Turjan schrieb:
Das ist gar nicht mal so sicher, da selbst eine Staatspleite die Schulden der Griechen nicht eliminieren wuerde. Die wuerden einfach so weiter laufen, es sei denn, die Schulden wuerden formal erlassen.
Da sehe ich jetzt nicht so das Problem, es gibt dann keine Handhabe mehr Griechenland zur Bedienung der Schuld zu zwingen. Kreditwürdigkeit ist eh futsch, ökonomische Sanktionen dankt der EU-Binnemarktregelungen nicht so furchtbar und die laufenden Staatskosten können durch die laufenden Einnahmen finanziert werden. Griechischer Besitz im Ausland betrifft ja zunächst mal nur Staatsbesitz, Sachen wie Botschaften dürften da auch erstmal außen vor sein, wieviel wäre dass denn so in etwa? Scheint mir auch nicht gerade der pure Horror zu sein.
David schrieb:
Ein Schuldenschnitt jetzt wäre aber nur dann eine Lösung wenn er im Rahmen einer größeren Lösung stehen würde, die sicherstellt, dass das der letzte Schuldenschnitt war. Wobei nach allem was man hört die tatsächliche Belastung durch diese Schulden hier und heute ja gar nicht so groß sein soll, so dass die Frage ist, ob Griechenland dann wirklich schon über den Berg wäre, wenigstens für die nächsten paar Jahre.
Am Besten wäre ohnehin ein totaler Schuldenerlass. Solange Griechenland noch Schulden hat, kann man nie sicher sein dass es der letzte Schnitt sein wird. Weil existierende Schulden den Staatshaushalt durch Schuldendienst belasten und diese Belastungen wirtschaftlich schwachen Staaten wie Griechenland schnell über den Kopf wachsen können, auch ohne deren Zutun.
Klar wäre das der Idealfall, aber glaubst du daran ?
Drann glauben im Sinne von "das ginge": Ja klar, zumindest für uns. Seit 2008 lag die Neuverschuldung nur in einem Jahr über den Ausgaben für den Schuldendienst, mit anderen Worten ohne Schuldendienst wäre, bei gleichbleibenden Ausgaben, das Bilden von Rücklagen drinn, die solche Jahre dann mal abfangen.
Drann glauben im Sinne von "irgendeine Partei oder irgendein Politiker hat genug Hirn das tatsächlich umzusetzen": Nein, so blauäugig bin ich dann doch nicht.
Das Problem wenn alle Staaten den Schuldendienst einstellen würden ist übrigens, dass dann auch die Gläubiger (darunter wahrscheinlich viele Lebens- und Rentenversicherungen) pleite gehen würden, die dann der Staat retten(..)
Das ist zunächst mal nichts problematisches. Bei den Rentenversicherungen ist ein zurück zur umlagefinanzierten Rente ohnehin nicht dauerhaft vermeidbar, einen Großteil der Gläubiger kann man auch guten Gewissens pleite gehen lassen, da diverse Aktivitäten vieler
Casinos Banken realwirtschaftlich gar nicht mehr relevant oder sogar eher schädlich sind.
Das Problem mit dem „Binnenmarkt durch Staatsausgaben ankurbeln“ ist, dass Griechenland genau das (aber leider zu wenig Anderes) jahrelang gemacht hat und erst in Folge dessen überhaupt die Troika am Hals hatte.
Das Problem ist eher das Griechenland seine bisherige Wirtschaftspolitik, dank Euro, nicht mehr finanzieren konnte und daher die Troika am Hals hatte, nicht dass die Politik an sich falsch wäre. Sie hat vor dem Euro wunderbar funktioniert und hätte, mit der schwachen Drachme, auch noch eine ganze Weile so weiter funkitionieren können.
Sowas mag wenn alles nach Lehrbuch läuft funktionieren wenn eine an sich gut aufgestellte Wirtschaft durch eine zeitlich befristete konjunkturelle Delle gehen muss, aber es ist keine Dauerlösung für eine Wirtschaft mit strukturellen Problemen.
