Wenn keiner mehr den Mund aufmacht

Lord Assis

Ruhe vor dem Sturm
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Nur weil auf dem Video niemand zu sehen ist, der sich sofort auf die zwei Täter stürzt, kann man nicht sagen dass die anwesenden Menschen wegschauen und dass ihnen egal ist, was da grade passiert. Im Gegenteil denke ich dass die meisten dort anwesenden Menschen genau so drüber entsetzt waren wie die, welche die Szene im Fernsehen gesehen haben.
Auch kann man nicht sagen, nur weil niemand direkt eingreift können diese Typen (oder andere Schläger) machen was sie wollen: Die Polizei wurde verständigt, ihnen steht eine Anklage wegem versuchten Mordes bevor und durch die Verbreitung der Videoaufnahmen in den Medien (die bestimmt im weiteren Prozessverlauf fortgeführt wird) empfindet ein großer Teil des Landes eine Art Hass auf diese Täter. (So auch ich)
Diese ganzen Konsequenzen halte ich viel gravierender für die Täter, als die Gefahr, von jemanden verprügelt zu werden, der dem altem Mann zur Hilfe kommt. Und solange solchem Abschaum diese (mMn zu milde) Strafe blüht, kann man sich auch relativ sicher sein dass so etwas nicht zur Gewohnheit wird.
 

Bragi

Meister der Mütze
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@Lord Assis

Nachrichten sind vergänglich. In spätestens zwei Monaten wird sich doch sowieso niemand mehr an diesen Vorfall erinnern, selbst (oder vielleicht GERADE) wenn noch weitere Vorfälle dieser Art bekannt werden. Da wird die Wirkung von Medien mMn doch arg überschätzt.
 

Caladrion

Nekromant
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Ist das nur mein subjektives Empfinden, oder hat generell die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden bei vielen Leuten in den letzten Jahren stark nachgelassen?
Ich stütze meine Aussage mal darauf, dass z.B gewisse Bereiche hier in Hildesheim abends jetzt eher gemieden werden sollten, was noch vor ein paar Jahren ganz normale abendliche Treffpunkte für Jugendliche waren, die es sich jetzt mit exzessiver Sauferei und Prügelei selbst verbauen.

Aber nicht nur auf Jugendliche (ich bin ja nun auch noch in jungen Jahren ;) ) bezogen, seid ihr auch der Meinung? (war früher wirklich alles besser? :p )
 

Bragi

Meister der Mütze
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@Caladrion

Mmmh... Also, was meine Schulzeit angeht, waren Raufereien an der Tagesordnung. Meist ging es aber fast nur darum, irgendwelche blöden Sprüche zu erwidern und meist war Schluss, wenn der andere am Boden lag oder blutete. Und ich habe offiziell einen Hauptschulabschluß, da ging es meist 'turbulenter' zu als auf höheren Schulen, zumindestens in unserer Gegend.

Was die Häufigkeit der Schlägereien angeht, scheint sich ja bis heute nicht viel geändert zu haben. Aber die Anlässe werden wohl immer banaler und die Grenze, wo man aufhört, hat sich mitunter ziemlich weit nach hinten verschoben.

Mag aber auch sein, das die Berichterstattung uns mehr und mehr glauben lässt, das die Menschen heute gewaltbereiter sind und veranlassen uns damit, erhöhte Wachsamkeit zu zeigen. Das kann dann natürlich dazu führen, das man von vornherein bestimmte Gebiete meidet, von denen man ANNIMMT, dass sie gefährlich wären, es in Wirklichkeit aber nicht sind.

