Politik, 4. Staffel

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Klar wird nach China noch mehr Länder kommen. Gottlob ! Warum sollen nicht alle Menschen teilhaben am Wohlstand ? Warum sollen nur Nordamerikaner, Europäer, Russen und Japaner Kühlschrank, Fernseher, Computer etc besitzen, während in vielen Entwicklungsländern die Menschen sogar um ihr täglich Brot besorgt sein müssen ?

Aber wieso spielt es eine Rolle, wie GROSS die Länder sind ? Es kommt doch schlußendlich nur auf die Anzahl der Konsumenten darin an. Und da wird nach China nie wieder ein einzelnes Land kommen, das derartige Völkermassen darstellt.

Und das Problem am Neoliberalismus ist einfach, das er nicht funktioniert. Du kannst nicht deine Arbeiter beliebig schlecht bezahlen. Selbst wenn die Arbeiter das schlucken nicht. Wenn das nämlich jeder so macht, gibts niemanden, der deine Produkte kaufen kann. Egal wie billig du sie machst. Weil du ja gleichzeitig die Löhne noch schneller senken mußt, als die Produkte billiger werden.

Folglich muß Arbeit nach Produktivität bezahlt werden. Oder die Wirtschaft erwürgt sich selbst mit ihren schlechten Löhnen. Das ist eben der Unterschied zwischen BWL und VWL, zwischen dem Einzelnen und dem großen Zusammenhang. In der BWL ist es toll, wenn du weniger Löhne zahlen kannst (als die Konkurrenz, wohlgemerkt, wenn alle dieselben Löhne zahlen ist es wieder sinnlos). Für die VWL bedeutet es aber nur, das der Wohlstand nicht verteilt wird, die Wirtschaft also nicht optimal läuft und wahrscheinlich Arbeitslosigkeit entstehen wird.

Das ist die innere Krux unseres derzeitigen Geldsystems, es droht ständig die Entstehung von Arbeitslosigkeit aufgrund der übertriebenen Gier Einzelner.

Folglich wird sich das am Ende so oder so ausgleichen müssen. Am Ende ist es eh nur eine Frage, wie lange und wie sehr sich die Völker das Lohndumping bieten lassen.
 

David

Moderner Nomade
Registriert
05.10.2000
Beiträge
18.447
@Gala:
Das Problem ist, daß es ca. 6 Mrd. Menschen mit niedrigeren Löhnen als in D gibt. Deshalb bringen uns Lohnsteigerungen in China nichts, da passiert dann einfach das Selbe nochmal: Ganz einfache Arbeiten werden aus China in noch billigere Gegenden verlagert, und in China bleibt die etwas besser qualifizierte Arbeit zu etwas besseren Löhnen zurück.

Beim Bildungssystem sind wir ja einer Meinung, aber wenn man bedenkt, daß in China und Indien jedes Jahr hunderttausende gut ausgebildete Menschen die Hochschulen verlassen, und trotzdem zu geringeren Löhnen arbeiten, wird uns das auf Dauer auch nicht unbedingt 100% des aktuellen Lebensstandarts retten.

Und die Produkte, die Deutschland gut herstellen kann, sind eben vor allem Exportwaren. Das, was der normale Bürger konsumiert (von Lebensmitteln und Miete mal abgesehen) kommt zu immer größeren Teile aus dem Ausland. Dafür haben wir die Chance, wenigstens die Maschinen, auf denen diese Produkte hergesstellt werden zu verkaufen. Würden wir auch noch diese Exportbranchen vernachlässigen, hätten wir kein bisschen mehr Produktion im Land, sondern nur noch weniger Einkommen. Man könnte es auch so sagen, daß der Verkauf hochwertiger Maschinen in Länder mit günstigeren Lohnkosten unser Anteil an der weltweit verteilten Produktion ist. (Ist mir ehrlich gesagt auch lieber als selber für 3 Euro die Stunde Handys zusammenzustecken..) "Export" und "Import" beziehen sich ja eh nur auf ein eher willkürlich abgegrenztes Gebiet eines Staates, für die Wirtschaft spielen solche Grenzen heute keine wirkliche Rolle mehr.
Das Blöde ist nur, das diese Maschinen auch wieder nur von gut ausgebildeten Menschen hergestellt werden können. Deshalb bringt eine Belebung der Weltwirtschaft nur denen was, die eh schon besser dastehen. Aktuell zu sehen am Ingenieurmangel (und damit besseren Löhnen), während der Aufschwung an den schlechter qualifizierten Arbeitslosen weitgehend vorbeigeht.

