@Yps: Das Problem, daß Menschenleben, je nachdem, inwieweit sie unserem eigenen gleichen (also wie ähnlich der Lebensstil der Betreffenden dem unseren ist), verschieden wichtig genommen werden, ist ja altbekannt. In N.Y. starben welche „von uns“, oder, wie Jenny es ausdrückte, welche von „unserer Seite“ der Welt. Und nun sterben dort unten halt welche auf der anderen Seite der Welt. Und so sehr es auch wünschenswert erscheint: der Mensch scheint sich nicht mit allen Menschen gleich solidarisch zu fühlen. Ich befürworte das nicht, ich konstatiere das nur. Im übrigen sollten wir nun nicht so tun, als würde dort unten jetzt ein Krieg gegen Unschuldige geführt, denn damit würde man doch der Propaganda des Bin Laden allzusehr auf den Leim gehen. Es wird nicht gegen das afghanische Volk Krieg geführt, sondern gegen die Terrororganisation, die regiert und die, der sie „Gastrecht“ gewährt. Als Pazifist will ich einen solchen Krieg nicht befürworten, aber doch gleichzeitig immer genau hinsehen und die Dinge nicht durcheinanderwerfen. Meiner Meinung nach hätte man weiterhin die diplomatischen Aktivitäten der letzten drei Wochen verfolgen sollen, um Bin Laden samt Kollegen vor ein internationales Tribunal zu stellen – was aber schwer möglich wäre, nicht nur, weil er kaum zu fassen wäre, sondern auch, weil ein solches Gericht nicht existiert (und zwar, weil sich vor allem die USA bislang gegen eine solche Einrichtung verwendeten). Egal – es hätte weiter versucht werden müssen, eventuell hätte man eben noch ein paar Monate gebraucht, um die Kompetenzen und den Zuständigkeitsbereich des Den Haager Kriegsverbrechertribunal zu erweitern.
Trotzdem ich also mit dem Vorgehen der Nato (wir sind da involviert, das sind nicht nur die Amerikaner!!!) nicht einverstanden bin, halte ich es verkehrt, nun die politisch hyperkorrekte Brille aufzusetzen und zu sagen: Dort unten werden Unschuldige bombardiert. Nicht, weil nicht auch Unschuldige dabei zu Schaden kämen – dieses unselige Wort Kollateralschaden wird uns auch in den kommenden Tagen und Wochen wieder beschäftigen. Aber die Betonung ist falsch: Man will nicht Unschuldige treffen, man hat es auf Schuldige abgesehen. Nicht umsonst wird betont (und über die Medien lanciert), man werfe gleichzeitig Nahrungs- und Hilfsmittel für die leidende Bevölkerung über Afghanistan ab. Irgendeiner der verantwortlichen in Amerika brachte das Beispiel mit dem zweiten Weltkrieg, wo Amerika ja auch nicht gegen die Deutschen, sondern gegen die Nazis Krieg geführt hatte, und wo man sich der „unschuldigen“ Bevölkerung gegenüber als sehr hilfsbereit (Care-Pakete, Marshall-Plan) zeigte. Und an dem Vergleich ist schon etwas Wahres dran. Wenn wir nun das afghanische Volk gleichsetzen mit dem Taliban-Regime und Osama Bin Ladens Al Quaeda-Organisation, dann lassen wir uns von denen eingarnen, die behaupten, dieser Angriff sei ein Angriff auf ein souveränes Land, auf die ganze arabische oder islamische Welt.
Was das „zweite Vietnam“ angeht, so halte ich diesen Vergleich auch noch (!) nicht für passend. Ich glaube nicht an einen massiven Einsatz von Bodentruppen, auch ist die politische Situation in Afghanistan eine andere, als sie es in Vietnam war. Vielleicht kann da Polio noch einmal Genaueres und Fundierteres dazu anführen?