Wenn Michael Moore mit seiner These in "Bowling for Columbine" recht hat, dann haben die Medien diese Macht, uns ein Bedrohungsszenario zu suggerieren, das es gar nicht gibt, aber uns entsprechend vorsichtig gegenüber unseren Mitmenschen werden lässt. Okay, Moore bezog sich in erster Linie auf die USA und bei uns herrschen nicht die gleichen Waffengesetze wie dort. Aber da Deutschland ja bekannt dafür ist, auch den letzten Furz 'Kulturgut' aus Übersee cool zu finden und gleich bei uns einführen zu wollen, wird mir irgendwie Angst und Bange. :rolleyes:
 

Brisëis

Priesterin des Apollo
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Und denen, denen Angst und Bange wird, kann man einen Selbstverteidigungskurs empfehlen. Wie auch immer, schaden tuts jedenfalls nichts :)
 

David

Moderner Nomade
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Wars nicht so, das die Verbrechensrate insgesamt eher abnimmt, aber Jugendgewalt zunimmt? Bin mir aber auch unsicher.

Was die falsche Wahrnehmung der Gefährlichkeit eines Ortes angeht, haben wir in Würzburg auch so ein Stadtviertel, von dem alle sagen, es sei "schlimm" (nachdem ich auf Exkursion in Neapel war, gibts für mich keine schlimmen deutschen Viertel mehr :D ), aber die Statistik sagt was Anderes.
Wobei man da auch wieder einwerfen kann, daß da sehr viele Menschen leben, und alleine deshalb viele Verbrechen passieren, auch wenn die Zahl der Verbrechen pro Person genauso niedrig ist wie im Rest der Stadt.
 

Gala

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@Brie: Hmm doch, kann schaden.

Wenn man nämlich glaubt, das das wirklich groß was bringen würde, und dann im völlig falschen Sicherheitsgefühl erst recht provoziert.
 

Chiburi

Kampfhase
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@ Harutsune

nein, darum geht es hier nicht, um die Einschätzung, ob man als Kampfsportler einen Kampf gewinnen könnte, oder nicht. Es geht darum, ob man bereit ist, einzuschreiten, obwohl man vielleicht selber etwas abkriegen könnte.
Chuck Norris muss in so einer Situation nicht mutig sein, er roundhousekickt die beiden Deppen einfach aus der U-Bahn, und gut ist.
Wir hingegen, ob Kampfkünstler oder Tennisprofi, riskieren dabei etwas. Und da divergieren die Meinungen halt ein bisschen.
Müssen/sollten wir etwas riskieren, auch, wenn die Aussicht auf Erfolg vielleicht klein ist?
Auch, wenn wir dabei keinen Profit machen?
Auch, wenn es dabei um einen alten Mann geht statt um eine blondblauäugige Prinzessin?

Ah, und was genau ist dieser "klare Blick auf die Situation"?
Ist es: "da wird einer beleidigt und bespuckt von zwei anderen, die potentiell gewalttätig und bewaffnet sein können, aber die Beleidigungen kann er ignorieren, und die Spucke später abwaschen, also Schwamm drüber.."

Oder ist es "Da beleidigen und bespucken zwei betrunkene Halbstarke einen alten Mann, weil der sie gebeten hat in einem besetzten U-Bahn Abteil nicht zu rauchen. Damit treten sie alles mit Füßen an das ich glaube, und versuchen, zivilisiertes Miteinander durch ein rücksichtsloses Gesetzt des Stärkeren zu ersetzen"

Keine Ahnung, was hier die objektivere Sichtweise ist, aber ich weiß, welche ich habe, und ich weiß, dass es bessere Gründe gibt, eine gewalttätige Auseinandersetzung zu riskieren als Kampfsportlermachismo oder Gewaltgeilheit
 

Bragi

Meister der Mütze
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@Chiburi

Chuck Norris muss in so einer Situation nicht mutig sein, er roundhousekickt die beiden Deppen einfach aus der U-Bahn, und gut ist.
Wir hingegen, ob Kampfkünstler oder Tennisprofi, riskieren dabei etwas. Und da divergieren die Meinungen halt ein bisschen.

Auch wenn ich mir denken kann, wie's gemeint war, :shine: was hindert einen Kampfsportler aus dem gemeinen Volk denn daran, die Deppen ebenfalls aus der U-Bahn zu roundhousekicken?

