[Limbo - Runde II] Zelon Engelherz / Kraven

Wer hat die bessere Geschichte geschrieben?

  • Zelon Engelherz

    Stimmen: 3 37,5%
  • Kraven

    Stimmen: 5 62,5%

  • Umfrageteilnehmer
    8
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Enigma

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Viel Vergnügen! :)

 
 

Enigma

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Zelon Engelherz

Die Schwellungen in seinem Gesicht hörten schon nach vergleichsweise kurzer Zeit auf zu schmerzen.
Scheinbar verlor die liebende Hand seines Alten zunehmend an Kraft, je mehr das Zittern zunahm.
Calar fand den Gedanken gar nicht so übel.

Die Arme hinter dem Kopf verschränkt und auf dem flachen Dach des Hauses liegend, blickte der Zehnjährige hinauf in blauen Himmel von Atkatla, wo die Möwen kreisten und ihr schrecklich schiefes Lied sangen, während unter ihm das Leben tobte und die restlichen Zweibeiner wie die Ameisen (Calar fühlte sich immer besonders clever, wenn er diesen Vergleich anstellte) ihr Tagwerk verrichteten.

Der Junge war sich bewusst, dass er ebenfalls wieder zu einem Teil des Ameisenstaates wurde, sobald er das Dach verließ und sich damit vom Himmel entfernte, der ihn derzeit so wundervoll vom Rest der öden Welt am Erdboden abgrenzte.

Wie immer missfiel ihm dieser Gedanke und wie immer versuchte sein geschulter Verstand eine Lösung für dieses Problem zu finden.

Und wie immer versaute Aylfred alles, indem er laut die Treppe nach oben polterte und den zwei Jahre älteren Jungen kurz vor der Lösung dieses Problems aus seinen Gedanken riss.

,,Hey Cal!“

Calar hasste es, wenn man ihn so nannte, denn so hieß auch die Lieblingshure seines Alten, der es sich auch nicht nehmen ließ, diesen Scherz ab und an zu machen und mit den Worten ,,mein kleiner Hurensohn“ abzuschließen und sich dabei unglaublich komisch vorkam („Blöder Sack'').
Jeden anderen hätte er dafür zusammengeschlagen (das konnte er sehr gut), doch aus irgendeinen Grund ließ er den Waisenjungen damit immer durchkommen.

Vielleicht lag es daran, dass der Halb-Drow sein einziger (richtiger) Freund war.

Eventuell war es auch der Fakt, dass der kleine Pimpf sich trotz seiner großen Klappe nicht selbst verteidigen konnte und er, Calar, sich seit dem Vorfall mit einem der anderen Kinder aus Aylfreds Waisenhaus (Sarevok oder so) dazu berufen fühlte, den anderen Jungen vor miesen Schlägertypen, also Leuten wie Calar selbst, zu beschützen.

Oder Aylfred war einfach der kleine Bruder, den er nie hatte und nie bekommen würde, da seine Mutter verstorben war.

Er drehte sich zu Aylfred um, der triumphierend eine Flasche Hochprozentigen in seiner Rechten hin und her schwang und den wahrscheinlichsten Grund für seine Duldung durch Calar aufzeigte.

Der Halb-Drow kam immer an das härteste Zeug, da der alte Seidon ihn gerne auf seinem Schoß sitzen ließ und ihn dann verschämt (warum auch immer) mit einer gefüllten Flasche wieder fortjagte.

Alyfred reichte ihm die Flasche und mithilfe von Calars Messer, das er sich von seinem Alten ,,geliehen“ hatte, entkorkten sie diese und wechselten sich von da an ab. Calar nahm dabei die größeren Schlücke, da er im Gegensatz zu Aylfred viel mehr vertrug, der dafür jedoch viel besser im Weitspucken war, als der ältere Junge.

