Interview mit einem Künstler

Chinasky

Dirty old man
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Vorbemerkung:
In Ordnung, geht so, geht gar nicht? Der Text soll in einen Ausstellungskatalog anläßlich einer Ausstellung, die ich zusammen mit dem Kunstkurs (12. Jahrgang) einer Gesamtschule bestreite. Er soll "Texte über meine Kunst", eine Biographie mit Auflistung von Ausstellungen usw. ersetzen, denn sowas liest sich meiner Erfahrung nach eh niemand durch. Hab das jetzt in zwei Nächten durchgeschrieben und keine Ahnung, ob es überhaupt auch nur erträglich ist. Feedback, gern auch gnadenloses, ist willkommen. Möglichst schnell, damit ich entscheiden kann, ob der Text mit gedruckt wird oder nicht.

(Formatierung ist im Original etwas übersichtlicher, bin jetzt aber zu faul, die hier nochmal genau nachzubilden.)


Interview mit dem Künstler

Die Welt ist alles, was der Fall ist. (Ludwig Wittgenstein, tractatus logico philosophicus)

Kontingenz (von lat.:contingere = zusammen (sich) berühren, (zeitlich unvorhergesehen) zusammenfallen) bezeichnet einerseits das gemeinsame Auftreten zweier Ereignisse, andererseits aber auch einen Status der Ungewissheit und Offenheit möglicher künftiger Entwicklungen. Der Begriff bezeichnet
- in der Philosophie die Zufälligkeit in Hinblick auf eine übergeordnete schicksalhafte Notwendigkeit
- in der Soziologie die prinzipielle Offenheit menschlicher Lebenserfahrungen
- in der Logik eine Aussage, die sowohl wahr als auch falsch ist bzw. sein kann.
(Wikipedia)

Ordnen ist eine Kontingenzbewältigungsstrategie. (www.enzyclopaedie.ch)

Was sich sagen läßt, läßt sich klar sagen. (Ludwig Wittgenstein, tractatus logico philosophicus)




Sie wartete nun schon seit zwei Latte macchiato in dem etwas abseits gelegen Café auf den Künstler. Der, wie von seiner Sorte kaum anders zu erwarten, von Pünktlichkeit nichts zu wissen schien. Als er endlich kam, mußte er einen Hintereingang genommen haben, denn die gläserne Tür zur Straße hatte sie eigentlich die ganze Zeit im Blick gehabt. Er berührte sie von hinten an der Schulter, sie verschluckte sich vor Schreck und hustete kleine Schokokeksbröckchen auf ihre Unterlagen.
"Hat man Sie auf dem Weg hierher verfolgt?", wollte er wissen, als er sich ihr schräg gegenüber auf die Sitzbank fallen ließ, sodass er selbst noch mit einem Auge die Fronttür im Blick behalten konnte.
"Wer sollte mich verfolgt haben? Wir sind hier, um ein Interview über die Kunst zu führen, nicht um angereichertes Plutonium zu handeln."
"Es geht um das, was ich weiß.", erwiderte er und zog mit mechanischen Bewegungen ein Päckchen Taback aus der Innentasche seiner Lederjacke, um sich eine Zigarette zu drehen.
"Da sind wir uns einig." sagte sie, und strich lächelnd ihr kastanienrotbraunes Haar hinter das Ohr zurück. Sie wußte um die Wirkung dieser kleinen Geste auf Männer. Aus denen kriegte man am meisten heraus, wenn sie was von einem wollten. Und dazu war sie ja hier, aus ihm etwas herauszukriegen. Das war ihr Job und sie war gut in ihrem Job.
"Sind Sie damit einverstanden, wenn ich unser Gespräch mit stenographiere? Für ein Diktaphon sind die Umgebungsgeräusche leider etwas zu laut."
Seine Ablehnung war erstaunlich brüsk: "Nichts Schriftliches. Keine Aufzeichnungen. Entweder, Sie haben ein funktionierendes Gedächtnis, oder wir blasen die ganze Sache sofort ab. Denen darf nichts in die Hände fallen, was mit mir in Verbindung gebracht werden könnte!"
"Na hören Sie mal! Es ist Sinn und Zweck eines Interviews, dass die Aussagen des Interviewten mit ihm in Verbindung gebracht werden. Deswegen werden sie von Zeitschriften wie der unseren gedruckt."
"Es geht nicht um mich, es geht um die Sache. Sie werden mich als anonyme Quelle zitieren. Das müssen Sie mir garantieren, sonst bin ich sofort wieder weg und Sie haben gar nichts."