Wie ich in einer solchen Situation reagieren würde, wüsste ich auch nicht wirklich. Ich könnte mir gut vorstellen, das ich auch eher Abstand halten würde wegen meiner eigenen Sicherheit. Aber bestimmt nicht wegen mangelnder Gewaltbereitschaft, im Sinne von: Das ich mich nicht traue zuzuschlagen, wenn sie auch mir gegenüber aggressiv werden. Im Gegenteil: würden sie mich angreifen, würde es mir die Sache wesentlich erleichtern (ist egoistisch, ich geb's zu).

Ich war auch schon mal in ähnlichen Situationen, allerdings nicht so krass wie die U-Bahngeschichte (in den meisten Fällen waren es Pöbeleien und Rumgeschubse, ein-zwei mal eine Rauferei). Dabei hatte ich auch Hemmungen, etwas zu sagen oder irgendwie einzuschreiten. Das lag zum einen an der Tatsache, das ich evtl. selbst verletzt werden könnte, zum anderen an der Frage, ob eine Prügelei auch wirklich das Ende darstellt. Oder der Betroffene, sollte ich ihm dabei überlegen sein, sich nicht irgendwann mal dafür rächen will, weil er sich in seiner ach so tollen 'Ehre' verletzt fühlt.

Angst zuzuschlagen habe ich bestimmt nicht, eher davor die Kontrolle zu verlieren und dem Gegner auch das letzte bischen Verstand aus dem Schädel zu prügeln. Wer andere, ohne 'ernsthaft' provoziert worden zu sein, angreift, nimmt auch Verletzungen seines Opfers in Kauf. Er muss sich dann nicht wundern, wenn der Schuss nach hinten los geht und er selbst was auf die Glocke kriegt. Typen wie die Jungs aus der U-Bahn, die nicht nur selbst provoziert haben (erst rauchen und dann den Mann anspucken), nur um ihm dann ein paar Stationen weiter von hinten zu treten (Heimtücke, da sich das Opfer wegen des Überraschungseffekts nicht wehren konnte) und dann auch noch nachzutreten, wo das Opfer eh schon am Boden lag, ist für mich eindeutig mehr als nur Halbstarkenpöbelei. Im Falle eines Angriffs hätte ich da wenig Mitleid mit der Gesundheit dieser Typen.
 

Harutsune

Neo-Euphemist 2.0
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@ Chiburi
Ich habe dezent darauf hingewiesen, daß junge Kampfsportler gern dazu neigen, sich zu überschätzen - und finde es nach wie vor gut, daß die allermeisten hier sich nicht blindlings zur Tat gemeldet haben. Damit will ich sicher nicht allgemein dazu raten, sich doch lieber rauszuhalten (wäre ja noch schöner), sondern die jungen darauf hinweisen, daß tätige Notwehr so gar nichts mit einer Schulhofklopperei gemein hat.

Ah, und was genau ist dieser "klare Blick auf die Situation"?
Nach welchen moralischen / philosophischen Gesichtspunkten jemand eingreifen sollte/muß/wird, muß wohl jeder mit sich selbst ausmachen. Ich werde mich sicherlich nicht hier hinstellen, und anderen Leuten meine Meßlatte vorhalten. Gemeint ist der Zeitpunkt *nach* der Entscheidung einzugreifen.

Irgendwer geht nächtens durchs 'Viertel' und kommt dazu, wie zwei Männer einen anderen verprügeln, dieser steht zwar noch, verteidigt sich jedoch nicht mehr. Wir entschließen uns zum Eingriff, beschleunigen (rhythmisch) den Schritt und checken unterwegs die Lage: sind es *wirklich* nur die beiden, oder lungert da noch wer im Schatten? Sind das 'nur' zwei Typen, oder kämpfen sie zu zweit? Wie setze ich das Überraschungsmoment möglichst effektiv ein, wo ist der tote Winkel, wenn man ihn braucht? *Wie* attackiere ich..?? Fast da, ohfack, das sind (bspw.) Faschos, harte Stiefel garantiert, Stöcke/Schweinetreiber wahrscheinlich, Pistolen nicht auszuschließen, Wehrsportausbildung anzunehmen, also getroffen werden überhaupt nicht zu empfehlen - allerdings neigt Herrenmenschenpack nicht gerade dazu, lustige Mützen zu Hilfe zu rufen, Banzai.. Und bei aller 'Einschätzung' sollte man *niemals* derartige (weil unbekannte) Gegner unterschätzen, genauso fatal, wie ohne Adrenalin dort anzukommen, oder in Baggy-Pants...

