Ich besitze es seit Mittwoch und habe ungefähr ein Dutzend Läden abgeklappert, bis ich KotoR schliesslich in meinen kleinen gierigen Händen halten konnte.
Mein Ersteindruck: Hervorragend! KotoR scheint so gut zu sein, wie NWN ursprünglich werden sollte. Die Odyssey-Engine (eine Weiterentwicklung der Aurora-Engine) wirkt, was Interface und Kampfsystem betrifft, extrem durchgestylt und ist, was die Grafik angeht, nur als brilliant zu beschreiben. Die Dichte der Atmosphäre und die Qualität der Story inklusive Charakterinteraktion erinnert an BG2 und für denjenigen, der sich als sonst womöglich eher konventioneller RPGer auf das Szenario einlassen kann, drängt sich der Vergleich mit BG auf, welcher in diesem Fall wirklich gerechtfertigt ist.
Die Charakterentwicklung hat sehr grosse Ähnlichkeit mit NWN (das, was mir an NWN am besten gefallen hat) und bietet mehr Möglichkeiten als ich vorher angenommen habe. Man startet entweder als Gauner (Dieb), Späher (Waldläufer) oder Soldat (Kämpfer) und hat später (recht bald) im Spiel die Möglichkeit in einer von drei Jediklassen (eine Art Prestigeklassen) aufzusteigen, die da wären: Jedi-Wächter (Betonung liegt auf Lichtschwertkampf), Jedi-Gesandter (Betonung liegt auf Einsatz der Macht) und Jedi-Hüter (Mittelding der beiden vorherigen Jediklassen). Das klingt jetzt nicht unbedingt so, als wären das viele Auswahlmöglichkeiten. Andererseits ist damit so ziemlich alles abgedeckt, was im Star Wars Szenario überhaupt möglich und dabei sinnvoll ist.
Das Regelsystem (D20) ist bis auf wenige Ausnahmen das gleiche, das man in NWN findet (inklusive Attributen, Klassenskills, Bonustalenten, drei verschiedenen Rettungswürfen usw.). So kann man aus einer Vielzahl von Talenten auswählen. Die Anzahl der Fertigkeiten hingegen ist wesentlich beschränkter, was ich persönlich allerdings eher positiv werte.
Die Macht wirkt in allen Belangen wie Magie in Fantasyrollenspielen. Man muss Machtsprüche allerdings nicht memorieren wie die Zaubersprüche in BG, sondern man erwirbt sie ähnlich wie Talente in mehreren Stufen, wenn man in einer der Jediklassen aufsteigt. Wie oft man diese Sprüche einsetzen kann, hängt von der Anzahl der Machtpunkte ab, die der jeweilige Charakter hat, und deren Gesamtzahl wiederum mit jedem Level in einer der Jediklassen unterschiedlich schnell steigt. Diese Machtpunkte regenerieren sich mit der Zeit.
Der Kampf ist wesentlich spannender und schneller als die Kämpfe in NWN und dazu ansprechender in Szene gesetzt. Kämpfe mit Lichtschwertern sind brilliant choreographiert und sehen schlichtweg atemberaubend aus. Man vergisst dabei beinahe, dass auch KotoR ein rundenbasiertes Kampfsystem hat.
Die deutsche Synchronisation zu beurteilen ist schwer, da ich die Originalversion nicht kenne. Ich würde sie nicht gerade phänomenal nennen, zumindest waren aber bis jetzt keine Schnitzer dabei. Ich persönlich würde die Sprachausgabe als gut bezeichen. Der Sound sonst ist erstklassig und so stimmungsvoll, wie es sich für ein StarWars Spiel gehört.
Die Charakterinteraktion ist eines der Highlights des Spieles. Die Dialoge sind durchweg gelungen, tragen sehr zur Atmosphäre bei und werden ausschliesslich mit dem HC geführt. In beinahe jedem Dialog hat man die Möglichkeit die dunkle oder die helle Seite seines Charakters auszuspielen. Jedes Quest kann man auf ebenso unterschiedliche Art lösen. Je nachdem wie man mit der Welt interagiert bzw. zur hellen oder der dunklen Seite der Macht tendiert, verändert sich das Aussehen des Charakters sowohl im Spiel als auch das Charakterportrait. Ein Pfeil im Charakterscreen zeigt an, wie weit man den beiden Extremen Gut und Böse zugeneigt ist.
