Der Begriff "Entartet"

Chinasky

Dirty old man
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@Fischli: Der kleine Junge wird sicherlich nicht in der Öffentlichkeit zerrissen, wenn er den Ausdruck verwendet. Und ich wage noch eine Prognose: Er wird - so als kleiner Junge - nicht so schnell von selbst auf diesen Begriff kommen, wenn er sich seine ersten eigenen Gedanken über moderne Kunst macht. ;)

Selbstverständlich gibt es keine Un-Wörter an sich, sondern zu einem Un-Wort wird ein Begriff immer nur in bestimmtem Kontext. Wer wollte die Begriffe "Ungeziefer", "Abschaum", "Blut", "Boden", "Lebensrecht" usw. usf. verbieten? Aber Du kannst Dir sicherlich selbst genügend Zusammenhänge denken, in welchen verwendet diese Begriffe allzu Trauriges über die mentale Verfaßtheit des Sprechers offenbaren.
Insofern verstehe ich Deine Intention nicht? Was willst Du sagen? Du bist ja nun ein Akademiker, und als solchem sollte es Dir entgangen sein, daß erst der Kontext einzelne Wörter skandaltauglich macht? :hae:

@Bragi: Wer erhöht nochmal genau den Nationalsozialismus? Gibt es für Dich einen Unterschied zwischen "ernst nehmen" und "erhöhen", oder benutzt Du diese Begriffe synonym?

Ich als potentiell Betroffener (nämlich "moderner" Künstler) nehme es ernst, wenn versucht wird, die moderne Kunst dadurch zu diskreditieren, daß man an die dumpfesten Instinkte der aller Modernität eh abholden Bevölkerungsschichten appelliert seitens einer mächtigen Institution, welche die rkK nun mal ist. Aus dieser Richtung kommen ja auch immer mal wieder Zensur-Wünsche, und die moderne Kunst/Kultur als entartet zu bezeichnen - was soll das denn anderes sein als eine gezielte Diffamierung? Und wozu wird diffamiert? Um ein gewisses gesellschaftliches Klima zu schaffen, in welchem man dann mit seinen eigenen Anliegen besser durchkommt. Momentan - ich darf mal daran erinnern, um die m.M.n. wichtigen Zusammenhänge zu skizzieren - wird gerade mal wieder Künstlern mit dem Tode gedroht (auf einen schwedischen Karikaturisten ist von den Al Quaida-Terroristen ein Kopfgeld von 100.000$ ausgesetzt worden, welches noch um 50.000$ aufgestockt werden soll, falls dieser Mann besonders grausam hingerichtet werde). In einer Zeit also, in welcher mißliebigen zeitgenössischen Künstlern offen mit dem Tod gedroht wird, wird zeitgenössische Kultur als entartet bezeichnet. Interessanterweise von einer Institution, die auch immer wieder mal darum sich bemüht, den Lästerungsparagraphen zu verschärfen, der an sich schon (meiner Meinung nach) ein in Gesetzesform gegossener Skandal ist.
Ich verfolge interessiert die Reaktionen auch und gerade der hiesigen Kirchen auf diesen neuerlichen Angriff auf unsere Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit. Wird man sich mal wieder in übelster Kumpanei an die Terroristen anbiedern, indem man zwar lustlose Bekenntnisse zur Meinungsfreiheit ablegt, gleichzeitig aber darauf insistiert, religiöse Gefühle dürften keineswegs verletzt werden, so, wie es schon bei dem dänischen Karrikaturenstreit der Fall war?

Was meinst Du: Sollte man die Erfahrungen des dritten Reiches lieber verdrängen und vergessen, oder sollte man nicht wenigstens einen klitzekleinen Lerneffekt aus dieser blutigen Tragödie zu ziehen versuchen? Z.B. indem man sich daran erinnert, wie es "zu soetwas kommen konnte"?!



Für alle Interessierten hier noch ein Link mit dem vollständigen Predigttext Meisners:

http://www.kath.net/detail.php?id=17733
 
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Nik

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Tja ich kann mich Fischli nur anschließen auch mir ist der Begriff bisher nicht untergekommen. (Meiner einer ist Jahrgang 1981)
Allerdings ist in unsrem Geschichtsunterricht die Zeit zwischen erstem und zweitem Weltkrieg in vielleicht 4 Schulstunden im Schnelldurchlauf abgehandelt worden.

Es ist für mich schon erstaunlich dass ein mir „unbekannter“ Begriff solch eine Tragweite hat.

[edit]

Tja aber so kommen selbst, wir in diesem Falle "ungebildeten", noch dazu den Begriff und was damit verbunden ist zu kennen und sicherlich bleibt er uns im Gedächtniss.
 
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David

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@Bragi:
Mit Überhöhung hat das nichts zu tun, der Begriff "entartete Kunst" steht für die "Kulturpolitik" der Nazis wie "Lebensraum im Osten" für Hitlers Kriegspolitik gegen Russland und alle damit verbundenen Verbrechen.
Diese Begriffe sind für mich so fest mit den Nazis verbunden wie das Hakenkreuz, das ja vorher wohl auch mal ne andere Bedeutung hatte.

