Mantis
Leicht verdientes Geld
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Er starrte stumpf vor sich, auf den Tresen aus dunklem Holz, auf seinen halbleeren Krug aus eingedelltem Metall, auf die angetrockneten Substanzen verschiedenster Art und Herkunft. Wartete darauf, dass der Alkohol seine Wirkung tat.
Er hasste es zu warten ohne wirklich etwas zu tun zu haben, und er war davon überzeugt, viel zu viel Stil zu haben um sein Getränk einfach hinunterzustürzen. Für das, was er vorhatte, musste er genau das richtige Level erreichen. Nicht zu viel trinken, aber sicher auch nicht zu wenig. Er wartete auf die Euphorie, auf die Ausgelassenheit die sich mit diesem zweiten Krug des dunklen Gebräus sicher bald einstellen würde. Diese Ausgelassenheit, die willkommene Sorglosigkeit galt es abzupassen, bevor der Alkohol ihm die Sinne zu sehr vernebelte, ihn für den Abend außer Gefecht setzte.
Ja’far lehnte sich zurück. Er war stolz darauf, sich selbst einen erfahrenen Trinker nennen zu können, der genau wusste, wo seine Grenzen lagen, weil er sie bei zahllosen Gelegenheiten stets aufs Neue ausgetestet hatte.
Und heute Abend hatte er seine Selbstkenntnis nötiger denn je.
An einem Tisch ganz in der Nähe grölte eine Gruppe Matrosen, vielleicht sangen sie, vielleicht stritten sie auch – so genau konnte man das bei denen nie wissen.
Er schloss die Augen, versuchte seine Umgebung auszublenden, zu vergessen... zu vergessen, warum er hier war und sich Mut antrinken musste, doch es gelang ihm nicht. Die anderen Schänkengäste belästigten seine feinen Elfensinne weiterhin mit ihrem Lärm und ihren Ausdünstungen, und der Auftrag lauerte noch immer raubtiergleich in seinen Gedanken, verhöhnte ihn.
Was hatte er sich dabei gedacht, diese Arbeit anzunehmen? Er war sich durchaus bewusst gewesen, dass sie seine Fähigkeiten überstieg, aber wie schon so oft war seine Zunge schneller gewesen als seine Vernunft.
Doch die Bezahlung war gut, und sein Ruf war ihm zu diesem Zeitpunkt wichtiger als sein körperliches Wohlergehen. Er konnte sich keinen Rückzieher erlauben – ein furchtsamer Monsterjäger, wo in den Reichen gab es so etwas?
Ja’far grinste freudlos. Er, der Bezwinger der großen Kreischlingsplage von Beregost von 1349, würde sicher nicht als der Erste Feige Exterminator von Faerûn in die Geschichte eingehen, nein, er nicht!
Nein, es musste getan werden: Heute Nacht würde er in den Keller des vermaledeiten Lagerhauses hinabsteigen und die Ungezieferplage aus der Welt schaffen, ob es ihm gefiel oder nicht.
Die plötzliche Stille in der Taverne unterbrach seinen Gedankengang wirksamer als die akustische Hintergrundkulisse zuvor es zu tun vermocht hatte. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können – stattdessen hörte man ein Glas auf dem schmutzigen Flur zerschellen.
Ja’far war sich seiner eigenen Atmung unangenehm bewusst, sie klang für ihn unnatürlich laut und schwergängig, jetzt, da all der Lärm verschwunden war.
Seine Augen taten es denen der anderen Schänkengäste gleich und wandten sich zur Tür.
Dort stand ein Drow. Er stand einfach nur da, abwartend seine Umgebung betrachtend. Ja’far wusste, dass der Dunkelelf ein paar Sekunden benötigen würde, um sich an den Fackelschein in der Taverne zu gewöhnen, und ihm war klar, dass jetzt der perfekte Moment für einen Defensivangriff war.
