleicht sogar ihr Meister gemeint?
Also verdrückte sie schnell ein wenig, um dann ihre Arbeitskleidung anzulegen. In einer Robe kämpft es sich einfach besser, und der Stab könnte auch helfen. Die Ringe und das Amulett, und schon ist die Ausrüstung komplett.

Um nun das Gebäude zu beobachten, ließ Mynora ihren Geist in der Fledermaus durch das Gebäude fliegen. Wie immer waren viele Besucher anwesend. Das würde es sicher schwer machen. Aber die meisten Leute waren alleine, beschäftigt mit einem oder mehreren Büchern. Nur eine einzige Gruppe schien sich in dem Gebäude zu befinden. Scheinbar ein Elfen-Magier, ein Zwergenkrieger und zwei Menschen ohne eine besondere Ausrüstung. Ah, und dort war auch ihr Meister, der auch genau diese Gruppe zu beobachten schien.
Plötzlich flog ein Bücherregal um. Alle schauten in die Richtung. Mynora ahnte einen Trick, und tatsächlich war die Gruppe verschwunden. Gerade noch aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie sie in der Geheimtür zu den Kellerräumen verschwand. Dort führte ihr Meister die Experimente durch.
Es war Zeit zu handeln. Also flog Mynora zu ihrem Körper zurück und lief schnell herunter zu ihrem Meister, der sich noch immer darum bemühte, die Besucher zu beruhigen.
Mynora sagte zu ihm:
Ich habe sie gesehen, sie sind nach unten verschwunden.
Darauf entgegnete ihr Meister: Gut, dann werden wir sie dort in Empfang nehmen. Schleich Du durch den Hintereingang, wir treffen uns dann unten. Ich sage Los, wenn Du loslegen sollst.

Mynora schlich zu dem Hintereingang zum Keller. Als sie die Treppe betrat, hörte sie die Stimme ihres Meisters
Ah, was haben wir denn hier. Ein paar neugierige Besucher. Darf ich euch nach oben geleiten?
Mynora konnte keine Antwort hören. Allerding hörte sie deutlich unerfreulichere Geräusche. Ein Feuerball flog durch die Luft und explodierte. Vorsichtig schaute sie um die Ecke. Doch ihr Meister stand unversehrt im Gang. Nur die Wände waren verrußt.
So wird das aber nichts, sprach er. Da müsst ihr schon mehr aus der Trickkiste heraussuchen. Nun gut, wenn ihr es denn wollt, dann legen wir mal los.
Ah, das war ihr Stichwort. Mynora beschwor eine Feuerklinge und warf ihren Kampfstab in den Gang. Dann schleuderte sie der Gruppe einen mächtigen Feuerball entgegen. Ein lautes Pfeifen war in der Luft zu hören, als er durch den Gang flog. Schnell drehte sich der Magier um und ließ schnell einen Schild entstehen. Der Schild war jedoch zu schwach, er konnte nur einen Teil der Kraft aufnehmen. Aber ernsthaft verletzt wurde auch niemand.
Schnell sprang einer der Krieger hervor, als Mynoras Kampfstab die Gruppe erreichte. Mühelos konnte der Krieger alle Angriffe parieren, aber immerhin war der Gang versperrt, so dass Mynora nur vor magischen Angriffen Angst haben musste.
Also schleuderte sie schnell einen Blitzstrahl auf den Magier, damit er weiter zur Defensive gezwungen war. Wenn er sich auf mehrere verschiedene Elementarangriffe konzentrieren musste, dann würde sein Schild sicher schwächer.
Die gleiche Idee hatte wohl auch ihr Meister, denn er griff mit einem mächtigen Eisstrahl an. Kurz bevor er den Magier traf, teilte er sich in drei Strahlen, die die beiden Menschen und den Magier trafen. Den Blitzstrahl hatte er noch mit einem Schild abwehren können, aber dieser Angriff aus dem Rücken traf ihn völlig unvorbereitet. Mit einem schweren Schlag wurde er gegen die Wand geschleudert. Die beiden Menschen gingen nun auf den Meister zu.
Der Zwerg war immer noch mit dem Kampfstab beschäftigt, also keine Gefahr. Nun begann der Magier aber, Mynora mit Blitzstrahlen anzugreifen. Anscheinend wurde er doch nicht so schwer getroffen. Allerdings waren die Angriffe recht schwach, Mynora konnte sich problemlos mit ihrem Schild wehren. Und da auch nur Blitzangriffe kamen, kostete es sie nicht mal viel Kraft.
Also entschloss sie sich, den Zwerg aus dem Weg zu räumen, damit die den Magier im Nahkampf in die Knie zwingen kann. Gezielt sprang sie vor, immer darauf bedacht, ihren Stab als Deckung zu nutzen. Der Zwerg war vollkommen überrascht, als er versuchte, den Schlag von Mynora zu parieren, und ließ seine Waffe fallen, als der Arm schwer verletzt wurde. Nur wenig später hatte der Kampfstab ihn dann auch schon bewusstlos geschlagen. Die Blitzangriffe wurden in der Zeit nicht weniger, aber auch nicht stärker.
Mynora riskierte einen Blick zu ihrem Meister. Er hatte die beiden Menschen zwischen zwei Feuerwänden eingesperrt und von dem Magier getrennt. Doch scheinbar griffen sie ihn trotzdem an, so dass er sehr viel Konzentration brauchte, um die Angriffe abzuwehren.
Aber erstmal war der Magier an der Reihe. Mynora sprang vor und stieß mit ihrem Feuerschwert zu. Gekonnt wich der Magier aus. Der Kampfstab kam nun auch herbei, um Mynora zu unterstützen. Nun hörte er auf, Mynora mit Blitzen anzugreifen, anscheinend konzentrierte er sich nun nur noch darauf, die Angriffe abzuwehren. Die Chance nutze Mynora und griff schnell mit einem Blitzstrahl an. Auf die kurze Entfernung hatte der Magier nicht mehr genug Zeit, einen Schild zu beschwören, also traf ihn die volle Wucht des Blitzes. Er flog gegen die Wand und sackte in sich zusammen. Schnell stieß Mynora nochmal mit ihrem Feuerschwert zu um sicherzugehen. Dann wollte sie ihrem Meister helfen. Dieser jedoch hatte sich schon selbst geholfen, die beiden Menschen waren auch tot.