(und dann war da noch diese Sache mit der 'Verhältnismäßigkeit der Mittel' falls man noch da ist, wenn zwangsläufig irgendwann die Jungs mit der Sonderlackierung aufkreuzen.. - *da* wünscht man sich nen Reload-Button)

Du siehst, es gibt jenseits der moralischen Entscheidung so unglaublich viel zu bedenken, daß es durchaus einer Erwähnung wert ist. Falls 'Kampfsportlermachismo' und 'Gewaltgeilheit' Unterstellungen werden sollten: unter ersterem habe ich nie selbst gelitten, und zweitere habe ich vor ungefähr sieben Jahren abgelegt, also rechtzeitig vor Betreten dieser Hallen. Und überhaupt käme ich niemalsnicht auf die Idee, Dir Dein Forumsgewaltmonopol streitig zu machen; falls das so rübergekommen sein sollte, bitte ich dies zu entschuldigen.

Abschließend:
Ich persönlich werde wohl noch ein paar Jahre brauchen, bis ich meine gichtigen Knochen aus solchen Situationen raushalten kann, aber solange es um einen hypothetischen Fall geht, würde ich nahezu jedem davon abraten, sich *selbst* einzumischen. Achtzig Prozent derer mit 'Neigung' haben so nochmal Gelegenheit, darüber nachzudenken, und bei den verbliebenen zwanzig wird sich (leider) noch die Spreu vom Weizen trennen - was sehr schade ist, denn eigentlich brauchen wir solche Leute, die sich für andere gerade machen...
 

Anora

Wanderer
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Oh Mann, und schon wieder so eine Nachricht, die, als ich sie gehört habe, mich total auf die Palme gebracht hat.
Folgendes: In meiner Heimatstadt wurden neulich zwei Frauen (Mutter mit erwachsener Tochter) bei einem Autounfall in den Main geschoben. Innerhalb von zwei Minuten ist ihr Auto komplett versunken. Sie hatten jedoch Glück und konnten sich durch die Fenster befreien (Keine elektrischen Fensterheber.) und an Land schwimmen. Aber jetzt das Härteste: Sie haben erzählt, dass am Ufer ein ganzer Haufen Schaulustiger stand und sie fotografiert hätte, aber geholfen hätte ihnen keiner. Und hier gibt es keine Ausrede von wegen man wollte nicht selbst verprügelt werden oder sonstwas. Und niemand kann mir erzählen, dass die "Gaffer" alle Nichtschwimmer gewesen wären. :down:
 

Theron

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Aber hast du denn noch nicht von den berüchtigten Main-Haien gehört?:rolleyes:
 

Brisëis

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!!!!
 

Chiburi

Kampfhase
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@ Bragi

so schwer es mir auch fällt, das zuzugeben, aber Chuck Norris Roundhouse-Kick ist einfach besser als meiner.
Ne, klar, dass man immer etwas riskiert, selbst Mr. Norris müsste mit ein paar Kratzern rechnen, wenn auf einmal so ein Rowdy eine Schrotflinte aus dem Mantel zieht.
Und um ehrlich zu sein, das ist auch meine Hauptangst bei solchen Geschichten. Mit 172cm und 62kg sehe ich nicht gerade bedrohlich aus; und leider sind 30kg mehr und ein paar Jahre Eisenstemmen in der Regel wirksamer als jahrelanges Kampfkunsttraining. Da braucht es im Zweifelsfall nicht mal schwere Waffen und riesige Gegnerhorden, damit ich mich in der Opferrolle wiederfinde. Bei Chuck Norris halt schon.
Aber ich finde, diese Angst sollte uns nicht davon abhalten, einzuschreiten, wenn Gewalt gegen Wehrlose ausgeübt wird. *Das* ist dann Zivilcourage. Solange wir sicher sein können, dass wir die Agressoren mühelos zerlegen können, ist es nur haushohe Überlegenheit und Egostreichelei.