Doch er rührte sich nicht, und hatte – im Gegensatz zu einigen Menschen – auch nicht seine Hand auf den Griff seiner Waffe gelegt.
Ihm war klar, was es zu bedeuten hatte, wenn ein einzelner Drow eine Taverne in einer Menschenstadt betrat, ohne dabei seine Waffen zu ziehen oder einen Zauber zu wirken. Auch er hatte die Geschichten von Drizzt do’Urden gehört, auch wenn er den berühmten Dunkelelfen noch nie persönlich getroffen hatte. Die Rechtschaffenheit und Moral des Drow im Exil waren mindestens ebenso legendär wie seine Kampfkraft.
Das schien auch den verschreckten Humanoiden in der Taverne langsam wieder einzufallen. Sie drehten sich wieder um, auch wenn keiner es wagte dem Drow den Rücken zuzuwenden, und nahmen ihre jeweiligen Gespräche wieder auf.
Innerhalb weniger Sekunden war es, als wäre nichts geschehen, und der Klangteppich hüllte die Schänke wieder ein.
Der Drow ging zum Tresen, langsam, darauf bedacht, keine ruckartigen Bewegungen zu machen. Er bewegte sich auf dem zögerlichen Vertrauen der Menschen wie auf dünnem Eis, und schien erleichtert zu sein, als er schließlich am Tresen angekommen war und sich setzte.
Ja’far konnte sehen, dass sich unter der verschlissenen Rüstung und der zerrissenen Kleidung des Dunkelelfen ein trainierter Körper befand. Seine Bewegungen waren präzise, mühelos, der Gang der eines Akrobaten oder geschickten Kämpfers. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass der Neuankömmling mit den Waffen an seinem Gürtel umzugehen wusste.
Durch den leichten Alkoholdunst dämmerte Ja’far, dass sich soeben eine einmalige Chance neben ihn gesetzt hatte.
Und eine solche Chance sollte man nicht einfach so verstreichen lassen.
Ja’far gab dem Wirt ein Zeichen, und nickte dem Dunkelelfen freundlich zu, als dieser sein Freigetränk auf Ja’fars Kosten entgegennahm.
„
Bel’la dos, abbil. Ich danke Euch.“, sagte der Drow und neigte leicht den Kopf in Ja’fars Richtung, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
„Oh, das ist nicht der Rede wert.“, erwiderte Ja’far.
Das ging ja leichter als gedacht.
Alles weitere ging beinahe wie von selbst.
Ja’far war selbst überrascht, wie leicht es ihm fiel, den anderen von seiner Sache zu überzeugen.
Er stellte sich dem Drow nach allen Regeln der Höflichkeit vor, und machte sich selbst nur ein klitzekleines bisschen berühmter als er tatsächlich war. Er war wirklich in den wichtigen Kreisen vieler Städte der Schwertküste bekannt, doch eher durch die Kontakte seiner Freunde als wegen eigener Verdienste.
Dennoch – er war sich sicher, dass seine Vorstellung den Dunkelelfen beeindruckt hatte. Und als er ihm schließlich sein Anliegen vortrug, war es eine reine Formalität nach seiner Zustimmung zu fragen. Der Drow konnte dieses Angebot unmöglich ausschlagen, nicht bei diesen Aussichten, nicht in seiner Position.
Mehrere hundert Goldmünzen für das Beseitigen übergroßen Ungeziefers aus dem Keller eines Lagerhauses, eine großzügige Belohnung für einen so einfachen Auftrag, die sie natürlich zu gleichen Teilen unter sich aufteilen würden.
Auch vom Auftraggeber erzählte er; der Besitzer des Lagerhauses war ein reicher Händler mit vielen Verbindungen, der sicher noch mehr Aufträge für sie haben würde, wenn sie diesen einen erst einmal zu seiner Zufriedenheit ausgeführt hatten. Dieses Mal übertrieb er nicht einmal: Macht und Reichtum des Herren von Silbertal waren in der umliegenden Region unerreicht – auch deshalb musste dieser Auftrag so schnell wie möglich ausgeführt werden.