PS.:
Das Problem ist, daß ein Unternehmen (und heute selbst ein ganzes Land), das nach VWL statt BWL handelt, Pleite geht. Und der Bezugsrahmen, in dem VWL-Maßnahmen heute Wirkung zeigen, ist (beinahe) die ganze Welt. Insofern kann ein Land alleine nicht viel mehr machen, als sich mit den gegebenen Zuständen bestmöglichst zu arrangieren.
Und die Produktivität alleine ist nicht Maß aller Dinge, worauf es ankommt ist das Produkt aus Lohn und Produktivität. Man muss soviel besser sein, wie man teurer ist. Wenn man schon zu teuer ist, muss man Produktivitätstseigerungen dazu benutzen, dieses vorhandene Lohnniveau zu rechtfertigen, und nicht auch noch zu erhöhen. Die Kombination aus stagnierenden Löhnen bei erhöhter Produktivität hier bei uns und Löhnen, die schneller als die Produktivität steigen, in Osteuropa und China ist die einzige Chance, wenigstens einige Arbeitsplätze bei uns zu halten. Wenn wir den Vorteil der höheren Produktivität gleich wieder durch höhere Löhne kaputt machen, haben wir nichts mehr davon.
Ein Grund für akzeptable Lohnsteigerungen sind allenfalls die gestiegenen Lebenshaltungskosten, ein Inflationsausgleich muss schon drinn sein, vor allem wenn die Löhne eh schon niedrig sind. Aber darüber hinaus gehende Lohnsteigerungen sind meiner Meinung nach bei uns nur noch in den seltesten Fällen möglich.

PS 2.:
"Warum sollen nur Nordamerikaner, Europäer, Russen und Japaner Kühlschrank, Fernseher, Computer etc besitzen, während in vielen Entwicklungsländern die Menschen sogar um ihr täglich Brot besorgt sein müssen ?"
Weil es schlicht nicht möglich ist, allen Menschen unseren Lebensstandard zu ermöglichen, selbst wenn man den dafür benötigten Ressourcenverbrauch massiv senken könnte. Je mehr sich die Verhältnisse weltweit angleichen, desto mehr müssen die, die heute reich sind, abgeben. Der weltweite Reichtum wächst zwar, aber die Zahl der Menschen, die daran teilhaben, wächst schneller.
 
Zuletzt bearbeitet:

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Da es geradezu brilliant in die aktuelle Diskussion hineinpasst, hier ein sehr aktuelle Link von Joachim Jahnke: Die neoliberalen Teufelsschüler sind wieder am Werk
Sie erinnern sich vielleicht: Hinterher, wenn wieder einmal ein paar Kinder im Brunnen gelandet sind, will es keiner gewesen sein. Dann ist die neoliberale Globalisierung ein Gottesgericht, gegen das man nichts tun kann. [...]

