Kelsey Version 2.x
(Der SoA-Teil ist Version 2.1 und der ToB-Teil Version 2.2)
Kelsey ist der Sohn einer Händlerfamilie und ein Hexenmeister, der sich der Gruppe anschließt und mit einem Haufen Bantern, einigen Kommentaren, einer Romanze für den Hauptcharakter oder Imoen, einem ToB-Teil, verschiedenen Enden, ein bisschen Gequeste und der optionalen "Getting Rid of Anomen"-Komponente daherkommt - Plenty to go around.
Wie jetzt anfangen oder besser... wo. Klären wir erstmal das technische, bevor wir uns auf den Inhalt werfen. Kelsey ist Hexenmeister, eine Klasse, an der sich die Geister scheiden - die einen mögen sie, andere sind der Meinung, Hexenmeister ist die beste Klasse evarrr! Ich habe bisher seltem mit Hexenmeistern gespielt, nicht zuletzt weil das Lernen von Sprüchen von Schriftrollen doch einiges an Punkten bringt... jedenfalls wenn man nicht gerade einen Balancer drauf hat. Dennoch, ein Hexenmeister hat eindeutig seine Vorteile und, dazu später etwas mehr, Kelsey nimmt nicht einfach nur hin ein Hexenmeister zu sein, sondern behandelt in den Gesprächen sein Schicksal auch recht ausführlich.
Dann haben wir die Werte und die Augenbraue formt einen etwas erstaunten Bogen. Denn im Gegensatz zu anderne Charakteren ist Kelsey in dieser Hinsicht wahrlich etwas schwach auf der Brust. Kein Attribut über 16 und die beiden höchsten Werte wurden auf GE und KO verteilt. Ein Magiebenutzer mit Intellenz 12 und Charisma 14, immerhin die grundliegenden Fähigkeiten der Klasse. "Ja," mögen jetzt einige sagen. "Aber wäre das nicht ziemlich unrealistisch, wenn nur Intelligenz 16+er Hexenmeister auf Faerun herumirren würden? Ist doch logisch, dass es da auch schwächere und stärkere gibt." - "Das ist richtig," sagt der Ascalon. "Aber ein bisschen Selektion bei der NSC-Auswahl ist schon vonnöten, schließlich stehen wir vor großen Aufgaben und können nicht jeden Dödel mitnehmen." Oder um es anders zu sagen: Ein Hexenmeister, der sein Potential nicht voll ausschöpft, ist bei der Gruppenbildung eher zweite bis dritte Wahl.
Aber wir sind ja keine Powerplayer oder Munchkins, die nur Leute mit einem Durchschnittswert von 19 in die Gruppe lassen, wir sind Rollenspieler und nehmen auch dann Charaktere auf, wenn sie eine interessante Geschichte zu erzählen haben. Hat Kelsey eine? Und da muss man einfach mal anerkennend mit dem Kopf nicken und sagen: "Jau." Jason Compton, der Autor der Modifikation, hat mich schon mit der sehr guten "De'Arnise Romance" beeindruckt. Auch hier beweist er wieder ein Händchen für eine gute Charakterentwicklung, die man auch wahrlich so nennen kann. Natürlich wisst ihr das alle schon, aber ich erinnere trotzdem nochmal daran: Der Unterschied zwischen Hexenmeistern und Magiern besteht darin, dass letzere sich mühsam alle Zauberformeln einprägen müssen, während erstere ein intuitives Gespür für Magie haben und sozusagen "freihändig" zaubern. Da ist die deutsche Bezeichnung "Hexenmeister" etwas sehr unglücklich, "Sorcerer" leitet sich unter anderem von "Source", der Quelle her, und... aber ich schweife ab. Jedenfalls ist Kelseys Talent eines der Hauptthemen in den Bantern - ohne allzu viel zu verraten: Kelsey stammt aus einer Händlerfamilie und hatte mehr Kummer als alles andere mit seinem Talent. Die Aufbereitung dieses Konfliktes ist sauber aufgebaut und folgt einem gewissen roten Faden. Gut gemacht, Jason.
Aber nicht nur das "Wie" ist entscheidend, auch das, WAS besprochend wird, fließt in eine solche Besprechung mit ein. Und da wird es dann etwas holperig. Denn Kelsey ist, ich möchte es vorsichtig formulieren, etwas anstrengend und braucht keinen Paladin oder Dieb, der ihm zuhört, sondern einen Psychiater. Von Schuld zerfressen, von Selbstzweifeln geplagt, mit einem gehörigen Ödipuskomplex geschlagen (auch wenns nie direkt ausgesprochen wird) ist er nicht gerade der Typ NSC, den ich mir für eine Romanze aussuchen würde. Und da hat Kelsey leider das gleiche Problem wie Gavin oder auch Aerie: Beide Charaktere stehen eindeutig unter Charname, was Persönlichkeit und Selbstvertrauen angeht. Während die Avariel jedoch keine Hehl aus ihrer Rolle als "Ankle Clincher" macht (Aus dem Lexikon "Fantasyliteraturvokabular für Blender": Als "Ankle Clincher" bezeichnet man geringschätzig die Sorte Frauchen, die sich schutzsuchen am Bein des großen Helden festklammert, während dieser die anstürmenden Horden des Bösen niedermäht) und eine Entwicklung vom Gegenentwurf zur Emanzipation zu einer gefestigten Persönlichkeit erlebt, ist Kelsey in der Rolle des schmachtenden Unterlings irgendwie gefangen. Vielleicht sehen Spielerinnen das maßgeblich anders, aber ICH würde mit so jemandem im realen Leben keine Beziehung eingehen.