Sie schwiegen zunächst, tranken, spuckten und blickten, dicht nebeneinander sitzend, mal nach oben zum Himmel, wo die Möwen immer noch ihre Kreise zogen und sangen, mal zum Boden, wo die Ameisen weiterhin fleißig durch die Straßen der Stadt wuselten und taten, was Ameisen eben so tun.

,,Cal?''

Heute war es Aylfred, der mit dem Reden anfing.

,,Hmm?''

,,Da ist seit neustem ein Zirkus in der Stadt, habe ich gehört und ich dachte...''

,,Wir haben kein Geld, Ayl, und ich verprügle die Kleinen dafür nicht mehr.''

Davon abgesehen, dass die eh kein Geld mehr hatten und die älteren Jungs ihn ebenfalls mit ihren Fäusten bekannt machten, wenn er in ihren Gebiet wildern ging.

Aylfred schüttelte den Kopf.

,,Davon rede ich doch gar nicht. Ich meine was anderes...''

,,Nämlich?''

Da er die Flasche hatte, nahm der Halb-Drow nun seinen Schluck, einen erstaunlich großen dieses Mal und blickte, nachdem er nervös auf seiner Unterlippe herumgekaut hatte, Calar ernst an.

,,Wir könnten uns ihnen anschließen und dann als Schausteller mit ihnen durch die Gegend ziehen.''

Schweigen.

,,Gib mir die Flasche, Ayl.“

,,Ach, komm schon Cal! Was sollen wir denn sonst machen? Bei unserem Glück wirst du wie dein Alter und schlägst weiterhin Leute für Geld zusammen und ich gehe anschaffen...“

,,Du weißt doch gar nicht, was das heißt...“

,,Du doch auch nicht! Aber es kann nichts gutes sein, so wie Rose es mir erzählt und sie sieht immer sehr müde dabei aus und ...und das meiste Geld gehört dann eh den Schattendieben!“

Das war allerdings ein guter Punkt.
Calar verzog nachdenklich das Gesicht und seine Stirn legte sich in Falten.
Dagegen fiel ihm kein gutes Gegenargument und das machte ihn ein wenig wütend.

,,Mag sein, aber warum glaubst du, dass es da draußen besser sein wird? Hier in Atkatla fällst du nicht weiter auf, aber auf dem Land, sagt mein Alter immer...“

,,Alles ist besser als die Slums, Cal!“

Aylfred war aufgesprungen, seine Wangen waren gerötet und er hatte wieder diesen Ausdruck im Gesicht, der deutlich machte, dass ihn seine Idee wirklich begeisterte.
Zum Glück verschüttete er nichts aus der Flasche.

,,Ich sehe es vor mir, nur du und ich! Zwei Freunde, gemeinsam vereint...''

Er hatte mal wieder diesen Tieflingspinner gelauscht. Ha-Er irgendwie.

,,...und dann geben wir uns richtig toll klingende Namen und werden berühmt. Ich weiß schon wie ich mich nenne, nämlich Drazil de Drazilius...''

,,Das ist der dämlichste Name, den ich jemals gehört habe.''

,,Ach, du hast doch keine Ahnung! Jeder wird mich kennen und von der Zirkusmanege wird es mich zum Theater führen, da alle erkennen werden, was für ein guter Schauspieler ich bin und alle werden mich lieben und jeder wird sagen „dass da oben ist mein Freund Drazil, ich habe ja immer gewusst, dass er was besonderes ist“ und dann werden alle klatschen und niemand im Waisenhaus wird mich mehr hänseln und meine Mama wird endlich kommen...''

Ayl hielt inne und blickte eine Weile in die Leere. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Begeisterung zu Verzweiflung, von einem Augenblick auf den nächsten ließ er sich auf den Hosenboden plumpsen (und schaffte es erneut wie durch ein Wunder nichts zu verschütten) und begann zu weinen.

Cal verzog keine Miene, er kannte das alles schließlich schon, rückte selbst an den Jüngeren heran und legte ihm einen Arm um die Schulter.