@ Harutsune

hmm.. mir ist nicht ganz klar, warum du dich so angegriffen fühlst. Mit Kampfsportlermachismo habe ich nur deine Kampfsportlemminge aufgegriffen, die, deiner Meinung nach (so wie ich dich verstanden habe) in einen Kampf eingreifen mit dem Hauptbeweggrund, dass sie sich dem Angreifer gegenüber überlegen wähnen. Und das ist für mich eben nicht der entscheidende Punkt.
Wenn ein Wehrloser misshandelt wird, dann sollte man sich meiner Ansicht nach einmischen, auch wenn man sich nicht so sicher ist, da heil wieder rauszukommen.
Wenn sich zwei Jugendbanden in schönem Einverständnis blutige Köpfe verpassen, muss ich das nicht unbedingt, selbst wenn ich den Eindruck hätte, dass mir da keinerlei Gefahr droht. Um irgendwelchen Gewaltjunkies den Hintern zu retten, wär mir das Risiko, ein Messer in den Bauch, oder ein Knacks ins Kampfkünstlerego zu bekommen einfach zu groß.

Außerdem, aber das mag an meinen bisherigen eher guten Erfahrungen liegen, gehe ich nicht wie Sūnzǐ persönlich mit Schlachtplan daran, meine Klappe aufzureissen. Und schon gar nicht plane ich Überraschungsangriffe auf Wehrsportgruppen, wenn ein lautes "Was ist denn hier los?!" genügen könnte.
Das mag naiv und unverantwortlich sein, aber immerhin lebe ich noch.

Ah, und Gewaltgeilheit.. ich bin jetzt weng faul, lese mir in den nächsten Tagen aber nochmal durch, wo du Anlass zur Vermutung gegeben haben könntest, Gewaltgeil zu sein. So richtig kann ich mir nämlich nicht vorstellen, weshalb du dich angesprochen fühlst. Im Nachbartopic hat wohl jemand das Problem, an Gewalt mehr Gefallen zu finden als langfristig gesund sein kann, aber hier ging es mir nur darum, zu sagen, dass Mantis, Anora, meine Wenigkeit, und wer sich hier sonst noch in die Richtung geäussert hat eben nicht aus Selbstüberschätzung, Kampfsportlermachismo oder Vergnügen an Schlägereien eingreifen würden (oder glauben, in einem solchen Fall eingreifen zu werden), sondern daß es da viel bessere Beweggründe gibt.


@ Anora

neulich klingt allerdings nach winterlichen Temperaturen, und bekleidet in 4° kaltes strömendes Wasser zu klettern, um Leute aus einem sinkenden Autowrack zu bergen, da gehört schon etwas mehr dazu als nur der Freischwimmer.
Aber generell hast du natürlich recht: Fotos knipsen, statt zumindest das wenige zu tun, das man vielleicht tun kann, ist schon sehr :down:
Überhaupt scheint das Ablehnen von Verantwortung immer normaler zu werden. Für die Sicherheit gibt es die Polizei, für erste Hilfe den Notarzt, und für alles andere die anderen, die ja auch noch dabeistehen und gucken. Nicht ich, ich bin alt/eine Frau, habe Kinder/Hund/Hühneraugen, oder eben eine andere Ausrede.
Keine Ahnung, woran das liegt, und noch weniger, was man da machen könnte, ausser es ab und an mal anzusprechen.
Hmm.. doch... es einzuüben.. zu automatisieren..