Es steht jedem frei, bestimmte Kunstformen nicht zu mögen (moderne Kunst mag ich persönlich auch nicht, und manche 'Aktionskunst' find ich reichlich albern), und ich schätze mal, die meisten Künstler haben auch gar nix dagegen, wenn die Leute sich darüber streiten, ob sie nun genial oder wahnsinnig sind. Wer zB eine Riesenfrikadelle per Katapult verschießt muss mit sowas rechnen und plant es wohl auch ein. :D

Aber wenn man sich der Sprache der Nazis bedient, dann sagt man implizit auch, daß man deren Schlussfolgerung aus der Feststellung "das ist entartete Kunst" zumindest ansatzweise übernimmt, d.h. gegen die Kunst oder gar die Künstler am liebsten handfest vorgehen würde. Und das hat dann für mich schon etwas von einer Bedrohung, so als ob man sagen würde "früher hätte man sowas nicht gedultet".

Und hier ist eben die Grenze überschritten, man kann sich über Kunst lustig machen, genauso wie man fast alles an Kunst herstellen darf, aber in beiden(!) Fällen hat die Menschenwürde im Vordergrund zu stehen.
Und die ist für mich sowohl bei den Körperwelten als auch beim Benutzen von Nazi-Sprache überschritten.
 

Fischli

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Sagen wir es mal so:

Meiner Meinung nach wird die Diskussion etwas falsch geführt. Es wird häufig das Wort "entartet" aus dem Kontext gerissen und als alleiniger Sündenbock dargestellt.

Zitat:
<i>Der frühere nordrhein-westfälische Kulturminister Michael Vesper äußerte sich in der Kölner Zeitung "Express" (Samstagausgabe) "erschrocken darüber, dass der Begriff 'entartet' noch verwendet" werde. "Ich dachte, dass das in Deutschland Geschichte sei", fügte er hinzu. Und ausgerechnet ein hoher katholischer Würdenträger greife das auf.</i>

Wahrscheinlich wurden Michael Vespers Worte auch aus dem Kontext gerissen.

Mich stört viel mehr, dass bei der Berichterstattung häufig der Kontext einfach verloren geht und ein Wort nicht mehr exisitieren soll:

<i>Der Kölner Kulturausschuss-Vorsitzende Lothar Theodor Lemper
(CDU) sagte, der Begriff "entartet" sollte im heutigen Sprachgebrauch tabu sein. Zudem erwachse Kultur nicht nur aus Gottesverehrung. "Den Absolutismus, den Kardinal Meisner hier predigt, halte ich für falsch und unangebracht", sagte Lemper.</i>

Oder vielleicht vergessen die Leute, die hier befragt werden und die diese Berichte schreiben, dass es noch andere Dinge auf der Welt gibt und sie nicht ganz alleine auf der Welt sind und es durchaus noch Gebiete gibt, bei denen dieses Wort erlaubt sein könnte?
 
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David

Moderner Nomade
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Solange es auch nur im weiteren Sinne um Menschen geht, halte ich "entartet" wirklich für unangebracht.
Wenn man irgentwelche Dreiecke damit beschreibt, dann tut das sicher niemanden weh, aber ansonsten gibts genug andere Wörter, die man benutzen kann.
 

Bragi

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@Chinasky: Und du lernst aus der Geschichte, indem du ein einfaches Wort die Existenz absprichst und aus dem kollektiven Wortschatz der deutschen Sprache tilgen willst? Diese Macht gestehst du ihnen zu?

Für mich ist "entartet" lediglich ein einfaches Adjektiv, welches ich im normalen Sprachgebrauch nicht einsetze, da ich es für zu formell, vielleicht auch antiquiert halte und es dafür passendere Alternativen gibt. Du hingegen scheinst "entartet" ausschließlich im Kontext mit "Kunst" zu sehen, es damit in den Nazi-Jargon zu ziehen und somit eine untragbare Bedeutung zu geben. Glaubst du wirklich, das die Nazis diese "Ehre" verdienen? Die Macht zu haben, unser Leben über 60 Jahre nach ihrem Ende selbst bis in den einfachen Sprachgebrauch zu beeinflussen? Ich tue das jedenfalls nicht.

Seit ich weiß, was Nazis überhaupt sind, hab ich schon eine ganze Reihe "Diskussionen" in diese Richtung geführt. Und alle liefen nach demselben Muster ab: Nazis sind das ultimative Böse, haben 6 Mio. Juden ermordet und das hat man gefälligst abgrundtief zu verdammen und Schluß. Jeder, der auch nur ein stückweit anders denkt, ist natürlich ein "Nazischwein". Ich habe nicht eine Unterhaltung geführt, in dem sich mal einer mit den Vorgängen von damals wirklich auseinander gesetzt hat. Es reichte, auch nur ansatzweise etwas zu erwähnen, was mit den Nazis in Verbindung gebracht werden konnte und schon war der Gegenüber voll auf 180.

Hier geht es also gar nicht um die sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern lediglich um ideologische Grabenkämpfe. Und auch wenn ich die Aussagen Meißners nicht gelesen habe, scheint es auch hier so zu sein, das man die vermutlich sinnvollste Art, damit unzugehen - nämlich den Inhalt seiner Aussagen zu analysieren, evtl. zu widerlegen und dann abzuhacken - gar nicht in Betracht gezogen hat, sondern sich lediglich auf den Begriff "entartet" als Naziunwort gestürzt und damit die Bedeutung seiner Aussage erhöht hat. Ich wage sogar zu behaupten: Hätte man die Passage mit dem Wort einfach links liegen gelassen, hätte sich kein Schwein für Meißners Beitrag interessiert. Ist also auch eine Möglichkeit, Publicity zu machen. :rolleyes:
 

Chinasky

Dirty old man
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Mich stört viel mehr, dass bei der Berichterstattung häufig der Kontext einfach verloren geht und ein Wort nicht mehr exisitieren soll:

Das stimmt so einfach nicht. Welches Wort soll denn nicht mehr "existieren"? Gefordert wird hier ein Tabu. So, wie z.B. Sex mit Kindern ein Tabu sein sollte (welches ich zumindest fordern würde). Wenn jemand dennoch Sex mit Kindern befürwortet, muß er sehr, sehr, sehr gute und überzeugende Gründe haben, dieses Tabu zu brechen. (Ich kann mir momentan keine vorstellen, die mich hier überzeugen würden.)