,,Gib mir die Flasche, Ayl.''

Aylfred gehorchte und Calar nahm einen letzten, großen Schluck.
Kurz darauf warf er die Flasche über das Dach.
Ihm war es egal, ob er damit jemanden traf. Der Gedanke gefiel ihn sogar sehr gut.
Er grinste still in sich hinein, während der andere Junge sich weiterhin an seiner Schulter ausweinte.
Doch diesmal hörte er nicht auf und das rührte etwas in ihm, von dem er gehofft hatte, dass es schon lange tot war.
Calar seufzte.

,,Da draußen gibt es nichts für uns, Ayl.''

Aylfreds Weinen verstummte und sah man vom gelegentlichen Nase hochziehen ab, schien er stumm den Worten seines älteren Freundes zu lauschen.
Dieser setzte dann auch fort.

,,Wir sind wie die da unten, alles nur blöde Ameisen und wie bei allen blöden Ameisen wird unser blödes Leben gleich verlaufen.
Blöd, langweilig, beschissen.
Wir können nur dafür sorgen, dass wir uns nicht von allen Ameisen rumschubsen lassen und müssen uns die rauspicken, die noch schwächer sind als wir oder es irgendwie schaffen bei den stärkeren Ameisen einzusteigen, damit wir zumindest etwas zu essen haben und wenigstens ab und an mal wirklich mächtig sind.''

Zumindest diese Lektion hatte ihn sein versoffener Alter sehr gut eingebläut.
Manchmal auch mit der Rute, wenn er besonders mies drauf war.

Aylfred zog derweil noch einmal die Nase hoch und anschließend schauten beide wieder auf die Welt unter ihnen, jeder mit seinen eigenen Emotionen bezüglich dieser (in Calars Fall setzten sich diese Gefühle zu Gänze aus Wut und Hass zusammen).
Dann war es wieder an dem Halb-Drow zu sprechen.

,,Es muss mehr geben, als nur das, Cal ...''

Calar lag bereits eine Erwiderung darauf auf der Zunge.

,,...denn wie sonst kannst du es dir erklären, dass es so viele Leute auf der Welt gibt und dass die auch irgendwie scheinbar ihr Glück gefunden haben oder es zumindest versuchen?''

Aylfred verstummte und auch Calar schwieg.

Das Schweigen setzte sich fort und endete auch nicht als die Sonne unterging und beide sich daran machten nach Hause zu gehen. Aylfred um sich eine Strafpredigt von Mutter Lara anzuhören und vielleicht noch eine warme Mahlzeit zu erhalten, Calar um von seinem Vater erwartet zu werden und sich einen Satz heißer Ohren einzufangen.

Beide wussten nicht, dass dies ihr letztes Treffen sein sollte.

*

Am darauf folgenden Tag trafen sie sich nicht, da Calar am Abend seinen Vater, der noch betrunkener als sonst war, mit seinem eigenen Streitkolben bekannt machte und von einer Gruppe Schattendiebe (die noch eine Rechnung mit seinem Alten offen hatten, wie man ihn später erklärte) gefunden und vor lauter Ratlosigkeit zu ihren Anführer gebracht wurde.
Renal Blutskalp, eben jener Anführer, schien die Geschichte zu amüsieren und aus einer Laune heraus machte er den Jungen zum jüngsten Anwärter der Schattendiebe, was die nächsten zwei Jahre Küchendienst und jeden Tag zwei warme Mahlzeiten bedeutete.

Sobald es ihn erlaubt war, machte sich Calar auf die Suche nach Aylfred, damit sie gemeinsam das kleine Paradies betreten konnten, dessen Tore er sich mit dem Tod seines Vaters geöffnet hatten.

Doch Aylfred war nicht aufzufinden, ebenso wenig wie der Zirkus.

Calars Wut (vielleicht sogar ein kleines bisschen Trauer) brauchte lange um zu verrauchen, aber seine Arbeit half ihm dabei sich abzulenken.