@ Anti und die Forums-Medizinmänner:

viel häufiger als mit Gewalttaten oder Rettungstaucheinsätzen wird man wohl mit medizinischen Notfällen konfrontiert. Und da ist es dann häufig neben der Angst, sich selber in Gefahr zu bringen, viel mehr das mangelnde Wissen, und die Furcht, mehr kaputt zu machen als zu retten, Auslöser, nicht, oder falsch zu helfen.
Ich musste jedenfalls noch nie einen Messerstecher entwaffnen, saß aber schonmal sehr hilflos neben einer uralten Frau mit sehr, sehr unregelmäßigem und aussetzenden Puls und minimaler Atmung.
Künstliche Beatmung habe ich dann eingeleitet, nachdem die eigene kaum mehr spürbar war (die Rettungssanitäter meinten, dass wäre richtig gewesen), aber Herzmassage habe ich mich nicht getraut, weil ja noch ein Puls da war, und Herzmassage gegen ein arbeitendes Herz schien mir die schlimmere Alternative. Für die Rettungssanitäter war das aber ein massiver Fehler.. :(
Aber im Erste Hilfe Kurs waren die Ausbilder viel zu beschäftigt, ihre Worst-of Bilder von möglichst blutigen Unfällen zu zeigen, und uns Plastikpuppen aufblasen zu lassen, als dass sie uns auf so etwas vorbereitet hätten.
vielleicht könnt ihr da ein paar Informationsquellen empfehlen, um sich da etwas besser zu informieren? Danke :)
 

Antracis der Rote

Forumsbakterium
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@Chiburi:

Es gibt einige Gremien, die in bestimmten Intervallen die Guidelines für den basic life support festlegen. Zu nennen sind beispielsweise http://www.erc.edu/ und http://www.americanheart.org/.

Bezeichnend ist, dass schon seit einiger Zeit in diesen Empfehlungen (die aktuellen sind glaube ich von 2005) die Kreislaufkontrolle für Laienhelfer entfällt.
Sprich, Du prüfst nur noch nach einem sehr einfachen Schema, erst den Bewußtseinszustand und dann die Atmung. Wenn der Patient nicht mehr atmet - was relativ sicher durch gesichtsnahes Hören und Fühlen bzw. Beobachtung der Brustatmung feststellbar ist, beginnst Du sofort mit der Reanimation. Pulskontrolle entfällt.

Das ist eine Reaktion auf die vielfach ausbleibende Reanimationsmaßnahmen bei Laienhelfern wegen Unsicherheit bei der Einschätzung der Kreislaufsituation. (Ob es da bei erfahrungslosen Jungärzten besser ausschaut, sei dahingestellt :rolleyes: ) Weiterhin ist die Kompression eines schlagenden Herzens zwar nicht unproblematisch, aber ein stehendes Herz ist halt ein sicheres Todesurteil. Zumal kannst Du davon ausgehen, dass die wenigsten Menschen eine Herzdruckmassage über sich ergehen lassen, wenn sie diese nicht wirklich brauchen.

Gute Ausbildung ist nach meiner Erfahrung nach schwer zu finden. ( Mein "Erste Hilfe-Kurs" führte ein liebenswerter ca. 90 Jahre alter Feuerwehropi durch, der interessante Ideen hatte, wie man die Feuerwehr rufen soll, wenn eine Halsschlagader durchgerissen sei.) Wichtig scheint mir halt, dass jemand ausbildet, der das wirklich regelmäßig macht, egal ob nun Rettungssani, Notarzt oder Anästhesiepfleger.
An einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der Pulskontrolle wird sich auch nach einigen Kursen wenig ändern, aber Du wirst doch typische Fehler bei der Reanimation selbst erkennen können. Zu hohe Beatmungsdrücke oder fehlende Entlastung bei der Herzdruckmassage bzw. zu langsame Frequenz (100 mal pro Minute ist verdammt viel) sind meines Wissens nach die häufigsten Fehler - und die muß man mal in einer Übung gemacht haben, um halbwegs davor gewappnet zu sein. Es geht ja in solchen Kursen darum, effizienter zu helfen.

Ansonsten ist es aber wie beim Gewaltdelikt: Alles ist besser als nix tun.

lg
Anti
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Hmm, also das möchte ich ehrlich gesagt sehen, Chiburi, das du in einer solchen Situation wirklich handelst.

Ok, ich wills nicht wirklich sehen. Hoffen wir mal, das du nie in eine solche Situation kommst, und auch sonst niemand hier.