Wenn jemand das Wort "entartet" im Zusammenhang mit Kunst oder Kultur verwendet, verletzt er ein Tabu. Wenn er dies unbewußt tut, dann ist es gut, wenn alle gleich aufschreien - denn nur so kann er lernen, daß hier ein Tabu besteht. Wenn er es bewußt tut - dann ist das Geschrei sogar noch wichtiger, denn der Tabubruch wird nun mal sanktioniert, und kritische Reaktionen, auch harsch und kompromißlos formuliert, sind m.M.n. die beste Sanktionsmöglichkeit, die es gibt.

Wenn ich Deine Beiträge lese, dann bin ich mir nicht sicher: Denkst Du wirklich, daß es hier um ein Wort geht? Oder tust Du nur so, als wüßtest Du nicht, daß es eine ganz bestimmte Denkweise ist, die bei Meisner angegriffen wird, und für die das Wörtchen "entartet" nur so eine Art "Marker" darstellt?
Und natürlich wird in der Öffentlichkeit auch differenzierter diskutiert als nur in solchen Kurz-Auszügen aus Interviews. Daß in den Fastfood-News, den Fünfminuten-Nachrichten und Kurzartikeln von Tageszeitungen nicht differenziert berichtet wird, ist doch wohl nun logisch. Hast Du Dir denn mal den von mir verlinkten kompletten Predigttext durchgelesen? Und, wenn ja - was meinst Du? Jemand, der sich so häufig auch die 3.Reich-Thematik bezieht, glaubst Du allen Ernstes, daß der nicht über die problematische Konnotation von "entartet" wüßte? Und wie würdest Du die Thematik in einem Fünfzeiler gründlicher und differenzierter aufbereiten?
 
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Tsaya

Self-Tortured Soul
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Dem kann ich so einfach nicht zustimmen. Es ist nun wirklich kein Problem, auch im Rahmen eines extrem kurzen Berichtes, von "entarteter Kunst" anstatt lediglich vom Wort "entartet" zu sprechen - immer vorausgesetzt, man ist sich dieses Unterschiedes auch bewußt. Die Tatsache, dass hier nicht differenziert wird zeugt dann nur noch von der Ignoranz der Berichterstatter und Politiker, die die Gelegenheit für Medienpräsenz benutzen. Ich bin mir sicher, dass diejenigen, die am lautesten schreien, die naturwissenschaftliche Definition des Wortes nicht einmal kennen.

Das Problem ist, dass in den Medien lediglich ein Wort diskutiert wird, wenn es um zwei Worte gehen müsste. Du sagst selbst, dass jemand ein tabu verletzt, wenn er das Wort entartet im Zusammenhang mit Kultur verwendet - das sehe ich auch so. Aber dann muss es in der daraus resultierenden Diskussion auch in diesem Zusammenhang verwendet und nicht daraus entfernt werden!
 

Chinasky

Dirty old man
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@Bragi:
Und du lernst aus der Geschichte, indem du ein einfaches Wort die Existenz absprichst und aus dem kollektiven Wortschatz der deutschen Sprache tilgen willst?
Wenn Du Dir meine Entgegnung zu Fischli durchliest, wird Dir sicherlich aufgehen, daß ich nicht einem Wort die Existenz absprechen will. Das wäre ja auch vollkommener Unsinn. Es gibt das Wort, also existiert es in unserem Sprachgebrauch. Es geht nicht um ein Wort, sondern um dessen Konnotation und darum, daß ich bei einem siebzigjährigen Theologen davon ausgehe, daß er weiß, was man mit so einem Begriff konnotiert. Ihm zu unterstellen, er wisse dies nicht, hieße, sich dumm zu stellen oder ihn, einen wichtigen Repräsentanten einer mächtigen Institution naiverweise zu unterschätzen. Vielleich kannst Du mir mal zwei Fragen ganz knapp beantworten:
1. Glaubst Du, daß Meisner die Bedeutung des Wortes "entartet" im Zusammenhang mit Kunst und Kultur bekannt war? Ja oder nein?
2. Glaubst Du, daß er seinen Predigtext sorgfältig vorbereitet hatte, d.h. sich bewußt so ausdrückte, wie er's tat? Ja oder nein?

Falls Du eine oder beide Fragen mit nein beantwortest, brauchen wir uns hier nicht weiter zu unterhalten, denn dann gehen wir von zwei unterschiedlichen Voraussetzungen aus und können natürlich nie zu einer Übereinstimmung kommen.

Seit ich weiß, was Nazis überhaupt sind, hab ich schon eine ganze Reihe "Diskussionen" in diese Richtung geführt. Und alle liefen nach demselben Muster ab: Nazis sind das ultimative Böse, haben 6 Mio. Juden ermordet und das hat man gefälligst abgrundtief zu verdammen und Schluß. Jeder, der auch nur ein stückweit anders denkt, ist natürlich ein "Nazischwein".