Es galt viele Kinder zu Waisen zu machen, Frauen zu Witwen und manchmal mussten sie alle gleichzeitig dran glauben.
Im tiefsten Winkel seines Gedächtnisses erinnerte er sich jedoch immer noch an den kleinen Jungen, der ihn fragte, ob es nicht doch mehr auf dieser Welt gab, auch für sie, als das deprimierende Jammertal, in dem sie aufgewachsen waren.

Und auch wenn Calar die Antwort kannte, so beschäftigte ihn diese Frage doch immer wieder zwischen den Aufträgen, in denen er Leuten den Schädel einschlug oder sie in Fässern mit Hochprozentigen ertränkte und diese anschließend anzündete (was Renal immer laut zum lachen brachte, wenn er es ihm in der Nachbesprechung erzählte).

Manchmal kehrte er doch an ihren Treffpunkt zurück und wartete oftmals die ganze Nacht.

Aylfred kam nie, sodass Calar immer zurückblieb.
 

Enigma

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Kraven

Die Stadt begann zu leuchten, als die Nacht über sie herein brach. Stern für Stern erstrahlte zwischen den irdenen Gebäuden, zwischen den Tempeln, den Palästen des Adels, Waukeens Promenade; sie alle wurden umkämmt von eifrigen Laternenwächtern, die, stets ihr kleines Lichte mit sich tragend, von Laterne zu Laterne gingen, um diese, so sie erloschen, neu zu entzünden. So erstrahlten diese edlen Gebiete der Stadt auch des nachts in majestätischem Glanze, auf dass ihre Bewohner sicher und behütet durch die von Akazien gesäumten Alleen wandeln und sich am süßlich schweren Duft der Rosen unter dem klaren Sternenhimmel erfreuen konnten.
Die Slumbewohner hingegen – ob sie lebten oder krepierten, interessierte kein Schwein, weswegen es hier in einer mondlosen Nacht dunkler war als im jungfräulichen Arsch einer minderjährigen Tempeldienerin.
Meistens roch es auch so ähnlich.
Diejenigen, die sich hier nachts raustrauten, waren entweder Selbstmörder, verzweifelt, oder von der tiefen Überzeugung beseelt, die gefährlichsten Raubtiere in dieser Ecke der Slums zu sein. Manche von ihnen behielten Recht. Andere mussten herausfinden, dass jemand anderes der gleichen Meinung und den entscheidenden Sekundenbruchteil schneller gewesen war, um diese Position zu verteidigen. Der Kampf um die Spitze der Nahrungskette wurde hier jede Nacht aufs Neue ausgetragen.

Gegen eine Hauswand lehnend, dabei immer wieder einen Blick zur löchrigen Wolkendecke über sich werfend, versuchte Calar, die Zeit totzuschlagen. Allzu gut klappte das nicht: die paar Sterne, die zu sehen waren, fügten sich nur höchst widerwillig zu irgendwelchen Bildern zusammen, und er hatte sie in letzter Zeit ein paar Mal zu oft gesehen, um ihnen noch eine wie auch immer geartete Faszination abgewinnen zu können.
Einer der Händler nördlich der Krone, Diego, hatte lange Zeit ein gutes Geschäft damit gemacht, exotische Zeichnungen von exotischen Frauen feilzubieten, die diese bei einer Reihe höchst fantasievoller Tätigkeiten darstellten. Das wäre natürlich eine der angenehmeren Möglichkeiten gewesen, sich das Warten erträglicher zu gestalten, aber dummerweise hatte vor etwa einem Monat eine Gruppe fanatischer Rius-Anhänger von dem Laden erfahren und ihn mitsamt aller Zeichnungen, sowie Diego höchstpersönlich, in Brand gesteckt.
Naja. Bei den gegebenen Lichtverhältnissen hätte man dem billigen Pergament sowieso nicht viel entnehmen können.
Calar seufzte, spuckte Tabaksaft auf den Boden, und wartete. Die Gasse, die er sich ausgesucht hatte, war recht versteckt und nur über eine Reihe von Umwegen zu erreichen, die für sich genommen schon schwer genug zu finden waren, und sie war zusätzlich derart dunkel und verwinkelt, dass niemand, der seine fünf Sinne beisammen hatte, freiwillig durch sie hindurchgegangen wäre. Natürlich hatte sich das bei den Dieben und Schlägern, die sie kannten, herumgesprochen, so dass sie gar nicht erst ihre Zeit damit verschwendeten, hier irgendjemandem aufzulauern.
Somit war sie letzten Endes eine der sichersten Ecken der Slums.
Auf einen der Leute, die das wussten, wartete Calar, aber Rejor ließ sich Zeit.
Verwettete wohl mal wieder die Jungfräulichkeit seiner Tochter.