Mehr musste sein neuer Verbündeter nicht wissen.
Ja’far erwähnte die genaue Summe nicht. Er war sich sicher, dass der Dunkelelf – der sich ihm als Shynzar Veldriss vorgestellt hatte und sich unsicher durch die Gemeinsprache manövrierte – die Verhandlungen mit seinem Auftraggeber nicht verstehen würde. So konnte er den größten Teil des Goldes für sich behalten, ohne dass der stets lächelnde Dunkelelf etwas davon bemerken würde.
Was er nicht weiß...
Moralisch verwerflich fand Ja’far das nicht – schließlich hatte er den Auftrag besorgt, obwohl nach seinem Plan Shynzar den größten Teil der Arbeit erledigen würde. Aber ohne ihn, Ja’far, hätte der Drow nicht einmal gewusst, dass es einen Auftrag
gab. Also konnte man das, was er vor hatte, bei Weitem nicht Betrug nennen – im Gegenteil, er tat dem heruntergekommenen Drowkrieger einen großen Gefallen.
Ja’far lächelte zufrieden. Manchmal hatte er wirklich mehr Glück als Verstand.
„Wenn Ihr ausgetrunken habt, folgt mir. Es ist nicht weit.“
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Ja’far fühlte, wie die Euphorie mit jedem Schritt weiter hinter ihm zurück blieb, und die blanke Angst zurückkehrte, die er bis jetzt so sorgfältig in einem unbesuchten Winkel seiner Gedanken gehalten hatte. Jetzt ärgerte er sich darüber, dass er voraus gegangen war.
Zwar konnte er – wie alle seiner Art – relativ gut im Dunkeln sehen, doch er bevorzugte das Sonnenlicht gegenüber dem Zwielicht, das in dem Keller unter dem Lagerhaus herrschte. Die schlechten Sichtverhältnisse bedeuteten auch, dass er sich mehr auf seine Ohren verlassen musste, und schon jetzt hatte er den Eindruck, dass es überall um ihn her raschelte, klackerte, zischte. Sein Vorstellungsvermögen war eine unheilige Allianz mit seiner Angst und seinen überspannten Nerven eingegangen, und ließ ihn Dinge hören, wo nichts war. Oder doch?
Er sah sich um, wollte sich vergewissern, dass der Drow ihm noch folgte. Shynzars Augen blitzten spöttisch in der Dunkelheit. „
Nindyn vel’uss kyorl nind ratha thalra elyhinn dal lil alust, mein vorsichtiger Verbündeter. Sorgt Euch nicht um Euren Rücken, ich bin direkt hinter Euch.“
Vielleicht ist das auch das Problem, dachte Ja’far, der sich auf einmal gar nicht mehr so sicher war, wieso er dem Drow eigentlich vertraute.
Doch er hatte keine Wahl, und jetzt waren sie schon beinahe am Ziel.
Denk’ einfach an Drizzt, du Dummkopf. So anders kann der Einzelgänger hier doch auch nicht sein. Und selbst wenn er wollte – wer von denen würde es denn wagen, den neuen
Ruf der Drow an der Oberfläche durch den Dreck zu ziehen? Denk’ nicht an ihn. Denk’ an deinen Ruf, denk’ an das Geld.
Das Geld... und was er damit bewerkstelligen würde. Ja’far hatte keinen Zweifel daran, dass sein lächelnder Partner seinen Anteil in neue Waffen oder eine bessere Rüstung investieren würde. Egoistische, materielle Dinge. Anders als er selbst, der er jede einzelne Kupfermünze daran setzen würde, seine geliebte Elena zu finden. Ihren Namen aus dem Mund eines alten Feindes zu hören, hatte ihm schwerer zugesetzt als er sich eingestehen wollte. Er machte sich Sorgen. Seit seiner missglückten Entführung vor einem Zehntag war es ihm nicht gelungen, mit der Elfin Kontakt aufzunehmen, geschweige denn dass er Nachricht von ihr erhalten hätte.