Zuallererst einmal: Ich werde Dich gewiß nicht als Nazischwein titulieren. Damit würde ich Dich entmenschlichen und damit genau das tun, was die Nazis mit ihren Gegnern taten. Beispielsweise auch, indem sie mißliebige Künstler als entartet bezeichneten. Das Gegenüber zu entmenschlichen ist miesester Diskussionsstil, und wenn mir das in der Hitze einer Diskussion einmal unterlaufen sollte, so bitte ich, mich sofort daraufhin anzusprechen und hoffe, daß ich dann genug Mumm aufbringen kann, mich zu entschuldigen.

Zum Zweiten: Nazis sind nach meinem Verständnis nicht das ultimative Böse, da ich die verwendung solcher Abstrakta im politischen Diskurs möglichst vermeide. Ich weiß nicht, was "das Böse" ist, weiß nur, daß mit der Behauptung, es gebe das ultimative Böse, viel Schindluder getrieben wurde. Ich denke, daß "gut und böse" immer relativ sind und zwar in Relation zur Position dessen, der diese Begriffe verwendet. Ich kann bei Menschen nichts Böses entdecken - sondern nur Intentionen, Motive, Handlungen, die meinen Interessen zuwiderlaufen.
Drittens: Es gibt die Menschenrechte (wie sie durch Übereinkunft gefunden wurden, und nicht etwa absolut in aller Ewigkeit "an sich" existieren), und auf diesen beruht mein Wertesystem. Aufgrund dieses Wertesystems beurteile ich nun das, was die Nazis, bzw. Menschen in der faschistischen Gesellschaft, taten.

So, das sind die Voraussetzungen, sind der Maßstab, nach welchem ich über die Nazis oder die Nazizeit diskutiere. Wenn Du meinen Maßstab irgendwie problematisch finden solltest, so bitte ich Dich, dies deutlich zu machen, damit wir nicht auf Basis von Mißverständnissen diskutieren. :)

Den Genozid an den Juden, die Schoah, den Holocaust: Ich halte sie für das schrecklichste Verbrechen, das sich auf diesem Planeten je abgespielt hat. Schlimmer als die Konzentrationslager, in denen Cäsar in Spanien besiegte Feinde umbringen ließ, schlimmer als die Hexenverfolgung und Inquisition im Mittelalter, schlimmer als die blutige "Christianisierung" in Südamerika, schlimmer als die kolonialistische Sklaverei, schlimmer als das Apartheidssystem in Südafrika, schlimmer als die (opferzahlenmäßig größeren!) stalinistischen Verbrechen, schlimmer als die Verbrechen der rothen Khmer in Kambodscha oder die maoistischen Metzeleien vor und während der Kulturrevolution. Wenn Du Gründe dafür aufgezählt haben möchtest, warum ich diese Judenvernichtung für schlimmer als die anderen (ebenfalls unvorstellbar grausamen!) aufgezählten Verbrechen halte, kann ich Dir die nennen, möchte hier aber nicht langweilen mit Argumenten, die gegebenenfalls von uns beiden vertreten werden, die Dir also längst bekannt sind.

Insofern verdamme ich die Judenvernichtung im dritten Reich und halte sie für das ultimative Verbrechen, das Schlimmste, was Menschen jemals getan haben. Wenn jemand hier eine andere Einschätzung hat, soll er mir dafür die genauen Gründe vorlegen - reden kann man über alles. Aber ich werde diesbezüglich nicht einfach andere "Meinungen" als gleichberechtig und "in Ordnung" akzeptieren, wenn sie nicht durch gute Gründe belegt werden.

Wenn Du also "ein stückweit anders denkst" - dann bin ich interessiert an diesem anderen Denken. Solltest Du neue, originelle Ansichten zum Thema haben, so würde ich die gerne hören, denn ich lerne immer gern dazu. Aber falls ich dieses stückweit andere Denken für falsch halte, werde ich die dahinterstehenden Argumente sehr genau prüfen und bei ungenügender Stichhaltigkeit in der Luft zerpflücken. Schluß ist für mich bei so einer Diskussion eigentlich erst dann, wenn entweder ein Argument der Gegenseite kommt, das mich überzeugt, oder wenn die Gegenseite inhaltlich nichts Neues zu bringen hat und sich in zirkelschlüssiger Verbalakrobatik übt.

Bisher allerdings hatte ich überhaupt nicht den Eindruck, als würden wir in der moralischen Beurteilung des Dritten Reiches unterschiedliche Ansichten haben. Ich habe Dich vielmehr so verstanden, daß Du meinst, man solle dem "Nazitum" nicht die Ehre antuen, sich mit solchen Petitessen wie einzelnen Wörtern a la "entartet" allzusehr zu beschäftigen. Habe ich Dich da mißverstanden?

Worum also geht es Dir? Mir geht es darum, daß ein Bischof, d.h. ein gesellschaftlich wichtiger Repräsentant einer ziemlich großen Interessensgemeinschaft (rkK) im Geschwurbel seiner Predigt einen neuerlichen Angriff auf die Kunstfreiheit startete. Wenn Heinz Müller aus Hintertupfing Kunstwerke, die er nicht versteht, als entartet bezeichnet, so ist Herr Müller zu bedauern, aber auch leicht zu ignorieren. Wenn der Bischof von Köln dies tut, kann und will ich es nicht ignorieren. Denn es ist ein weiteres Steinchen im Mosaik. Dieser Bischof steht auch für eine Abtreibungspolitik, die nachweislich Abtreibungen nicht verhindern, allerdings Frauen (die, in die Illegalität gedrängt, dann bei Kurpfuschern und "Engelmacherinnen" landen würden) gefährdet. Er steht für Homosexuellenfeindlichkeit und damit gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die ich für ein wichtiges Rechtsgut halte. Er, bzw. die durch ihn vertretene Institution steht für Versuche, die Trennung von Kirche und Staat zu unterlaufen. Er, bzw. seine rkK steht für ein reaktionäres Familien- und insbesondere Frauenbild, wie in der Diskussion über die Kinderbetreuung und die Regelungen, die auf Initiative von Frau v.d. Leyen diesbezüglich zurückgehen, deutlich wurde. Er, bzw. die rkK steht gegen die Gleichbehandlung der Religionen, insbesondere gegen die Gleichberechtigung Nichtreligiöser (siehe z.B. Streit um die Kruzifixe, um Kopftücher in den Schulen, um die Aufnahme Gottes in die Präambel der EU-Verfassung usw.).