Er sprach: Ah, ein netter Kampf. Schade nur, dass sie uns nur eine Handvoll Lehrlinge geschickt haben. Aber jetzt wäre es mal an der Zeit, herauszufinden, wo die hergekommen sind und was die wollten.
Ich vermute mal, dass die Euch töten wollten, entgegnete Mynora. Die schienen sich ja sehr für eure Forschungen zu interessieren, hatten aber überhaupt kein Interesse an einer langen Diskussion. Also, um ehrlich zu sein, haben sie überhaupt kein Wort gesprochen, sondern Euch gleich angegriffen.
Meine Illusion, nicht mich, entgegnete ihr Meister. Ich bin doch nicht so blöd, mich direkt von denen angreifen zu lassen. Also gut, zieh los und schau mal, was Du herausfinden kannst.
Da drehte er sich um und verschwand. Mynora packte sich noch ein wenig Essen und Trinken ein, lies ihre Robe und den Stab da, dann zog sie los, aus der Stadt heraus zu ihrer Lieblingstaverne. Immerhin hatte sie dort schon von Spionen gehört, vielleicht konnte sie dort noch mehr in Erfahrung bringen.

Nach einer langen Reise erreichte Mynora die Taverne. Diesmal war schon deutlich mehr los. Das war schon mal gut, da konnte sie unauffällig ein paar Gespräche belauschen.

Hallo Mynora, sagte der Wirt. Das übliche?
Ja, das klingt wie eine gute Idee, entgegnete Mynora und setzte sich an einen freien Tisch in der Ecke.
 

Seradin

Kleine Drow
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Die Stunden vergingen und mit ihnen auch das Unwetter. Gegen Morgen klarte es auf, bis sogar der Mond am Himmel herauskam und ein fahles Licht aussendete. Es war die Zeit der Nacht, in der Nichts und Niemand mehr in den Straßen und Gassen von Asharin unterwegs waren. In diesen wenigen Stunden kam sich Si'Xela oft so vor, als seien sie und Maus die einzigen die noch existierten. Sie streifte ihre Decke ab und schüttelte sie aus, so dass einige Tropfen davon flogen. Anschließend kuschelte sie sich wieder ein und blickte über die Dächer der Stadt. Am fernen Horizont konnte man ein leicht flammendes Rot erahnen, der erste Vorbote der aufgehenden Sonne. Bald würde das Leben in Asharin neu erwachen. Si'Xela drückte ihre Maus enger an sich und wärme sie, wobei sie wohl eher das bisschen Stoff des verfilzten Etwases nutze um sich selbst mehr zu wärmen. Unwetter-Nächte wie diese hasste das Kind. Vor allem weil sie schreckliche Gefahren mit sich brachten. Nicht nur das sie auf den glitschigen Holzschindeln ausrutschen konnte und sich den Hals brechen, auch eine Erkältung hatte schon einige der Straßenkinder dahin gerafft. Doch Si'Xela sagte sich immer wieder, dass sie stärker sei als die anderen und nicht krank würde und sterben. Es waren zwar nur Gedanken, aber Si'Xela hatte das Gefühl, dass sich dadurch der Tod von ihr fern hielt.
Die Nacht schritt voran und je mehr die Sonne ihre Strahlen aussendete und die Dunkelheit vertrieb, umso mehr erwachte auch Asharin. Si'Xela vernahm aus den ersten Häusern schon die morgendlichen Geräusche. Da fluchte wer über das Leck im Dach und die dadurch entstandene Pfütze in seinem Schlafraum. Dort öffnete eine Frau die Läden und ließ die frische saubere Morgenluft ins Haus. Und neben ihr öffnete sich die Luke zum Dach und ein Junge mit pechschwarzem Haar streckte grinsend seinen Kopf hindurch.

„Guten Morgen Schlaflose.“ warf er ihr noch halb verschlafen entgegen. Vorsichtig stellte er zwei Holzbecher mit eine dampfenden Flüssigkeit auf dem Dach ab und kletterte dann aus der Luke. Nachdem er sie wieder geschlossen hatte nahm er die Becher und reichte einen davon Si'Xela. Sie nahm ihn sacht lächelnd entgegen und schnupperte an seinem Inhalt. Sie rümpfte leicht die Nase bei dem Geruch, trank aber einen kleinen Schluck daraus. Sofort erwärmte sie die Mischung aus Wasser, paar wenigen Kräutern und einem Schuss Kartoffelschnaps. Jurosh setzte sich neben sie und trank selbst einen Schluck vom Hafengrog, wie die Mischung hier in Asharin genannt wurde.
„Wie war die Nacht?“ fragte er Si'Xela ohne dabei den Blick von der aufgehenden Sonne zu nehmen. Si'Xela trank noch einen kleinen Schluck, eigentlich mochte sie den Hafengrog nicht, doch wie alle Bewohner des Hafenviertels schätze auch sie seine wärmende Wirkung.
„Sie war sehr ruhig, aber nass.“ Jurosh hob seine Hand und wirbelte, breit grinsend, durch Si'Xela's Haar.
„Das merkt man.“ Das Mädchen fauchte den um gut vier Jahre älteren Jungen an und wischte seine Hand von ihrem Kopf. Er grinste weiter und trank seinen Hafengrog. Si'Xela beobachtete ihn einige Augenblicke abschätzend weiter, bereit ihm in die Rippen zu stoßen, sollte er wieder ihr Haar durch wirbeln. Doch dann ließ sie es sein und trank ebenfalls Schluck für Schluck ihren Becher leer. Die durch das Getränk schnell einsetzende wärmende Wirkung tat ihr gut und schon bald hatte sie die Nässe und Kälte der Nacht hinter sich gelassen.
„Sind die anderen auch schon wach?“ fragte Si'Xela nach einiger Zeit, in der die beiden schweigend dem Sonnenaufgang zugesehen hatten. Jurosh nickte und nahm Si'Xela ihren inzwischen leeren Becher ab.
„Goran hast du deinen heißen Becher zu verdanken und paar der kleinen hatten sich auch schon geregt als ich zu dir hoch stieg.“ er drehte sich, nachdem er die Becher an der Luke abgestellt hatte, zu Si'Xela um und streckte ihr die Hand entgegen um ihr aufzuhelfen.
„Willst du mit zum Hafen kommen? Ich bin heute dran, fürs Frühstück zu sorgen und könnte dich gut gebrauchen.“ Das letzte sagte er mit einem viel sagenden Zwinkern. Jurosh vertrat in der Bande die Meinung, dass Si'Xela eine der besten Lockvögel sei und ihre Bettelkunst auch was für sich hatte. Si'Xela wäre zwar lieber zu den anderen gegangen und hätte sich an dem kleinen Feuer, auf dem der Grog immer brodelte, gewärmt, aber etwas wollte auch bei Jurosh bleiben. So stand sie also auf und legte ihre Decke sorgfältig neben die Becher. Nachdem sie Maus wieder an ihrem Körper verstaut hatte, nickte sie Jurosh zu. Dieser umschloss feste ihre Hand mit der seinen und zusammen begannen die beiden Kinder über die Dächer in Richtung Hafen zu klettern und zu springen.
 