Er ließ ein Sturmfeuerzeug aufklacken und zündete sich die fertig gedrehte Zigarette an, deren ersten Zug er durch die Nase wieder ausstieß. Bläuliche fraktale Muster umdunsteten sein Gesicht. Der Mann hatte definitiv zuviele schlechte Agentenfilme gesehen.
Sie lehnte sich zurück und gestattete sich einen direkten forschenden Blick auf ihn, obwohl es in der Regel ergiebiger war, den Interviewpartnern eine gewisse Gleichgültigkeit vorzuspielen. Er wirkte müde und dennoch angespannt. Die Fingerkuppen waren von Tinte oder anderen Farben dunkel gesprenkelt, die Nägel kurz und wahrscheinlich abgekaut. Sie gab ein Geräusch von sich, das man als widerwillige Zustimmung interpretieren konnte.
"Nun gut, also eine anonyme Künstlerquelle. Mal was Neues, bin gespannt, wie unsere Bildredakteurin den Artikel dann illustrieren will. Aber okay, kommen wir lieber zum Punkt: Wer sind 'sie', und welches gefährliche Wissen haben Sie, das nicht mit Ihnen in Verbindung gebracht werden darf? Bis eben dachte ich, Sie seien lediglich ein Maler, der gegenständliche Kunst macht."
Das schien ihn zu belustigen, doch ein Raucherhusten verzerrte sein Lachen zu einem Krächzen, bevor er antwortete.
"Gegenständliche Kunst, hehe. Meinen Sie tatsächlich, dass es darum geht? Dass da einer Bilder malt, auf denen man Gegenstände erkennen kann?"
"Im Prinzip schon. Näheres hatte ich ja von Ihnen zu erfahren gehofft."
"Teuerste, sie haben keine Ahnung! Sie tappen völlig im Dunkeln!"
"Na, dann erhellen Sie mich mal..."
Teuerste - was war der denn für ein Idiot? Schlauberger...
"Es geht um die Wirklichkeit. Um die Wahrheit geht es. Um nicht weniger. Die Gegenstände haben eine Bedeutung!" Er lehnte sich seinerseits in den Schatten zurück, welchen die Mäntel der Gäste warfen, die an einem Kleiderhaken an der Wand hingen. Das war ein raffinierter Zug, denn so konnte sie seine Augen nicht mehr beobachten. Er wollte sie unsicher machen. Aber nicht mit ihr! Sie packte ihr Ironie-Besteck aus.
"Ah so, das ist nun in der Tat etwas ungeheuerlich Neues - dass die Gegenstände in der gegenständlichen Malerei eine Bedeutung haben könnten. Darauf ist sicher noch niemand gekommen bisher, das ist die Story des Jahrhunderts..."
"Menschen werden getötet. Zeichner werden in ihrem eigenen Haus überfallen. Filmemacher werden auf offener Straße erdolcht. Übersetzerbüros bekommen Bombendrohungen. Theaterstücke werden abgesetzt..."
"Ach so, das meinen Sie. Es geht um Islamismus, nicht wahr?! Haben Sie Angst vor aufgehetzten Religiösen?"
"Nein, das sind doch nur Symptome. Es geht um etwas ganz anderes, viel Größeres. Es geht darum, was ich weiß, um das, was wir Künstler wissen, oder vielmehr..."
"... oder vielmehr was?", versuchte sie, ihm über das Stocken hinwegzuhelfen.
"Es ist kompliziert. Ich überlege, wie ich es Ihnen am besten verständlich machen kann."
"Lassen Sie sich Zeit, ich werde stundenweise bezahlt." Sie lächelte fein und überlegte, dass es vielleicht Zeit für eine weitere dieser kleinen Gesten war. Demonstrativ schlug sie die Beine so übereinander, dass es auch jeder mitkriegen konnte. Ihre Beine waren eine Stärke, das wusste sie aus Erfahrung. Eigentlich - nur schien er gedanklich allzu sehr beschäftigt zu sein.
"Haben Sie sich schon mal gefragt, wozu die Gesellschaft uns Künstler braucht?", setzte er neu an.
"Nein, sagen Sie's mir!"
"Nicht zu schnell antworten, bitte. Überlegen Sie mal - wozu gibt es uns Künstler?"
"Zur Unterhaltung?"
"Unterhaltung ist Zerstreuung. Meinen Sie das mit: Unterhaltung?"
"Naja, so ungefähr."
"Mehr sehen Sie da nicht? Sie arbeiten für eine Kunst-Zeitschrift - und alles, was Ihnen als Existenzgrund für die Künstler einfällt ist: Zerstreuung?!"
"Naja, natürlich nicht nur..."
"Sondern, was noch?"
"War es nicht Schiller, der mal sagte, daß Kunst der Erhebung und moralischen Erziehung des Menschengeschlechtes diene?"
"Das werden Sie besser wissen als ich, Sie sind die Studierte."
"Ja, ich glaube, es war Schiller."
"Erhebung und moralische Erziehung? Okay. Stimmen Sie Schiller zu?"
"Nun ja... Also wissen Sie... Eigentlich wollte ich hier die Fragen stellen und die Antworten von Ihnen hören. Jetzt versuchen Sie, die Situation umzukehren. Führt das irgendwohin, oder ist das nur eine Art diskursives Experiment?"

