[Schreibwettbewerb - Runde I] Scot d'Arnd / Lisra

Wer hat die bessere Geschichte geschrieben?

  • Scot d'Arnd

    Stimmen: 11 57,9%
  • Lisra

    Stimmen: 8 42,1%

  • Umfrageteilnehmer
    19
  • Umfrage geschlossen .

Enigma

Suchender
Registriert
15.07.2002
Beiträge
2.159
 
Eine Anmerkung zu Lisras Beitrag:

Um den Text im Rahmen FSK 14 zu halten, mussten wir eine Passage zensieren. Volljährige Leser haben die Wahl: Sie können sich besagten Abschnitt oder gleich den Link zur PDF von mir per PM zuschicken lassen.
Somit ist die Fassung, die ich hier poste, "zerrissen". Ich hoffe, ihr habt Verständnis und lasst diese Unannehmlichkeit euer Stimmverhalten nicht negativ beeinflussen. Danke im Voraus.

 
 

Enigma

Suchender
Registriert
15.07.2002
Beiträge
2.159
Scot d'Arnd

Lord Jampson van Harpen war ein Mäzen der Künste, großzügiger Spender und einstmals – ehe der Streich einer Axt sein linkes Bein hatte ersteifen lassen – ein großer Krieger. In den Kreisen der Reichen und Schönen Amns galt er als beliebt und oft sprach man von ihm als letzten unter den wahren Edelmännern. Er sang und spielte die Harfe, philosophierte und einige mal schwang er sogar das steife Tanzbein. Außerdem war er ein Kindermörder.

Gerüchte darüber hatten in Atkatla die Runde gemacht, lange bevor der kleine Malthe nackt und weinend über die Straßen des Regierungsviertels gerannt war. Man hatte sie als geschmacklos abgetan, in die Welt gesetzt von Menschen, die den ehrbaren Jampson van Harpen schädigen wollten.

Nun löste das Erscheinen des kleinen Malthe einige Beunruhigung aus. Einige begannen nun an dem ehrbaren van Harpen zu zweifeln. Sogar die Stadtwache, unterstützt von Paladinen des Helm, die für den Umgang mit solch prekären Situationen geschult waren, machte nun Anstalten, gegen ihn zu ermitteln. Rasch schien es, als sollte Atkatla seinen letzten guten Menschen verlieren.

Der Adel sollte von diesem Schicksal verschont bleiben Nur wenige Stunden nach der Flucht des kleinen Malthe klopfte Tundy, der Vertraute und Kinderfänger des Lords, bei dem Mann an der Tür, zu dem jeder reiche Einwohner Atkatlas rannte, wenn er mal richtig ins Fettnäpfchen getreten war. Und Aramand öffnete die Tür.

Aufsehenerregende Tage folgten. Tage, in denen aufrechte Ermittler der Stadtwache verkündeten, dass es keinen geheimen Kerker im Haus des van Harpen gab, der auch nicht durch eine ausgeklügelte Vorkehrung im Schlafzimmer versteckt war. Oder Ritter des Helm auf einmal zurückgerufen wurden, weil der Orden erfahren hatte, dass sie nebenberuflich Schwarzen Lotus in die Stadt geschmuggelt hatten. Oder die Eltern des kleinen Malthe plötzlich jedem erzählten, dass ihr Junge sowieso ungezogen und ein Lügner war, ehe sie in ihr neues Haus drüben in Handelstreff zogen. Tage, an deren Ende jeder in Atkatla überzeugt davon war, dass der Lord der ehrbarste Mann der Welt war. Und an deren Ende der oberste Richter Atkatlas sich vor die versammelte Adligenschaft stellte und verkündete, dass alle Vorwürfen gegen den ehrbaren Lord Jampson van Harpen unbegründet waren.

Es war abends am Tag nach diese denkwürdigen Ansprache, als Aramand in der Kutsche saß, die gerade das Stadttor von Harptown durchquerte. Der Lord hatte sich wegen dieser hanebüchenen Anschuldigungen zurückgezogen. Mit einem Glas voll Whisky in der Hand starrte Aramand in den Regen und versuchte möglichst, nicht zu denken. Für einen genialen Mann wie ihn stellte das wahrlich eine riesige Aufgabe dar, aber er war dazu gezwungen, sie zu meistern. Wenn er dachte, musste er an den Keller von Jampsons Stadthaus denken und an die Augen des kleinen Malthe. Aramand nahm einen Schluck.

Harptown war wie ausgestorben, der unnachgiebige Regen hatten schlussendlich auch den letzten Straßenköter verjagt. Auffällig war, dass hinter fast keinem der Fenster Licht zu sehen war. Blind schmiegten sich die Steinbauten an den Berg, an dem die Stadt lag. Wo waren die ganzen Einwohner?

Die Straße schlängelte sich die Flanke des Berges entlang, an ihrem Ende fand sich das große Tor, hinter dem der Lord zusammen mit seinem Vertrauten in seinem Herrenhaus lebte. Aber erst galt es, die Kutsche durch den Wasserfall, in den sich die Straße verwandelt hatte, hinauf zu führen. Es war eine gefährliches Unterfangen, doch Aramand vertraute seinem Kutscher. Der alte Gren, so sein ungewöhnlich gewöhnlicher Name, war zwar nicht die hellste Stern am Himmel, seine Fertigkeiten mit Zügel und Peitsche waren aber erstaunlich. Außerdem hatte er ja noch das Mädchen.

Aramand hatte ihren Namen überhört, sie saß oben auf dem Kutschbock und ließ sich von Gren in die hohe Kunst des Kutschieren einweisen. Er selbst konnte sich nichts langweiligeres vorstellen, als sein Leben damit zu verbringen, Pferden aufs Hinterteil zu gucken. Nun, nicht jeder war zu Größeren bestimmt.

Vielleicht war Größe auch überbewertet. Schließlich könnte er, wäre er ein zynischer Bastard, von sich behaupten, in den letzten Tagen sein größtes Werk vollbracht hatte. Einfachheit hatte auch Vorteile.

Die Kutsche hatte mittlerweile das meiste hinter sich gebracht. Er sah den Berg hinab und hinüber zum Horizont, als ein weißer Blitz den grauen Himmel erhellte. Es donnerte erst, als die Kutsche in die letzte Kurve einbog, an deren Ende, das wusste er, sich das große Tor befand. Zu Aramands Linken stand das Gasthaus der Stadt, mit geraden Blick auf das Herrenhaus. Hier hatten sich die Menschen versammelt. Es war hell erleuchtet. Nur kurz konnte er durch die Fenster sehen, ehe die Kutsche die Kurve hinter sich gebracht hatte. Es war brechend voll.

Als sie das Tor erreichten, hielt die Kutsche kurz an und Aramand hörte, wie laut Worte gewechselt wurde. Sein Name fiel. Dann hörte er das Rattern des Tors, begleitet von einem weiteren Blitz. Bald stand die Kutsche im Innenhof. Ein Diener mit einem Schirm kam aus dem Haus gerannt. Aramand leerte sein Glas und stieg aus.

„Lord van Harpen ist froh, dass Ihr kommen konntet, mein Herr“, rief ihm der Diener durch den Sturm zu. „Bald wird das Abendessen angerichtet sein. Ein Zimmer ist bereitet, wenn Ihr Euch vorher noch ausruhen wollt.“

Aramand nickte nur. Eigentlich wollte er nichts lieber, als dieses Haus so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Frühestens bis morgen musste er warten, die Pferde und Gren waren erschöpft. Er ließ sich vom Diener zur Tür führen und blieb dem Schutz spendenden Vorbau blieb er stehen „Mein Herr, wollt ihr nicht herein kommen?“, fragte der Diener.

„Wonach sieht es aus?“, entgegnete Aramand brüsk. Er musste noch mit Gren sprechen. Üblicherweise hätte der helle Fackelschein und der Geruch von saftigem Fleisch mehr als einladend gewirkt, aber der Gedanke daran, was für junges Fleisch Jampson bevorzugte, wirkte dagegen an.

Gren kam mit einer Reisetasche durch den Regen gerannt, während das Mädchen sich an den Pferden zu schaffen machte. „Bringt meine Sachen hinauf in mein Zimmer und kommt dann wieder, um mich heraufzuführen“, befahl Aramand Jampsons Diener. Dieser nahm die Tasche pflichtbewusst und ging hinein. Jampsons Leute waren, das war ihm schrecklich klar, Meister des Pflichtbewusstseins.

Als der Diener durch die Tür verschwunden war, wandte sich Aramand dem Kutscher zu. „Nimm das Mädchen und geh ins Gasthaus“, ordnete er an. „Sorge dafür, dass wir morgen mit der aufgehenden Sonne abfahren können.“

„Wollt nich' bleiben, Herr?“, fragte Gren. Schau an, der Kutscher hatte die Intention des Befehl verstanden...

„Die Gebräuche in Harptown sagen mir nicht zu, insbesondere die des hohen Lords nicht“, antwortete Aramand. „Also bleiben wir nur so lange wie nötig.“ Gren nickte eifrig und rannte dann los. Das Mädchen hatte die Pferde bereits weggeführt. Aramands Blick folgte den beiden. Erst als sie die Wache passiert und das unsägliche Anwesen hinter sich gelassen hatten, war er bereit, dem zurückgekehrten Diener ins Innere zu folgen.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Als Hlinka Gren durch die Gasthaustür gefolgt war, blieb sie einen Augenblick mit geschlossenen Augen stehen und genoss, wie die Wärme des Feuers ihren ganzen Körper durchdrang. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch kein solches Unwetter erlebt. Und wenn, dann hätte sie es sicherlich nicht auf einem Kutschbock verbracht. Aber sie hatte Gren versprochen, ihre Schuld abzuarbeiten. Der Kutscher hatte sie vor einer Woche ohnmächtig auf der Straße liegen gefunden, nachdem sie vor einer Gruppe Räuber geflohen war. Womöglich hatte er ihr Leben gerettet, also schuldete sie ihm wenigstens ein wenig Hilfe. Außerdem hatte sie noch nie eine solch große Kutsche geführt.

So in Gedanken merkte Hlinka zunächst gar nicht, wie still es im Schankraum geworden war. Sie kannte diese Stille aus dem Gasthaus zu Hause. Wenn Fremde durch die Tür traten – so war es alter Brauch – stellte man alle Gespräche ein und starrte sie für einige Zeit mit diesem Gesichtsausdruck an, der sagte „Geh weg!“. Es war interessant zu sehen, dass sich dieser Brauch auch in anderen Ecken der Welt hielt.