Er verfügte nicht über die nötigen Fähigkeiten um verschwundene Personen aufzuspüren, doch er hatte von einer Sukkubus gehört, die auf diesem Gebiet wahre Wunderwerke vollbringen konnte – vorausgesetzt, man stellte ihr ausreichend Gold zur Verfügung. Nun, dieses unbedeutende finanzielle Hindernis würde er mit Hilfe dieses Auftrags schon bald überwunden haben, und dann konnte es nicht mehr lange dauern, bis er wieder mit seiner Liebsten vereint war.
Bald...
„
Kyone!“
Die hastig geflüsterte Warnung des Drow riss ihn aus seinen Gedanken. Auch wenn er die Sprache der Dunkelelfen nicht verstand, Ja’far konnte sich gut vorstellen, was der andere von ihm wollte. Er hielt inne, spähte in die Dunkelheit, konzentrierte sich auf alle Geräusche um ihn her.
Jetzt fiel es ihm auch auf. Ein leichtes Klicken auf dem Steinboden, das sich ihnen näherte. Und nicht nur aus einer Richtung.
Vorsichtig, darauf bedacht kein Geräusch zu machen, hob Ja’far seine rechte Hand zu seinem Köcher, fand einen Pfeil, und legte ihn an die Sehne. Langsam hob er den Bogen und spannte die Sehne, die Pfeilspitze auf das geduckte Geschöpf gerichtet, das ganz in seiner Nähe durch die Dunkelheit in seine Richtung krabbelte. Und hielt inne, als er – gerade noch rechtzeitig – bemerkte, dass der Pfeil im vordersten Drittel abgeknickt war, zerbrochen, unbrauchbar.
„Verflucht!“
Er ließ den Pfeil fallen, griff wieder in den Köcher, fand einen zweiten Pfeil – oder das, was davon übrig geblieben war: kaum mehr als das befiederte Endstück.
Ihm kam der Gedanke, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, den Köcher als Knüppel zu benutzen.
Doch zum Bereuen blieb ihm keine Zeit: schon war die erste Spinne bei ihm, ihre beiden vordersten Beine nach ihm ausgestreckt als wollte sie ihn lediglich berühren, streicheln. Ja’far schrie auf und schlug mit dem Bogen nach ihr, doch die Kreatur wich ihm mit Leichtigkeit aus.
Spinnen. Er hasste diese elenden, giftigen Biester, egal, in welcher Größe und Ausführung sie ihm über den Weg liefen. Nein,
nicht egal – je größer sie wurden, desto schlimmer die Begegnung.
Das war auch der Grund gewesen, warum er diese Queste so lange wie möglich herausgezögert hatte – auch wenn die Giftigkeit der Kreaturen und die unterirdische Lage des Kellerraums sicher auch einiges dazu beigetragen hatte. Wer wusste schließlich, was in solchen subterranen Gewölben noch so alles lauern konnte?
Ja’far zog sein Schwert, und brachte mehr Distanz zwischen sich und die Spinne, deren Mandibeln mit grünlich glänzendem Geifer bedeckt waren. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Aus den Augenwinkeln sah er Shynzar, der unbeweglich auf der Treppe stehen geblieben war, die Augen weit aufgerissen. Ja’far konnte seine Gesichtszüge in der Dunkelheit und auf die Schnelle nicht ausmachen, doch seine Augen sprachen von Erstaunen – und... Schrecken?
Arachnophobie?
„Was tut Ihr da?
Helft mir!“
Doch der Drow rührte sich nicht. Zwar lagen seine Schwerter in seinen Händen, aber ihre Spitzen zeigten zu Boden, weder zur Verteidigung noch zum Angriff erhoben.