In den unterschiedlichsten Politikbereichen also vertritt Meisner Ansichten, die ich für falsch halte, für wert, gegen sie anzukämpfen. Sein Denken ist im Kern demokratie- zumindest aber pluralismusfeindlich und antiliberal. Ich subsummiere das alles unter die Bezeichnung: "reaktionär", denn die Ideale, die er vertritt, liegen alle in einer (meiner Meinung nach glücklicherweise überwundenen) Vergangenheit. Kannst Du in seiner Predigt nachlesen: Sein Kunstideal sind Jesus- und Madonnendarstellungen.
Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, wie sie Meisner vor Augen steht. Und wenn er mit populistischen Predigten auf so eine Gesellschaft zuarbeitet, dann widerspreche ich.

Und bin übrigens positiv überrascht, daß einige CDU-Vertreter nicht dem üblichen Wagenburg-Reflex folgen, alles, was die Kirchenoberen so absondern, gleich zu decken. Ebenso, wie ich von Frau von der Leyens Politik sehr angetan bin. Hätte nie gedacht, einmal mit einer CDU-Politikerin inhaltlich so übereinzustimmen. :) (Aber das führt schon weg vom Thema und wäre besser im Politik-Topic aufgehoben...)



edit Tsaya:
Aber dann muss es in der daraus resultierenden Diskussion auch in diesem Zusammenhang verwendet und nicht daraus entfernt werden!
Das wäre sicherlich besser, da stimme ich Dir zu. Hast Du das Empfinden, der Zusammenhang würde absichtlich verschleiert?
 
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Fischli

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Oder tust Du nur so, als wüßtest Du nicht, daß es eine ganz bestimmte Denkweise ist, die bei Meisner angegriffen wird, und für die das Wörtchen "entartet" nur so eine Art "Marker" darstellt?

Der Marker sollte imho eben "entartete Kunst" sein.

Daß in den Fastfood-News, den Fünfminuten-Nachrichten und Kurzartikeln von Tageszeitungen nicht differenziert berichtet wird, ist doch wohl nun logisch.

Dahin zielte ja mein "Problem" die Berichte sind mir einfach zu sehr - in deinen Worten - <b>Fastfood</b>. In Zukunft werde ich wohl kein Topic bezüglich Fastfood mehr erstellen.

Hast Du Dir denn mal den von mir verlinkten kompletten Predigttext durchgelesen?

Nein, und werde ich auch nicht. Meisner und dessen Gedankengut generell interssiert mich weniger.

Und wie würdest Du die Thematik in einem Fünfzeiler gründlicher und differenzierter aufbereiten?
Das Problem ist, dass in den Medien lediglich ein Wort diskutiert wird, wenn es um zwei Worte gehen müsste. Du sagst selbst, dass jemand ein tabu verletzt, wenn er das Wort entartet im Zusammenhang mit Kultur verwendet - das sehe ich auch so. Aber dann muss es in der daraus resultierenden Diskussion auch in diesem Zusammenhang verwendet und nicht daraus entfernt werden!

Oh, sehe gerade Hank hats eingesehen ^^. Und als antwort auf:

Hast Du das Empfinden, der Zusammenhang würde absichtlich verschleiert?

Absichtlich: diese Frage bleibt offen. Verschleiert: kann einem so vorkommen. Vor allem wenn einem der Hintergrund bis dato fehlte, und die kleinen Ergänzungen der Berichte zum Hintergrund sind meist etwas dürftig.

Guten Abend.
 
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Fabian

Hefti
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Gewisse Begriffe kann man nicht aus dem Kontext herauslösen.
Egal wie zwanghaft man es versucht, bei der Benutzung mancher Wörter alleine (zB entartet), werden zwangsläufig die negativen Konnotationen hervorgehoben.
Gerade was die Nazi Zeit betrifft muss man extremst vorsichtig sein, wenn man auch nur Teile ihrer Ideen und Begriffe wieder aufgreift.
Denn solche Wörter könne nicht aus dem Kontext gerissen werden ohne dass viel Blut dabei spritzt.
Wenn man diese Wörter wieder benutzen will muss man wie ein Chirurg äußerst vorsichtig darum herum schneiden, um ja sicher zu gehen keinen Fehler zu machen.
Selbst dann ist es immer noch problematisch.

Der Grund dafür ist aber nicht, dass wir den Nazis Macht geben würden, in dem wir uns immer noch vorschreiben lassen welche Wörter wir benutzen dürfen.
Sondern gewisse Wörter sind halt nun mal harte Wörter, die man nicht leichtfertig benutzen sollte.