Das mag jetzt auf den ersten Blick zu dem, was ich vorher gesagt habe, widersprüchlich wirken. Die Sache sieht jedoch so aus: Kelsey macht zwar eine Entwicklung durch, doch ist diese längst nicht so umfassend, wie sie es vielleicht hätte sein können.
An Questen bringt Kelsey nicht wirklich viel mit, wir erleben höchstens das Ende einer "Beziehung" zwischen ihm und einer durchgeknallten Frau, die dann später in den Bantern aufgearbeitet wird. Ansonsten haben wir den üblichen Romanzen-Stuff: Entführung durch Bodhi und finale Gespräche in ToB. Epiloge gibts immerhin 9 an der Zahl, je nach dem, ob's Beziehungen gab oder nicht und alles andere. Die Enden sind angemessen und lesen sich besser als so manches andere. Eindeutig ein Pluspunkt.
Die Beziehungen zu den anderen NSCs schwanken zwischen Sympathie auf der einen Seite bis hin zu blanker Abscheu auf der anderen Seite. Und das liebste Opfer von Kelsey ist der gute Anomen, der sich da seinerseits nichts nehmen lässt und fröhlich zurückgibt. Und das ist... anstrengend:
Kelsey (nach dem obligatorischem Ausraster): Ich schulde dir eine Entschuldigung. Ich war sehr taktlos. Du warst eine gute und verständnisvolle Freundin und ich habe dich angeschnauzt. Es tut mir leid, <CHARNAME>.
Anomen (ungefragt eingemischt): Spart Euch den Atem, Kelsey. Eure überfälligen Entschuldigen bedeuten meiner Dame gar nichts, ebenso wenig wie Eure fehlgeleiteten Annäherungsversuche. Nichts davon hat eine Bedeutung für sie, und wir werden deren Beendigung mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen.
K.: Wer sind "wir", Anomen? Ihr mögt Eure Verantwortlichkeiten im Orden haben, aber ich bezweifle irgend jemand betraut Euch für ihn oder sie zu denken und zu sprechen.~
A.: Ihr seid nicht ein Zehntel Manns genug umd die erforderlichen Disziplienen zu erlernen, die der Orden seinen Tapfersten lehrt! Noch seid Ihr angetan <CHARNAME>s Zeit mit Eurem kriecherischen Geschwätz zu verschwenden.
K.: An wen soll sie ihre Zeit verschwenden? An Euch?
A.: Ich betrachte <CHARNAME> als exzellente Menschenkennerin, die sich ihre Gesprächspartner für Diskussionen über sowohl Kampfstrategien als auch persöhliche Belange sehr genau aussucht. Sagt, Kelsey, was has sie in letzter Zeit zu Euch gesagt?
K.: Nun, nichts, weil ich-
A.: (schnaub)
K.: Moment, ich werde mich nicht vor Euch rechtfertigen!
Wenn ich vorher Jason über den grünen Klee gelobt habe, so muss ich dieses Lob in DIESER Hinsicht stark einschränken. Zwei erwachsene Männer zicken sich an wie pubertierende Mädchen, die darüber zanken, welche von beiden Tokio Hotel lieber hat? Danke. Ich gehe mal davon aus, dass das witzig gemeint sein soll, allerdings geht der Humor spätestens dann flöten, wenn an der Integrität der Charaktere gesägt wird und Anomen sich von einem überheblichen Jungritter zum unhöfischem Arroganzbolzen wandelt. Man mag Anomen mögen oder man mag ihn hassen, das ist allerdigns noch lange kein Grund, ihn in ein dermaßen negatives Licht zu rücken. Auf solche kindischen Schwanzvergleiche kann ich verzichten.
Kommen wir zum vorletzten Punkt: Der literarische Aspekt. Da ich die deutsche Übersetzung gespielt und in die englischen TRAs lediglich einen Blick geworfen habe, ist es vielleicht etwas übereifrig, Bill Murrays bekannten Satz aus "Scrooged" zu zitieren: "Oh mein Gott. War das schlecht." Dinge wie "ich wurde gewarnt, Euch das zu fragen, oder irgendwas genauer gesagt, aber..." oder "Deine Besorgnis ist genug für mich. Ich fühle mich schon besser." treiben Leuten mit etwas Sprachgefühl die Tränen in die Augen. Ich weiß, dass Übersetzungen ein Knochenjob sind und ich weiß auch, wie schwierig es manchmal ist, die rechten Worte zu finden. Aber man kann einen englsichen Satz nicht nehmen und jedes Wort als eine Einheit sehen, diese dann 1:1 übersetzen und das ganze dann veröffentlichen. Tut mir leid, aber das geht mal gar nicht. Mag die englische Fassung recht gestelzt herüberkommen, die Deutsche Fassung wirkt nur noch dilettantisch, tut mir leid. Wie gesagt: Ich schätze die Arbeit, die dahinter steckt, aber ein bisschen Gefühl für den Rhythmus der deutschen Sprache hätte ich mir gewünscht.
Kelsey spielt sich recht bugfrei, mir sind nur ein paar Zeilen in den Gesprächen aufgefallen, die nicht an der richtigen Stelle sitzen - nichts, was den Spielfluss trüben würde.
Für die Figur gibt es 5/10 Punkten, da allzu viel Potential verschenkt wurde. Die Romanze bekommt eine schwache 6/10, Die Questen eine 3/10. Die Präsentation bekommt eine 8/10 im englischen bzw. eine 6/10 im Deutschen, Portrait und Soundset angemessene 7/10. Gibt unterm Strich etwas um 6/10 herum, allerdings bin ich geneigt, wegen des stetigen Flusses und des angemessenen Umfangs noch einen Bonuspunkt zu verteilen.
7/10