Die Gespräche setzten jedoch auch nach einigen Atemzügen nicht wieder ein. Die Blicke des gesamten, völlig überfüllten Gastraumes ruhten auf Gren und ihr. Gut, auch das konnte mal passieren. Sie hatte gelernt, dass besonders unliebsamen Fremden so das Gefühl vermittelt werden sollte, dass sie, nun ja, weggehen sollten. Nur was machte die beiden bitte so unliebsam? Unsicher sah sie hinauf zu Gren. Der breitschultrige Kutscher schien von den Blicken gänzlich unbeeindruckt. Er zog seinen dicken Mantel aus und hängte ihn auf. Neben dem Knistern des Feuers und dem dumpfen Regen hinter der Tür war sein lautes Atmen das einzige Geräusch. Und, Hlinka war sich nicht ganz sicher, ein leises Schluchzen?

Gren nickte ihr zu, dass sie folgen sollte. Der große Mann schritt zwischen den Männern und Frauen hindurch, als wäre da gar keine bedrückende Stille. Unsicher ging sie ihm hinterher, ihr Mantel hinterließ eine Wasserspur auf dem Holzboden. Es war schon eine Erfahrung, mal auf der anderen Seite dieses argwöhnischen Starrens zu stehen. Wenngleich es keine war, die man unbedingt mal gemacht haben musste.

Am Tresen angekommen, setze sich Gren auf den einzigen freien Stuhl. „'n Bier und was Warmes“, brummte er. „Für mi' und die Kleine.“ Hlinka mochte überhaupt kein Bier, aber sie wollte darüber jetzt auch kein Fass aufmachen. Wieder vernahm sie ein leises Schluchzen. Dort, an einem kleinen Tisch unter der Treppe, umgeben von grimmig dreinschauenden Kerlen, saß ein Mann, den Arm um eine Frau gelegt. Er hatte tränenunterlaufene Augen und blickte in die Leere, sie weinte einfach. Hlinka machte unwillkürlich eine Bewegung in Richtung des Paares.

Alle Blicke auf sich spürend überlegte sie, dass jetzt Zeit für einen mutigen Schritt war. Was hatte Vater noch gesagt? Ohne Worte ist noch nie ein Streit beigelegt worden. Tausend Worte gingen ihr durch den Kopf, sie wollte nichts Falsches sagen, wollte den Abend nicht schlimmer waren. Also holte sie tief Luft. „Alles in Ordnung?“

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Erfrischt und umgezogen folgte Aramand einem Diener die Treppe herunter. Sein Seidenhemd und die rote Weste aus Calimhafen saßen eng und betonten seinen Körper, das Schwert mit dem goldenen Griff baumelte lässig an seiner Hüfte. Er wollte dem Lord keinesfalls gefallen. Dafür war er ohnehin viel, viel zu alt. Nein, er fühlte sich in teurer und schöner Kleidung einfach wohl. Und heute Abend brauchte er einfach jedes Hilfsmittel. Er würde essen, viel trinken, sein Geld abholen und die ganze Zeit dabei den Wunsch unterdrücken, Jampson in einen Eiszapfen zu verwandeln.

Vor ihm öffnete der Diener die schwere Holztür und Aramand betrat das Speisezimmer. Dort am Kamin standen Tundy, der Vertraute des Lords, gekleidet in eine Kettenrüstung, und zwei weitere Männer. Der kahl rasierte Mann im blauen Anzug und mit Gehstock musste der Lord sein. Den Bärtigen, der eine rote Robe aus Thay trug, erkannte er nicht.

„Aramand“, begrüßte Tundy laut und breitete die Arme aus. „Wie schön, dass Ihr gekommen seid. Mir scheint, als könne nicht einmal Talos der Stürmische euch aufhalten.“ Möge sein Blitz dich treffen! Fast als wollte er ihn in den Arm schließen, trat Tundy an ihn heran. Aramand verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.

„Es zieht mich immer an die gottlosesten Orte“, erwiderte er und hob die Augenbrauen. Für ein kurzen Augenblick erfror Tundys Grinsen.

„Nun, nun“, räusperte sich der Kinderfänger. „Ich darf euch vorstellen.“ Er deutete auf den den Lord. „Lord Jampson van Harpen.“ Der Kindermörder lächelte Aramand freundlich an. Der starrte mit ausdrucksloser Miene zurück. Einen Augenblick schien der Lord pikiert, dass er sich nicht verneigte. Formell war es auch nicht nötig, denn rein technisch war Aramand auch ein Lord. Aber selbst wenn er der Sohn einer Hafenhure gewesen wäre, vor diesem Mann neigte er nicht sein Haupt.

Tundy überging das Schweigen. „Und Lord Haymien, Magierfürst aus Thay“, stellte er den Roten Magier vor. „Wenn Ihr etwas auf Gerüchte gebt, tut Ihr gut daran, ihn zu meiden.“ Die drei Männer lachten. Haymien johlte wie ein Wolf.

„Diesen Ratschlag sollte ich mir häufiger zu Herzen nehmen“, erwiderte Aramand. Er hatte schon von Haymien gehört. In Niewinter hatte er Geschichten über die Grausamkeit dieses Magierfürsten mitbekommen, den selbst die Thay verstoßen hatten.

Aramand hatte dieses widerliche Schauspiel schon ein paar mal erlebt. Immer wenn er hinter die Fassade eines Mannes geblickt und für ihn Leichen aus seinem Keller getragen hatte, fühlte sich dieser in Aramands Gegenwart wohl und ließ ihn an seinen anderen geschmacklosen Geheimnissen teilhaben. Der Grad der Verderbtheit stieg mit der Menge der Leichen. Einen ausländischen Kriegsverbrecher und Massenmörder hatte aber keiner von Aramands früheren Kunden auf die Bühne gebracht. Aber was war diese Freundschaft schon gegen die wahren Abgründe des Lords?

Bis jetzt hatte Aramand, dessen Verschwiegenheit käuflich war, dieses Spiel immer mitgespielt. Heute fiel es ihm schwerer denn je. Als die Diener das Essen anrichteten und man sich an den Tisch setzte, verfiel er in einen tranceartigen Zustand. Jampson und Haymien sprachen über abgründige Dinge, während Tundy ab und an belustigende Einwürfe zum Besten gab. Aramand sagte nichts, der einzige Laut, den er von sich gab, war ein Fingerschnips, wenn sein Glas leer war. Bald stieg er vom Elfenwein auf Schnaps um. Dafür, dass er der Ehrengast war, kümmerte sich Jampson herzlich wenig um ihn. Das musste die Gnade des Kindermörders sein. Er würde nach Calimhafen reisen, stellte Aramand fest. Sobald er wieder in Atkatla war, würde er das nächste Schiff in den Süden nehmen. Oder nach Tiefwasser in den Norden. Hauptsache weit weg.

„Aber was meint ihr dazu, Aramand?“ Jampson sah ihn erwartungsvoll an. „Ihr seid so still, ich wollte euch nicht ausschließen.“ Ah, der zweite Akt...

Er hatte keine Ahnung, worüber die drei sich unterhalten hatten. Eine unpassende Antwort hatte er dennoch parat. „Ich muss gestehen, ich trage lieber Seide“, sagte er und prostete dem Grafen zu. „Amnische Knabenhaut mag einen exotischeren Charme haben, aber ich bevorzuge doch Stoff aus Calimshan. Vielleicht nicht so teuer, dafür kann man damit auch vor die Tür gehen. Ich sehe das eher praktisch.“ Die entsetzten Gesichter der drei Männer waren bis jetzt das beste am heutigen Abend. Und der Elfenwein, dem er heute Abend sicherlich zu stark zugesprochen hatte. „Da wir gerade so schön zusammen sitzen und von Geld reden: Ich vertraue darauf, dass Ihr die Bezahlung bereit liegen habt.“ Er nickte Haymien spöttisch freundlich zu. „Der Lord lässt sich seine Freizeitbeschäftigungen ganz schön was kosten. Heute sollte er jedoch nicht in Verzug kommen. Schließlich wollt Ihr, Jampson, nicht, dass ich wiederkommen muss und euch bei der Opferung einer Jungfrau störe. Oder ist euch das zu profan, mein guter Lord?“

Aramand stand auf. „Nach allem was ich gehört habe, ist euer Freund aus Thay einer klassischen Jungfrauenopferung nicht abgeneigt.“ Er machte eine abfällige Handbewegung in Richtung des Magierfürsten. „Ihr müsst ihm verzeihen, Lord, die sind dort drüben noch nicht in der Moderne angekommen.“ Er deutete theatralisch auf den perplexen van Harpen. „Ihr hingegen seid modern, postmodern, will ich fast sagen. Ein Sinnbild des neuen Adels. Künstler, Philosoph und Krieger. Aber vor allem ausgestattet mit einem gigantischen Herz für Kinder.“ Er hob das Glas zu Jampsons Ehren.

Dann schob er seinen Stuhl zurück und ging den Tisch entlang zur Tür. Neben Tundy blieb er stehen und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Verzeiht, aber mir ist nichts eingefallen, was ich über eine rückratlose Made hätte sagen können.“ Er klopfte die Schulter zweimal. „Guten Abend, die Herren.“ Ohne sich nochmal umzudrehen ging er in Richtung Tür. In dem Wissen, gerade einen Kriegsveteranen, einen Massenmörder und einen Magierfürsten bis bis auf die Knochen beleidigt zu haben.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

„Muss'm Boss sagen“, hatte Gren ihr aufgetragen, also war Hlinka zurück zum Anwesen gerannt. Als sie es endlich an den Wachen vorbei und in das Haus geschafft hatte, hatte ein Diener ihr sehr forsch gesagt, dass die Herren zu speisen beliebten und nicht von einer daher gelaufenen Kutschersgehilfin gestört zu werden wünschten. Oder so. Sie hatte darauf bestanden, zu ihm vorgelassen zu werden. Schließlich hatte der Diener ihr erlaubt, im Gästezimmer zu warten, wenn sie versuchte, nicht alles schmutzig zu machen.