Und dann diese Presseerklärung des Bundeswirtschaftsministeriums von heute zur derzeitigen Liberalisierungsrunde in der Welthandelsorganisation (sogenannte Doha-Runde) mit Erklärungen des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Dr. Bernd Pfaffenbach. Man müßte sie sich auf der Zunge zergehen lassen, wäre es nicht so ein schreckliches Amtsdeutsch. Sie klingt jedenfalls alles andere als ohnmächtig. Sie verrät nicht das Opfer sondern den Täter in Sachen neoliberaler Globalisierung: "Die Verhandlungen werden jetzt dahin gehen müssen, neben den Zollsenkungen für die deutsche Wirtschaft im Industriegüterbereich auch Marktzugangsverbesserungen in wichtigen Wachstumsmärkten zu gewährleisten. Die Bundesregierung unterstützt den Abschluss der Verhandlungen noch in diesem Jahr. Wir wollen ein ehrgeiziges und ausgewogenes Verhandlungsergebnis, das allen WTO-Mitgliedern Vorteile bringt. Unser Ziel ist eine Verbesserung des Marktzugangs für Industriegüter und Dienstleistungen. Sie machen mehr als 90 % des Welthandels aus. Reale Marktzugangsverbesserungen sind im Interesse unserer Exportwirtschaft. Wir müssen die Entwicklungsländer stärker in das Welthandelssystem integrieren und ihnen den Marktzugang erleichtern. Wir können auch nicht die gleichen Zugeständnisse erwarten wie von den weiter entwickelten Industrieländern. Für ein ausgewogenes Ergebnis müssen aber alle Partner Zugeständnisse machen und kompromissbereit sein. Das gilt insbesondere auch für die großen Schwellenländer wie Brasilien und Indien. [...]"

Da ist wieder alles drin. Die EU-Zölle sollen weiter gesenkt werden, um noch mehr Dumpingimporte ins Land zu lassen. Angeblich nützt das der deutschen Exportindustrie, wenn Deutschland mehr importiert. Vor allem kann man dann natürlich die deutschen Arbeitnehmer noch mehr zur Lohndisziplin anhalten. Dabei geht es gar nicht um die klassischen Entwicklungsländer, sonder um sehr aggressive sogenannte Schwellenländer, die ihre Billigstarbeitskräfte ausbeuten und das Produkt bei uns dumpen wollen. Genannt werden hier Brasilien und Indien, aber in erster Linie handelt es sich natürlich wieder um China, das offen zu erwähnen man sich offensichtlich nicht traut. [...]
Das zeigt auf, wie diese "Zwänge" entstehen, denen wir doch angeblich so dermaßen ausgeliefert sind.
 

Rudy

Senior Member
Registriert
19.10.2001
Beiträge
315
Schön, dass der werte Herr Jahnke auf das Wort "Marktzugangsverbesserungen" nicht eingeht.

Darum geht es hier nämlich. Bisher ist es nämlich in China und Indien so, dass dorthin keine kompletten Maschinen exportiert werden dürfen, sondern nur Teile, die dort zusammengebaut werden müssen. Dadurch sichern sich die beiden Länder einen Teil der Wertschöpfung (und schöpfen know-how ab). In China ist es darüberhinaus so, dass ausländische Firmen nur Joint-Ventures mit einheimischen Unternehmen bilden und keine eigenen 100%-Töchter eröffenen dürfen. Um diese Beschränkungen aufzuheben, muss eben Europa den Ländern entgegen kommen. Hat nichts mit dem verpönten Neoliberalismus zu tun.

Und bezüglich des Lohndumpings...

Schon jetzt erhöhen sich die Löhnen in China und Indien kräftig (es gibt einen Spiegel Artikel dazu). Das gleiche gilt für Umweltstandards und Sozialleistungen. Die Leute dort sind ja auch nicht dumm...bei gleicher Leistung wollen sie auch gleich bezahlt werden. Über kurz oder lang werden sich die Löhne angleichen...und bis dahin sollten wir besser nicht den Anschluss verlieren.
 