Die Mitglieder der Gruppe, mit denen man sich jederzeit unterhalten kann, geben in Dialogen ihren Senf dazu, erzählen in persönlichen Gesprächen nach und nach mehr über sich und ihre Vergangenheit und wachsen einem so mit der Zeit ans Herz. Alle Gefährten (insgesammt 9) müssen allerdings erst einmal gefunden werden bzw. stossen im Lauf der Story automatisch zur Gruppe. Maximal zwei davon dürfen den HC in die meist grossen Areale des Spieles begleiten, der Rest wartet im derzeitigen Unterschlupf (zu dem man über eine Art Shortcut-Funktion der Karte gelangt, die einen nach erneutem Klick wieder ins Szenario zurückbringt) und kann so jederzeit konfortabel eingewechselt werden.
Die Story ist episch und das Star Wars Feeling kommt darin erstklassig rüber. Das Spiel ist zur Abwechslung mal keines, das man an einem Wochenende durchhat, sondern hat eine angenehme Länge, die mit 80(!) Spielstunden veranschlagt ist, wenn man sich um (die gutdesignten) Nebenquests schert.
Allerdings gibt es auch Dinge, die weniger gut gelungen sind. Zum einen wäre da die Steuerung zu nennen, die für den PC nicht optimal umgesetzt ist und massgeblich von der X-Box beeinflusst ist.
Man bewegt den HC oder wahlweise ein anderes Gruppenmitglied mit W, A, S , D. Mit der gedrückten rechten Maustaste dreht man die Kamera horizontal (man sieht seinen Charakter standardmässig von leicht schräg hinten), vertikal ist nicht. Mit dem Cursor markiert und manipuliert man Gegenstände bzw. Lebewesen. Der Charakter kann nur im Tarnmodus gehen, in allen übrigen Situationen rennt er. Waffen kann man auf Tastendruck nicht wegstecken, obwohl man das laut Anleitung können sollte, dazu muss man dann umständlich im Inventar rumfuhrwerken. (Edit: Stimmt nicht mit der X Taste ist das protzen mit einem Lichtsäbel gemeint, falls vorhanden, nicht das wegstecken der Waffe.)
Das Inventar wird trotz diverser Filteroptionen mit der Zeit bzw. Anzahl der Gegenstände unübersichtlich. Den Inhalt von Containern kann man nur vollständig einsacken.
Die Sprachausgabe von Aliens ist viel zu lang für das, was sie sagen, lässt sich aber mit Linksklick abkürzen. Und für jeden Charakter stehen nur drei mögliche Scripts zur Auswahl, einen Scripteditor gibt es nicht. Ausserdem sieht es mit Modding (das bei KotoR nicht gewollt ist und seitens Bioware nicht unterstützt wird) eher schlecht aus, da es keinen Editor wie in NWN gibt und viele dafür essentiell wichtige Files hardcodiert sind.
Die Hardwareanforderungen sind ziemlich hoch, auf meinem 2 GHz Rechner mit 512 MB RAM und einer Radeon 9500 Pro spielt es sich aber auch noch mit einer Auflösung von 1024*768 Pixeln flüssig. Probleme gibt es in der deutschen Version bis dato mit Radeon 9600 (Pro) Karten bzw. Mainboards mit Intel i845 or i850 Chipsatz und 100 MHz FSB.
All diese kleinen Mängel können (und werden höchstwahrscheinlich) allerdings mit einem Patch noch bereinigt werden und sind zumindest für mich nicht so gravierend, da sie den Spielspass nicht nennenswert beeinträchtigen. Dafür ist der Rest einfach viel zu gut. Mein Fazit: Ab heute gibt es endlich einen würdigen Nachfolger von Baldur´s Gate 2.