Nach allem, was sie im Gasthaus erfahren hatte, war keine Zeit zu verlieren. Die gute Frau Victa hatte gesagt, dass ihr Junge weg war. Und ihr Mann hatte gemeint, der Lord wisse etwas, aber wollte nicht reden. Vielleicht wusste der Herr etwas, er schien mit dem Lord befreundet zu sein. Hlinka hatte Victa versprochen, mit dem Herrn zu reden. Er würde vielleicht helfen können, den Jungen wiederzufinden. Gren hatte gemeint, der Herr „mach' manschma' so Sach'n.“

Als sie im Gästezimmer wartete und versuchte, nicht alles schmutzig zu machen, konnte sie sich beruhigen. Ein großes Gemälde an der Wand erweckte ihre Aufmerksamkeit. Es zeigte eine Blumenvase, die vor einem Fenster stand, hinter dem die Sonne rot aufstieg. Die Blumenvase war etwa zur Hälfte mit Rosen gefüllt, der Rest war leer. Wenn man genauer hinsah, erkannte man, dass nicht alle Rosen die gleiche Farbe hatten. Es schien, als habe der Künstler jede Rose einzeln gemalt. Über einen langen Zeitraum hinweg. Sie zählte dreiundfünfzig, die Vase bot Platz für etwa einhundert. Hlinka zuckte mit den Schultern. Das wird schon seine Richtigkeit haben.

Die Tür wurde aufgestoßen und der Herr betrat den Raum. Er starrte sie erstaunt an. Seine Augen waren glasig und er hatte einen getriebenen Gesichtsausdruck. Sie schwieg. „Ich muss mit dem Trinken aufhören“, stellte er auf einmal fest, ging an ihr vorbei, zog seine Weste aus und warf sich auf einen Sessel, die Beine über eine Lehne. Mit der Hand bedeckte er seine Augen.

Hlinka wusste, was sich gehörte. Eigentlich müsste er sie ansprechen, war er doch der Herr und alles, nur drängte die Zeit. „Herr“, begann sie daher zaghaft, er legte den Finger auf die Lippen und gebot ihr, zu schweigen.

Er machte drei kräftige Atemzüge. „Lass mich raten, du willst auch nur zu meinen Problemen beitragen, oder Mädel?“, sagte er schließlich und seufzte. „Das alles fällt unter die Kategorie ,Dinge, die den Braten auch nicht mehr fett machen'. Schieß' los.“ Er massierte sich die Augenlider.

Und Hlinka legte los. „Gren und ich waren im Gasthaus. Hab da die Victa getroffen und die Victa meinte, ihr Hannu ist verschwunden. Und ihr Mann sagte, der Lord weiß, wo der Hannu ist. Und ich sagte, der Herr kennt den Lord. Und Gren sagte, ich soll zum Herrn gehen und ihn fragen, ob er mit dem Lord reden kann“, plapperte sie drauf los. Sie lief rot an. Der Herr machte sie nervös.

Aber der Herr schien etwas verstanden zu haben. Er war aufgesprungen und sah sie mit wütender Miene an. Hatte sie was falsch gemacht? „Nur um das kurz für mich klar zu stellen“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Hannu ist Victas Sohn?“ Hlinka nickte eifrig. „Und Hannu ist wie alt? Sieben, acht Jahre?“ Woher wusste der Herr das jetzt?

„Sieben.“ Das Gesicht des Herren verfinsterte sich, dass Hlinka vor ihm zurückwich. Er konnte doch unmöglich wütend auf sie sein.

„Dieser Ort macht mich krank“, spie der Herr plötzlich aus, packte sie am Armgelenk und zog sie zu sich heran. „Hör jetzt gut zu. Ich will, dass du die Pferde sattelst. Nimm egal welchen Sattel du im Stall findest. Sorge dafür, dass sie bereit sind, wenn ich komme. Sprich mit niemandem. Wenn du angesprochen wirst, sag, der Lord hat einen Auftrag für mich.“ Er zog sie zur Tür. „Und wenn du nicht willst, dass der kleine Hannu die vierundfünfzigste Rose wird, dann beeilst du dich gefälligst!“
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Aramand kochte, die Wirkung des Alkohols war durch rasende Wut ersetzt worden. Er hatte schon viel miterlebt, aber er würde dem Lord nicht erlauben, Blut auf seinen Händen zu hinterlassen, dass nie wieder abging. Er zog das Kutscherweib hinter sich her und als er das Portal erreichte, rief er: „Los!“

Er hatte sich eingeredet, Jampson würde aufhören. Hatte sich eingeredet, jetzt wo die Welt seine Abgründe kannte, wäre es vorbei. Doch die Welt kannte seine Abgründe nicht. Er selbst hatte sie verdeckt. Und jetzt musste ein kleiner Junge dafür bezahlen, dass er den letzten Rest seines Gewissens an eine Bestie verkauft hatte.

Jeder Zauber, den er in seinem Leben gelernt hatte, kam in ihm wieder hoch. Vor fünf Minuten hatte er die drei Herren im Speisezimmer zurückgelassen, jetzt würde er ihnen eine Abendunterhaltung bieten, die sie bis an ihr Lebensende nicht vergessen würden. Magierfürst hin oder her!

Er trat die Tür auf. Nur noch Tundy war da, allein am Tisch sitzend. Er sprang auf, als er Aramand sah, sein Gesichtsausdruck verriet nur Verblüffung. „Aramand, ich hatte nicht gedacht, dass Ihr noch kommen würdet“, setzte er an. Mit nur einer Handbewegung beschwor Aramand frostige Ketten, die aus dem nichts hervorschossen und den Kinderfänger zurück an seinen Stuhl fesselten. „Wie könnt Ihr es wagen?“

„Wie fühlt sich das an?“, fauchte Aramand. „Wie fühlt es sich an, ausgeliefert und hilflos zu sein?“ Er trat an Tundy heran. „Ich muss gestehen, mir verschafft es eine immense Befriedigung, Euch so zu sehen. Habt Ihr es deshalb gemacht? Habt Ihr dem abartigen Lord die Jungen gebracht, weil es euch befriedigt hat?“ Die Verblüffung war Panik gewichen, der Kinderfänger hatte die Augen weit aufgerissen. „Wisst Ihr, was passieren wird? Die Leute von Harptown werden erfahren, was Ihr und Euer kranker Freund getan haben. Und sie werden es nicht hinnehmen. Sie werden das Tor einreißen und Blut sehen wollen. Sie rotten sich bereits zusammen. Jetzt, wo der Lord mir gehört, an wen glaubt Ihr, werden sie sich wenden?“ Er zeigte auf den Gefesselten. „Und Ihr werdet hier sitzen, ausgeliefert und hilflos. Betet nur, das Jampson den Jungen noch nicht getötet, sonst wird das, was die Bewohner mit Euch anstellen werden, das Beil wie eine Gnade erscheinen lassen.“

Tundy wollte schreien. Ein weiterer Zauber, und eine Eisschicht bedeckte seinen Mund. „Und jetzt nehme ich mir euren Herren vor.“ Der wird nicht so glimpflich davon kommen.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Es darf nicht sein!, sagte Hlinka sich immer wieder. So etwas darf es nicht geben! Menschen tun so etwas nicht!

Während sie die Pferde gesattelt hatte, war ihr auf einmal klar geworden, was der Herr gemeint hatte, sie hatte begriffen, was in diesem Anwesen passierte. Es durfte nicht sein! Sie hatte Geschichten von Drachen und Dämonen gehört, hatte sogar mal einen Hobgoblin bekämpft. Aber Menschen waren keine Bestien! Menschen waren gut, sie lebten und lachten. Sie machten nicht... solche Dinge!

Laufend führte sie die beiden Pferde aus dem Stall und stellte sie vor den Eingang. Den Eingang, der in die Höhle des Monsters führte. Sie spürte den Regen nicht mehr. Der einzige Schauer, den sie verspürte, war der anhaltend kalte Schauer auf ihrem Rücken.

Der Hof war leer, die Wachen hatten sich vor dem Regen in Sicherheit gebracht. Sie war ganz allein in der Dunkelheit. Worauf wartete der Herr? Brauchte er vielleicht ihre Hilfe? Sie griff nach ihrem kleinen Dolch. Sollte sie es wagen, sollte sie wieder rein rennen und dem Herren helfen? Nein, sie konnte sowieso nichts ausrichten. Alles was sie konnte, war die Pferde zu bewachen.

Und das Tor öffnen! Natürlich musste sie das Tor öffnen, sonst würden sie nicht fliehen können. Aber bevor sie überhaupt los rennen konnte, öffnete jemand die Tür des Anwesens. Im Licht der Fackeln zeichnete sich die Silhouette eines Mannes ab, der eine Robe trug. Hlinka erstarrte. War das der Lord? War der Herr gescheitert?

Langsam kam der Mann in der Robe auf sie zu. Ein Blitz erhellte sein bärtiges Gesicht. Er grinste. Hlinka drehte sich von ihm weg. Sie konnte nicht fliehen, das Tor war zu! Der Robenträger blieb neben ihr stehen. Er wurde überhaupt nicht nass, der Regen schien ihm nichts anhaben zu können. Plötzlich schnupperte er an ihr. „Eine Jungfrau.“ Sein Grinsen wurde breiter.

Sie stieß ihn weg. Er lachte nur. Sie wollte rennen, aber sie konnte nicht. Ihr Beine bewegten sich kein Stück. Sie waren taub. „Nicht weglaufen.“ Es musste ein Zauber sein. Der Bärtige packte ihre Arme so fest, dass sie sich nicht wehren konnte. Ein so schmächtiger Mann konnte nicht so stark sein! „Es wird schnell gehen“, zischte er, seine Augen vor Erregung geweitet. Er kam immer näher, als wollte er sie küssen!

„Nein“, schrie sie und rammte ihm den Kopf gegen die Nase. Er taumelte zurück. Blut tropfte auf seine rote Robe, sein Gesicht war wutverzerrt. Die Lähmung fiel von ihr ab.

„Du Schlampe!“ Er hob beide Hände, sie fingen zu glühen an. Hlinka duckte sich, ein Blitz schoss über sie her, sie hörte ein schmerzerfülltes Wiehern. Der Magier packte ihre Haare. „Du zahlst!“ Er zerrte sie hoch, griff nach ihrer Kehle. Sie kämpfte dagegen, langsam drückte er zu. Lachte wieder. Der Dolch! Sie ließ die Finger des Mannes los und griff nach ihrem Gürtel. Packte ihren Dolch und stach zu. Warmes Blut ergoss sich über ihre Hände.

Sie atmete flach, als der Mann, milde überrascht, an ihr herunter rutschte und vor ihren Füßen liegen blieb. Sie hatte einen Mann getötet! Die Wahrheit drang in ihren Kopf. Sie hatte einen Mann getötet. Und er hatte es verdient!