Caswallon

Chronist
Registriert
13.08.2001
Beiträge
11.460
Was Jahnke und seinen nicht-neoliberalen Teufelsschülern doch völlig egal ist.
Die würden, so kommt es bei Gala rüber, am liebsten den Export einfach abschalten, und deutsche Wirtschaft hört an der Grenze auf. Der einzige erlaubte exportorientierte Wirtschaftszweig bleibt die Druckindustrie, damit wir reichlich Geld zum Importieren von Waren drucken können (denn Import ist ja doubleplusgood, also erlaubt).

"Neo-liberalism is thoughtcrime!", ©Orwell.

Oder besser: "Alles, was mir nicht ins Konzept paßt, ist 'neoliberal'. Und dann wiederholen wir gebetsmühlenartig, 'neoliberal' sei böse - irgendwann glaubt man's uns, oder - zu Tode gelangweilt - widerspricht wenigstens nicht mehr. Ziel erreicht."

Cas
 

Ice

Technomage
Registriert
10.04.2001
Beiträge
5.924
Rudy:
Gibt's Belege dafür, dass sich in China die Löhne erhöhen und dass das einen nennenswerten Effekt auf die Lohndrückerei in D hat? Ich meine, ob chinesische Arbeiter meinetwegen jetzt 7% oder 12% (hey, das wäre eine 70%-ige Steigerung, das macht sich gut in jeder Statistik! :D ) eines deutschen Lohnes verdienen macht bezüglich der "Attraktivität" von China für Konzerne nicht wirklich einen Unterschied, oder? Zudem sind da bei 1,4 Milliarden Leuten in China genug Arbeiter da denen es schlechter geht als meinetwegen dem chinesischen Durchschnitt, die springen dann schon ein wenn die Löhne sonst zu hoch sind.


Gruss, Ice
 

Rudy

Senior Member
Registriert
19.10.2001
Beiträge
315
Hi Ice,

ich rede ja auch nicht von 08/15 Jobs...da hat Deutschland sowieso verloren, sondern um Arbeiten, die eine einigermassen fundierte Ausbildung benötigen (Facharbeiter/Akademiker).

Das sind nämlich die Arbeitsplätze, die in letzter Zeit verstärkt in andere Länder verlegt werden.
 

Zhuge Liang

Funky Paladin
Registriert
09.12.2002
Beiträge
3.016
Zur aktuellen Debatte über den Armutsbericht gibt es in der Neuen Zürcher Zeitung einen ziemlich interessanten Artikel.
Kernaussage ist, dass Deutschland mit 13% Armen im europäischen Vergleich immer noch sehr gut da steht und dass der Sozialstaat eben doch noch funktioniert, was hierzulande ja kaum einer mehr glauben will.
Fand ich recht interessant, vor allem weil ich die 13% Arme auch erst für recht hoch hielt - aber wenn's in anderen europäischen Ländern schlimmer aussieht, kann hier ja nicht alles falsch gemacht worden sein.
 

Ribalt

Ork-Metzler
Registriert
16.05.2002
Beiträge
4.289
Warum schafft man es eigentlich nicht, eine gescheite Armutsdefinition hinzubekommen?

Ne einfache Haushaltsrechnung würd doch reichen um zu sehen, wieviel jemand/ein Haushalt verdiehnen muss um das nötigste Zahlen zu können. Dann definiert man noch wieviel *mehr* er haben sollte, oder nicht und man hat ne wesentlich genauere Zahl.
 

Ice

Technomage
Registriert
10.04.2001
Beiträge
5.924
Naja.
Wem wird denn das Prädikat "Armut" zugestanden? Soweit ich weiss liegt "Armut" gemäss dieser Rechnung vor, wenn das Einkommen weniger als 60 % des Durchschnitteinkommens beträgt. Was nun aber wenn eben dieses Durchschnitteinkommen nun die letzten Jahre/Jahrzehnte weniger geworden ist? 2006 landete man bei den Armen, wenn man weniger als 780€ (60 % des Durchschnitts) verdiente. Wie sehen die Zahlen in den anderen Ländern aus? In Dänemark sind die 60% 1133€.
Da diese 60%bei den Ländern mit höheren Sätzen als Deutschland 2006 bei 894€ lag, sollte man mal rechnen wieviele % nun arm sind bei einer Schwelle von sagen wir mal 850€.
Ich gehe jede Wette ein, dass es dann 2008 wesentlich mehr als 13 % Arme (anno 2005) sind.
Wieso nimmt der Bericht keine aktuellen Zahlen? Wir haben den 23.Mai,2008 die Zahlen von 2007 sollten also vorliegen.