Eine der Kellnerinnen trat zu ihnen an den Tisch, um zu verkünden, dass einige der Gäste sich über den Qualm gestört fühlten. Dies hier sein kein Raucherlokal.
Der Künstler nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und schaute der Bedienung konzentriert auf den offensiv präsentierten Busen, dessen Verhüllung durch ein enges, weißes T-Shirt nur der Konvention geschuldet schien. Dass ein Künstler auf so einen billigen Blickfang hereinfiel! Oh nein, Korrektur: doch nicht auf den Busen.
"Ein interessanter Hosenträgerverschluss ist das, den Sie da tragen!" meinte er, "So was kriegt man doch wohl kaum im Kaufhaus, oder?" Erst jetzt fiel der Journalistin auf, dass die Kellnerin außer dem zu knappen T-Shirt noch eine auffallend ultramarinblaue Latzhose trug, deren Hosenträger in der Tat von zwei außergewöhnlichen, grünlich-golden changierenden Broschen zusammengehalten wurden. Die Bedienung gab sich sichtlich erfreut.
"Ja, stimmt, die Dinger hab ich nicht aus dem Kaufhaus. Eine Freundin von mir ist Schmuckdesignerin. Von der hab ich die..."
"Sehr schön, so was sieht man selten!", nickte der Künstler, "stellen die Intarsien keltische Runen dar?"
"Hey, kennen Sie sich mit so was aus?!"
"Nur ein kleines bisschen. Was man halt zufällig erfährt, über's Internet und so..."
"Die Bedeutung der Runen kenne ich leider auch nicht", gab die Kellnerin zu.
"Vielleicht haben die ja magische Kräfte", schlug er vor, "und dann werden Sie ihre Bedeutung irgendwann spüren, je nachdem, wie sie Ihr Leben beeinflussen..."
"Ja, das ist denkbar..."
Er nahm einen weiteren tiefen Zug aus der Zigarette und sagte dann: "Ach ja, ich hätte gern ein Bitter lemon mit viel Eis. Und die Dame hier..." Er schaute die Journalistin fragend an.
"Ich nehme noch einen von der Sorte hier."
"Ein Bitter lemon, ein Latte macchiato, kommt sofort!", sagte die Kellnerin und schwirrte ab.