Das Vertrauen auf den Staat ist in Deutschland ist aber IMHO nicht erst seit gestern Mode - Eher schon bald seit Jahrhunderten, oder genauer seit den ersten Wurzeln des deutschen Sozialstaats um 1870 herum.

Ich würde aber nicht behauptetn wollen, das die Tatenlosigkeit angesichts eines sinkenden Autos auf Obrigkeitshörigkeit zurückzuführen sei ... da ist eher eine generelle Gleichgültigkeit und Abstumpfung durch die Medien verantwortlich.

Wenns anders wäre, hätten die Politiker IMHO nicht so einen Erfolg damit, auf werlose Langzeitarbeitslose verbal einzuprügeln und Hartz IV und ähnlichen Scheiss zu machen. In einer mitfühlenden Gesellschaft wären die Straße voll mit Demonstranten. Die Hälfte der Deutschen hat überhaupt keine Rücklagen mehr, jedes Fünfte Kind lebt in Armut, die Reallöhne stagnieren seit über einem Jahrzehnt, und alles das, obwohl es uns eigentlich von der reinen Leistungsfähigkeit her besser geht als je zuvor.

Aber das gehört dann schon eher wieder in den Politikthread. Trotzdem sehe ich da eine Verbindung.


Und wenn jemand ANLAUF nimmt und jemanden so hart gegen den Schädel tritt, das er nachher hinkt, dann sehe ich persönlich das schon als gezielter Versuch der Tötung.
 
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Harutsune

Neo-Euphemist 2.0
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@ Chiburi
Laß stecken, ich fühle mich nicht angegriffen, und nachgelesen hab ich's auch schon: hab ich (eigentlich) nicht. Aber ich war's mal (unterbewußt bin ich's wohl immer noch), und da ich alles andere als charismatisch bin, paßt mir Dein Schuh "Was ist denn hier los?!" überhaupt nicht - die ignorieren mich nicht mal.. und da ich nicht wesentlich größer (also imponierender) bin als Du, bleibt mir nur 'mein Weg'. Bei allem Gerechtigkeitsfanatismus habe ich doch teilweise bitter lernen müssen, daß man nur unversehrt zu Ende helfen kann. Im 'Richtigen Leben' ist es nunmal so, daß ein gebrochener kleiner Finger, ein Pferdekuß, oder eine Rippenprellung *nicht* simple zwei Trefferpunkte abziehen, sondern teilweise massiv die Kampffähigkeit einschränken. Und da draußen rennen wirklich Typen rum, von denen man im gemeinen Dojo noch nichts gehört hat: Psychopathen ohne Schmerzempfinden, die weiter mit ihrer gebrochenen Hand zuschlagen; riesige 'Bossmonster' ohne Ausschalter, die tapsen noch nach fünfzig Volltreffern auf die Zwölf weiter auf einen zu - ein Treffer von so einem reicht völlig.

Wie gesagt, an der moralisch-philosophischen Diskussion möchte ich mich aufgrund meiner niedrigen Hemmschwelle nicht weiter beteiligen, das bleibt jedem selbst überlassen - keine noch so gut klingende Ausrede ist letztends über den Blick in den Spiegel erhaben...

Bei einem derart polarisierenden Thema wollte ich in diesem Rollenspielforum nur mal auf die Gefahren im RL hinweisen - wenn es nur bei einem zu einem Denkprozeß geführt hätte, wär's mir das schon wert gewesen. Natürlich möchte ich gern soviel Zivilcourage sehen, daß es nur so kracht - aber bitte nicht an *Euren* Kiefern und Rippen..

..ich hoffe, wir sind uns halbwegs einig. ;)
 

Chiburi

Kampfhase
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@ Gala

hmm..
da hast du natürlich recht, ich versuche mir auch gerade vorzustellen, wie ich reagieren würde, wenn da vor meinen Augen ein Auto im Main versinkt. Naja.. Fotos würde ich jedenfalls keine machen, alles andere weiß man dann erst hinterher. Aber der Wille ist da, und bisher habe ich mich auch noch nie so richtig schämen müssen für das was ich getan, oder besser nicht getan habe.
Naja.. ausser vielleicht im Fall dieser alten Dame...

