@Cas:
Ich denke es gibt zwei Wege sich der Bibel - und somit der Grundlage des
Christentums - zu nähern:
1. Ich beobachte sie kritisch und extrahiere für mich was mir wertvoll
erscheint. Da gibt es sicher einiges, das ist unbestritten.
Und wenn du für dich sagst, dass du dir Jesus zum Vorbild nehmen willst
und gewisse Hintergründe mitbeachtest, nicht also alles ungeprüft für dich
übernimmst, ist das absolut okay!
Das steht dann für mich in einer Linie damit, sich z. B. vom Leben Ghandis
inspirieren zu lassen, ihn sich und seine Einstellungen Vorbild sein zu
lassen, Kraft daraus zu schöpfen wie er zu seinen Ideen gestanden und
seine Aufgabe gemeistert hat.
2. Ich lese sie mit einem vorgefertigten Urteil, mit der festen Einstellung,
dass es sich hier um Gottes Wort handelt, welches sicherlich von Menschen
niedergeschrieben wurde, aber an das sich doch im Prinzip zu halten ist.
Dann wird es schwierig, denn dann nehme ich mir damit die Möglichkeit zu
extrahieren, meinen gesunden Menschenverstand zu benutzen, denn da
sich der Wille Gottes mit meinem begrenzten Verstand nicht erfassen lässt
MUSS ich kritiklos übernehmen.
Ansonsten wäre es so, dass ich es tue, wie die meisten Christen. Ich sage:
Ja, das ist Gottes Wort und Gottes Wille, aber eigentlich hat er das ja ganz
anders gemeint und ein par Sachen muss man ja vor einem andern
Hintergrund sehen und hier muss interpretiert werden und das ist wörtlich
zu nehmen, e.t.c. - damit stelle ich mich dann praktisch mit Gott auf eine
Stufe und führe meinen eigenen Glauben ad absurdum, damit biege ich mir
Gottes Wille zurecht wie ich ihn brauche, insbesondere wenn ich Passagen
der Bibel komplett ignoriere oder etwas als zweideutig bezeichne was
eindeutiger nicht sein kann (-> ich verweise hier z. B. auf mein vorletztes
Posts im alten Thread und seine Bibelstellen).
Den ersten Weg empfinde ich zwar für mich nicht gangbar - zum einen, weil
er sich auf Berichte stützt, die wenig authentisch und für mich auch wenig
inspirierend sind, zum andern weil es in meinen augen wesentlich
geeignetere "Vorbilder" gibt (u. a. den von mir genannten Ghandi, der im
übrigen auch nicht immer "nett" war) - aber wenn sich jemand mit diesem
Weg wohlfühlt und dadurch (wie Malik sagt) "zu einem besseren
Menschen" wird, ist das begrüssenswert für mich.
Leider geht nur kaum jemand konsequent diesen ersten Weg! Ein bisschen
Glauben ist immer dabei und schon befinden wir uns auf dem zweiten - und
damit mitten im Dilemma!
Nun, es würde mich sicher wenig stören, wenn jemand in seinem stillen
Kämmerchen an Dinge glaubt, die ich für fragwürdig halte - doch bleibt es
ja nicht dabei!
Während manch einer darauf verweist, dass all die schrecklichen Dinge, die
die Christenheit über mehr als 2000 Jahre hin angerichtet hat, nur
auf "schlechter Anwendung" einer eigentlich guten Idee beruhen, dann
muss ich aufs heftigste Widersprechen!
Wenn eine Firma ein Auto konstruiert, welches grundsätzlich gut
konstruiert ist, doch leider den Mangel hat dass die Bremsen nicht
funktionieren und mir in unregelmässige Abständen der Motor explodiert
(kann ein Motor eigentlich explodieren? egal!
) dann muss es a)
verkehrssicher gemacht werden oder b) von der Strasse runter!
Ich selbst hatte Religionsunterricht, wurde konfirmiert und habe so den
christlichen Glauben von Kindesbeinen an "inhaliert". Niemand hat mir
gesagt, dass ich kritisch extrahieren und nicht alles Glauben darf - im
Gegenteil!
Mose war für mich immer ein ganz netter Mann, nicht ganz fehlerfrei, das
mit den ollen Steintafeln auf dem die 10 Gebote standen war nicht toll -
aber ansonsten: ein Held!
Dass er - laut Bibel - ein Kriegstreiber und Massenmörder war, geführt von
dem Gott auf den sich die Christenheit beruft, das hat mir keiner gesagt!
Dass König David ein Ehebrecher und Mörder war, der dafür noch von Gott
gelobt wurde auch nicht!
Und auch das Jesus durchaus fehlerbehaftet ist, Abraham keine Probleme
hatte sich mal fix als Zuhälter seiner Schwester zu profilieren, sich die
Lehren der Bibel z. T. komplett widersprechen - all das hab ich nie erfahren!