Die NZZ ist ein guter Berichterstatter, allerdings sehr Banken- und Kapital-freundlich, man sollte so einen Artikel mit etwas Vorsicht geniessen. IMO


Gruss, Ice
 

Ribalt

Ork-Metzler
Registriert
16.05.2002
Beiträge
4.289
Der Bericht nimmt die Zahlen die von der BRD herausgegeben wurden? Das steht doch sogar im Bericht? Oder hab ich mich da irgendwie verlesen.


Naja.. Du kannst auch nicht pauschal sagen:
750 Euro Armutsgrenze ist tiefer als die 850 Euro in einem anderen Land wenn du das durchschnittliche Preisniveau nicht auch in Betracht ziehst. Solche pauschalzahlen die für ganz Europa gleich errechnet werden sind doch einfach lächerlich.


@Ice
Artikel mit Statistiken drin sind immer mit Vorsicht zu geniessen, ausser man hat die Statistik selber so angepasst, dass Sie einem gefällt :p. Aber das wissen wohl die meisten hier.
 

Rudy

Senior Member
Registriert
19.10.2001
Beiträge
315
So lange der Schreiberling nicht mal den Unterschied zwischen Durchschnitt und Median kennt, gebe ich nicht allzuviel auf ihn :p
 

Ice

Technomage
Registriert
10.04.2001
Beiträge
5.924
Dass der Median verwendet wird statt der Durchschnitt, dass kann man auf zwei Arten anschauen:
- die Gemässigte: Damit fallen Ausreisser nicht so ins Gewicht und es ist ein verbreitets Mittel in der Statistik.
- die Populistische: Klar, damit rechnet man die Spitzengehälter weg, darf ja nicht sein dass die exorbitatnen Managerlöhne mal dem Volk zu Gute kommen, und sei es nur bei einer theoretischen Berechnung.

Es ist aber letztendlich egal, da der Ansatz "x% vom Median aller Einkommen legt die Armutsgrenze fest" sowieso der Falsche ist.
Was ist aus dem Begriff "Kaufkraft" geworden? Wenn schon dann soll man die Definition "Armut" daran aufhängen, wieviel eine Person/Familie denn nun von X € kaufen kann und ob das reicht zum Leben oder eben nicht.

Apropos, semi-OT: Der leidige Begriff der "Zahlungsmoral". Dieses Wort nervt mich ganz gewaltig! IMO ein langjähriger Favorit für's Unwort des Jahres. (Aber daraus wird wohl nichts werden solange sich die Leute Perversionen wie "Rettungsfolter" ausdenken!)
Was ist denn bitteschön (un-)moralisch daran wenn man schlicht und einfach eine Rechnung nicht pünktlich bezahlen kann weil das Geld fehlt? (Explizit: Ich rede nicht von vermeidbaren Rechnungen wie neue Handys oder geplatzte Leasings von Edelkarossen etc.!)
Da könnte man meinen die Leute bezahlen Rechnungen aus purer Bosheit und aus Spass an der Freud nicht oder zu spät, absichtlich, nur um zu nerven. O Mann, haben gewisse Berichterstatter so eine verquere Phantasie oder kommen die schlicht nicht auf die Idee, dass man seine Ausgaben nicht immer freiwillig tätigt?


Gruss, Ice
 

Ribalt

Ork-Metzler
Registriert
16.05.2002
Beiträge
4.289
Ich arbeit zu nem guten Teil im Inkasso.