„Mädchen!“ Der laute Ruf ließ sie zusammenzucken. Dort im Türrahmen stand der Herr. Seine Oberkörper war nackt, seine rechte Hand war blutüberströmt. Doch auf seinem linken Arm hielt er einen kleinen Jungen in einem Seitenhemd, der bitterlich weinte. „Kennst du ein gutes Gasthaus in der Nähe?“
 

Enigma

Suchender
Registriert
15.07.2002
Beiträge
2.159
Lisra

Über Nacht war der Himmel wieder klar geworden und jetzt wärmte die Sonne lustlos die laute Menschenmenge.

In eine raue Decke gewickelt und mit um die Knie geschlungenen Armen saß Hlinka auf einem Fass in einer Ecke des Burghofs und beobachtete das Treiben mit müden Augen. Das Holz unter ihrem Körper schien das einzig reale in ihrer Wahrnehmung zu sein. Alles andere, das Licht, die fernen Mauern und das chaotische Konzert aus zahllosen Stimmen erreichte sie kaum, prallte gegen sie wie Wasser an eine Kaimauer.

All diese Menschen, dachte sie. Zusammengetrieben, aber von wem? Warum tut jemand so etwas?

Sie hatte nicht gefragt, wer die anderen waren, oder wovor sie flohen. Hlinka hatte am Ende des Waldes gelauert, gewartet. Noch bevor an den Morgen zu denken war, kamen sie, erst in Gruppen, dann im Strom. Hunderte, Stücke ihres Besitzes, oder andere tragend, ohne Schutz außer ihrer schieren Zahl. Niemand hatte bemerkt, wie sie sich dem Zug anschloss. Jeder blickte zu Boden oder stumpf nach vorne.

„Hier, Kind, nimm auch etwas.“

Hlinka blinzelte und sah auf die hölzerne Schale, die ihr hingehalten wurde. Suppe, dick und dampfend, schaute zurück. Sie zog einen Arm aus der Decke hervor und nahm die Schale entgegen. Eine ältere Frau hatte sie ihr angeboten, eines ihre grauen Augen war blutunterlaufen, und dünne Linien durchfurchten ihr Gesicht. Das bisschen Haar, das unter einem Kopftuch hervorlugte, war grau. Das Gesicht einer Mutter.

Die Augen der Frau huschten zu Hlinkas Arm. Das große Kettenhemd ließ sich nicht verbergen.

„Iss, Kind“ murmelte sie, und wandte sich ab.

Kind, hallte es in Hlinkas Kopf wieder. War sie nicht mehr als ein Kind, hilflos und allein? Nein, sie war kein Kind, aber sie konnte nicht anders als sich so zu fühlen. Langsam trank sie den heißen Inhalt der Schale. Die Erinnerungen an das Geschehen, die Gedanken an ihr altes Leben, waren nicht so greifbar wie Suppe und die ziehende Leere in ihrem Magen.

Wem gehört dieser Ort? fragte sie sich. Ein Banner hing über dem Tor, das sie nachts passiert hatten, aber sie konnte nichts damit anfangen. Wahrscheinlich war es der Herr all dieser Menschen, der Mann der sie jetzt in der Not beschützen musste. Hlinka sah hoch zum Bergfried, doch in keinem der Fenster konnte sie etwas erkennen.

----

„Das ist also euer Problem? Ein Haufen Bauern?“

„Ein Haufen Bauern, den ich nicht füttern müsste, wenn sich jemand an seine Anweisungen gehalten hätte.“

„Nicht jeder ist so gründlich wie ich.“

„Ich freue mich auf den Beweis für eure ständige Angeberei, Aramand. Dann steht auch eurem Anteil an diesem ganzen Unternehmen nichts mehr im Weg.“

„Gut. Was soll mit ihnen passieren?“

„Sie sind Zeugen. Sie dürfen die nächste Burg nicht erreichen.“

„Niemand? Vergesst es, ich bin kein Schlächter. Außerdem sind das auch für mich zu viele, irgendwer würde sicher entkommen können.“

„Ihr sollt nur für Ablenkung sorgen. Lasst Feuer regnen oder so etwas, und achtet darauf, dass niemand entkommt. Die kalte Hand kümmert sich um den Rest.“

„Ich soll mit diesem Abschaum losziehen? Und ich hasse Feuer.“

„Schleudert Blitze. Ihr seid der Magier und Eure Belohnung ist höher als die für den gesamten Mob. Mehr als diese Burg. Das ist es doch, was Ihr immer wolltet, flüstert man mir zu.“

„Ihr wisst ein wenig zu viel, oder?“

„Erledigt euern Job, Aramand, und Ihr kriegt ihren Lohn. Keine weiteren Fragen.“

„Wie ihr wollt… Lord. “

----

Ein weiterer Weg¸dachte Hlinka, wieder stumpfes Gehen.

Hier könnt ihr nicht bleiben, hier ist es nicht sicher, sie werden euch sicher folgen, ihr müsst weiter, man wird sich dort um euch kümmern, es hilft nichts, die Götter blicken kalt auf uns… Sie hatte die Worte des Vogts ohne Protest akzeptiert, denn es hatte auch so genug Geschrei gegeben. Wächter hatten den Vogt schließlich zurück in den Bergfried eskortieren müssen, bevor ihn die Menge in Stücke reißen konnte.

„Er ist der Herr“ hatten sie gesagt, „er muss uns doch beschützen, aber er reicht uns weiter wie Vieh.“

Hlinka hatte nichts gesagt. Ihre Eltern hatten keinen Herrn, sie hatte keinen Herrn. Natürlich gingen Steuern an den Herrscher, weit entfernt in seinem Schloss, natürlich empfingen Priester ihre Gaben, aber sie hatten keinen Herrn. Ich habe schon wieder etwas gelernt, dachte sie, Bitteres, so Bitteres. Warum verschlossen sich Menschen so voreinander?

Der Tross zog einen Pfad zwischen Hügeln entlang. Hlinka wusste nicht wo sie waren, aber die anderen schienen so zuversichtlich wie sie nur konnten, und mit dem Weg zumindest ein wenig vertraut. Hinter ihr Schritte, vor ihr Schritte, zu den Seiten hin die Dämmerung, und bald darauf die Dunkelheit. Nur noch an der Spitze und am Ende des Zuges brannte das Licht der Fackelträger Löcher in die Nacht.

Sie fühlte die Stellen an denen das Kettenhemd gescheuert hatte bei jedem Schritt, aber sie hatte es nicht über sich gebracht es auszuziehen. Die zweite Haut aus Metal hielt für sie die Welt auf Abstand. Kind, sagte die Stimme der alten Frau in Hlinkas Kopf. Die junge Frau schüttelte den Kopf. Kein Kind, nicht mehr. Niemals als Kind hatten ihr die Beine so wehgetan oder hatte sie ausgesehen wie ein Schatten ihrer selbst.

Um sie herum sprachen die Leute wenig, selbst die Kleinsten waren irgendwie zu Ruhe gekommen.

Warum schickte man uns weg? Weil man uns nicht ernähren kann. Wie Vieh im Winter. Vieh. Was tut man im Winter…

Eine Welle aus Angst schwappe über sie und riss sie mit sich. Mit einem tonlosen Schrei brach sie aus der Kolonne, und fühlte sich innerhalb von Sekunden von der Dunkelheit verschluckt.

Hämmernden Herzens blieb Hlinka stehen und wandte sich um. Sie hatte nur einige hundert Meter auf dem hügeligen Grasland zurückgelegt. Sie konnte in der fernen Schwärze noch gut die hellen Punkte der Fackeln ausmachen. War es das Richtige gewesen? Sie hatte sich in der Menge zunächst sicher gefühlt. Dennoch wusste sie, dass ihr eigenes Leben nur von ihr selbst gerettet werden konnte.

Einer der Lichtpunkte flackerte, als wäre die Fackel zu Boden gefallen. Dann begann das Geschrei.

Das bereits vertraute Surren von prasselnden Pfeilen wurde von den Schreien übertönt, dunkle Umrisse bewegten sich in der Schwärze.

Die Augen weit aufgerissen ging Hlinka langsam rückwärts. Sie wollte umdrehen, weiter rennen, doch sie konnte den Blick nicht abwenden. Dann tat sich der Himmel auf, und es schien kaltes Feuer zu regnen, klirrende, in der Nacht blendende Ströme aus blauen Flammen, die auf die Menschen niedergingen, mit denen sie eben noch gewandert war.

Das muss Magie sein, dachte sie, bevor ihr Instinkt die Oberhand gewann und sie wieder rennen ließ.

----

Aramand schob die Ärmel seines maßgeschneiderten Hemds hoch und schleuderte einen weiteren Blitz. Er wünschte sich, dass er sich etwas in die Ohren stecken könnte, denn das ganze Geschrei ging ihm auf die Nerven. Alles in allem ein leichter Auftrag, summierte er. Wie viel Widerstand konnte man von einer Gruppe müder Bauern auch erwarten?

Er warf einen Seitenblick zu Holg. Der riesige Mann hatte in seinen Augen eindeutig zu viel Orkblut in seinen Adern, aber er befehligte die Hobgoblins der kalten Hand mühelos und effizient. Aramand wäre normalerweise unruhig in seiner Gegenwart gewesen, aber hier, umringt vom Licht seiner eigenen Magie und einem Notfall-Zauber in der Hinterhand, fühlte er nur Abscheu. Holg verkörperte das, was Aramand an seinem Beruf zuwider war, stumpfe, dreckige Brutalität und keinen Sinn für feineres Leben, nur Augen für die Menge an Schnaps, die der Lohn einbrachte.

Wenigstens musste er sich selbst kaum die Finger schmutzig machen, das eigentliche Töten übernahmen die Anderen. Die kalte Hand… Aramand spuckte auf den Boden. Wer hätte gedacht, dass ein Sohn eines Adligen mit einer Gruppe Hobgoblins zusammenarbeiten würde. Aber dies war nun einmal der Preis, den er für seinen Lohn zu zahlen hatte. Einen Lohn so fürstlich, dass er sich schon bald größer und mächtiger fühlen konnte, als es sein Vater jemals gewesen war.

Aus dem Augenwinkeln sah er, wie einer der Hobgoblins Holg etwas zurief. Der Mann sah zu ihm.