Rote Zora

Pfefferklinge
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Nokilis

NOKILIS sah zu, wie der Halbork ungelenk mit dem Becher hantierte. Offensichtlich war er den Umgang mit irgendwelchem Essgeschirr nicht wirklich gewohnt. Sie empfand Sympathie für diese Kreatur, die von vielen anderen wahrscheinlich als Halbmonster angesehen wurde. Es war fahrlässig gewesen, ihm die Fesseln zu lösen, bevor die wirklich wichtigen Fragen geklärt waren. Aber kann man wirklich wichtige Fragen klären, ohne dass eine Vertrauensbasis besteht? Man hätte dann nur die Wahl, die Aussagen zu erzwingen, durch Drohung, Druck und Folter. Das alles war ihr zuwider. Sie war Waldläuferin, sie war frei, und auch die Freiheit anderer Kreaturen war ihr heilig. Und sie spürte, dass diese Rechnung aufging. Dieses orkische Riesenbaby schien auch zu ihr Vertrauen zu fassen.
Also ran an die wesentlichen Fragen:
"Du hast mir von dem Kampf erzählt, und es passt zu den Spuren, die ich gefunden habe. Alles sieht nach einem Raubüberfall aus. Nach dem, was du erzählt hast, wissen die Räuber nichts von dieser Waffe, die du - sage ich mal - gefunden hast. Sie waren auf das Grauerz aus. Wahrscheinlich wird es auf Umwegen sogar nach Velhindorn gelangen, nur wird jemand anderes den horrenden Preis dafür kassieren, als die, die es unter Lebensgefahr Gramm für Gramm dem Fels abgewonnen haben. Trotzdem ist es eine gute Nachricht: Wir beide werden nicht gejagt, solange die Räuber nichts von der Axt wissen, und die Velhindorner Ritterschaft meint, sie sei gemeinsam mit dem Grauerz bei den Räubern."
Um zu illustrieren, was sie meinte, legte sie für jede Gruppe Tannenzapfen auf den Boden. Ihr war klar, dass dieses Wesen bislang an noch nicht allzu vielen taktischen Lagebesprechungen teilgenommen hatte.
"Die Räuber werden also versuchen mit den Velhindorn Kontakt aufzunehmen - wahrscheinlich über einen Mittelsmann - und Velhindorn wird versuchen Kontakt mit den Räubern aufzunehmen - vielleicht über einen Mittelsmann." - sie rückte die beiden Zapfen zusammen. "Bis rauskommt, dass dieses Teil" - sie nahm eine kleine Frühlingsblüte als Zeichen für die Axt - "bei uns ist, sollten wir zusehen, dass wir über alle Berge sind." - sie rückte den Zapfen für sie beide gemeinsam mit der Blüte ein ordentliches Stück weit weg.
Montag nickte.

"Nun habe ich aber eine Aufgabe hier. Ich darf also dieses Gebiet nur verlassen, wenn ich einen triftigen Grund habe, der mit meiner Aufgabe zu tun hat."
Montag blickte verständnislos.
Nokilis musst ausholen. Sie berichtete von der Unterwelt, den schrecklichen Kämpfen, den verschütteten und versiegelten Zugängen. Und davon, dass es Waldläufer waren, die diese Wälder durchstreiften, um darüber zu wachen, dass diese Pforten zum Schattenreich auch verschlossen blieben. Montag hörte zu wie ein Kind, dem man ein Märchen erzählt. So gelang es ihr, ihm klar zu machen, wer sie war, und was ihre Aufgabe war.

"Nun verstehst du, dass ich hier nicht weg kann"
Montag nickte.
"Nun habe ich aber Spuren gefunden, die darauf hindeuten, dass sich unter den Räubern auch Unterweltler befinden. Einer, vielleicht sogar mehr..."
Montag machte ein besorgtes Gesicht
"Nun, das ist noch kein Grund zu Panik, aber bislang habe ich nur irgendwelches Kleinviehzeugs hier an der Oberfläche gehabt."
Sie nahm einen Schluck aus dem Becher, der Kaffee war bereits kalt.
"Ein oder zwei Unterweltler werden unser Gleichgewicht hier oben nicht ins Wanken bringen. Aber die Frage ist, wo kommen sie her. Durch die winzigen Ritzen und Spalten können sie kaum hindurchgeschlüpft sein. Es muss also einen Zugang nach hier oben geben, ein Portal, eine Pforte, irgend einen natürlichen oder magischen Weg.
Unsere Spurensuche führt also nicht zu den Räubern hin, sondern von ihnen weg. Wo ist der Unterweltler zu ihnen gestoßen? Wo kam er her? Vielleiciht führt unser Weg uns tiefer in den Wald, vielleicht auch aus ihm heraus. Möglicherweise ist es auch einfach klug, irgendeine Ecke der Zivilisation aufzusuchen, um eine Meldung zu machen. Das muss ja nicht gerade Velhindorn sein..."
Die letzten Worte hatte sie mehr zu sich selbst gesagt. Sie überlegte nur noch laut. Dann brachte sich Montag zurück in ihre Wahrnehmung:
"Nokilis, wir zwei. Zusammen. Dann Gut."
Nokilis nickte.
Und fasste einen Plan.
 