Sobald die Leute Betreibungen im Haus haben können erstaunlich viele erstaunlich schnell doch Zahlen.
Es gibt auch Leute die immer erst nach der 1. oder 2. Mahnung zahlen, IMMER (ok, jetzt haben wir heftige Mahnkosten eingeführt, das wird sich wohl ändern :p).

Zahlungsmoral ist imho ein ziemlich guter Begriff. Wenn ich allein dran denk wie häufig man schlicht angelogen wird gefällt mir der Begriff sogar richtig gut.
 

David

Moderner Nomade
Registriert
05.10.2000
Beiträge
18.447
Gibt auch genug Leute, die etwas (gern auf Raten) kaufen, obwohl sie wissen (oder wenigstens wissen müssten), daß sies nicht bezahlen können. Zumindest wenn man weiß, das man es nicht bezahlen kann, ist das sogar als Betrug strafbar.
Sowas darf man natürlich nicht verallgemeinern, aber genauso darf man auch nicht so tun, als wäre jeder, der nicht mehr zahlen kann, ganz unschuldig daran. Manche Leute schaffen es schlicht und ergreifend nicht, ihr Geld so einzuteilen, daß es einen Monat lang reicht. Diese Leute brauchen zwar eher Hilfe als Strafen, aber man darf auch den Gläubiger nicht vergessen, der am Ende auf seinen Kosten sitzen bleibt. Grad kleinere Firmen können an sowas durchaus zu Grunde gehen. (Bei Handy-Firmen, die vorher per Telefonmarketing Arbeitslosen überteuerte Verträge angedreht haben, hält sich mein Mitleid dann aber auch in Grenzen.. :rolleyes: )

Was ich sowie so nie kapieren werde, ist warum in der Schule nicht lernt, halbwegs ordentlich mit Geld umzugehen. Würden die Kinder von Anfang an ein Gespür dafür kriegen, wann ein Angebot wirklich ein Angebot ist, hätten es zB diese Klingelton-Abzocker kein so leichtes Spiel. Über dieses gezielte Taschengeld-Abzocken könnt ich mich sowieso jedesmal wieder aufregen.. Dabei soll es ja nicht darum immer gehen, immer nur maximal zu sparen, aber man sollte schon einschätzen lernen, ob etwas seinen Preis wert ist.

Was die "Armut" angeht: Keine Ahnung, ob das in die Statistik eingeht, aber bei unserer Armutsdefinition sind zB die allermeisten Studenten auch arm, auch wenn sich nur die Wenigstens wirklich so fühlen dürften..

@Gala:
Was ist denn am Abbau von Handelsbeschränkungen schon wieder so furchtbar böse? :confused:
Wenn man was kritisieren kann, dann doch eher, das wir diesen Abbau nur da fordern, wo er uns nutzt, und gleichzeitig unseren Agrarmarkt abschotten.
Wie Caswallon schon sagte, bei solchen Texten klingt für mich auch immer der Protektionismus als vermeintliche Alternative zur Globalisierung durch. Sprich, wir schotten uns auf Kosten unserer konkurenzfähigen Betriebe zu Gunsten unserer nicht-konkurenzfähigen Unternehmen ab und ignorieren die Welt jenseits der Grenze. :rolleyes:
Das hat in letzter Konsequenz schon was von DDR-Wirtschaftspolitik: Vollbeschäftigung durch maximale Ineffizienz..
 
Zuletzt bearbeitet:

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Der Armutsbericht der Bundesregierung arbeitet mit veralterten Daten, obwohl neueres Material zur Verfügung steht
Nun habe ich mich durch den Entwurf des 3. Armuts- und Reichtumsberichts mit seinen 413 Seiten gequält. Er ist mehr als ein Jahr überfällig und immer noch nicht amtlich. Was mir als sein größter und sicher absichtlicher Fehler auffällt: Viele wichtige Sozialdaten bleiben 2005 stehen, einige sogar noch früher, z.B. 2002. So stehen die Armutsdaten bei 2005, ebenso die Einkommensverteilung und die Vorstandsbezüge. Die Vermögensverteilung steht sogar bei 2002.