„Hexer, eine ist entkommen. Finde und erledige sie, wir sind hier fertig.“

Aramand nickte knapp. Er hatte keine Lust sich auf einen Streit einzulassen. Früher oder später konnte er dem anmaßenden Barbaren eine Lektion erteilen. Endlich konnte er von hier verschwinden. Er wandte sich vom Schauplatz des Geschehens ab. Die Dunkelheit war trotz der eisigen Feuer tiefer geworden. Er führte eine Hand zum Gürtel und nach kurzem Wühlen in seiner Gürteltasche fand er den kleinen Achat. Der Magier schloss den Halbedelstein fest in seiner Faust ein und murmelte leise ein paar Worte. Sofort verwandelte sich die Dunkelheit vor seinen Augen in ein schwarzes, monochromes Bild der Landschaft.

Eine Frau? Vielleicht kann dieser elende Auftrag mit etwas Netterem enden, dachte er. Keine weiteren Zeugen.. also dann.

----

Hlinka wünschte, sie würde das Kettenhemd nicht tragen. Hlinka wünschte sich, sie wäre nicht hier. Keuchend blieb sie stehen. Die Schreie lagen ihr noch immer in den Ohren, aber schienen nicht mehr so nahe. War sie wieder entkommen? Sie hatte jedenfalls diesmal niemanden auf den Fersen gespürt. Zum Glück, dachte sie, hier gibt es keinen Wald. Ich muss weiter.

Weit über ihr gaben die Wolken den Mond frei, und die schwarze Nacht wich ihrer helleren, silbrigen Schwester. Hlinka blickte zur weißen Scheibe am Himmel hoch.

„Mutter Mond, schaust du heute auf deine Kinder?“ murmelte sie.

„Nur ich schau‘ auf dich, und das gefällt mir.“

Hlinka fuhr herum. Ein Mann stand nun vor ihr, deutlich größer als sie und mit einem Ausdruck von Hohn auf dem schattigen Gesicht. Er sah nicht aus wie ein Bandit oder Söldner, doch seine Ausstrahlung machte deutlich, dass er kein Freund sein konnte. Seine Kleidung war zwar elegant und seine Haare tadellos frisiert und wahrscheinlich war sogar sein Kinn glatt, doch seine Haltung war die eines Schlägers. Hlinka hatte solche Männer von weitem gesehen, meistens wenn sie von Männern des Magistrats weggezerrt wurden. Ihr Herz schlug hart gegen ihre Brust.

Sie öffnete den Mund um etwas zu erwidern, aber es kam kein Ton heraus.

Die Augen des Mannes hatten das Stück Kettenhemd fixiert, das unter ihrem Mantel zu sehen war. Langsam ging er auf sie zu.

„Du trägst eine Rüstung... aber ich glaube nicht, dass du eine Kämpferin bist.“

Ein kaltes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

„Aber ich bin neugierig.“

Mitten im Schritt nach vorne ließ er die rechte Faust nach vorne schnellen. Hlinka hob reflexartig ihren linken Arm und ging tief in die Knie. Sie fühlte den Aufschlag an ihrem Arm, und wie die Faust an ihr entlangschrammte, ohne jedoch voll zu treffen. Mit aller Kraft die sie aufbringen konnte schwang sie ihren ganzen Körper herum und versuchte ihr Gewicht hinter ihre eigene rechte Faust zu bringen. Sie traf, doch anstatt Fleisch traf sie etwas anderes. Stechender Schmerz schoss erst durch ihre Faust und dann ihren gesamten Arm entlang. Hlinka schrie auf. Ihre Knie zitterten. Sie fühle eine Hand des Magiers über ihren Kopf streichen.

„Manchmal ist mein Körper hart wie Stein“ flüsterte er. Dann traf seine Faust auf Hlinkas Stirn und sie stürzte zu Boden.

Der Boden schien aus ihrer Wahrnehmung gefallen zu sein. Dumpfer Schmerz pulsierte durch ihren Körper. Ihre Stirn schien taub geworden und der blassgraue Himmel über ihr drehte sich. Langsam drehte sich ihr der Magen um.

Ist es das gewesen? Er wird mich jetzt töten. Oh bitte lass ihn mich töten. Keine Schmerzen mehr, nie mehr fliehen, das Ende des Weges.


--​

Die folgende Passage musste leider herausgenommen werden, um eine FSK 14-Zulassung zu erreichen. Interessierte Volljährige können sich per PM bei Enigma melden, um sie sich zuschicken zu lassen.
Kurz zusammengefasst passiert das Folgende: Aramand bindet Hlinka mit einem Zauber an den Boden und vergeht sich teilweise an ihr, scheut aber vor einer tatsächlichen Vergewaltigung zurück. Er beschließt, sie einfach zu töten, bemerkt jedoch nicht, dass sein Zauber nicht mehr wirkt.


--​


Aramand stand nicht weit entfernt von der jungen Frau, die ihn bis eben amüsiert hatte. Er hielt sein Schwert lustlos in der rechten Hand. Es glänzte im Mondschein, so unbenutzt wie immer, doch er hatte den Großteil seiner Zauber verbraucht und fühlte sich nicht danach schwere Magie zu vollbringen, oder sich die Hände schmutzig zu machen, in dem er sie erwürgte. Wahrscheinlich hatte er sich bereits was eingefangen, als er nur ihre Hose berührt hatte.

Immerhin war ihr Gesicht schön anzusehen. Ich möchte mich lieber daran erinnern.

Aramand hob das Schwert, doch dann hielt er inne. Etwas, das er seit er diesen Auftrag angenommen hatte spürte, regte sich in ihm.

Den Hass, den er empfunden hatte, als seine eigene Familie ermordet worden war, er hatte ihn in ihren Augen wiedererkannt, der Zorn der Hilflosen gegen die Mächtigen. Er war nicht mehr hilflos, er fühlte sich stark, so stark, dass er sich nehmen konnte was er wollte, dass er alle, die sich ihm in den Weg stellten, übertrumpfte.

Er war nicht besser als die Mörder seines Vaters.

----

Hlinkas Blick war auf das Schwert geheftet. Ihr Herz schlug schon so lange so hart, dass sie es kaum noch wahrnahm, und ihr Körper schien gleichzeitig leer und in Flammen zu stehen. Sie wollte sich übergeben, weg, oder überhaupt etwas tun, aber sie blieb liegen.

Dann tat der Mann etwas, dass Hlinka blinzeln ließ. Er stieß das Schwert in den Erdboden schlug sich selber gegen die Stirn und schrie.

„VerdammtVerdammtVERDAMMT!“

Er wandte sich ab, machte ein paar Schritte, schrie erneut, fasste sich an den Kopf, trat gegen einen Stein.

„Warum gerade jetzt, warum schon wieder, WAS IST BLOß LOS MIT MIR?“

Er ist verrückt, dachte Hlinka. Sie rollte sich auf den Bauch, keuchte und übergab sich. Neben ihr schrie und tobte der Mann gegen etwas, das nur er sehen und fühlen konnte.

Als die Welle der Übelkeit leicht nachließ, wischte sich Hlinka einmal über Mund und Hals und stemmte sich hoch. Ihre Beine, nein, ihr ganzer Körper zitterte, aber sie konnte stehen.

Ihr Blick glitt zu dem Schwert, das neben ihr im Boden steckte, und dann zu dem Mann, der seinen Kopf in den Händen hielt und wimmerte.

Hass kochte wieder in ihr hoch. Aber der Mann war hilflos, irgendwo in seinem eigenen Kopf gefangen, vielleicht mit den Geistern all jener, denen er Ähnliches und schlimmer angetan hatte. Dann erinnerte sie sich an seine Augen. An die Leichtigkeit, mit der er bereit gewesen war, sie erst zu schänden, dann zu töten, an die Überheblichkeit in seiner Stimme, daran, dass er in ihr als Frau keinen Menschen zu sehen schien.

Hlinka ergriff das Schwert und Verzweiflung und Hass gaben ihren Armen Kraft. Sie riss die Waffe aus dem Boden heraus, in die Höhe und schwang sie nach ihm.

Sie schlug und schlug, bis ihr nicht einmal mehr Wut länger Kraft geben konnte. Sie ließ das Schwert achtlos fallen, schwankte auf der Stelle und gab dem, leeren Körper einen letzten Tritt.

Dann wandte sie sich und ging, wahllos geradeaus, mit schweren Schritten. Sie wusste, er würde wiederkommen, wenn sie beim nächsten Mal die Augen schloss. Sie würde abwechselnd ihn sehen, über sich, und ihn dann unter sich, reduziert zu dem, was er in ihr gesehen hatte, ein Stück Fleisch.

Ich habe gelernt, dass ich töten kann.

Ohne stehen zu bleiben hob Hlinka ihre Hand zu ihrer Wange. Sie hatte nicht bemerkt, dass Tränen gekommen waren. Endlich.
 

skull

Thronfolger
Registriert
23.09.2000
Beiträge
5.986
Es wird düster...
Ich nehme an, dass es zu spät ist, gegen eine mögliche Zensur der Texte zu votieren?

Naja, wie dem auch sei. Punkt an Scot.

Beide Autoren konstruieren ihre Geschichten bzw. deren Höhepunkte um einen plötzlichen Sinneswandel Aramands herum, dessen etwas zwiegespaltene Persönlichkeit sich ja auch in der Hintergrundgeschichte abzeichnete.
Lisra geht mir hier in seiner Interpretation des Charakters aber deutlich zu weit.

Dass Scots Aramand ausgeprägte chauvinistische Tendenzen zeigt, ist nicht zu verleugnen, aber zumindest direkte physische Gewalt gegen Frauen ist ihm doch deutlich zuwider. Den Charakter also zu einem Schlächter und (beinahe?-)Vergewaltiger umzufunktionieren, halte ich auf Basis der Hintergrundinfo für nicht zu rechtfertigen.
Wenn es denn hätte sein müssen, hätte etwas mehr 'Entwicklung' hin zu dieser Entgleisung gutgetan.
Dass der Charakter bei Lisra so weit von seinem Ursprung entfernt ist, ist alleine natürlich noch kein Grund, Scot den Punkt zu geben, aber es ist einer von vielen Faktoren.

Der schon erwähnte sehr sehr plötzliche Sinneswandel, bzw. vielmehr der damit einhergehende völlige Zusammenbruch, scheint mir in Lisras Geschichte zu konstruiert und aus dem Nichts kommend, und dient vordergründig erstmal als Plot Device um dem Schuft einer gerechten Strafe zukommen zu lassen. Man könnte da natürlich tiefer gehen und anfangen, psychologisch zu argumentieren, aber ich denke, dass das zu weit führen würde.