Alyndur

Zwielichtiger
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Arvílius

Ein greller Blitz schoss durch die nächtlichen Lande. Er zeigte Stadt und Fluss unter ihm und die Hügelländer in der Ferne in einem gespenstischen Widerschein. Das Grollen ließ nicht lang auf sich warten und die Stimme des Himmels ließ das Land bis zum Gestein der hohen Zinnen des Turmes hin unter den Händen des Jünglings erzittern. Arvílius zwang sich zu aufrechter Haltung und drängte die beharrliche Furcht in die Abgründe seiner Seele zurück. Mit eiserner Miene erstickte er ein Wimperzucken, als der schwarze Himmel den zweiten Blitz in die Tiefe hinabsandt. Wenn die Sonne über den fernen Gipfeln im Osten ihre Rückkehr ankündigte, sollte ein neuer Lebensabschnitt für ihn beginnen. Im Leben eines Heermeisters von Vèlhindorn gab es keinen Platz für die Furcht, die sich leichter leugnen ließ, als der kalte Wind, der hier in der Höhe immerzu seine eisige Jagd trieb. Tief unter ihm erstreckte sich eine ehrfurchtgebietende Stadt in alle Himmelsrichtungen. Selbst im geisterhaften Antlitz des nächtlichen Gewitters strahlte Aúrilia, Kronjuwel der alten Könige und Herz Vèlhindorns, eine vollends anmutige Zuversicht aus. Ebendieser Zuversicht zum Dank hatte sie die schlimmsten Zeiten der Geschichte überdauert und mit eben dieser würde sie gestärkt allen Übeln trotzen, die die Zukunft ersinnen mochte.
Es bedurfte schon eines Ausblickes von der Höhe des Mahnenden Wächters, um die riesige Stadt zu überblicken. Dieser höchste Turm ragte einem erhobenen Zeigefinger gleich aus der Burg empor, die auf einem Hügel über dem Rest der Stadt thronte. Dieser Burghügel befand sich auf der östlichen Seite Aúrilias, die in der Mitte von dem mächtigen Fluss Vena entzweit wurde. Ferner umschlang die Vena die Stadt mittelst zwei künstlicher Seitenarme, die man einst als Verteidigungsgräben vor den Mauern ausgehoben und anschließend mit dem Strom verbunden hatte. Nicht zuletzt diesen Ausstattungen hatte die Stadt es verdankt, in ihren tausend Jahren niemals von außen her erobert worden zu sein.
Aúrilia hatte es verstanden, ganz das alte Gesicht zu bewahren, an das sich Arvíl vom Tage seines Abschieds erinnerte, als er als Knabe fortgezogen war, um eines Tages als Mann zurückzukehren. Zehn Jahre lang hatte er sein Knappensein Herzogtum Faramorn gefristet, fern der Heimat seiner Kindheit.
Zuckende Blitze zeigten auch die anderen Monumente, die Aúrilias Ansprüche auf den Ruhm der glorreichsten Stadt des Kontinentes über dessen Grenzen hinaus Geltung verschafften. Arvílius gewahrte die Zitadelle der Inquisition, die sich als zweithöchster Turm auf der westlichen Seite der Stadt erhob. In einiger Entfernung war die große Bibliothek des Reiches zu erkennen, von der man behauptete, sie hüte die gesamten geistigen Errungenschaften der zivilisierten Völker; von der mystischen Entstehung der Welt bis hin zu ihrem vorherbestimmten Ende. Und die große Arena, in der neben den ruhmreichsten Turnieren auch die mannigfaltigsten Theaterspiele stattfanden. Zwischen diesen herausragenden Bauten reihten sich tausende von Dächern von verschiedener Höhe und Ausmaß aneinander. An den Flussufern befanden sich Hafenanlagen für die Schiffe, die Tag ein, Tag aus Menschen und Waren entlang der schnellen Wasserstraße über zahlreiche Meilen durch das Reich transportierten und dort, hoch über dem Wasser krümmten sich die großen Bogenbrücken.
Es war ein seltsames Gefühl, über all diese Größe zu wachen, als hinge von einem selbst allein das Schicksal von etwas weitaus Älterem und Bedeutenderem ab. Das Privileg und die Pflicht, dem Bollwerk der menschlichen Hoffnung, wie man es hier von alt her zu nennen pflegte, ein ritterliches Leben zu weihen, erfüllte den jungen Prinzen mit Stolz, doch auf eine beharrliche Weise auch mit Missmut.

„Wuuhuuuu!“ , gab man ihm zu verstehen.
Er wandte sich erschrocken um und gewahrte die bei weitem größte Eule, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Der Uhu hatte es sich ebenfalls auf einer Zinne bequem gemacht und begann, mit seinem Schnabel Ordnung in das windzerzauste Gefieder zu bringen.
Seine Klauen umklammerten das teils verwitterte Gestein fest und sicher, als handele es sich bei dem Turm um des Uhus Beute. Seine Schwingen mussten vollends lautlos sein, da er sich ihm völlig unbemerkt hatte nähern können.

„Wuhuu“ , grüßte Arvíl zurück. Das Tier schien sich vor ihm ebenso wenig zu ängstigen wie vor dem Gewitter. Das sprach für die uralten Schauermärchen, die man sich über seinesgleichen erzählte. Sie seien Kreaturen, die mit dem Bösen im Bunde stünden. Sie töteten und verschleppten Lämmlein und Hühner, nicht aber aus Hunger, sondern, um den Menschen Nahrung zu nehmen und fleißige Bauern in den Ruin zu treiben. Doch am Liebsten, so hieß es, raubten sie kleine Kinder und Neugeborene sogar aus den schützenden Armen ihrer Mütter, um sie vor deren Augen in sicherer Höhe bei lebendigem Leibe zu verspeisen. Für Arvílius waren das nicht mehr als Altweibermären. Nicht wahrer und nicht weniger morallastig als die gängige Geschichte vom schwarzen Hexerzirkel, der vor einem Jahrtausend in Avèntulis sein Unwesen getrieben und scheinbar aus purer Müßigkeit den Tag des Weltuntergangs vorzuziehen, beschlossen hatte. Seine Amme hatte ihn so lang und so unerbittlich mit dieser müden Erzähle geplagt, dass er instinktiv davon Abstand genommen hatte, damit sein Gemüt nicht ebenso erlahmte wie das der guten Ziehmutter.
Er streckte die Hand nach dem Uhu aus in der unsicheren Erwartung, dieser würde seiner Bewegung ausweichen oder gar mit dem Schnabel nach ihm hacken, doch er ließ ihn gewähren. Ein Paar leuchtender gelber Augen musterte ihn wachsam und ausdrucksvoll, doch ohne Furcht, während er nach wie vor ungläubig über das weiche Gefieder strich.