Calar merkte auf, als er schnelle Schritte sich nähern hörte. Jemand rannte durch die Hütte, deren Hintereingang in die Gasse führte, und es war nicht Rejor. Der Halbling humpelte.
Glas barst, als ein schwarzer Schemen durch das Fenster der Hütte hechtete. Die Gestalt rollte sich auf dem Kopfsteinpflaster ab und war sofort wieder auf den Füßen, in jeder Hand einen Krummsäbel haltend, die Körperhaltung geduckt, das Gesicht so schwarz wie matt poliertes Ebenholz. Rot glühende Augen fixierten Calar, als er nach seiner Axt griff, und die Züge des Drow verzerrten sich.
Er ließ seine Säbel fallen.
Und fiel auf die Knie.
„Hör zu Mann, ich hab's euch schon tausend mal gesagt, ich bin nicht er!“

Calars Hand verharrte.
„Ich meine, klar, ich hab gesagt, ich wär's, aber das war nur wegen dieser Frau, dieser Schankmagd, und... ich meine, warum sollte Drizzt do'Urden ausgerechnet in die Kupferkrone marschieren, ich meine... ich meine, nichts gegen die Leute, die die Kupferkrone mögen, es ist ein toller Ort, die Wiege der Zivilisation, Heimstätte wunderbarer Denker und Philosophen, ich mag euch, alle! Aber ich bin nur ein ganz normaler Typ, ich bin auf gar keinen Fall ein drow'scher Krieger an der Oberfläche...“
„Lass mein Bein los.“
„Ich sag das doch nur manchmal, um Gratisgetränke abzustauben, ihr habt den Falschen!
„Lass mein Bein los, hab ich gesagt.“
Der Drow ließ sein Bein los.
„Zieh Leine.“
„Ihr... Ihr meint, Ihr gehört gar nicht zu den Kultisten?“
„Red ich undeutlich?“
„Ihr... oh, werter Herr, nein, Ritter gar, Ihr müsst mir helfen! Ich habe Gold, viel, viel Gold, und ich kann-“
Von einem Moment auf den anderen befand sich Calars Axt am Hals des Dunkelelfen.
Ein einzelner, rubinrot leuchtender Tropfen bildete sich und glitt über silbernen Stahl.
Der Drow schluckte. Nickte. Und verschwand.

Calar spuckte aus lehnte sich erneut an die Häuserwand. Bei seinem Glück hatte Rejor das Geheul gehört und sich einen anderen Weg nach Hause gesucht, und dann wäre die ganze Warterei sinnlos gewesen.
Andererseits war das Schwarzmalerei. Es wäre wirklich verdammt schlechtes Karma, wäre er in ausgerechnet diesem Moment hier entlang gekommen.
Nein, solange es von jetzt an ruhig blieb, dürfte Calar Glück haben.

