Politik, 4. Staffel

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David

Moderner Nomade
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Es geht doch auch um Beschäftigung:
Die 'gesamtwirtschaftliche Nachfrage' soll notfalls künstlich so hoch gefahren werden, das Vollbeschäftigung herrscht. 'Gesamtwirtschaft' ist heute aber kein Staat für sich mehr, sondern große Teile der Welt. Und weltweite Vollbeschäftigung (auch noch zu guten deutschen Löhnen) wird die deutsche Regierung durch kein nachfragepolitisches Instrument der Welt schaffen.

Höhere Nachfrage in Deutschland produziert nicht mehr zwangsläufig mehr Arbeitsplätze in Deutschland, sondern nur ein paar Containerschiffe mehr aus China und höhere Einnahmen der Importeure. Und ohne neue Arbeitsplätze steigt auch die Nachfrage nicht über das Maß hinaus, in dem der Staat selber für Nachfrage sorgt. Das er dann von einem Euro, den er ausgibt, wieder was als Steuer zurückbekommt ändert daran auch nichts.

Funktionieren würde das nur, wenn die höhere Nachfrage zu deutlich mehr Jobs im Land führen würde, die dann wiederum selber konsumieren und damit den Staat als Nachfrager ablösen und seine Ausgaben durch höhere Steuern wieder reinbringen könnten.
Wenn aber für mehr Nachfrage kaum mehr Arbeitsplätze in D nötig sind, sondern in China noch ein paar Fabriken hochgezogen werden, läuft das ins Leere.

PS.:
Ein paar wenige Arbeitsplätze in Verwaltung, Transport und Absatz entstehen natürlich auch beim Import hierzulande zusätzlich. Und natürlich gibt es auch noch deutsche Produkte. Aber das hilft nicht unbedingt denen, die heute arbeitslos sind und reicht in der Summe meiner Meinung nach bei weitem nicht aus um hohe Staatsausgaben zu begründen.
Der Staat soll investieren, wann und wo es sachlich nötig ist, nicht aus konjunkturpolitischen Gründen.
 
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Ribalt

Ork-Metzler
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Der Staat soll durchaus darauf achten Investitionen die er füher oder später sicher machen muss in Konjunkturell eher schwachen Zeiten in Auftrag zu geben. Allerdings im Idealfall mit Geld, dass er in der "guten" Zeit gespart hat.
Wenn man z.B. den Bausektor betrachtet ist dieser stark von der Konjunktur abhängig und da kann der Staat doch etwas gegensteuern.



Woher kommt eigentlich die Arbeitslosigkeit in Deutschland? Ich meine, wann begann diese zu einem wirklichen Problem zu werden. War es (seit dem Mauerfall) überhaupt mal deutlich besser? War Deutschland derartig auf seine Produktionsstandorte angewiesen die jetzt nicht mehr attraktiv sind?
 

David

Moderner Nomade
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Wenn Investitionen eh anstehen, kann man die natürlich nach Möglichkeit so timen, daß sie in schwachen Phasen durchgeführt werden. Aber grad bei Bauvorhaben ist das in D so ne Sache, bis man da wirklich anfangen kann zu bauen, kanns schonmal ein paar Jahre dauern.. Und größere Projekte dauern dann auch einige Jahre. Wirklich präzise timen kann man das also schon aus rein organisatorischen Gründen nicht immer.

Die Antwort auf die Frage nach dem Grund der Arbeitslosigkeit hängt wohl vor allem Anderen davon ab, wen man fragt. Das ist fast schon eine religiöse Frage, wo jeder unumstößliche Wahrheiten verkündet. :D

Eine Version wäre zB die, daß man es irgentwann nicht mehr geschafft hat, die Leute, die in alten Industrien frei wurden, in Zukunftsbranchen unterzubringen.
Die einen sagen dann, daß läge vor allem an den zu hohen deutschen Löhnen, die anderen verweisen stärker auf die Bildung, die für die neuen Branchen nicht mehr gut genug ist (weniger Jobs für gering Qualifizierte), die nächsten meinen, man müsste nur die Löhne (vor allem der unteren Einkommensklassen) ordentlich steigern, damit über deren Nachfrage neue Jobs entstehen können..