„Heute Nacht kennt der Mahnende Wächter nun schon zwei, deren Leben im Schatten menschlichen Aberglaubens stehen“, erklärte er dem gefiederten Gesellen. „Einen, den man seiner Natur wegen des Bundes mit dem Bösen bezichtigt, und einen, der geloben wird, es zu zerschmettern.“
Der Uhu erhob sich schlagartig, als die knarrende Holztür zum Turmdach jemandes Ankunft verriet und verschmolz flatternd mit der Nacht. Arvíl gewahrte den aufrechten Gang seines Lehrmeisters, der ihn mit einem anerkennenden Nicken begrüßte. Schnell griff er eine Feder auf, die die große Eule verloren hatte, bevor der Wind sie fortwehen konnte.

„Du tust deine Nachtwache gut, Arvílius. Es sind schon werdende Ritter an dieser letzten Prüfung gescheitert.“
Herzog Faramorn war ein zäher vollbärtiger Veteran, der in seinen Vierzigern bereits graue Haare zur Schau trug. Auch die tiefen Furchen im Gesicht machten keinen Hehl aus einem Leben, das mehr Verbitterung als Frohsinn kannte. Dennoch pflegte er eine stolze Haltung und trotzte seinem alten Peiniger, dem Schicksalsgott Fans, mit der rückhaltlosen Entschlossenheit, eines Kriegers, der im Tod nichts zu verlieren fürchtete.
Arvíl wies zunächst mit einer vorwurfsvollen Geste auf die nun leere Stelle, wo ihm eben noch der bemerkenswerte Vogel Gesellschaft geleistet hatte und deutete dann hilflos in die ruhelose Nacht hinaus.
„Die Mächte des Himmels wissen meine Prüfung zu erleichtern. Welcher Wächter täte nicht schwer daran, über seiner Pflicht einzuschlafen, während er, von Blitzen und Donner umgeben, um sein Leben bangen dürfte?“
„So danke Fans für seinen Beistand und nimm es als gutes Omen“ , entgegnete sein Lehrer dem Spott. „Nur der Ankunft würdigster Herrscher und größter Feldherren unterstellen sich die himmlischen Boten. Zumindest weisen sie den Beginn einer neuen Zeit.“
„Würdigster Herrscher“, wiederholte der Prinz schelmisch. „Erinnert Ihr Euch der Zeichen jenes Tages, da man meinen Bruder für die Thronfolge ausrief? Wenn mich nicht alles täuscht, es war ein hässlicher, verregneter Winter.“
„Gib Acht, Arvílius!“ Der Klang der herzoglichen Mahnung suchte sein Vorbild im Grollen des Donners. Gleiches tat seine Humorlosigkeit. „Du spielst mit Gedanken, die sich für einen Prinzen von Vèlhindorn nicht ziemen! Ich weiß wohl, wie du mit deinem Bruder stehst, doch ist er der Ältere und wusste sich bereits um die Thronfolge zu verdienen, als du deine Widersacher noch in Strohpuppen kanntest.“
Arvíl war erleichtert, ein wenig zynischen Humor in den bärtigen Zügen seines eher zu trockenem Ernst tendierenden Lehrmeisters zu erkennen.
„Verzeiht mir, Herr Faramorn.“ Trotzdem respektierte er die raue Würde seines Lehrmeisters noch wie in den ersten Tagen seiner Ausbildung.
„Wenn du schon nicht Manns genug sein kannst, dem kindlichen Wunsche Herr zu werden, deinen Bruder zu übertreffen, so diszipliniere wenigstens deinen Ehrgeiz und eifere jenen Heermeistern nach, deren Verdienste für das Land größer waren, als die ihrer Könige.“
Arvílius nickte, nunmehr ernst.
„So soll es sein. Glaubt Ihr, ich werde den Erwartungen gewachsen sein, die das Volk von Vèlhindorn und der ritterliche Kodex an mich richten werden?“
„Dem ritterlichen Kodex wird genügen, wenn du dich in den Tugenden übst, die ich dich lehrte.“ Der langjährige Ritter ließ sich nicht nehmen, jede einzelne mit gnadenlosem Pathos zu nennen und sie an den Fingern abzuzählen. „Mut. Tapferkeit. Treue. Kampf gegen das Böse*. Unterstützung der Schwachen, Verteidigung der Hilflosen, ...“ und eine Vielzahl weiterer, die vergebens um die Aufmerksamkeit ihres Adressanten warben. Im Grunde seines Herzens empfand Arvíl großes Mitleid für den Mann, der sich vor einem glücklosen Leben in die kalte Trutzburg seiner Tugenden geflüchtet hatte. Doch anders herum betrachtet, waren sie es auch, die ihm dieses Los beschert hatten. Es gab nur eine Antwort auf die Frage, weshalb Herzog Faramorn nicht über Vèlhindorn herrschte, mit Macht und Glanz an der Seite einer Königin von märchenhafter Schönheit und Gestalt und mit allem, was eines Mannes Herz noch begehren mochte, sondern nun als Lehrmeister des undankbaren Sohnes eines Mannes, der ihm Leben und Krone verdankte, seine grauen Tage fristete. Eine Antwort, die er gerade willentlich überhört hatte.
„Und, was die Erwartungen des Volkes angeht…“ Der Herzog brachte ein bitterböses Lachen zustande. „Sie wandeln sich mit dem Wetter. So Fans will, wird es Zeiten geben, da nicht einmal Eristhran der Große Anerkennung gefunden hätte. Manche Erwartungen sind vermessen und laufen wiederum anderen zuwider. Solche wirst du früh genug erkennen, mein Knappe.“

Er erkannte solche, als er sich nach einer schlaflosen Nacht zur Zitadelle der Inquisition begab, um den Ritterschlag zu empfangen.
Er erkannte solche, als man von ihm erwartete, ein fremdes Gelübde als sein eigenes abzulegen.
Und er erkannte solche, als ihm nach dem ganzen Spektakel die traditionellen Feierlichkeiten zur Ernennung des neuen Heermeisters bis tief in die Nacht abverlangt wurden.
Als die Sonne über den fernen Gipfeln im Osten ihre Rückkehr ankündigte, sollte ein neuer Lebensabschnitt für Arvílius beginnen.
Im Leben eines Prinzen und Heermeisters von Vèlhindorn gab es keinen Platz für natürliche Bedürfnisse.