Den Sinneswandel in Scots Geschichte finde ich ebenfalls zu unmotiviert (Aramands Klient hat schließlich 50+ Kinder auf dem Gewissen; was erwartet er?) aber generell wirkt Aramand hier runder und glaubwürdiger. Teilweise sogar erstaunlich sympathisch, der Schurke mit dem Herz aus...äh, Blech. Hlinka kommt sympathisch rüber und ist gut in die Geschichte integriert.
Nach Kraven & Maus gefällt mir auch, dass hier wieder kooperiert wird.

Ich denke es ist generell schwierig, einen geeigneten stilistischen Rahmen für dutzendfachen Kindsmord oder eine Vergewaltigung innerhalb einer Fantasygeschichte (!) zu finden. Wenn ich die Frage, ob das hätte sein müssen, ausklammere, komme ich zu dem Ergebnis, dass mir beide Geschichten stilistisch gut gefallen.
Bei Scot finden sich ein paar Stolpersteine mehr als bei Lisra (der 'Dialekt' des Kutschers), aber persönlich gefällt mir der etwas leichtere, unterhaltsamere Erzählstil hier mehr als der konsequent durchgehaltene düstere/verzweifelte Ton in Lisras Geschichte.

Edit: Ah, ich sollte vielleicht noch anmerken, dass ich beide Geschichten sehr interessant zu lesen fand. Die eine sehr spannend, die andere ...interessant.:D
An der Uni hab ich irgendwie nie gelernt, was nettes zu sagen.:wunder:
 
Zuletzt bearbeitet:

Irotor

Member
Registriert
26.06.2009
Beiträge
88
Ich machs dieses Mal kurz: Stilistisch fand ich Scots Geschichte besser, die herausgeschnittene Szene muss ich nicht wirklich lesen (muss meiner Meinung nach auch nicht sein sowas in einer Geschichte auszuführen). In allem weiteren schließe ich mich skull an, dieser Punkt geht an Scot.
 

Enigma

Suchender
Registriert
15.07.2002
Beiträge
2.159
 
"Ich nehme an, dass es zu spät ist, gegen eine mögliche Zensur der Texte zu votieren?"

Wie meinst du das genau?

Ich zitiere nochmal (zuvor Lis gegenüber per PM) Tim: "[W]enn wir Dinge öffentlich stellen, die Erwachsenen vorbehalten sein sollen, müssen wir einen wirksamen Schutz vor unbefugtem Lesen einrichten.. und das machen wir nicht."

Lisra und ich haben uns dann auf diese Lösung geeinigt. So wie schon Hank und Tim vor zwei Jahren.

 
 

Timestop

Running out of Time
Registriert
17.04.2002
Beiträge
4.875
Wer den Punkt bekommt, darüber muss ich nochmal nachdenken.

Lisra hat hier tatsächlich ziemlich überinterpretiert und macht aus dem zerissenen Charakter Aramand einen miesen Vergewaltiger und Soziopathen mit Hirnschaden. Dass hier in der Ü14-Version eine Härte durch sexuelle Gewalt anstatt nur reiner psychisch/physischer reinkommt finde ich ...besonders.. da er sich damit ja zumindest mal befasst ohne zu voyeuristisch ins Detail zu gehen, was ich als geringen Tabubruch zumindest interessant finde. Sicherlich nicht für jeden verträglich. Die ganze Geschichte wird damit natürlich übel tragisch und schwerverdaulich in alle Richtungen.
Naja, wer das Artbattlehalbfinale gesehen hat den kann vermutlich auch nur noch wenig (an Gewaltszenen) erschüttern.:rolleyes:

Scot hat da Hlinka besser getroffen, auch wenn sie fast etwas zu rege angelegt ist und eine schöne Geschichte konzipiert, die technisch und erzählerisch astrein ist. Allein, die Allmachtsphantasien die er bei seinem unbesiegbaren Supercharakter ausspielt missfällt mir total, dagegen ist ja Steven Segal geradezu spannend.
Um mal jemanden völlig falsch zu zitieren: Übercharaktere mag ich nur wenn ich sie selbst spiele/schreibe.



Lieblingssatz:
Hlinka mochte überhaupt kein Bier, aber sie wollte darüber jetzt auch kein Fass aufmachen. (Haha :D Ähem:o )

@Skully
Also Kravens Charakter hat doch auch mit der Mönchin zusammengearbeitet. Lis und Maus waren doch bis jetzt die ersten Lone Wolfs die ihre Kontrahenten gekillt haben (hab Durin und Zelon nocht nicht gelesen).
 

Scot d'Arnd

Irrsinniger Paladin
Registriert
21.05.2003
Beiträge
978
Wettbewerbe sind nichts für mich...

Ich habe eine 8 stündige Zugfahrt morgen vor mir und ich werde wahrscheinlich noch bis 4.00 gucken ob jemand was gepostet hat. :c:

@Lisra
Zunächst mal: Deine Geschichte finde ich vom Schreibstil sehr schön. Natürlich sehr düster, aber das ist ein Pluspunkt. :up: Hatte überhaupt nicht erwartet, eine derartige Geschichte in diesem Wettbewerb zu lesen. Ich mag Dark Fantasy, wie meine eigene Geschichte vielleicht ein wenig zeigt. Auch finde ich per se die Vergewaltigungsszene schreiberisch in Ordnung und auch nicht völlig ungeeignet für diesen Wettbewerb.

Allerdings habe ich nach dem Lesen nochmal alles gelesen, was ich über Aramand geschrieben habe und finde deinen Aramand irgendwie gar nicht darin wieder. Fand ich schon extrem gewöhnungsbedürftig, ihn so zu sehen. Er war zwar als Charakter mit viel Sex ausgelegt, aber nicht solchem...

Wenngleich ich natürlich sehr gut nachvollziehen kann, dass es wahrscheinlich auch für dich schwierig war, die beiden Charaktere überhaupt zusammen in einer Geschichte wirken zu lassen, weil es fast keine Berührungspunkte gibt. Deswegen habe ich auch einfach an der ersten Idee festgehalten, die mir kam... (Bei Criminal Minds auf DvD, wen wunderts da? :))

@skull
Joa, Sinneswandel/-wändel/-wandels/-wandele (:hae:) waren schon imme eine Schwäche bei mir, dem werde ich größere Aufmerksamkeit schenken müssen...
Brauchst dich bei mir mit Nettigkeiten gar nicht aufhalten, ich habe in früherer Zusammenarbeit mit ein paar Autoren gelernt, dass durch Lob noch niemand besser geworden ist. :D
Danke.

@Irotor
Danke auch an dich.

@Timestop
Genau das habe ich vermeiden wollen. :eek: :)
Einerseits ist mein Charakter schon als überdurchschnittlich ausgelegt, aber ich dachte, indem ich ihm jeden Gegner einzeln vorwerfe und Hlinka sogar die größte Bedrohung ausschalten lasse, würde der Effekt etwas gemindert. Mmh, demnächst werde ich es ihm wohl schwerer machen müssen. Danke für die Anregung.

So, alles vom Herzen geschrieben, vielleicht kann ich ja jetzt schlafen gehen.
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
Registriert
20.09.2004
Beiträge
2.112
Punkt für Lisra.

Ja seine Geschichte ist sehr, sehr, SEHR düster und ja Aramand ist vielleicht etwas überböse, was aber daran liegt dass Lis alles eventuell "Gute" in seinem Innern abtötete und uns ihn so präsentierte, wenn da nicht seine nagenden Zweifel wären(so rudimentär und scheinheilig sie auch sein mögen, aber hey das ist meine Interpretation des Charakters).

Zumindest lehnt sich Lisra meines Empfindens auch mehr an das Thema an, als Scott(auch wenn die Rache Hlinkas rein aus der Geschichte heraus, wohl eindeutig gerecht sein dürfte...), auch wenn die arme Hlinka am meisten darunter zu leiden hat:(.

Scotts Geschichte hat mich kalt gelassen. Am Ende lehnt sich Aramand dann doch in bester Heldenmanier gegen die bösen Kinderschänder auf, schließlich ist er ja Conans Bruder im Geiste und so, während sein Sidekick nutzlos bleibt und Hlinka recht unschuldig in der Gegend rumschaut. Zum Glück rettet Aramand ja den Jungen und alles wendet sich zum Guten. Hurra!

Das ist jetzt sehr böse und gemein ich weiß, aber Scott kann das besser. Sein ganzer Char leide, zumindest in dieser Story, am Heldensyndrom.

Natürlich wird er wohl noch mit Mitte 80 lauter Frauen vernaschen, natürlich ist er gemein und fies, aber er ist auch ein Held und wie James Bond rettet er nonstop die Welt, um in jeder Stadt mindestens eine schmachtende Frau zurück zu lassen. Warum auch nicht, Aramand ist ja letztendlich großartig.

Und darauf läuft diese Geschichte auch hinaus. Man hätte die Kinderschänder auch durch einen vergewaltigenden Sultan mit verängstigten Harem ersetzen können, Aramand hätte sie alle platt gemacht, denn er ist schließlich Mister Faerun himself.

Aber das kann sich ja noch alles ändern und vielleicht muss ich ja alle meine bisherigen Urteile über ihn zurücknehmen. Ich wünsche es mir:).

Und jetzt bitte ein weniger deprimierendes Thema:)!
 
Zuletzt bearbeitet:

Kraven

Lernender
Registriert
15.03.2004
Beiträge
2.112
In der grimmigen Düsternis eine grimmig düsteren Welt, gibt es nur noch grimmig düsterne Düsternis... <- keine Ahnung, wo der grade herkam :shine:

Ja... düster, ne? :D
Ich habe meine Stimme auch an Lisra gegeben, vermutlich aus all den falschen Gründen, aber hey...
Mich beeindruckt einfach diese Konsequenz, mit der Lisra jeglichen Optimismus aus seiner Geschichte streicht. Ein Tross von vom Kriege Vertriebenen, ein Gutsherr, der seinen Wein vermutlich mit dem Blut von Jungfrauen streckt ("Sir, vor dem Tor stehen hungrige Bauern!" "Bringt sie alle um!"), ein kleiner Genozid, ein hochnäsiger, reicher Antagonist, dessen Papa ihn nie geliebt hat... ich hatte stellenweise fast das Gefühl, einer Parodie beizuwohnen.
Dann hab ich die Vergewaltigungsszene gelesen.
Okay.
Es ist keine Parodie, oder wenn, dann eine verdammt herzlose.
Und als dann der Antagonist einem Schlaganfall gleich von seinem Gewissen heimgesucht wird, Einsicht in die Abgründe seiner Seele gewinnt und sich eventuell sogar bereit macht, von seinem Pfad abzugehen und dem Guten zuzustreben, wird er konsequent umgebracht.
Ich bin mir immer noch nicht sicher, worauf genau Lisra hinauswill, ob es ein psychologisches Experiment wird, wie viel Grausamkeiten man einem Individuum zumuten kann, oder ob er einfach nur mal Bock drauf hat, ein in Schrift gegossenes Depressiva zu erschaffen - aber ich bin neugierig, was daraus wird.