Das ist doppelt ärgerlich, weil sich die soziale Schere immer weiter öffnet und so veraltete Daten die Dynamik der Entwicklung gar nicht wiedergeben können. Neuere Daten sind aber vorhanden. So bringt Eurostat die Dezilverteilung der Einkommen bis 2006, der Armutsdaten ebenfalls. Wenn die Bundesregierung neuere Daten nicht aufgreift, obwohl sie sie längst an Eurostat weitergegeben hat, muß man leider vermuten, daß dies bewußt geschieht, um das Ausmaß der unsozialen Entwicklung zu verschleiern. [...]
Das ist ne ziemliche Unverschämtheit. Daten aus dem Jahre 2002 sind jetzt schon 5 Jahre alt.

@Rudy: Die Chinesen sind eben pfiffig. Das zieht sich durch ihre ganze Handelspolitik. Wenn die Betriebe auf solche Bedingungen eingehen, sind sie schlußendlich selbst schuld.

@Zhuge Liang: Es sind 16%, selbst auf der Basis der veralterten Daten.

@David: Ich ziehe diesen von dir so genannten "Protektionismus" vor, wenn damit verhindert werden kann, das z.B. ein Billiglohnland wie China durch Preisdumping ein Monopol erreichen und danach auf die klassische Art und Weise ausnutzen kann. Wieso du damit kein Problem hast, ist mir unverständlich - ich selbst habe jedenfalls eins damit.
 

Ribalt

Ork-Metzler
Registriert
16.05.2002
Beiträge
4.289
Selbst wenn China ausschliesslich, von chinesischen Lebenskosten ausgehend, faire Löhne zahlen würde, hätte Deutschland und der gesamte Westen keine Chance bei Fliessbandarbeit, die man nicht in die Hände von Maschinen legen kann, konkurrenzfähig zu bleiben.
Ansonsten, ists ja auch hier nicht nur China, ein bsischen nach Osteuropa zu gehen reicht schon.

Aber eben, man kann natürlich auch quasi ne Mauer um sein Land bauen und es auf Selbstversorgung umstellen...

Ich mein, was willst du eigentlich?
Du verteufelst den Export quasi komplett und somit einen grossen Teil der deutschen Industrie. Gleichzeitig verteufelst du den Import weil der deutsche Unternehmen ins Lohndumping treibt.
Die einzige konsequente Alternative ist da echt nur noch eine totale Abschottung vom Welthandel.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Das hat mich gerade aus den Latschen gehauen. Trotz der massiven Propaganda, die tagtäglich gegen die Linkspartei, gegen rot-rot-grün etc in den Medien zu finden ist, sind in einer schlichten ja/nein Umfrage (keine "weiss nicht" Antwort möglich) 48% der Internetbesucher von n-tv der Meinung, rot-rot-grün wäre gut für Deutschland.

Aus meiner Sicht stellt rot-rot-grün die Wiedervereinigung der SPD mit ihrem linken Flügel dar.

N-tv hat jetzt auch eines ihrer "Specials" für die Linkspartei. Besonders interessant fand ich den Abschnitt über Angela Marquardt ziemlich gegen Ende:
Nur die ehemalige Vorzeige-Linke Angela Marquardt hat die Partei verlassen. Sie sagte über ihre alte Partei, es gebe dort "nationalistische und fremdenfeindliche Töne sowie soziale und friedenspolitische Forderungen, die nicht der Realität entsprechen". Marquardt arbeitet nun für die SPD-Linke Andrea Nahles und ist SPD-Mitglied geworden.
Die Haltung der Linken zu China geht mir auch auf die Nerven.