Diese Wörter darf man nicht aus dem Kontext reißen mit dem Argument, dass das eh schon so lange her ist und wir weitergehen sollten.
Denn all das wäre im besten Fall eine Verklärung gegenüber der Realität während der Nazi-Zeit.
Da gibt’s zB keine Autobahnen zu loben.
Oder Familienpolitik die ja ach so wertschätzend für die Mütter war.
Das ist im besten Fall eben eine Verklärung der Vergangenheit, aber viel eher ein Spucken auf die vielen Opfer der Nazis.
Der vielen Millionen die durch sie so sehr gelitten haben.

Ja, ich weis schon jetzt heißt's ich würde die Moralkeule auspacken, gegen die man ja nix sagen darf ohne ein Nazischwein zu sein.
Aber warum darf man nix dagegen sagen?
Warum?
Weil Millionen von Menschen entmenschlicht (wie Hank schon geschrieben hat) und umgebracht wurden.
Von diesen ach so tollen Autobahnbauern.
Das Leiden kann man nicht und niemals, unter gar keinen Umständen, einfach ausblenden.
Man darf das nie vergessen.
Auch wenn man es vielleicht schon als störend empfindet.
Gerade dann wenn man die Nazi-Argumentationskeule schon satt hat, sollte man sich wieder und wieder fragen ob man da nicht selbst die Vergangenheit verklärt.

Ich habe dazu kürzlich einen sehr guten Artikel in der Presse gelesen.
Hier der Link dazu, der Text ist nicht sehr lange, aber er bringt die Sache auf den Punkt. Ich muss ehrlich zugeben mir ist schon ein kleines Lämpchen beim Lesen des Textes aufgegangen.
Da wurde ich mir all der Implikationen die alle Nazithemen haben wieder erst richtig bewusst, mir hat diese „Auffrischung“ gut getan.
http://www.diepresse.at/home/meinung/quergeschrieben/sibyllehamann/329415/index.do

@Fischli
Ich verstehe nicht ganz wo du das Problem siehst?
Das sie im Radio nur Wert auf das Wort 'entartet' und nicht die Kombination mit 'Kunst' wertgelegt haben?
Für sie war wohl die Bedeutung des Zusammanhanges des Wortes 'entartet' klar.
Wahrscheinlich haben sie nicht von der mathematischen Bedeutung geredet. ;)
Das ist ja eben der springende Punkt warum sollen sie da differnzieren und extra erwähnen dass 'entartet' im mathematischen/naturwissenschaftlichen Sinne kein Problem ist?
Das ist doch eh klar, das ist selbstverständlich!
Nochmal, wenn man von einer problematischen Bedeutung des Wortes 'entartet' spricht, dann sollte eigentlich klar sein dass es um den Kunstzusammenhang geht. Von einer gezielten Irreführung mit dem Ziel das arme Wörtchen 'entartet' für populärpolitische Zwecke zu diskreditieren ist nicht auszugehen, oder?

Tja, tut mir leid, wenn du dich durch 5-Zeiler zu wenig zu einem Thema informiert fühlst.
Dann solltest du mehr bzw. Höherwertiges lesen.
Das kann man dann nicht den Medien vorwerfen.
Wenn dich das Thema interessiert, dann muss man halt ein wenig darüber nachfragen. Gibt ja genügend Informationsquellen.
 

Fischli

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Tja, tut mir leid, wenn du dich durch 5-Zeiler zu wenig zu einem Thema informiert fühlst.
Dir braucht das nicht leid zu tun ;).
Dann solltest du mehr bzw. Höherwertiges lesen.
Ich denke der Spiegel ist nicht gerade die Bild-Zeitung. Und SWR 1 ist nicht gerade BIG FM (beides Radiosender).
Das kann man dann nicht den Medien vorwerfen.
Wenn dich das Thema interessiert, dann muss man halt ein wenig darüber nachfragen. Gibt ja genügend Informationsquellen.

Wenn man ein Thema als derartig schlimm darstellt, sollte man meiner Meinung nach etwas mehr informieren. Da ist nicht alles Hohlschuld sondern auch etwas Bringschuld. Vor allem wenn das ein deutschprachiger liest, der aus einem anderen (nichtdeutschsprachigen) Land stammt, ist das vielleicht nicht alles ohne weitere Recherche nachzuvollziehen.
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Ich finde schon, das die hohe Kunst sich mit den grundsätzlichsten Themen der Menschheit auseinandersetzen sollte - und nicht mit der Frage, welches Gefühl man heute gerade gegenüber dem Beziehungspartner hat oder was für ein tolles Auto man fährt etc.

Ansonsten wüßte ich aber nicht, warum man der nicht so hohen Kunst die Existenzberechtigung absprechen sollte, indem man sie als "entartet" diffamiert. Mal abgesehen von den offensichtlichen Parallelen zu Nazipropaganda.

[url="http://kerzenburg.baldurs-gate.eu/showpost.php?p=845891&postcount=18]Chinasky schrieb[/url]:
Ob man, wie Du, die Sache eher als Ausrutscher oder Dummheit betrachtet, oder, wie ich, eher hinter dem, wie sich die Offiziellen der rkK in jüngster Zeit verhalten, ein System vermutet, ist vielleicht Ansichtssache. Je mehr ich mich allerdings mit der Materie beschäftige, desto mehr sehe ich mich bestärkt in meiner Betrachtungsweise: Ich unterstelle Meisner ebenso Kalkül, wie ich auch Ratzinger bei seiner Regensburger Rede Kalkül unterstelle.
Das einzig Besondere an der Rede von Ratzinger war IMHO, das sie überhaupt zum Politikum wurde. Ansonsten ist es ziemlich normal, das man als Christ oder noch allgemeiner als relgiöser Mensch Reservationen gegenüber dem Islam hat. Diese Religion ist derzeit ja die Hochburg der Fanatiker und Religionsintoleranten - welche andere Weltreligion kennt denn sonst noch Theokratien ? Von welcher anderen Religion gibt es Länder, in denen es verboten ist, Bücher anderer Religionen - wie z.B. die Bibel - zu besitzen ?
 