Scots Problem wurde von Zelon bereits ausführlich dargelegt: Es ist der Wahnsinn, was einem eine unsympathische Figur so alles versauen kann. Denn: stilistisch ist Scot besser, mit Spannungsbogen, mit Charakterintegration, mit einer wirklich spannenden Story... aber eben mit einer Hauptfigur, mit der ich alles kann, nur nicht mitfiebern. Witzigerweise hatte ich da genau wie Time Steven Seagal im Hinterkopf, als ich das Finale gelesen habe: der eherne Held, der mit bloßem Oberkörper, blutig, einen unschuldigen Knaben im Arm tragend vor dem Schloss steht - das Schloss müsste noch in Flammen stehen, um das Bild richtig abzurunden.
Das klingt jetzt fies, ich weiß. Aber den Aramand, den Scot in seinem Anmeldepost vorgestellt hatte, empfand ich als eine ziemlich coole Figur, als clever, als gewitzt, als grade noch mit genug Gewissen ausgestattet, um ihn nicht zum Monster werden zu lassen - und dann hilft dieser Typ einem fünfzigfachen Kindsmörder. Das war einfach einen Tick zu dick aufgetragen, um Aramand noch irgendwie als Protagonisten herhalten zu können, der am Schluss dann doch noch das richtige tut...

Und, ebenfalls im Einklang mit Zelon: Scot kann definitiv schreiben, sonst wäre dieses draufrumtrampeln auch verdammt unfair. Er muss es jetzt nur nich hinkriegen, aus Aramand einen wenn schon nicht sympathischen, so doch zumindest charismatischen Charakter zu formen... oder zumindest das Charisma des Einstiegsposts wieder zu erwecken.
 

Armanz

Zeitloser Dichter
Registriert
15.07.2010
Beiträge
367
Mein Punkt geht an Scot.
Gut ausgearbeitete Geschichte und gut kooperiert, wobei mich ebenfalls der etwas zu ploetzliche Sinneswandel stoert, aber ganz gut nachvollziehbar ist, was bei Lisra nicht annehernd der Fall ist.
Die Stimme fuer Scot 1. weil sein Stil etwas besser ist und 2. weil Lisra Aramand meiner Meinung nach schlecht umgesetzt hat (Ein Vergewaltiger und Massenmoerder, bei dem das Gewissen SO spaet einsetzt?).
 

Maus

Senior Member
Registriert
07.08.2002
Beiträge
9.425
Mein Punkt ging an Lisra.

Einfach weil die Geschichte anders war. Scot hat etwas geschrieben, das man häufig findet. Nicht schlecht, aber nichts Überraschendes. Er hätte imho zumindest Hlinka von dem Roten Magier töten lassen können (oder was immer der mit Jungfrauen macht). So ist es für mich nur eine "heile Welt" Geschichte.

Lisra hat ein ungewöhnlliches Thema, das fand ich einfach interessanter ;)
 

Timestop

Running out of Time
Registriert
17.04.2002
Beiträge
4.875
Deine Vorstellung von einer heilen Welt macht mir etwas Angst.:D
 

Maus

Senior Member
Registriert
07.08.2002
Beiträge
9.425
:D

Naja, in der normalen Welt sterben die naiven "ich kämpfe mit offenem Visier gegen das Böse" Helden schnell. In Büchern machen sie das häufig über zig Bände lang.

Ich liebe es, wenn die Lektüre spannend ist, weil man nicht weiß, ob der Held das riskante Manöver überlebt oder nicht. Bei Drizzt do Urden ging es immer nur darum, wie er aus der Patsche kam. Beim Song of fire and ice geht es darum, ob der Charakter aus der Patsche kommt ;)
 

Rote Zora

Pfefferklinge
Registriert
06.05.2002
Beiträge
5.247
Blöd, wenn schon alles gesagt ist. :o

Und man sich trotzdem nicht recht entscheiden kann.

Die ersten zwei Drittel von Scot waren in meinen Augen einfach grandios. So stelle ich mir Aramand vor, kompetent, konsequent, erfolgreich - und immer begleitet von einem nagenden Gewissen. Das ganze stilsicher erzählt, und man sieht vor seinem inneren Auge, wie nur an ein paar Schräubchen gedreht werden muss, um eine ganze Maschine umzudrehen. Hat Kachelmann oder nicht? Die Meinung ist von ein paar Details abhängig, und die zu manipulieren hat der richtige Mann seine Finger drin. Da ist auch gehörig Gesellschaftskritik drin, und das Thema: Gerächt ist nicht gerecht klingt zumindest in der Frage, was Gerechtigkeit ist, deutlich an.

Dann reisst der Spannungfaden jäh ab. Als Aramand die drei hohen Herren völlig konsequenzenlos beleidigt, habe ich mir die Augen gerieben. Hier fängt Aramand an, zum Over-Char zu werden. Er fürchtet keine Konsequenzen, dabei hätte er allen Grund dazu. Diese Leute sind mächtig, sie sind gewissenlos, sie haben Geld und jede Menge Einfluss, er ist eigentlich so gut wie tot. Oder - er ist eben so cool und lässig, dass er sie wie begossene Pudel in ihrem Saal lässt und lässig seine Kohle holt und abhaut. Hm.

Dazu ist mir der Graf tatsächlich zu folienhaft böse. So eine echte, rührende Dankbarkeit für den Problemlöser hätten dem ganzen mehr Tiefenschärfe gegeben. Das Dankbankett hätte zur schönen heilen Welt gehören müssen, mit einem kultivierten, jovialen Herrn. Das hätte die Spannung dann zum reißen bringen können, die Bigotterie. Aber egal: Die Bekehrung selber finde ich nachvollziehbar: Dass Aramand sich um sein Gewissen zu beruhigen selbst belogen hat, und diese Lüge so unmittelbar als solche entlarvt wird, erklärt hinreichend, dass er austickt.

Aber dass das unbedarfte Mädel dann einen Thay Fürsten niederstreckt, der ganz offensichtlich nicht das erste Mal zum Vergewaltiger wird, und dann die Steven Segal Szene von Aramand (genial, Time!) - das ist dann echt bissl dicke. Bei Kampfszenen kann Scot noch was lernen bei den Großmeistern dieses Metiers hier an Board.

Lisra geht tatsächlich einen düsteren Weg. Man merkt ihm an, dass er Scots Char nicht mag. Und auch wenn hier immer bemängelt wird, dass Aramand so nicht ist - man kann ihn so sehen. Er hat schon manche Mädchen als Frucht seiner Arbeit gepflückt. Allerdings gefällt er sich da mehr in der Rolle des Veführers als des Vergewaltigers. Nur, dass er sie wirklich als Menschen und als Gegenüber wertschätzt, kann man nun auch nicht behaupten.

Aber die Erzählung ist nicht so rund, nicht so stimmig. Vieles ist ungeklärt, wieso Aramand von einem diskret arbeitenden Problemlöser zu einem völkermordenden Kampfmagier mutiert, wovor die Leute eigentlich wegrennen, was der Fürst eigentlich verbergen will - nicht alles ist leicht nachzuvollziehen.

Den Gegner-Char zu plätten ist ein Tabubruch, den Lisra bewusst eingeht, der aber dann auch das Thema realisiert: Gerächt ist nicht gerecht.

Ich werde mich noch entscheiden...
ZORA
 

Scot d'Arnd

Irrsinniger Paladin
Registriert
21.05.2003
Beiträge
978
@Zelon und Kraven
Naja, es waren doch nur zwei Unbewaffnete... :c: ;)

Trotzdem Danke wegen der ansonsten netten Kritik.

@Armanz
Danke für den Punkt.

@Maus
Ich als völlig unerfahrender Wettbewerbsschreiber habe das immer für so ungeschriebene Regel der Höflichkeit gehalten, dass man den Charakter seines Kontrahenten nicht tötet. Scheint, dass ich mich da geirrt habe. :)

@Rote Zora
Ich mag überhaupt keine Kampfszenen, deswegen hab ich auch keine richtige... :)
Wenn ich welche in Büchern finde, überblätter ich die meistens oder lese sie quer. Ich finde auch die Salvatore-Bücher grottenschlecht, in denen außer Kampf nicht viel gutes passiert.
Ansonsten danke für die positive Kritik. :)
 

Darghand

Einer von vielen
Registriert
30.07.2001
Beiträge
6.016
Punkt an Lisra.

Wobei mir beide Stories nicht wirklich zusagen.

Scots' Geschichte ist mir zu simpel, die Verteilung in Good-Guys und Bad-Guys steht von Anfang an fest und die "Dienstleistung" für den adligen Kindermörder schafft es in meinen Augen nicht die Widersprüchlichkeit von Aramand zu zeigen. Eher verwundert die bodenlose Naivität - die so gar nicht zu dem Charakter passt - wenn er annimmt, dass van Harpen nun einfach das Morden einstellt, weil er in die Provinz "vertrieben" wurde. :hae:
Pluspunkte wurden schon erwähnt: sehr flott zu lesen, die Sprache in den Dialogen wirkt nicht stokelig, sondern ziemlich natürlich. Der Erzählstil ist angenehm und ausgefeilt; Lisras Charakter wird schön mit einbezogen. Die Aufgabe, die ihr in der Story zufällt, passt zu Hlinka. Es ist zwar irgendwie komisch, dass sie einen Roten Magier umbringt, aber als blutige Lektion einer Unerfahrenen kommt das gut. :up:

Lisra bekommt den Punkt wegen sprachlicher Finesse - in keiner anderen Geschichte wurde bisher über die Sprache derart viel Intimität und Emotion erzeugt - und absoluter Kompromisslosigkeit.
Wobei ich sagen muss, dass ich sowohl mit Lisras Hlinka als auch mit ihrem Aramand nichts anfangen kann, beide regen mich die ganze Zeit einfach nur auf. :rolleyes: Die Story - na ja. Unwahrscheinlich, gleichzeitig aber so gut rübergebracht, dass sie plausibler erscheint.
 