Was sich erhob, war seine Stimme. Gerade laut genug, um Ja’far zu erreichen, auch wenn dieser nicht sicher war, ob der Drow die Worte an ihn richtete, oder eher an sich selbst.
„Sakrileg! Was Ihr tut, was Ihr von mir verlangt, ist ein Sakrileg!
Og’elendar! Spinnen sind heilig, sie stehen hoch in Lolths Gunst! Sie zu töten, zu verletzen, auch nur zu stören würde bedeuten, den ewigen Zorn der Gottheit und ihrer Priesterinnen auf sich zu ziehen!“
Drow. Unterreich. Spinnen. Wie hatte er das vergessen können?
„Was kann Euch das scheren? Ihr seid an der Oberfläche... oder zumindest direkt
unter der Oberfläche!“, schrie Ja’far, und schaffte es tatsächlich, die Spinne am Kopf zu verwunden, wobei er die Augen nur knapp verfehlte.
Er nahm wahr, wie hinter ihm Shynzar zusammenzuckte, als habe der Schlag ihn selbst getroffen und nicht die widerwärtige Kreatur.
„Bei allen Göttern! Du hast Dich doch von den Wegen der Drow losgesagt! Worauf wartest Du noch? Du bist frei! Besiegle Deine Freiheit!“
„Frei...“, wiederholte Shynzar, langsam, als fühle das Wort sich fremd an auf seiner Zunge.
„Ich bin frei...“
Mit einem Satz sprang er von der Treppe und durchbohrte mit seinem Langschwert den Schädel der Kreatur die Ja’far bereits verwundet hatte, während sein Kurzschwert zwei Beine einer anderen Spinne abtrennte, die sich dem Elfen von hinten genähert hatte.
Ja’far musste sich zwingen, dem Dunkelelf nicht mit den Augen zu folgen als dieser tiefer in das Kellergewölbe vordrang, die Spinnen vor sich her treibend, so fasziniert war er von der tödlichen Eleganz, mit der Shynzar sich bewegte.
Doch auch sein eigener Kampf war noch nicht vorbei, und er würde seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit von ihm verlangen. Und obwohl er sich auf die Spinnen vor ihm konzentrierte und versuchte, alle anderen Sinneseindrücke auszublenden die nicht mit seinem eigenen Überleben zu tun hatten, war es ihm, als höre er durch die Kampfgeräusche hindurch den Dunkelelfen lachen. Ein wahnsinniges, ungehemmtes Lachen, das ihn vielleicht beunruhigt hätte, wäre der Drow nicht auf seiner Seite gewesen, und hätte er selbst nicht genug mit seinen eigenen Gegnern zu tun gehabt.
Ja’far wich weiter zurück, tiefer in die Dunkelheit des Kellers hinein. Drei Spinnen, die der wütenden Attacke Shynzars entkommen waren, umzingelten ihn, trieben ihn weiter. Wie sehr er sich seinen Bogen und ein paar Pfeile zurückwünschte! Es war schwierig, mit seinem kurzen Schwert einen Treffer gegen die (zum Glück!) gerade mal hüfthohen Kreaturen zu landen, denn sobald er zum Angriff gegen eine der drei ansetzte, gab er den beiden anderen die Chance zum Gegenangriff.
Also weiter zurückweichen, und hoffen, dass die Spinnen ihrerseits einen unachtsamen Angriff unternahmen – oder dass Shynzar rechtzeitig mit seinem Anteil der Spinnenplage fertig wurde.
Doch dann geschah es. Ein Schritt zur Seite wurde ihm zum Verhängnis; er blieb an einem großen, weichen Gegenstand hängen der auf dem Boden lag, und fiel der Länge nach hin.
Sofort war eine Spinne über ihm, und biss ihn in den linken Arm, den er reflexartig zum Schutz vor sein Gesicht gehoben hatte.