"Wo waren wir stehen geblieben?!", wollte er wissen, während er erneut sein Tabakpäckchen hervorkramte.
"Es ging um Kunst und Bedeutung und um geheimnisvolle Leute, die nicht wollen, dass Sie hier irgendein Wissen ausplaudern und derentwegen..."
"Es ging um die Gegenständlichkeit der Kunst und welche gefährlichen Wahrheiten in der Bedeutung mancher Bildelemente verborgen sein könnten."
"Ja, genau darum ging es."
"Sie glauben mir nicht."
"Was sollte ich Ihnen nicht glauben? Ich habe ja noch immer überhaupt nichts von Ihnen erfahren, das ich glauben oder nicht glauben könnte!"
"Sie denken, ich spielte mich auf. Was will dieser Farbkleckser mir hier erzählen, denken Sie. Was will der mir vorspielen, meint er, ich würde auf diesen Geheimnis-Scheiß abfahren?"
"Na, Sie scheinen genau zu wissen, was ich denke; wie wär's, wenn Sie mich nun auch noch in Kenntnis setzen würden über das, was Sie denken? Oder wissen? Was spielen wir hier eigentlich für ein Spiel? Ich denke was, was du nicht denkst?!"
"Nun gut. Ich versuch's mal so: Die meisten Leute denken, es gäbe keine Zusammenhänge. Sie denken, alles, was uns passiert, passiert mehr oder weniger zufällig. Gleichzeitig - und darin liegt die Ironie der Sache - versuchen die Leute, die Welt durch ihre Handlungen zu beeinflussen. So nach dem Motto: jeder ist seines Glückes Schmied. Menschen versuchen, Ordnung in das Chaos der Existenz zu bringen, nur ist ihnen das nicht bewußt."
Er sah sie erwartungsvoll an.
"Was soll ich darauf antworten? Erzählen Sie mal weiter, bis jetzt weiß ich noch nicht, worauf Sie hinauswollen."
"Als gegenständlicher Künstler sage ich den Leuten erstmal das Gegenteil von dem, was sie denken. Nichts in meinen Bildern ist zufällig. Alles, was gemalt ist, existiert nur, weil es genau so und nicht anders gemalt werden sollte. Verstehen Sie? Es gibt da keinen Zufall, es gibt nur Planung und Vorherbestimmung."
"Ja - und?!"
"Gleichzeitig gibt es keine Möglichkeit der Manipulation durch das Publikum. Es ist dem Bild ausgeliefert. Es kann nichts an dem Bild ändern. Die Kontingenzerfahrung gegenüber der Welt wiederholt sich gegenüber der Kunst. Das Bild ist eine nicht manipulierbare Macht, die autonom dem Betrachter entgegentritt, unbeugsam und blutrünstig..."
"Blutrünstig... Soso. Hört sich irgendwie..."
"Ja?!"
"Nach Bullshit an."
Er lachte. Sie hatte gewusst, dass er lachen würde, deswegen hatte sie das mit dem Bullshit gesagt. Sie mochte sein Raucherlachen. Es erinnerte sie an die kantigen Detektive irgendwelcher Schwarzweißfilme aus den fünfziger Jahren. Hard boiled nannte man diese Filme. Hart gesotten. Kernig. Er hatte ein kerniges, heiseres Lachen und redete Unsinn über blutrünstige Bildmächte und ominöse Unbekannte - war das seine Masche bei den Frauen? Stuß erzählen, rauchen, Kellnerinnen Komplimente zu ihren Hosenträgern machen - war das Inszenierung, dramaturgisch abgezirkelter Auftritt, Performance, das alles? Und wie er sich jetzt die nächste Zigarette ansteckte, offenbar zufrieden damit, dass sie den Unsinn durchschaut hatte - war das nicht eine Bühnen-Geste? Natürlich! Er spielte eine Rolle, er improvisierte auf den Brettern eines Theaters, genau das würde sie beschreiben in ihrem Artikel. Überschrift: Wie im richtigen Leben!
Wie aus einem schnöden Interviewtermin ein kleines Theaterstück wird, der Künstler als Schauspieler seiner selbst, Projektionsfläche für das Publikum, Ganzheitlichkeit von Inszenierung und alltäglichem Leben...
Unwillkürlich griff sie nach dem Kugelschreiber im vorderen Fach ihrer Handtasche, als die Tür des Lokals, auf die sie ja so freien Blick hatte, aufschwang wie von einer heftigen Windböe erfasst. Zwei Männer stürmten herein, in langen Treanchcoats, hartgesotten, wenngleich auch nicht schwarzweiß. Im blendenden Gegenlicht verharrten sie kurz, witternd, die schreckensstarre Szenerie überprüfend. Die übrigen Gäste verharrten ebenfalls, die Musik setzte aus, ein film-still, ein Moment des irritierten Augenzwinkerns glitzernder Ewigkeit. In der Ferne hörte die Journalistin den Flügelschlag von Tauben. Oder war es das zittrige Kichern des sich seiner Sache unsicheren Schicksals?
Dann, um die Sache zum Ende zu bringen, ließ die Bedienung mit den keltischen Bronzerunenhosenträgerschnallen über den arrogant durch das weiße T-Shirt sich ins Bild drängenden Titten mit einem wenig überzeugenden Kiekser das Tablett fallen, sodass ein Latte macchiato und ein Bitter lemon, nein, nicht in Zeitlupe, sondern brav den üblichen Regeln der Gravitation folgend, klirrend ihren Weg gen Boden fanden.
"Dort sitzt er, hinter den Jacken versteckt!", rief der linke der Männer im Gegenlicht und zückte, in perfekter Choreografie mit seinem Kollegen, eine Maschinenpistole mit kreisrundem Magazin unter dem Trenchcoat hervor. Warnend noch wollte die Journalistin rufen.
Doch die aus der Tommy-Gun spritzenden Stahlmantelgeschosse kamen ihr zuvor, zerfetzten Blousons aus Kunstseide zuerst, einen Lammfellmantel hernach, durchbohrten eine auf Frauen kernig wirkende Lederjacke, um dem Maler durch den Thorax zu sausen, immer noch mit genügend kinetischer Energie versehen, um, Fleischfetzen, Bluttropfen, Knochensplitter mit sich reißend, weiter ihrer ballistischen Bahn zu folgen, dem Kostüm der Journalistin Löcher applizierend und dann glühend heiß in ihrer Brust sich zu versenken. Mitten ins Herz, zumindest einige von ihnen.
So floß am Ende ihrer beider Blut ineinander, am Boden des Lokals im Schummerlicht.