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Fabian

Hefti
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@Fischli
Da haben wir wohl an einander vorbeigeredet.
Wenn ich dich recht verstanden habe, geht's dir nur darum dass der Gebrauch des Wortes 'entartet' zu undifferenziert in den Medien verteufelt wurde.
Alslo nicht explizit auf die nur in Kombination mit 'Kunst' negative Bedeutung hingewiesen wurde?
Also über die eigentlich Problematik der Worte die der Kardinal gewählt hat, sind wir uns ja eh einig?!


Ich kenne die Radio Berichte nicht, daher kann ich da nicht mitreden. Im Spiegelartikel kam IMHO doch sehr deutlich durch, dass die Äußerung des Kardinal 'entartet' auf Kunst bezogen war.


@Gala
Ähm. Ich kann den Gedankensprung von Kritik des Kardinals an der angeblich Gottlosen Kunst hin zum Islam nicht ganz nachvollziehen.

@Hank
Ich wollte eigentlich schon eher noch was anmerken, kam aber nicht dazu.
Deine These finde ich sehr interessant, erklärt sie interessanterweise auch sehr gut was mich etliche Tage lang beschäftigt hat.
Nämlich, der Papst war in Wien, ich weis nicht ob man das außerhalb Österreichs groß mitbekommen hat.

Jedenfalls wurde praktisch jede seiner Reden ständig und überrall übertragt und von den meisten Seiten heiß gelobt.
Dabei enthielt sie gar nichts sonderlich neues.
Neben allgemeinen Bekenntnisen zur Mitmenschlichkeit, kamen aber vor allem Äußerungen zum tagespolitischen Geschehen.
Da waren auf der einen Seite Forderungen den Sonntag nicht gottlos werden zu lassen (sprich weiterhin als so gut wie das einzige Land in der westlichen Welt Sonntag so gut wie alle Geschäfter zuzusperren), dann noch Forderungen Abtreibungen unter Strafe zu stellen.

Tja bei der Sonntagsruhe ging es ihm nicht um familiäre, soziale Gründe (was man mit entsprechenden arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen btw. noch gut schützen könnte), sondern praktisch nur um die kirchliche Bedeutung. Weil der Sonntag Gott gilt muss er Gott gelten.
Ein kleiner Zirkelschluss, aber gut.
Noch viel schlimmer fand ich dann seine Forderung zum Wiedereinführen der Strafbarkeit von Abtreibungen. Das Abtreibungen aber so oder so immer passieren und so wenigstens das Leben der Mutter medizinsch geschützt werden kann, wird aber ignoriert. Dachte das sei allgemein bekannt.
Es lebe das selbstgeschaffene Bild der alten Familie, alles andere wird verdammt aus rein ideologischen Gründen.

Zu den Problemen der Kirche, sprich Nachwuchsmangel, Zöllibat, Stellung der Frau etc. hat er kein Wort verloren.

Woher das rießen Lob für seine Reden kann ist mir unverständlich.
Aber zumindest macht jetzt die Wahl seiner Reden durchaus Sinn aus kirchlicher Sicht.
 

Ribalt

Ork-Metzler
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Hum... was an dem Wort *entartet* böse sein soll ist mir schleierhaft... Ist auch ausgeartet böse? Weil letzteres benutz ich ziemlich oft und so einen grossen Unterschied zwischen diesen Worten und ihren Bedeutungen kann ich beim besten Willen nicht finden... Allerdings kanns auch sein, dass diese Worte im Schweizerdeutschen gar nie mit den Nazis in Verbindung gebracht wurden.

*Entartete Kunst* tönt in der Tat schon anders, grad in dem Zusammenhang wie es vom Redner gebraucht wurde. Andererseits... von mir aus könnt damit genausogut irgend eine Kunstzeichenstil oder sowas gemeint sein.
 

David

Moderner Nomade
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Mag sein, daß das in der Schweiz schon wieder anders ist, aber wenn du hier "entartet" sagst, besteht immer die große Gefahr, daß es praktisch automatisch zur "entarteten Kunst" der Nazis vervollständigt wird, so wie zB fast jeder bei "Klima" im Moment zuerst an "Klimawandel" denkt.

Wenn also aus dem Zusammenhang nicht eindeutig hervorgeht, daß man nicht über Menschen spricht, sondern über Dreiecke etc. , sollte man dieses Wort einfach sein lassen.
Man spricht ja auch nicht vom Erschließen neuen "Lebensraumes", wenn man die EU-Osterweiterung meint. :rolleyes:

Wenn irgenteinem Schüler so ein Missverständniss passiert, seis drum. Aber wenn jemand in einer öffentliche Rede solche Wörter benutzt, dann weiß er, was er sagt.