Nach vielleicht einer halben Minute erschütterten erneut Schritte die Hütte hinter ihm, zahlreicher diesmal.
Calar seufzte.
Das, was vom Fenster noch übrig war, brach nun ebenfalls aus dem Rahmen, als ein in weißes Leinen gehüllter Elf hindurchsprang. Er war flink; noch im Aufkommen schwang er sein Rapier nach der Gestalt, die er während dem Sprung aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte.

Calar fing den Hieb mit der Axt ab und verkantete die Klinge. Mit der Linken ließ er sein Messer einen aufwärts gezielten Bogen beschreiben, der sein Ende direkt an den Hoden seines Gegenübers fand.
Der Elf erstarrte.
„Lass das Schwert fallen.“
Das Klirren von Stahl auf Stein hallte durch die Gasse. Die Mundwinkel des Elfen zuckten zu einem nervösen Lächeln.
„Ihr... Ihr solltet wissen, dass in dieser Hütte zahlreiche meiner Ordensbrüder versammelt sind, die... die furchtbare Rache nehmen würden, solltet ihr mir ein Lied zufügen!“
„Ist das so.“
Er zog die Klinge ein kleines Stück zurück. Das reißende Geräusch, mit dem die Schneide den Stoff der Hose durchtrennte, vermischte sich mit dem leisen Wimmern des Elfen.
„In Ordnung in Ordnung, ich, äh... ich habe mich vielleicht etwas grob ausgedrückt.“
„Mhm.“
„Ich... ich meine, wir suchen keinen Streit mit Euch, und was immer Ihr hier treibt, ist komplett Eure Sache.“
Calar starrte ihn einfach nur an. Er hob das Messer ein winziges Stück an, so dass es nun Haut berührte.
Der Adamsapfel des Elfen begann, hektisch auf und ab zu hüpfen.
„Wir suchen eigentlich nur einen Angehörigen des dunklen Volkes, der hier entlang eilte, und ich glaube, ich spreche für uns alle, wenn ich mein aufrichtiges Bedauern kundtue, Euch in Euren Geschäften gestört zu haben.“
Calar verzog keine Miene.
„Und ich... ähhh...“, die Stimme des Elfen wurde immer höher, „ich bin natürlich bereit, euch für die entstandene Unbill zu entschädigen, sollte dies dazu führen, diesen Konflikt friedlich zu regeln.“
Calar hielt die Hand auf. Der Elf legte einen kleinen Beutel hinein. Calar zog das Messer zurück, und der Kultist sackte sichtbar erleichtert in sich zusammen.
„Die Richtung“, sagte Calar und deutete mit dem Kopf auf die Abzweigung, die der Drow genommen hatte.
Die Augen des Elfen begannen zu leuchten, und ein Grinsen begann, sich über seine Züge zu legen.
„Dort entlang, meine Mannen!“
Er stürmte voran. Eine Sekunde später wurde die Tür der Hütte aufgestoßen, und eine Gruppe von Menschen, Zwergen und zwei bis drei weiteren Elfen, alle in weiß, rannten ihm hinterher.
„Schnappt ihn euch!“
„Der dunkle Gott braucht sein Opfer!“
„Cthulhu fhtagn!“

Dann war es wieder still in der dunklen Gasse. Carlar betrachtete noch eine Weile die Ecke, hinter der der Trupp verschwunden war, dann schüttelte er den Kopf, schloss die Tür, und lehnte sich, ein weiteres Mal, gegen die Wand.
Bei den Göttern, da hatte doch irgendjemand von der Alchimistengilde wieder was ins Trinkwasser geschüttet.
Als er erneut Schritte hörte, glitt seine Hand zur Axt. Es reichte. Wer auch immer das jetzt war, er würde ihn ausweiden und direkt am Eingang zu dieser verdammten Gasse aufhängen, als Warnung für all die anderen Komiker, die...
Dann hörte er den ungleichmäßigen Rhythmus der Schritte, und er entspannte sich.
Die Person im Inneren der Hütte humpelte.
Endlich.
Calar wartete, bis der Halbling nahe genug war, dann riss er die Tür auf und rammte ihm seinen mit Messingbeschlägen verzierten Handschuh ins Gesicht.