Das strukturelle Problem ist im Falle Griechenlands aber der zu schwache Binnenmarkt. Da Griechenland, im Gegensatz zu etwa Deutschland, nicht die Option hat durch massive Exporte seine Binnenmarktprobleme auf andere EU-Länder abzuwälzen, bleibt da nur eine staatliche Stärkung des Binnenmarktes.
Schulden mit noch mehr Schulden bekämpfen zu wollen ist auch nicht schlüssiger als Wachstum durch Sparen bei Staatsausgaben erreichen zu wollen, „Münchhausen-Ökonomie“ sozusagen.
Es geht nicht ums bekämpfen der Schulden, die können meinetwegen sofort gestrichen werden, es geht ums Bekämpfen der Verelendung in Griechenland und das Ende der Vernichtung der griechischen Wirtschaft. Das sind nur eben auch zwingende Voraussetzungen wenn die Schuldner doch noch mal irgendwas von ihrem Geld wiedersehen wollen. Wenn man sich einmal nennenswert Verschuldet hat, kommt man da als Staat ohne drastische Maßnahmen nicht mehr aus dem entstehenden Teufelskreis raus, wenn das also Voraussetzung ist dann wird sich in Griechenland nichts mehr verbessern.
Sprich, eigentlich gibt es im Euro keine Zukunft für Griechenland, sondern nur ein ewiges Leiden für Griechenland UND die Kreditgeber. Zumindest wenn man keinen formalen und von allen akzeptierten automatischen Länderfinanzausgleich einführt.
Finanzausgleich ist Murks. Was wir brauchen ist eine Möglichkeit zur geordneten Insolvenz eines Staates, die mit einer Entschuldung einhergeht und dadurch wieder Handlungsspielraum für die Zukunft schafft. Die hohen Zinsen, die die griechischen Gläubiger eingestrichen haben, sind eben auch Risikoprämie, da ist es nur angemessen Schulden, bei Zahlungsunfähigkeit, auch durch Insolvenz loswerden zu können. Wenn das ginge wäre auch eine Zukunft im Euro machbar; für alle anderen Beteiligten scheint das aber noch viel mehr Teufelszeug zu sein als ein Euro-Austritt.
Wir haben es aber geschafft daraus eine existenzielle Frage für 500 Mio. Menschen zu machen. Nur zur Erinnerung: Griechenland hat keine 11 Mio. Einwohner.
Tja, wenn Griechenland austritt, wie gehts dann mit Zypern, Italien, Spanien, Portugal weiter? Auch alles Krisenländer, die auch noch nicht aus dem gröbsten Raus sind, sondern lediglich gerade nicht im Rampenlicht stehen. Vermutlich hat man mittlerweile erkannt was für ein verrottetes, morsches Kartenhäuschen man sich da gebaut hat - und keiner will dass es einstürzt, weil jeder Glaubt der Zusammenbruch wird dann ihm angelastet, ohwohl er unvermeidlich war. Also wartet man ab, sitzt aus und hofft, dass man länger abwarten kann als zumindest ein anderer. Mit ein bisschen Glück ist Griechenland eine existenzielle Frage für den Euro und der ganze Spuk anschließend endlich vorbei. Naja, man darf ja träumen.
Und diese Sehnsucht führt dann mit etwas Pech direkt in die nächste Blase, ich habe zB neulich erst gelesen, dass die Immobilienpreise in den USA sich schon wieder dem Vorkrisenniveau annähern und wieder fleißig Hypothekendarlehen vergeben werden sollen. Auf ein Neues.
Die Schuld dafür würde ich aber nicht bei den Menschen sehen, die eine sich bietende Gelegenheit zur Erhöhung ihres Lebensstandards nutzen, sondern hauptsächlich beim Staat, der bei der Regulierung von Finanzmärkten und Spekulationsobjekten traditionell und politisch gewollt versagt.