Tim schrieb:
Was ich damit sagen will ist, dass die Europäer umdenken müssen. Sie dürfen nicht anfangen alles abzulehnen, was ihrer Meinung nach nicht geht und nicht hier "her gehört", sondern sie müssen daran denken, dass die Menschen die hier herkommen absolut keine andere Wahl haben. Wir haben eine Verantwortung. Uns geht es bedeutend besser als den Flüchtlingen.
Man sollte dabei aber auch nicht vergessen dass eine große Mehrheit der Europäer eben nicht aus durchgeknallten Rechtsextremen besteht, die das anders sehen. Es gibt asylfeindliche Strömungen und das sollte man nicht schönreden, aber Europa hat sich nicht über Nacht in einen Kontinent voller Rassisten verwandelt. Die vorhandenen sind nur gerade besonders laut, weil sie glauben damit gerade den Nerv der Zeit zu treffen. Wie das ausgeht ist glücklicherweise noch offen.
Natürlich ist es legitim zu sagen, dass man sich wünscht, dass die Flüchtlinge, wenn sie aus einem Kriegsgebiet kommen nachdem der Konflikt vorbei ist helfen ihr Land wieder aufzubauen. Aber das darf doch kein Zwang sein.
Das sehe ich nun allerdings selbst ein wenig anders. Die Heimatländer der Flüchtlinge werden, nach einer hypothetischen Stabilisierung der politischen Situation, zum Wiederaufbau von Wirtschaft und Gesellschaft auf die Rückkehrer angewiesen sein, insbesondere da viele gut qualifizierte Menschen geflohen sind, deren Fehlen beim Wiederaufbau besonders schmerzen würde. Ohne die Rückkehr der Flüchtlinge dürfte nach der politischen nahtlos die ökonomische und gesellschaftliche Krise kommen, was nun auch in niemandes Sinne sein kann.
Daher sprechen in meinen Augen die überwiegenden Gründe dafür diese Menschen nach Wegfall des Asylgrundes in ihre Herkunftsländer zurückzuführen, von bestimmten Härtefällen mal abgesehen. In der gegenwärtigen Situation ist das aber ohnehin recht egal, die gegenwärtigen Krisen werden uns m.M.n. noch so lange erhalten dass wir uns um eine Rückkehr der Flüchtlinge keine Gedanken machen müssen.
Wobei ebenfalls utopisch ist, dass alle Flüchtlinge, die in Europa ankommen einfach so innerhalb der nächsten 20 Jahre in das Leben hier integriert werden können. Auch das muss der Realist sich eingestehen.
Die Frage ist ja auch eher wie man aus dieser Erkenntnis eine Perspektive entwickelt, die man der "Schotten dicht!"-Rhetorik entgegensetzen kann.
Beego schrieb:
Ich frage mich allerdings auch, was wohl die Alternativen sind. Und die machen mir nicht weniger Sorge... Wie lange wird es noch dauern, bis man auf die Idee kommt, dass die Syrer alle wieder nach Hause könnten, wenn man in Syrien mal.. äh.. gründlich aufräumt?
Wie stellst Du dir das aufräumen praktisch vor? In meinen Augen ist der Zug lange abgefahren und die Situation mittlerweile zu komplex und vielschichtig, als dass man noch "aufräumen" könnte, wenn man das jetzt versucht wird man eher Schaden anrichten als beseitigen.
Matthew McKane schrieb:
Und wenn ich sehe, wieviele der Protestierenden selbst hilfsbedürftig sind (Hartz 4 Empfänger z.B.) wird mir echt schlecht.
Menschen, die wenig haben, auf Menschen, die nichts haben, zu hetzen ist doch eine uralte Methode. Man kann nicht erwarten dass unsere wenighaber irgendwann immun dagegen geworden sind. Abstiegsangst sorgt dafür dass man sich (gefühlt) gegen die noch weiter unten abgrenzen muss und außer Asylanten steht in unserer sozialen Hackordnung nichtmehr viel unter den Hartzlern. Anstatt sich über den Hartzler auf der Straße aufzuregen sollte man besser reflektieren dass die Unterschicht, die jetzt für rechte Agitation anfällig ist, in den letzten Jahrzehnten bewusst und ohne Notwendigkeit geschaffen wurde und sich überlegen welche politischen Schlussfolgerungen man daraus ziehen sollte.
Mal zu der ganzen "Wirtschaftsflüchtlinge"-Debatte: Grundsätzlich kann ich verstehen dass man zwischen politisch verfolgten und armen unterscheidet. Nicht weil Armut ein schlechterer Fluchtgrund oder weniger schlimm als politische Verfolgung wäre, sondern schlicht weil man dem politisch verfolgten nur durch seine Entfernung aus dem Zugriffsbereich des Verfolgers helfen kann, während es eine ganze Menge Möglichkeiten gibt einem armen Menschen zu helfen. Flucht und Aufenthalt in einem anderen Land sollten, wegen der damit verbundenen Lasten für alle Beteiligten, immer die letzte Möglichkeit sein, die erst in Betracht gezogen wird wenn alles andere ausgeschöpft ist. Hintergedanke sind dabei durchaus auch die Kosten: Für das Geld, das man hierzulande ausgeben muss um einen Flüchtling ein paar Jahre zu ernähren, einzukleiden, unterzubringen und ihm sein Taschengeld zu zahlen könnte man in vielen Herkunftsländern die Lebensbedingungen sehr vieler dort lebender Menschen dauerhaft verbessern. Mal ganz von dem abgesehen was man durch Verzicht auf subventionierte Argrarexporte, ausbeutung lokaler natürlicher Ressourcen, Rohstoffgewinnung unter Misachtung der Interessen der ansässigen Bevölkerung usw. erreichen könnte. Das sollten die Mittel sein, mit denen wir gegen das Elend in vielen Teilen der Welt vorgehen. Weiterhin steht einer Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen auch die Zahl der Menschen, die dann die Möglichkeit zum Asyl hätten, entgegen. Ich denke es dürfte unstrittig sein das ein Mensch, der hungert, Arm ist und Hilfe braucht und davon gibt es derzeit
795 Millionen - anderthalb mal soviele wie EU-Bürger. Selbst 1% davon Asyl zu gewähren dürfte ein Ding der unmöglichkeit sein. Wir haben gar nicht groß die Wahl, sondern müssen diesen Menschen, wo immer das möglich ist, in ihrer jeweiligen Heimat helfen, wenn wir die Fluchtgründe irgendwann mal in den Griff bekommen wollen.