"Wir hätten ", sagte Jonathan, während auf der aus einem Bettlaken bestehenden Leinwand der Abspann über das angehaltene Bild mit den ineinander sich vermengenden Blutströmen scrollte, "als letzte Einstellung etwa anderes ausprobieren sollen. Die Kellnerin hätte den beiden ihre Getränke servieren sollen, und dann hätten wir ein Closeup bringen können, wo Bluttropfen in den Latte macchiato fliegen. Rotes Blut, weißer Milchschaum - dann cut und die credits vor komplett schwarzem background . Das wäre ein Hammer-Ende geworden. Vielleicht sollten wir die Leute noch mal zusammentrommeln?!"
"Du hast sie wohl nicht mehr alle?!" "antwortete Thomas, während er sich mit einem übertriebenen Stöhnen aus dem Sessel hoch wuchtete, "dafür müsste man das Skript ja noch mal zur Hälfte umschreiben, die komplette continuity wäre dahin! Ein Riesenaufwand - und wofür? Nur, damit du deine roten Blutstropfen in dem Milchkaffee kriegst? Die ständige Präsenz dieses Yuppi-Gesöffs dürfte eh die meisten Zuschauer schon anöden..."
"Ey, es sähe so genial aus! Riesige weiße Fläche, in die dann ein paar rote Tropfen fliegen und sich ausbreiten. Wäre ja wohl total geil, so rein grafisch gesehen!"
"Grafisch geil hin oder her - irgendwann reicht's auch mal mit dem Aufwand. Wir sind hier schließlich nicht in Hollywood. Für eine Semesterabschlußarbeit sollte es dicke langen. Hauptsache..." - er warf noch einen letzten Blick auf die Leinwand, "... Hauptsache, die Leute kapieren, was überhaupt unsere Message ist."
"Die haben wir ja wohl klar genug rübergebracht.", meinte Jonathan und schaltete das Licht an.
 
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Toran

Schattenritter
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Die Story ist gut geschrieben, aber viel zu lang, so was würde ich als Roman lesen. Ein 3. / 4. wäre genug. Auf die Einführung hätte ich ganz verzichtet.
 

Timestop

Running out of Time
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Oh, eine Verschachtelung.:D

Also, wenn "... Hauptsache, die Leute kapieren, was überhaupt unsere Message ist." die Message ist, hab ich sie möglicherweise verstanden (oder auch gerade nicht:hae:).:D Auch wenn der Weg zum Ziel dann wirklich zu lang war.

Vom reinen Unterhaltungswert: Nach einiger Zeit der Anfütterung dachte ich mir dann doch "Ja, die Tussi hat recht, komme er zum Punkt" und der kam ja dann auch. Und ließ mich stirnrunzelnd zurück.
 