Schmerz durchfuhr ihn, doch hier war die Chance, auf die er gewartet hatte. Mit all seiner Kraft und aller Wut die er in sich fand, rammte er das Kurzschwert tief in den Körper der Kreatur, drehte die Klinge in ihren Eingeweiden, und ruckte das Schwert ein gutes Stück in seine Richtung.
Eine weniger, dachte er mit grimmiger Zufriedenheit, denn er war sehr sicher, dass das, was nun seine einstmals dunkelrote Lederrüstung bedeckte, lebenswichtig für die Spinne gewesen war.
Doch ihm blieb keine Zeit, sich länger über einen besiegten Gegner zu freuen – zwei weitere trachteten nach seinem Leben.
Ja’far absolvierte eine Rückwärtsrolle und nutzte den Schwung aus um wieder auf die Füße zu kommen. Sofort fühlte er etwas klebriges an seinem Rücken, seinen Haaren und seiner linken Hand. Er probierte, einen Schritt nach vorne zu gehen, doch es war, als hielte ihn jemand fest. Auch seine Hand war unbrauchbar geworden, hing wie festgeklebt an einer weißen Substanz die beinahe den gesamten Flur hinter ihm überspannte.
Netze. Natürlich. Er hätte sich erinnern müssen, dass es noch einige weitere gute Gründe gab, warum er diese Biester so verabscheute.
Wenigstens sein Schwertarm war noch frei, und so gelang es ihm, die Angriffe der beiden anderen Spinnen zu parieren, während er gegen die Panik und eine plötzliche Übelkeit kämpfte.
Konnte es sein, dass er so schnelle Rollen einfach nicht mehr vertrug? Es war schon eine Weile her gewesen, dass er seine rudimentären Akrobatikfähigkeiten hatte anwenden müssen, vielleicht war er aus der Form gekommen... Oder aber...
Gift.
Eine neue Welle der Übelkeit drohte ihn zusammen mit dieser Erkenntnis zu überwältigen, doch er kämpfte dagegen an.
Nicht aufgeben, Ja’far. Halte durch, bleib wach, verteidige dich!
Er zwang sich, das Schwert wieder und wieder zur Parade zu heben, doch er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er einen Fehler machte, oder, schlimmer noch, bis sein Arm ermüdete.
Die Welt begann vor seinen Augen zu verschwimmen, und er musste all seine Willenskraft mobilisieren, um seine Konzentration aufrechtzuerhalten, um den Arm nicht sinken zu lassen, der mit jeder Sekunde schwerer wurde.
Es dauerte eine Weile, bis ihm auffiel, dass er ins Leere schlug, dass schon längst keine Spinnenbeine und Mandibeln mehr nach ihm schlugen und schnappten.
Es war vorbei. Er war gerettet.
Ja’far dachte schon gar nicht mehr an die Belohnung, auch nicht mehr an Elena.
Er wollte einfach nur noch aus diesem finsteren Kellerloch raus, sich hinlegen und schlafen, lange, vielleicht ein paar Tage. Dann würde er weitersehen.
Aber erst einmal musste er hier raus, zu einem Heiler.
Es war das Gift, das ihn so schläfrig machte, das wusste er.
„Schhinsssar... Bis’ Du das? Hilf mir hier mal, ich komm’ hier nich’ mehr raus..“, murmelte er zu der Gestalt, die vor ihm zwischen den Kadavern der Riesenspinnen aufragte.
Er spürte den Blick des Dunkelelfen auf sich, als dieser ihn lange Zeit musterte, viel länger als ihm angenehm war.
Er spürte den leichten Luftzug, als Shynzar sich in Bewegung setzte, und er hörte die Schritte des Elfen, leise, aber hörbar, die sich von ihm weg bewegten.
In Richtung der Treppe.
Die Treppe hinauf.
Er hörte, wie die Schritte innehielten.
Die dunkle Stimme des anderen, ein einziges Wort.
„
Aluve’.“
Und die schwere Kellertür, die hinter dem Dunkelelfen ins Schloss fiel.
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