~~oOo~~

Rejor erwachte vom Geruch von Rauch, der in der Luft lag, davon, und von dem Schmerz in seinem Kiefer, der sich anfühlte, als wäre er es, der in Flammen stand. Er öffnete die Augen.
Und schnaubte.
„Hey, Calar.“
„Rejor.“
Der Einäugige, der über ihm thronte wie ein hässlicher Racheengel, sah auf ihn herab und spuckte einen ausgekauten Tabakklumpen in die Ecke. In einer Geste der Solidarität tat Rejor es ihm gleich, spuckte Blut und zwei Backenzähne.
„Was riecht hier so?“
Calar zuckte mit den Achseln.
„Irgendwelche Spinner verfolgen grade einen Dunkelelf. So wie's aussieht, haben sie das Milizgebäude abgefackelt, in dem er sich versteckt hat.“
Rejor versuchte, ein Lächeln zustande zu bringen.
„Muss eine tolle Show gewesen sein.“
„Ja.“
Vorsichtig befühlte der Halbling seinen Brustkorb.
„Hast du mir auch noch die Rippen gebrochen?“
„Nur zwei.“
Calar überprüfte den Schmutz unter seinen Fingernägeln.
„Tijon lässt ausrichten, dass wirklich unglaublich gerne sein Geld zurück hätte.“
„Ja. Dachte ich mir schon.“
Langsam richtete Rejor sich auf, betastete seinen Kiefer und blickte durch ein Loch im Dach nach oben.
„Ist der Himmel da oben wirklich lila?“
Calar nickte.
„Sieht ganz so aus.“
Durch ein Fenster konnte man auf die Hauptstraße hinaus sehen, wo gerade ein Pulk weiß gekleideter Gestalten entlang lief, einen zusammengeschnürten und geknebelten Dunkelelfen mit sich tragend.
„Sangui pro deus sanguen! Calvae pro Salii!“
„Cthulhu R'lyeh wgah'nagl fhtagn!“
Der Halbling schüttelte den Kopf.
„Werden immer mehr Spinner in den Straßen...“
Er spuckte noch ein bisschen mehr Blut aus. Hatte sich auf die Zunge gebissen.
„Ich weiß nicht, wie's dir geht, aber ich könnte einen Drink gebrauchen.“
Calar lächelte müde und hob den Lederbeutel hoch, den er dem Elf abgenommen hatte.
„Klar. Die Runde geht auf mich.“
Langsam entschwanden die zwei Gestalten im Gewirr der Slums, während wie aus dem Nichts Blitze die Nacht erhellten.
Etwas erhob sich aus der See.
 

Tigerle

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Eine ordentliche Geschichte habe ich bei beiden jetzt nicht unbedingt erkennen können. Die erste Geschichte gefällt sich im Dialog zweier Jungen, die sich dann auch einfach nicht mehr wiedersehen. Dies könnte durchaus der Start einer Geschichte sein, aber als komplette Geschichte geht das imho nicht durch.
Und die zweite Geschichte beschreibt eine Kneipenszene mit allerlei merkwürdig Volk, ignoriert aber jeglichen Ansatz eines Spannungsbaumes.

Dennoch gefällt mir der zweite Text sprachlich deutlich besser, ebenso die Tatsache, dass hier Klammern nicht zum Standardmittel erhoben wurden. Ausserdem
„Cthulhu fhtagn!“
---> Mein Punkt
 

Christa

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Punkt für Zelon. :up:

Mir hat die Geschichte mit den beiden Jungs einfach besser gefallen. :)
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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4 zu 3?

Bin zufrieden.

Und da ich auch schön lachen musste, obwohl Draz mal wieder was auf die Mütze bekommen hat (der arme Kerl:D), hat Kraven auch meinen Punkt bekommen:).


Gruß

Zelon:)
 
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