Cas hat sehr schoen beschrieben, warum ich bei der Verbindung "Kathedrale" <-> "Stuhl der Isis" doch mal nachhaken musste. Ich weiss ueberhaupt nicht, wer solche Argumente vom Zaun bricht; sie wirken schlicht unserioes. Im Grunde wirft dies ein schlechtes Licht auf den Autor, weil hier das Bild einer mystischen Verbindung zwischen zwei Begriffen geschaffen wird, die im Grunde voellig banal ist, weil das Wort vom Grundsinn dasselbe bedeutet. Dann wird das als Beleg fuer eine Verbindung von Isis-Verehrung und Christentum hervorgezerrt, was ebenfalls ein recht banaler Zusammenhang ist und nicht erst durch semantische Tricksereien konstruiert werden muss. Dann kommen noch tiefgruendige Beziehungen von Kirchbauplaetzen zu Standorten heidnischer Heiligtuemer und subversive Uebereinstimmungen in Sakral-Plastik dazu, und wir koennen uns in erleuchtetem "Ah" und "Oh" ergehen und uns an Theorien ergoetzen, dass die mittelalterliche Christenheit in Wahrheit nur aus verkappten Isis-Juengern bestand
! Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?
Isis- und Mithras-Kult waren Mode-Religionen zur Zeit der Fruehchristen. Ihre kuenstlerische Hinterlassenschaft ist folglich ueberall zu finden, und gerade im Falle der Isis-Religion sind viele Grabsteine und Abbildungen (auch in Deutschland) erhalten geblieben. Die Fruehchristen muessten Tomaten auf den Augen gehabt haben, wenn sie das nicht gesehen haetten. Da es damals noch keine Tomaten gab... ehm, ok, ok; ich will jetzt nicht auf dem Niveau der Isis-Kathedrale argumentieren
. Nehmen wir einfach mal an, dass zumindest generelle Informationen zum Isis-Kult und seine Ikonographie den meisten roemischen Buergern bekannt war. Trotzdem gibt es keinerlei Beleg fuer eine inhaltliche Beeinflussung des Christentums durch den Isis-Glauben.
Die einzige Ausnahme ist hier in der Tat die Darstellung der Maria mit dem Kinde. Kuenstler waren zu Beginn des Christentums, also vor dem endgueltigen Zusammenbruch des roemischen Reichs, Geschaeftsleute. Wer Isis mit dem Horus-Kind zurechthaemmern kann, wird das auch mit Maria und Jesus schaffen. Im Einzelfall ist wohl auch so etwas wie der zum Osterhasen umfunktionierte Weihnachtsmann denkbar. Es ist also durchaus denkbar, dass die Beliebtheit der Isis-Verehrung im spaetroemischen Reich sich als Marienverehrung in die Katholische Kirche gerettet hat, wie so viele andere Braeuche der Volksfroemmigkeit. Aber brauchen wir fuer so einen Schluss die "Kathedrale"?
Wenn der Begriff "Kathedrale" im 11./12. Jahrhunder aufkam, so ist dies lange, nachdem Isis in Vergessenheit geraten war. Allerdings waren zu dieser Zeit die Kirchenfuersten schon laengst zu weltlichen Fuersten avanciert oder zumindest politisch sehr einflussreich. Der Papst sah sich als ueber dem Kaiser stehender Weltenherrscher. Ein Thron, oder bescheidener "Bischofsstuhl", ist da naheliegend. Da das auf griechisch/lateinisch viel besser klingt, tritt die Kathedrale in die Welt.
Und dass Kirchen auf heidnischen Kultstaetten gebaut wurden, muss nun auch nicht mit Verschwoerungstheorien erklaert werden. Wieviel besser sollte man ein erschlossenes Grundstueck in bester Lage verwenden, das kuerzlich seine Nutzung verloren hatte? Das Ueberbauen der heidnischen Kultstaette mit einer christlichen Kirche fuehrt den Glaeubigen darueber hinaus ganz handfest den Sieg des Christentums ueber die Heiden vor. Dies ist also eine simple Mischung aus oekonomischem Handeln und dem Ausdruck von Macht
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