*Unter dem Einfluss der Inquisition sind Begriffe wie „Magie“ und das „Böse“ im jahrhundertlangen Sprachwandel gleichbedeutend geworden.
 
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Therias

Schwertschwinger
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Ecorim

Ecorim saß in der Taverne an der Grenze, ihm gegenüber einen anderen Krieger der Inquisition der gerade die Ausbildung abgeschlossen hatte und nun seinen ersten Auftrag ausführen sollte. Dieser Auftrag lautete einen Magier zu töten, der hier irgendwo in der Gegend sein Unwesen trieb. Ecorim sollte ihn in den Auftrag einweisen und ihm die nötige Ausrüstung mitgeben. ,,Noch zwei Gläser, Maurry!" , rief er dem Wirt zu, der zu seinen besten Freunden zählte. Ecorim hatte Maurry während seiner Reisen kennengelernt. ,, Kommt sofort!" , rief er mit seiner krächzenden Stimme. Ecorim wandte sich wieder dem Mann zu, der vor ihm saß. Er hieß Thomas, hatte langes blondes Haar, einen blonden Bart und war kaum jünger als Ecorim. ,, Also pass auf, dieser Magier ist sehr mächtig, aber mit diesen Hilfsmitteln hier ist das ein Routineauftrag. Das hier ist Weihwasser. Wenn du es auf deine Rüstung aufträgst wird sie noch resistenter gegen Magie werden, als sie sowieso schon ist. Sie wird dann sogar die Zauber auf den Magier zurückwerfen. Das hier sind magische Pfeile. Sie treffen immer ihr Ziel, durchdringen selbst die stärkste Rüstung, und sind fast unzerstörbar. Versuch nach Abschluss des Auftrages so viele wie möglich wieder mitzubringen, denn sie sind schwer zu bekommen und teuer." ,, Danke, Ecorim ", sagte Thomas, ,, ich werde darauf aufpassen. Ich brache jetzt auf." ,, So, endlich fertig ",dachte Ecorim, ,, jetzt kann ich endlich weiter forschen. " Er nahm sich vor, in den nächsten Tagen wieder aufzubrechen und wieder nach den Eingang in die Unterwelt zu suchen. Daber kahm es ihm gerade recht, dass dieser Magier endlich beseitigt wurde. Ecorim hatte grundsätzlich nichts gegen Magie, aber er mochte die Leute nicht , die sie ausübten, die Magier. Anstatt die Magie zu guten Zwecken zu verwenden, missbrauchten sie sie um Böses zu tun. Deshalb war Ecorim zur Inquisition gegangen. Mit diesem Magier hatte er schon öfters Probleme gehabt und er freute sich, dass diese jetzt enden würden.
 

Mynora

Teufelchen
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Mynora beobachtete die Leute in der Taverne genau. Vielleicht konnte sie ja heute schon etwas interessantes in Erfahrung bringen.
Am frühen Abend kamen erstmal ein paar Bauern, die nach der anstrengenden Arbeit ein Abendessen brauchten. Mynora lauschte, denn etwas Tratsch aus der Gegend konnte ja nicht schaden. Und schon hörte sie ein Gespräch, dass ihre Aufmerksamkeit fesselte. Schnell konzentrierte sie sich auf die Magie, um ihr Gehör zu verbessern.

Stell Dir mal vor, in den letzten Tagen wurden in der Gegend Magier ermordet. Die verbrannten Leichen waren kaum noch zu erkennen. Bestimmt ist ein Krieg zwischen den Magiern ausgebrochen. Ein paar Kumpels meinen sogar, dass die Magier aus der Unterwelt gekommen sind, um die Herrschaft auf der Welt zu erlangen. Kannst Du Dir vorstellen, was das bedeutet?
Ja klar, aber das gab es immer wieder. Ich habe ein paar Freunde, die eine heiße Spur haben. Bestimmt finden wir bald die bösen Magier und können sie hinrichten. Eine öffentliche Verbrennung wird dann sicher wieder für ein paar Jahre Ruhe sorgen.
Sei Dir da mal nicht so sicher. Wenn erstmal die Magierarmeen aus der Unterwelt kommen, dann naht unser Ende schnell. Ich habe da schon so viele schreckliche Geschichten gehört, das kannst Du Dir nicht vorstellen.
Aber das sind nur Geschichten. Meine Freunde sagen, dass es gar keine Magier aus der Unterwelt sind, sondern nur ein paar Magier, die etwas zu eifrig im Erforschen sind. Sie sind mächtig, aber bezwingbar. Wenn Du willst, dann kannst Du morgen ja noch mal kommen, da wollen sie hier eine Rast einlegen, bevor sie weiterziehen. Dann kannst Du Dir die Gruppe ansehen, das wird auch Dich beruhigen.
Na gut, dann schaue ich mir die mal an. Aber ich glaube ja eher, dass es Magier aus der Unterwelt sind. Und dann wird die Gruppe nicht zu lachen haben.
Ich werde dann auch dabei sein, die Gruppe interessiert mich auch, dachte Mynora.
 