So kommt es, dass man ungeprüft für sich annimmt was christlich und
somit gut ist! Die Bergpredigt? Dazu kann ich stehen! Dass es da jemand
gegeben haben soll der Kranke heilt? Toll!
Doch wie kommt es nun, dass aus dieser Religion der Menschenliebe ein
Menschenverachtendes Monster wurde?
Eben weil sie das eigentlich schon immer war! Dieses Auto hat kaputte
Bremsen, der Motor ist nicht okay und wenn wir jetzt hundertmal darauf
verweisen, dass es ein tolles Design und sogar einen Airbag hat: dieses
Auto ist eine Gefahr, denn es ist nicht verkehrssicher!
Nahezu jedes Verbrechen, dass die Christenheit begangen hat konnte sie
auch mit der Bibel rechtfertigen!
Ich finde, dass muss geändert werden, da tickt eine Zeitbombe, auch in
unserer Zeit kann sich ein George W. Bush auf die Bibel berufen, wenn er
seinen fragwürdigen Krieg führt!
Es ist wichtig, dass man sich endlich einmal kritisch mit diesem Thema
auseinander setzt - doch da steht ja der Glaube im weg - wie oben unter
Punkt zwei ausgeführt!
Und auch dem Christentum würde es wirklich helfen, es würde endlich
wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen - auch wenn ich im Sinne der
Aufklärung das mit gemischten Gefühlen sehen würde. Religionen sind
auch meiner Meinung nach nicht wirklich segensreich!
Explizit zu deinem Post (von unten nach oben):
"Sinnfrei" über Paulus Worte zu diskutieren wäre es, wenn nicht
hunderttausende von Menschen unter ihnen gelitten hätten!
Darauf wird ja immer gern verwiesen, dass man etwas vor dem
Hintergrund der damaligen Zeit zu sehen habe! Ich emfinde das als
Verschleierung der Wirklichkeit! Auch wenn man diese Umstände
berücksichtigt: Eine Frau zu erniedrigen und zu demütigen, ganz gleich aus
welchem Grund ist für mich keine Nächstenliebe!
Und auch bei Mose sehe ich die Sache eindeutig: "...und sprach zu ihnen:
Warum habt ihr alle Frauen leben lassen? ... So tötet nun alles, was
männlich ist unter den Kindern, und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen
sind; aber alle Mädchen, die unberührt sind, die laßt für euch leben." da
gibts für mich wenig zu deuten!
Natürlich sah sich Jesus als den Juden gesandt und natürlich ist das nichts
neues! Doch wie kann ich da, als europäerin gläubige Christin sein?
Joh. 3, 16-17!!! *lach* das ist ja wie in MW - du findest immer Dinge, die
ich suche, was?!
Cool, diese Bibelstelle hab ich wohl irgendwo verdrängt!
Nun gut, dann hat er wohl davon gesprochen - zumindest laut Johannes...
Ich stimme mit dir überein: von ein. zwei Ausrutschern abgesehen vertritt
Jesus eine Position des Mitleids und der Nächstenliebe!
Das Wesen Gottes ist ja nun bereits in der Bibel recht eindeutig - von ihm
selbst - definiert. (u. a. 5. Mose 4, 24-25: "Denn der Herr, dein Gott ist ein
verzehrend Feuer, ein eifersüchtiger Gott...")
Hm, also ein kurzer Blick in die Kirchengeschichte zeigt mir wenig Stellen in
denen das Mitleid Schwachen gegenüber mehr war als eine rein plakative
Aussage! Im Gegenteil, wie u. a. die Konzilsbeschlüsse gegen die Juden
oder der "Hexenhammer" zeigen war man eher rücksichtslos und grausam!
*lächel* aber da sind wir wieder: du sagst: na, das mit dem Mitgefühl
haben die wohl einfach nicht richtig umgesetzt - ich sage: sie haben
einfach andere Aspekte des Christentums an den Tag gelegt, Dinge
befolgt, die in der Bibel - auf die sich das Christentum ja immer gestützt
hat - auch wesentlich mehr Erwähnung finden als Themen
wie "Nächstenliebe" und "Mitleid"...
zu 2.) Schön! Ein Selbstbedienungsladen wo ich mir das raushole was ich
für gut empfinde, womit ich je nach Laune Menschen mit Nächstenliebe
gutes tun oder sie auch kaltblütig in Gottes Namen umbringen darf?!
Genau in dieser Zweischneidigkeit liegt die Gefahr des Christentums! Ich
muss nicht einmal mein "Christsein" vernachlässigen um auch
niederträchtigste Taten tun und rechtfertigen zu können!
zu viertens: das Glaubensbekenntnis beinhaltet u. a. allerdings auch den
Glauben an die christliche/katholische Kirche, die sich wie Gott nicht
unbedingt durch die Werte hervorgetan hat, die du zu vertreten scheinst!
Irgendwie zweischneidig
So, das wars fürs erste, ich erhebe keinen Anspruch darauf alles von dir
angesprochene kommentiert zu haben, aber ich glaube jetzt ist erstmal
genug!