@Ribalt: Die chinesischen Lebenskosten steigen natürlich ebenso. Das ist in Industrieländern nun mal unvermeidlich.
 

Ribalt

Ork-Metzler
Registriert
16.05.2002
Beiträge
4.289
Klar tun Sie das. Aber bis Sie auf einem deutschen Niveau sind dürfte es noch 20-50 jährchen dauern wenn Sie überhaupt je da ankommen.
China und anderen Schwellenländern deswegen Lohndumping vorzuwerfen ist lächerlich. Klar wird auch viel Ausbeutung betrieben, aber mir geht es darum, dass die westlichen Industriestandorte selbst wenn in den Schwellenländern *faire* Löhne gezahlt werden würden nicht mithalten könnten.
 

Ice

Technomage
Registriert
10.04.2001
Beiträge
5.924
Ribalt, Nachtrag apropos "Zahlungsmoral"/Inkasso:
Genauso wie nicht jeder unschuldig verschuldet wird, passiert Verschuldung NICHT bei jedem aus eigener Schuld.
Ich kenne beispielsweise 2 Familien, bei denen habe ich auf deren eigenen Wunsch hin die Finanzen mal "geröngt" - und mir ist absolut nichts mehr eingefallen wo sie noch sparen könnten (obwohl ich darin mittlerweile richtig gut bin). Kein überflüssig teures Auto, keine überflüssigen Versicherungen, die meiste Elektronik veraltet, den PC fast komplett aus Gebraucht-Teilen von mir gratis, nichts auf Abzahlung, keine luxuriosen Essensgewohnheiten, etc. etc.
Trotzdem bleibt am Ende des Geldes einfach zuviel Monat übrig - klassische Fälle von working poor.
Wenn solche Leute den (IMO perversen) Begriff "Zahlungmoral" hören, dann denken sie zum Glück nicht wie ich über das Unwort nach, sonst käme denen auch die Galle hoch.

In einem Fall hatte es just eine jener Familien mit einer Inkasso-Firma zu tun. Nun, ich liess mir eine Vollmacht geben und ging mit zu einer Besprechung mit der Firma.
Kurzfazit: Die arbeiten mit Angst, und zwar NUR mit Angst.
Im genannten Fall hatte eine Inkasso-Firma so wie ich vermute (zu 99% sicher) vermeintlich geplatzte Zahlungen von einer anderen Firma gekauft und versuchten nun soviel rauszuholen wie's eben geht.
Man hat richtig gemerkt, wie kritische Fragen nicht ins Konzept passen und wie auf rechtliche Fragen schlicht nicht geantwortet wurde. Dafür wurde auf irgendwelche Unterschriften zu irgend welchen Verpflichtungen regelrecht gedrängt. Dazu arbeiten solche Firmen mit einer gehörigen Portion Psychologie: drei Personen traten an, erwartet wurde von der Gegenseite (uns) nur die Person die mich (glücklicherweise) um Rat gefragt hat und trotz allem ob den psychologischen Kniffen beinahe eingeknickt wäre. Ich habe sie dann gebeten, mich machen zu lassen und versprochen dass die Sitzung in drei Minuten beendet sein würde. Ich brauchte weniger als zwei. Sobald man das OR (schweizerische Obligationenrecht) ins Spiel bringt und auf den Paragraphen verweist, der besagt dass Gläubiger Schuld-Guthaben nicht veräussern dürfen ohne Einwilligung des Schuldners, war der Spuk vorbei.
Das war im Sommer 2005.
Drei Mal darfst Du raten, was sich seither getan hat und was aus all den Drohungen geworden ist.
Nichts.

Dies (neben etlichen Schreiben die ich da schon zu Gesicht bekommen habe) nur als Beispiel um zu belegen, was ich von dedizierten Eintreiber-Firmen halte. :down:


Gruss, Ice
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Oben