Alyndur

Zwielichtiger
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„Bleibt draußen.“
„Wa-“
„Wartet beim Wagen auf mich, während ich mich im Gasthaus ein bisschen umhöre.“
„Bei den Maden im Barte meines Großvaters! Ihr wollt immer den ganzen Spaß für Euch haben, aber damit ist es heute zu ende!“
Vyseris seufzte. Natürlich musste Arlois das Ganze wieder schwieriger machen, als es ohnehin schon war.
„Ihr wisst, wie ich zum Alkohol stehe, also versucht nicht, mich zum Narren zu halten. Heute wird keiner von uns beiden seinen Spaß haben, Ihr am allerwenigsten, wenn Ihr Euch nicht fügt.“
„Aber mit den Freudenhäusern ist es doch stets das Gleiche!“, maulte der Grauzwerg. „Ich warte Stunde über Stunde draußen, während Ihr Euch in aller Ruhe umhört und Eu-“
„Manchmal ist zur Informationsgewinnung eben ein gewisses... Feingefühl von Nöten. Und deshalb ist es auch heute das Beste, wenn ich hineingehe und Ihr unseren Rückzug bewacht. Es ist schon riskant genug, wenn sich ein vorsichtiger Unterweltler unters Volk begibt, da braucht es keinen… haltet mir einfach den Rückweg frei.“
Arlois stampfte auf den matschigen Boden.
„Das wird ein Ende haben, ich versprech's Euch.“
„Ihr vergesst, dass ich nun Euer Hauptmann bin, mein guter Zwerg“, verwies er mit einem Lächeln. „Und, wenn Ihr glaubt, mit meinen Anweisungen überfordert zu sein, dann wird Cessen das nächste Mal Eure Axt schwingen. Was haltet ihr davon?“ Er ließ Arlois fluchen und zog sich die Kapuze des Mantels tiefer ins Gesicht, bis von seinen Zügen nur noch Schatten zu sehen waren. Als er das Gasthaus betrat, wagte er nur, einen flüchtigen Blick in die Runde zu werfen, um nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen als nötig. Darauf bedacht, niemandem zu nahe zu kommen, begab er sich direkt zur Bar, wo ein hagerer Mann in der typischen Schürze eines Wirts damit beschäftigt war, seine Gläser zu putzen.
„Was gibt es denn gerade so in der Gegend?“, erkundigte sich Vyseris in einem möglichst beiläufigen Tonfall.
„Ärger!“, krächzte der Wirt und spuckte ihm über den Tresen zielsicher zwischen die Füße. „Das gibt’s hier für Gesindel wie dich!“
Er kann mich nicht erkannt haben, redete sich Vyseris zu. Meine Haut ist gänzlich verhüllt und es gibt auch Rivvin von einer Gestalt wie meiner. Er hält mich für einen lungernden Landstreicher, einen zwielichtigen Gesellen, nicht mehr. Also muss ich ihm diesen auch geben.
„Man möchte meinen, dass du erlauchter Kundschaft wie mir deine Existenz verdankst. Also, anstatt den Boden unter deinen Füßen anzusägen, bring mir lieber ein… irgendwas Billiges für den Anfang, um deine Kasse nicht zu überreizen.“ Er hatte es versäumt, sich einen Vorwand oder einen Trick zurechtzulegen, der es ihm erlauben würde, dem Alkohol zu entgehen, doch er musste die Maskerade möglichst gut aufrechterhalten, um kein besonderes Misstrauen zu erregen. Er suchte noch fieberhaft nach einem Ausweg, als der Wirt mit einem gefüllten Bierkrug zurückkehrte und ihm den Inhalt mit einem kräftigen Ruck ins Gesicht stieß.
„Der nächste geht aufs Haus.“
„Der nächste ist ein Krug Wasser, um mir die Schlammbrühe aus dem Gesicht zu waschen.“ Die Grobheit dieses Mannes war seine Rettung. Zumindest dachte er das noch, bevor der Wirt sein hässliches Maul erneut aufriss. „Mynora, Ecorim!“, rief er aus. „Wir haben hohen Besuch im Haus! Ein entfernter Vetter von Seiner Majestät König Arvílius VII. von Vèlhindorn höchstpersönlich, wie ich annehme. Seine Hoheit sind von weit her gereist, um sich ein Bild über unser bescheidenes Ländchen zu machen. Seid also so gut und kredenzt Seiner Hoheit ein paar der Gerüchte und Schauermärchen, die zur Zeit im Volk kursieren… bei einem Krug Wasser auf das Wohl Seiner Hochwohlgeborenheit, während ich mich meinen anspruchsvollen Gästen widme.“ Damit setzte er dem Dunkelelf einen Doppelmaßkrug wie eine Krone aufs Haupt und schlurfte zu einem der Tische fort.
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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Montag war glücklich. Zum ersten Mal in seinem Leben gab es jemand, der sich um ihn kümmerte, der ihn nicht als Abschaum oder Dreck behandelte. Diese fremde Frau war zwar durchaus herb, und manchmal streng, aber sie hatte immer einen Blick und eine Art, die ihm Wertschätzung vermittelten, ein Wort, das er zuvor weder sagen, denken noch fühlen konnte.
"Als erstes müssen wir zusehen, dass du was gescheites zum Anziehen bekommst. Dabei kannst du gleich etwas überlebenswichtiges für das Leben im Wald lernen. Die Jagd!"
Das hatte sie einfach so festgestellt. Montag hatte tatsächlich nur eine grobe Wolldecke am Leib, die Nokilis ihm mit ein paar gekonnten Schnitten, Stichen und Fibeln um den Körper geschneidert hatte. Aber die Nächte waren noch sehr kühl, und immer wieder ging ein Frühlingsregen über dem Wald nieder, der die Wolle durchnässte. So hatte Montag sich erkältet und der grüne Orkrotz lief aus seiner Nase, und wenn er nieste, flatterten im Umkreis von 150 Schritt alle Vögel erschreckt auf - was Nokilis immer mit einem höchst entnervten Blick quittierte. Nun wollte sie also etwas dagegen tun
"Leider ist für deine Größe ein Kaninchenfell nicht gerade angemessen, aber jetzt im Frühjahr wachen die Bären auf, und sind noch etwas träge. Allerdings auch ausgehungert und aggressiv. Ich weiß in etwa wo sich ein Einzelgänger zum Winterschlaf zurückgezogen hat. Nimm deine Axt mit, wir wollen sehen ob die zu mehr taugt als zum Holzspalten"
Die Axt war Montags steter Begleiter geworden. Nokilis hatte ihm viel beigebracht, was die Handhabung dieses mächtigen Stückes anging. Aber immer wieder hielt sie inne und betrachtete das Farbenspiel auf der irisierenden Klinge nachdenklich, beinahe argwöhnisch. Nun, als sie von Jagd, womöglich Kampf sprach, huschte ein hellgelber Schimmer über das Metall. Die Tage und Wochen des Werkzeugdaseins hatten womöglich ein Ende.
"Bär aggressiv? Meinst du gefährlich? Ich auch gefährlich!"
grinste Montag und ließ das Axtblatt kreisen indem der den schweren Schaft wie eine leichte Spindel in den Händen drehte. Nokilis bedachte ihn nur mit dem: Du muss noch viel lernen Blick - den er nur allzu gut kennen gelernt hatte - und sagte nichts. Stattdessen bereitete sie den Aufbruch vor, und erzählte beiläufig das allernotwendigste, was man für Jagd und Kampf mit Großwild wie Bären wissen musste und gefälligst auch zu beherzigen hatte. Montag tat wie immer so, als wäre ihm das alles gar nicht so neu, und versuchte trotzdem jedes Wort in seinen breiten Schädel zu bekommen.
Nokilis merkte, dass er zuhörte, und versuchte nicht zuviel auf einmal zu vermitteln, obwohl das gar nicht so einfach war, wenn das Gegenüber so gut wie gar nichts wusste, und doch so vieles so unendlich wichtig war. Aber Montags Aufnahmefähigkeit war begrenzt, das merkte sie schnell, also musste sie sich beschränken, und vieles doppelt und dreifach erzählen.
Auf ausgetretenen Wildwechseln waren sie nun einen halben Tag durch den Wald gestreift. Gegen Montags markerschütterndes Niesen hatte sie ihm eine Tinktur gebraut, die ihm für ein paar Stunden Linderung verschaffte. Nun waren sie fast am Ziel. Unvermittelt blieb sie stehen