Und für die echt Neoliberalen hängt die Arbeitslosigkeit sowieso ausschließlich an Reglementierungen und dem Sozialsystem, die es entweder unmöglich machen, Jobs unter Marktlohn anzubieten oder dafür sorgen, daß die niemand will. Da wir aber einen Welt-Arbeitsmarkt haben, dürfte dieser Marktlohn für manche Arbeiten irgentwo bei einem Euro am Tag liegen.. :rolleyes:
Sowohl die reine Angebotslehre als auch die reine Nachfragelehre funktionieren meiner Meinung nach nicht auf globaler Ebene, sondern nur in weitgehend autarken Staaten. Sie sind also beide nicht unbedingt sachlich falsch, gehen aber von einem Wirtschaftsbild aus dem 19. bzw. der ersten Hälfte des 20. Jhd. aus, wo man mit etwas guten Willem noch die Wirtschaften der einzelnen Staaten voneinander trennen konnte, was heute völlig unmöglich ist.

Ich persönlich sehe die im globalen Vergleich hohen Löhne durchaus als eine von mehreren Ursachen (+ zB Ausbildung oder Bürokratie) der Arbeitslosigkeit an, aber natürlich können wir deshalb die Löhne nicht auf Indien-Niveau senken. Deshalb wird es meiner Meinung nach auch dauerhaft ein gewisses Maß an Arbeitslosigkeit geben. Solange der Rest der Wirtschaft aber gut läuft, können wir uns das eigentlich leisten.

"Deutlich besser" im Sinne von "Arbeitslosigkeit war kein großes Problem" wars seit der Wiedervereinigung eigentlich nie, viele der Schwankungen sind ja auch nur auf veränderte Statistiken zurückzuführen, zB der plötzliche Anstieg auf 5 Mio. zu Ende der Regierung Schröder.
Die Wiedervereinigung hat das Ganze halt massiv beschleunigt, denn während im Westen die Arbeitsplätze in der Industrie nur langsam zurückgehen, und es immer noch durchaus wettbewerbsfähige Unternehmen (Mittelstand!) gibt, ist die marode Industrie der DDR ja praktisch über Nacht fast komplett zusammengebrochen.

Wäre die DDR ein selbstständiges Land geworden, sähe die Lage in Westdeutschland heute aus rein wirtschaftlicher Sicht deutlich besser aus und wir könnten uns mit anderen westlichen Ländern messen. Dafür, das kein vergleichbares Land so eine Aufgabe zu erledigen hatte, haben wir uns meiner Meinung nach immer noch ganz ordentlich geschlagen. Und wenn man über die Zahl der als arm definierten Menschen in Deutschland spricht, sollte man auch immer bedenken, daß die deutlich niedriger wäre, wenn man nur den Westen betrachten würde. Die Spätfolgen der staatlichen Misswirtschaft im Osten kann man nicht allein dem Kapitalismus in die Schuhe schieben, auch wenn auf der anderen Seite wahr ist, daß ers nicht geschafft hat die Unterschiede aufzuheben.
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Darghand

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@ David

Sehr schön, mir scheint, du hast den wesentlichen Teil der Grundrechtsproblematik begriffen. ;)

Wo genau im Grundgesetz steht eigentlich, daß der Schutz der Grundrechte gegenüber dem Staat Vorrang gegenüber dem Schutz der Grundrechte vor Personen hat?

Nirgends. Die vorgenommene Unterscheidung in "Schutz vor Privatpersonen" und "Schutz vor dem Staat" funktioniert meiner Meinung nach aber nicht. Erläuterung folgt gleich.

Die meisten Grundrechte beziehen sich dann in der Tat auch nur auf den Staat, zB Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Aber es gibt eben auch solche, die auch das Zusammenleben der Menschen untereinander betreffen, zB körperliche Unversehrtheit und Eigentum.