Gala

Labyrinth-Leichnam
Registriert
20.11.2000
Beiträge
14.907
Punkt an Lisra.


Für diesen Thread hab ich mir die Regel aufgestellt, nicht mehr erst die Kommentare der Anderen zu lesen, bevor ich selbst ein Urteil fälle.


Zu Scot: Grundsätzlich sehr, sehr gut geschrieben, das geht "runter wie Öl", wenn es auch noch ein paar seltene schwächere Abschnitte dazwischen gab. Leider auch etwas überladen, so das man zunehmend die Übersicht über die vielen verschiedenen Nebenfiguren, Orte und Details verliert, von denen sich am Ende vieles als sinnfreier Balast herausstellt.

Der Magier aus Thay war zum Beispiel schlußendlich völlig überflüssiges Beiwerk, den hätte man nur für eine eher nebensächliche Szene am Ende, sozusagen ein zweiter Höhepunkt, einfach weglassen können, und sich stattdessen lieber auf die eigentliche Hauptgeschichte konzentriert. Oder das Bild mit den Rosen, das war ein eigentlich netter, aber dann doch eher platt eingesetzter Einfall, den man hätte besser umsetzen oder ganz weglassen sollen.

Die eigentliche Geschichte ist dann auch eher unterentwickelt und merkwürdig - wieso wurde dieser Lord nicht schon vor langer Zeit enttarnt, wenn er derart unsubtil vorgeht ?


Zu Lisra: Ebenfalls gut geschrieben. Die Geschichte selbst war allerdings ziemlich schwach, weil völlig vorhersehbar, und die einzige spannende Stelle am Schluß wird nur sehr unbefriedigend mit einer Deus Ex Machina aufgelöst. Auch sonst fehlt es an Inhalt, den man positiv bewerten könnte.

Mir ist auch völlig unklar, wie Aramand eigentlich Hlinka gefunden haben soll. "Hey da vorne lief irgend eine Frau weg" ist nicht gerade eine genaue Richtungsangabe. Hier ist einfach ein Loch in der Geschichte, und hier hätte man meiner Meinung nach eine wirklich spannende Verfolgungsjagdt beginnen können.

Grundsätzlich scheint mir das Problem deiner Figur, das sie fast wehrlos ist und jede direkte Auseinandersetzung mit anderen Charakteren, erst recht so übermächtigen Gegnern wie dem von Scot, aus dem Wege gehen muß. In dieser Kunst hat sie in dieser Geschichte leider auch nicht besonders viele Fähigkeiten bewiesen.



Hier fiel mir die Wahl nicht leicht, aber mehr Spass gemacht hat mir Lisras Geschichte, weil sie nicht künstlich aufgeblasen war. Ansonsten ähneln sich die Stärken und Schwächen ziemlich (guter Schreibstil, schwache Geschichte ohne echte Pointe).

Nicht so gut finde ich btw, das bei Scot die beiden Charaktere eigenlich gar nicht aufeinander treffen. Dafür hat Lisra allerdings den anderen Charakter (vermutlich) umgebracht ... nicht das er wirklich groß eine Wahl hatte, so wie er die Geschichte angelegt hatte.



@Zelon: Whow, deinen Kommentar find ich besonders gut. :up:

@Zora:
Hat Kachelmann oder nicht?
Naja, ... das wird schon im allerersten Absatz, letzter Satz, ob des billigen Effekts vom allwissenden Erzähler verraten, das der Verbrecher wirklich ein Verbrecher ist.
 

Lisra

Schmusekater
Registriert
06.02.2004
Beiträge
6.392
Enthält gewissermaßen Spoiler und so, wer die Geschichte noch nicht gelesen hat, der möge das erst tun und sich selber ein Bild machen. :)

Hmm.. dann über ich mich mal auch, gerade da es ja doch die Gemüter ein bisschen bewegt hat.

Was zuerst.. die Geschichte ergab sich, weil ich mich gedanklich in diese Sackgasse manövriert hatte, ziemlich schnell nachdem klar war, dass ich gegen Scot schreiben würde. Weil ich das nicht undramatisch sagen kann: Ich hatte etwa so viel Spaß daran die gestrichene Szene zu schreiben, wie manche beim lesen. Es war keine gute Entscheidung, aber ich kam nicht mehr von dem Szenario weg, und so kams halt.
Zora hat es sehr richtig erkannt, ich kann die Figur Aramand nicht leiden. Er verkörpert so viel, dass ich persönlich abstoßend finde und verbindet das ganze mit einer Menge Macht, sodass er mit seinen fast nebensächlichen Grausamkeiten in seiner Arbeit ohne Schwierigkeiten durchkommt. Das in der Charakterbeschreibung am Ende (!) erwähnte Gewissen hat mich nicht überzeugt. Aramand ist ein ziemlich kaltblütiger Arsch, der relativ emotionslos dreckige Arbeit verrichtet.

Der Konflikt liegt auf der Hand. Scots Figur ist extrem mächtig, Hlinka ist wehrlos. Nicht weil sie eine junge Frau ist, durch ihren Hintergrund von Tätigkeiten ist sie ziemlich wahrscheinlich stärker als ich, aber Aramand ist bewusst mehrere Größenordnungen höher. Daher auch der quasi durch einen Knopfdruck ausgelöste Sinneswandel. Es gibt einfach keine andere Chance für Hlinka, als solch eine hilfreiche Ablenkung, oder eine Deus Ex Machina in Gestalt von anderen Personen - und da boten sich keine an.

Der Rest des Plots ergibt sich aus der Vorgeschichte und einigen Andeutungen. Ich habe sie bewusst vage gehalten, aber offenbar zu vage. :o

Der lokale Lord ist tatsächlich böse, aber nicht auf die Art und Weise wie Kraven sagt. Es gibt Andeutungen (wieder zu wenige, verzeiht..), dass er mit den Ereignissen au Hlinkas Vorgeschichte zusammenhängt. Es wird ziemlich konsequent von Zeugen gesprochen, nicht von dem nervigen Bauernpack da draußen. Sie müssen beseitigt werden, weil sie eigentlich nicht hätten überleben sollen.

Wem das jetzt konstruiert vorkommt... no argument there. Zu den Fragen, die Zora aufgeworfen hat... je nachdem wie meine weiteren "Gegner" ausfallen, wird darauf eingegangen. :)

Gala:
Hlinka konnte nicht wirklich weit gekommen sein, wegen Last und Erschöpfung. Aramand hat Zauber wie Dunkelsicht und Hast zur Verfügung (nie angesprochen, aber ich finde bei einem recht mächtigen Magier kann man handwaven wie er jemanden im offenen Terrain findet, oder?). Das stimmt, sie beweißt nicht gerade viel Finesse. Woher denn auch? Sie ist den ganzen Tag unterwegs gewesen, schlecht ernährt, trägt ein Kettenhemd, hat keinerlei "Erfahrung" die jetzt helfen könnte und das Gelände ist völlig offen. Wie bis zum Schluss hat sie auch hier keine Chance, wenn man konsequent zuende denkt.

Unabhängig davon, dass er rote Faden vage und arbiträr ist: Ich habe versucht realistisch zu denken. In der Vorgeschichte habe ich ohne weiter darüber nachzudenken die Vertreibung als wichtigen Punkt in ihrer jüngsten Vergangenheit eingebaut, aber wie geht es dann weiter? Es muss einen Grund für die Vertreibung geben. Es wird Flüchtlinge geben, was machen diese Flüchtlinge, was ist wenn der Mensch bei dem sie Schutz suchen selbst da mit drin steckt, was geschieht während der Vertreibung mit ihr? Diese Dinge sind nicht schön. Das sie missbraucht wurde, und das sie selbst getötet hat ist nicht schön - gerade letzteres passiert in vielen Geschichten fast nebenbei, aber die meisten Menschen sind keine Killer. Wie geht man damit dann um?

Allerdings bin ich weder qualifiziert diese Fragen gut zu beantworten, noch ist im Rahmen des Wettbewerbs dafür Platz oder Zeit, also ist eben diese Geschichte das Endprodukt. Sie ist nahe an der Figur geschrieben, weil ich nicht viel anders schreiben kann. :rolleyes:

Ich bin gespannt wie es weitergeht, aber ich denke, dass die Zukunft nicht so schwarz sein wird, wie sie jetzt gerade für Hlinka wirkt. Zumindest hat sie jetzt eine Hemmschwelle verloren und ist nicht mehr völlig wehrlos.

Dank an diejenigen, die sich auch die Mühe gemacht haben ihre Gedanken dazu auch aufzuschreiben. :up:

Zu Scot:
Ich kann nicht wirklich was hinzufügen. Das Hauptproblem liegt darin, dass einerseits Aramand völlig unsympathisch ist und andererseits, dass du dich stilistisch nicht zu entscheiden scheinen kannst, ob du jetzt all die grässlichen Dinge mit einem Lächeln beiseite wischt und das ganze detached schilderst, oder ob du es näher an den Figuren darstellst. Der erste Absatz macht das schön deutlich: Dumdidumdidumdidum, und er ist ein Kindermörder. Leicht düstere Fantasy, oder ironische Seitenbetrachtung? Es ist für mich weder das eine noch das andere und hinterlässt dasselbe Gefühl wie der sachliche Stil von Maus. Man kann nicht sagen, dass es schlecht war, aber es reizte mich auch nicht.

So, genug jetzt!
 

Rote Zora

Pfefferklinge
Registriert
06.05.2002
Beiträge
5.247
@Gala: O weia. Mit der Kachelmann-Anspielung beziehe ich mich auf das Verhalten von Behörden und Öffentlichkeit. Erst hieß es: "dringender Tatverdacht" und alle waren sicher: er hat. Nun ist der "dringende Tatverdacht" plötzlich nicht mehr zu halten, und alle jammern über die schlimme Vorverurteilung. Die Frage, wie weit die Vorwürfe seiner Ex-Freundin tatsächlich glaubwürdig sind, hängt von lauter Kleinigkeiten ab. Das ist Scot anfangs gut gelungen, wie sich der Wind der öffentlichen Meinung gleich zwei mal komplett dreht. Erst ist er der letzte Aristokrat und ein geschätzter Bohemien, dann ist er plötzlich mutmaßlicher Kindermörder, und schließlich das schuldlose Opfer einer miesen Kampagne. Ich finde diesen Abschnitt in Scots Geschichte einfach brillant.
Deshalb hat er übrigens auch meinen Punkt gekriegt

ZORA
 
Oben