"Na? Irgendwelche Spuren?"
Montag war dumpf hinter ihr her getrottet und sein Schädel brummte von all dem Lebenswichtigen, das ihm Nokilis in sein Orkhirn zu hämmern versucht hatte. Natürlich sah er nichts. Aber diesesmal zeigte ihm die Waldläuferin nicht, was er hätte sehen müssen, sondern wartete ab. Montag kniff die Augen zusammen und ging in die Knie. Und tatsächlich ließ sich einiges finden. Hier war die Rinde eines jungen Baumschößlings abgenagt, dort waren Zweige abgebrochen und hier fand sich sogar ein Fetzen Fell. Erst mühsam, dann mit dem Eifer des Erfolgreichen zeigte er seiner Mentorin immer mehr Details. Und schließlich nickte die zustimmend.
"Gut. Und was schließen wir jetzt aus diesen Spuren?"
"Bär wach. Und Bär war hier." stellte Montag zufrieden fest.
"Aha. Er war hier. Wann? Und woher kam er? Und wohin ging er?" Nokilis verzog keine Miene, aber Montag merkte, dass er tatsächlich mit seiner großartigen Spurensuche noch keine für die Jagd wirklich brauchbare Information ermittelt hatte. Und noch schlimmer: Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er aus den paar Zweigen und Fellfusseln Antworten auf genau diese Fragen finden sollte: Wann? Woher? Wohin? Verzweifelt starrte er auf die kostbaren Indizien und zuckte die Schultern. Der Riese von Halbork wirkte plötzlich ganz klein. Seine Augen wanderten über den Boden ohne zu wissen, wonach sie noch suchen sollten, er war plötzlich müde, und auch seine Nase fing wieder an zu laufen. Er schniefte. Da spürte er, wie Nokilis die Hand auf seine Schulter legte:
"Hey, du warst schon richtig gut. Aus dir wird der großartigste Halborkwaldläufer aller Zeiten. Ich werde dir zeigen, was dir die Spuren noch alles erzählen, aber erstmal machen wir Pause und gönnen uns einen Imbiss. Wir wollen ja nicht mit dem Magen gegen einen Bären anknurren!"
 

Mynora

Teufelchen
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Mynora betrachtete den neuen Gast neugierig. Er war völlig verhüllt, als hätte er etwas zu verbergen. Als Tarnung wollte er wohl so tun, als wäre er ein Landstreicher. Aber nein, das konnte nicht sein. Draußen waren noch mehr. Zwar waren sie gut versteckt, aber das Gespräch vor der Tür hatte sie verraten. Immerhin hatte Mynora ihr Gehör verbessert, um das Gespräch vorhin besser belauschen zu können. Der Wirt sprach von Vèlhindorn. Das wäre eine Möglichkeit, immerhin gibt es die Gerüchte von einem Krieg zwischen Magiern. Eine solche Gefahr würden sie sicher beobachten wollen.
Mynora schaute in die Richtung des neuen Gastes.

Was führt Euch in diese Gegend? Ihr habt es sicher schon bemerkt, Gäste, die etwas zu verbergen versuchen, sind hier nicht sonderlich willkommen, also zeigt doch mal Euer Gesicht.
Mynora hätte gerne ihre Augen verstärkt, um das Gesicht auf jeden Fall sehen zu können. Aber das war zu gefährlich. Sie konnte es nicht riskieren, dass es sich wirklich um einen Vèlhindorn handelte, der sie als Magierin erkannte. Aber vielleicht hat sie ja auch so Glück.
Ich kann Euch auch gerne ein paar Geschichten aus der Gegend erzählen, ich komme viel herum und meine Ohren hören einiges.
 

Rote Zora

Pfefferklinge
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NOKILIS betrachtete ihr Riesenbaby mit Wohlwollen. Der Kerl hatte nicht viel in der Birne, das war schon mal klar, aber er hatte einen ganz guten Instinkt, das musste sie ihm lassen. Er konnte die Spuren zwar nicht lesen, blickte aber intuitiv mehrfach in die Richtung, in der sich der Bär tatsächlich aufhielt. Sie hatte das bemerkt und lächelte still. Er war so anders als sie, und trotzdem würde sie einen Waldläufer aus ihm machen. Ihren Nachfolger.
Montag, nun haben wir tatsächlich das letzte Pökelfleisch verspiesen, das uns der Winter noch übriggelassen hat. Wir brauchen also auch das Fleisch des Bären. Und leider habe ich von meinen Betäubungspfeilen die Bärendosis an so eine trottelige Grünhaut verschwendet!"
Sie beobachtete wie bei Montag der Groschen erst mit Verzögerung fiel und er ihr dann ein gelbes Grinsen schenkte. Irgendwie fand sie seine Langsamkeit entzückend. Und immerhin hatte er doch Sinn für ihren Humor.
Nachdem sich beide gestärkt hatten, erklärte sie ihm noch einmal kurz die Bedeutung der Spuren. Doch sie beschränkte sich auf das Nötigste. Montag musste seinen Kopf frei haben für den Kampf. Sie gab ihm noch einmal etwas von ihrem Erkältungsmittel. Dann schärfte sie ihm noch einmal die Taktik ein. Da Montag im Anschleichen noch ein blutiger Anfänger war, sollte er also relativ offen auf den Bären zu gehen, und ihn ablenken, damit Nokilis ihn hinterrücks anfallen könnte und ihm mit ihren Khukris die Halsschlagader öffnen würde. Dann würden sich beide zurückziehen. Gegebenenfalls dürfte Montag dem Petz mit seiner Axt noch den Gnadenstoß geben, wenn er bereits zu Boden gegangen war. Soweit der Plan.
 
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