Zum Thema Armut in Deutschland: ja, völlig richtig, es kann nicht sein, dass die einen nicht wissen wohin mit ihrem Geld, Porsche-Geländewagen fahren, und in 800m² Häusern wohnen, und andere sich nichtmal einen Urlaub, oder den Führerschein leisten können, obwohl sie ähnlich hart arbeiten.
Und dann zahlen beide noch ähnlich hohe Abgaben, weil sich die Reichen in unserem verwirrten System mit Hilfe hochbezahlter Experten und Schlupflöcher Ersparnisse rausarbeiten können, die sich der Durchschnittsmensch gar nicht leisten kann.

Andererseits hat ein Harz 4 Empfänger ohne einen Finger zu rühren eine größere Wohnung, mehr monatliches Taschengeld, und eine bessere medizinische Versorgung als 70% aller Chinesen, oder 50% der deutschen Studenten.
Der durchschnittliche Fabrikarbeiter in Hangzhou lebt von 100€ im Monat, und arbeitet dafür bis zu 200 Stunden. Jede Straße wird zweimal am Tag gefegt, recyclebares wird einem fast aus den Händen gerissen; weil halt jeder für seinen Lebensunterhalt arbeiten muss.
Und hier arbeiten polnische und tschechische Akademiker bei der Spargelernte, weil es sonst keiner machen will.
Da fällt es mir zunehmend schwer, Mitleid mit den hiesigen Sozialhilfeempfängern zu empfinden.


@ Harutsune

ja, ich denke, da sind wir uns ziemlich einig. Ich habe noch nie wirklich einen üblen Kampf, in dem Waffen aufgetaucht sind, und bisher hat fast immer meine große Klappe gereicht, so dass ich da vielleicht etwas naiv bin.
Und deine Warnung, dass es draussen viel schlimmer zugehen kann als im Dojo, und das man immer ein Risiko eingeht, ist natürlich sehr gerechtfertigt.
Aus Überheblichkeit, oder Vertrauen in seine Fähigkeiten sollte man sich deswegen nie in einen Kampf stürzen.
Aber für seine Ideale, um Wehrlosen zu helfen, für die Freiheit, was immer man da an Pathos ausgraben kann, manches sollte man einfach nicht nur so mitanschauen, wenn man eine Chance sieht, es zu beenden.
Und da klang dein "Kampfsportlerlemming" schon ein bisschen, als würdest du in jeder Einmischung nur gefährliche Selbstüberschätzung sehen, und nicht auch Empathie, Gerechtigkeitsempfinden und so.
Dabei bist du ja selber so einer.. ;)
 

Harutsune

Neo-Euphemist 2.0
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@ Chiburi

Einig ist doch was. Du sagst ja selbst "wenn man eine Chance sieht", und das geht nunmal wesentlich besser, wenn man vorher die Lage checkt, wie man mit *seinen* Mitteln die Situation zur Zufriedenheit (fast) aller bereinigen kann. Und da stehen ein Shotokan-Blaugurt und ein Maurerlehrling im zweiten Jahr auf der gleichen Stufe; Gefahrensinn, Motivation und Instinkte spielen eine wesentlich größere Rolle als 'Technik'.
Mit meiner Wortwahl wollte ich selbstverständlich niemanden beleidigen, sondern aufrütteln. Ich war nämlich mal dabei, wie ein angetrunkener Student nach zwei Monaten Kung Fu-Seminar meinte, er müßte mal eben die beiden grölenden Faschos zurechtstutzen, hat mir zwei kleine Narben eingebracht.. und ihm den Yoga-Kurs (doch, im Ernst..).
 

David

Moderner Nomade
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Habt ihr das mitbekommen, das heute jemand eine Frau vor einen Zug geschupst und damit ermordet hat? :(
Tote Kleinkinder schaffens mittlerweile ja auch nur noch unter "Sonstige Meldungen".

Manchmal fragt man sich echt, was mit den Leuten los ist. :confused:
 
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