@Fabian:
Was die Sonntagsruhe angeht, wäre ich ja dafür, dann auch den Pfarrern Sonntags frei zu geben, und mit dem Gebimmel der Kirchenglocken aufzuhören. :fies:
Sogar im erzkatholischen Irland haben die Läden Sonntags offen, aber wirklich nötig ists meiner Meinung nach auch nicht. Sonst seh ich schon die Gefahr, daß das Wochenende irgentwann generell wegrationalisiert wird. Freigegebene Öffnungszeiten von MO morgen bis SA Nachmittag find ich da schon wichtiger. Diese Bevormundung, wann man einzukaufen hat, und wann nicht, ist wirklich albern.
Wenn man arbeitet, kann das wirklich eng werden, vor 20 Uhr noch schnell einkaufen zu gehen.
 
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Ice

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Bei solchen Begriffen wie "entartet", die quasi in die braune Ecke verbannt werden sollen, fehlt mir auch die Einsicht wieso das so sein soll. Es scheint mir äusserst übertrieben, bei gewissen Wörtern sofort "Nazi" schreien zu wollen, es sind schliesslich nur Begriffe.
Es kommt mir eher so vor, dass man in Deutschland die Vergangenheit gar nicht richtig aufarbeiten will und denkt, es sei mit einem diffusen generellen Schuldgefühl und dem quasi-Verbot einiger Wörter und Symbole getan.
Sorry wenn das aneckt - ist nur meine Meinung.

Im Gegenteil, die aus verbannten Wörtern resultierenden "Denkverbote" (es werden ja mittlerweile etliche Wörter und Zahlen mit dem NS-Regime obwohl das 60 Jahre her ist immer noch in Zusammenhang gebracht) scheinen ganz und gar kontraproduktiv und sogar gefählrlich zu sein - kann man doch jedem und allem mit ein bisschen Wortklauberei "braunes Gedankengut" unterstellen und ihn so diffamieren - in der Politik ein bewährtes Mittel um Leute (vor allem politische Gegner) unglaubwürdig und letztlich mundtot zu machen.

Nein - "verbannte" Wörter schaden viel mehr als sie "nutzen".


Gruss, Ice
 

David

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Das hat doch nichts mit nem Denkverbot zu tun.
Wenn er sagen will, das weltliche Kunst nicht so wertvoll ist wie geistliche, dann gibts 100 andere Wörter, die er dafür verwenden kann. Dann kann man immer noch darüber streiten, ob er damit recht hat, aber das wird außer ner Handvoll Kunstexperten und Theologen niemanden interessieren.

Wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb spricht er von "entartet", und seit seiner Entschuldigung, wonach er die Nazis nur mit ihren eigenen Worten schlagen wollte, ist auch völlig klar, daß er genau wusste, was er da sagte.
Mag sein, daß ers wirklich anders gemeint und nur so kompliziert formuliert hat, daß es außer ihm niemand mitbekommen hat, aber um die historische Bedeutung des Wortes wusste er.

Und grad als Theologe sollte er eigentlich sehr genau wissen, wie mächtig das Wort ist. Die Ausrede "nach 60 Jahren muß auch mal gut sein" mag ziehen, wenn es zB allgemein darum geht, "die Deutschen" als kriegslüstern oder den USA zum ewigen Dank verpflichtet zu bezeichnen.
Aber hier gehts ganz konkret um einen der bekanntesten Begriffe aus der Nazi-Propaganda, und wer den ohne besonderen Grund in praktisch demselben Kontext benutzt wie die Nazis, der darf sich nicht wundern, wenn er dafür kritisiert wird. "Nur Begriffe" waren diese Wörter auch vor 70 Jahren schon, nur für die, dies betroffen hat, hatten diese Wörter lebensbedrohliche Konsequenzen.
 
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Ice

Technomage
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David:
Es geht mir nicht um die Äusserung des Theologen in diesem Fall - ist klar dass der nicht entschuldigt ist und mit seiner Bildung es besser wissen sollte und solche Wort-Kombinationen in einer Rede eben NICHT verwenden soll.

Aber andererseits ist es ja eben nicht nur DIESES EINE Wort, sondern eine ganze Menge ehemals ganz normaler gleichsam *unbescholtener" Wörter, die mit der sogenannten "Konotation" ind die Nazi-Ecke verbannt wurden und werden, Ich fange jetzt gar nicht an, diese Liste hier anzuführen, nebenbei weiss ich gar nicht alle inklusive ihrer genauen "Nebenbedeutung". Aber was ich weiss, ist, dass es eine ganze Menge sind. Ich finde sowas grundsätzlich falsch, wenn man Sprache an sich auf Grund von Vergangenheit zensiert.


Gruss, Ice
 

David

Moderner Nomade
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Das kommt meiner Meinung nach immer auf den Zusammenhang an und darauf, wie stark das Wort "vorbelastet" ist.

Bei "entarteter Kunst" gehts ja nicht um irgentein Wort, das mal von Hitler in einer seiner Hetzreden gebraucht wurde, sondern um einen recht bekannten Terminus. Und deshalb teilt dieser Begriff das Schicksal der diversen Nazi-Symbole und sollte tunlichst nicht unbedacht verwendet werden.

Es mag übertrieben sein, jedem, der irgentwas in der Richtung sagt, zu unterstellen, daß er ein Nazi-Sympathisant wäre, aber wenn man GEGEN etwas bzw. jemand stänkert (wie der Kardinal in seiner Rede), und dabei Nazi-Sprache benutzt, dann hat das meiner Meinung nach was von einer Drohung, weil alle wissen, welche Schlussfolgerungen die Nazis aus der Feststellung getroffen haben, das etwas nicht in ihr beschränktes Weltbild gepasst hat.
"Du machst entartete Kunst" hat für mich etwas von "Dir sollte man das Handwerk legen" (oder Schlimmeren).
 
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