Chinasky

Dirty old man
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Danke schon mal für Eure Einschätzungen. :) Bin schon am Kürzen...
 

Kraven

Lernender
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Hm... vielleicht hat es was damit zu tun, dass ich von bildender Kunst so ziemlich überhaupt keine Ahnung habe, aber... die Message war jetzt was genau? Ich konnte mir jetzt unter Verwendung der Vorworte von Wittgenstein und Wikipedia ein bisschen was zusammenreimen, bin mir jetzt aber nicht sicher, ob du den Text wirklich als ein Metakonstrukt von Verwirrung und spannungsarmer Leere darstellen möchtest, aufgrund dessen man sich nach der prägnanten Klarheit eines Stillebens sehnt. Falls ja... ist es mir ein bisschen zu spannungsarm, um es noch als cleveren Twist würdigen zu können :D ;)

Ansonsten zurück zu den Dingen, von denen ich wenigstens ein bisschen Ahnung habe. Timestop betitelte die Protagonistin der Story als "Tussi", ein Begriff, den ich abnicken, aufnehmen und noch etwas weiter ausführen möchte. Ich weiß nichts über diese Frau. Sie trinkt gerne Latte macchiato und hat schöne Beine, und das ist alles, was ich über sie im Laufe des Gesprächs erfahre. Mir als Leser drängt sich dabei der Verdacht auf, dass dies auch die interessantesten Charaktermerkmale an ihr sind. Okay, als passiver Katalysator für die wirren Thesen des Künstlers muss sie nicht allzu gut ausgearbeitet sein. Aber irgend sowas wie ein Gefühlsleben, an dem man teilhaben kann, wäre schon was Feines. Denn so, wie sie jetzt ist, langweilt mich dieses oberflächliche Ding.
Und wider erwarten wird dieser Eindruck nicht durch den Twist des Films aufgehoben. Schon klar, in einem Film sieht man das Seelenleben der Helden auch nicht. Aber: Du benutzt auch keine Filmsprache, um die Szene zu erläutern. Kein exaktes Beschreiben der Gesichtsausdrücke oder zögerliche oder nervöse Gesten, die einen Einblick auf den Innenleben ermöglichen würden. Wärst du alleine auf der äußeren Ebene geblieben, wäre das filmische Element besser rübergekommen.
Oder aber, du wärst stärker in das Gefühlsleben eingetaucht, hättest innere Monologe eingebaut, Vorstellungen, Wünsche, wie das Gespräch ausgehen würde, Abschweifungen in Gedanken - ein gezielter Bruch mit der gefilmten Szene also, ein Gegenüberstellen von literaischem und filmischem Erzählen.

So aber gehst du einen Mittelweg, mit kurzen, oberflächlich gehaltenen Einblicken in die Protagonistin, die das Filmische weder betonen noch ihm widersprechen. So wirkt es schlicht wie nicht besser gekonnt, und das tut weh. Erstens, weil es nicht der Wahrheit entspricht. Und zweitens, weil sich niemand gerne von einem Autoren etwas erzählen lässt, von dem er das Gefühl hat, er würde sein Gebiet nicht beherrschen. Daher glaub ich auch dieses Gefühl der Länge, der hier schon erwähnt wurde. Du kannst auch durchaus langatmig schreiben, ohne dass es deshalb langweilig sein würde (Koljas seitenlanger Herzschmerz im Febuew... *träum*). Bei dieser Geschichte aber fällt die Unterscheidung zunehmend schwerer.
 

Chinasky

Dirty old man
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Danke für die klaren Worte! Ich werd's wohl dann doch lieber sein lassen.
 

Kraven

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... es war nicht böse gemeint? :c:
 

Chinasky

Dirty old man
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Nein, ich hab's auch nicht so aufgefaßt. Deine Ausführungen haben mir klar gemacht, daß ich den Text nicht in den den Katalog packen sollte und das werde ich nun auch nicht tun. Mein "Danke" war ernst gemeint, daß es im Tonfall nicht euphorischer rüberkam, mag dem Umstand geschuldet sein, daß Deine Kritik natürlich erstmal weh getan hat. So, wie Kritik immer weh tut, wenn sie begründet ist. ;)
 
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