Das BVG hat irgendwann mal den Begriff der "normativen Werteordnung" des Grundgesetzes formuliert, was nichts anderes heißen soll, als dass die grundgesetzlich garantierten Rechte auch in der privatrechtlichen Rechtssphäre ihre Wirkung entfalten. Deshalb kann das BVG auch Urteile der höchsten Instanz der bürgerlichen Rechtsprechung (BGB), dem Bundesgerichtshof, kassieren. Im Zweifel ist immer die Norm der Verfassung ausschlaggebend. Aus den 50er Jahren gibt es da interessante und ellenlange Rechtsstreite zwischen BVG und BGH, wobei letzterer personell fast 1:1 der Besetzung des Reichsgerichtshofs der Nazis entsprach und diese das neu geschaffene höchste Gericht irgendwie nicht anerkennen wollten, schlussendlich aber mussten.
Diese erwähnte "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte wurde im Lüth-Urteil erfunden. Es schadet nicht, wenn man das kennt. ;)

Wie auch immer: im juristischen Sinne, und damit im Sinne der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung, ist der Schutz der Grundrechte vor dem Eingriff durch Privatpersonen, also das was du als "Sicherheit" definieren möchtest, immernoch die staatliche Durchsetzung, sprich Garantie, von Freiheitsrechten. Wenn man so will, hat man es mit einer Art Doppelcharakter zu tun: die Maßnahme, die ein Freiheitsrecht einer Person schützt, ist zugleich mit einem Eingriff in die Freiheitsrechte einer anderen Person verbunden. Daraus folgt dann gleichermaßen, dass a.) alle Grundrechte[/i] Abwehrrechte gegenüber dem Staat sein können und b.) dass alle Grundrechte auch Abwehrrechte gegenüber privaten Dritten sein können; im Normalfall dergestalt umgesetzt, dass die unter der Verfassung stehenden Gesetze (also alle) der Wahrung der Freiheitsrechte dienen und mit grundgesetzkonform sind. Also verfassungsmäßig.

"Sicherheit" bedeutet für mich nichts weiter als den Schutz der Grundrechte, egal ob gegen den Staat oder gegen Personen.

Wie willst du mit dieser Einteilung vernünftig argumentieren? Die Vermengung sämtlicher Freiheitsrechte zu einer (homogenen?) Grundrechtsmasse, die gleichermaßen Staat wie auch Privatpersonen gegenüberstehen soll, liefert kein vernünftig einzusetzendes Werkzeug, um Eingriffe, egal von welcher Seite, angemessen beurteilen zu können.
Genau das ist auch das Problem der plumpen Gegenüberstellung von "Freiheit" und "Sicherheit". Eine genauere Betrachtung kommt zu dem Schluss, dass zwar, ganz generell, in "die" Freiheit schlechthin eingegriffen wird, um "mehr" Grundrechtssicherheit herzustellen - nur wirkt das doch sehr paradox, wenn sowohl Freiheit als auch Sicherheit auf einmal mit derselben Grundrechtsmasse assoziiert werden. Differenziert betrachtet stehen, jeweils am konkreten Fall bemessen, sich ein oder mehrere Grundrechte (oder auch grundrechtlich garantierte Güter, die ich aber für überschätzt halte) gegenüber. Bleiben wir bei der Vorratsdatenspeicherung könnten das Art. 5 I GG (freie Meinungsäußerung), Art. 10 I GG (Postgeheimnis) und Art. 2 I GG (freie Persönlichkeitsentfaltung) sein, die hypothetisch einer Gefährung von Art. 2 II GG (Recht auf körperliche Unversehrtheit) und Art. 14 I GG (Eigentumsrecht) gegenüberstehen. Herr Schäuble sieht vermutlich sogar eine Gefährdung von Art. 20 I GG. Die Gefährdung letzterer Grundrechte geht, wie regelmäßig verkündet wird, von Privatpersonen aus; der Eingriff jedoch von staatlicher Seite. Unter Beachtung diverser Maßstäbe (Legitimer Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sowie zig anderer Rechtsstaatlicher Regelungen) wird dann eine Abwägung zwischen diesen betroffenen Grundrechten vorgenommen - nicht etwa zwischen zwei abstrakten Massen "Freiheit" und "Sicherheit", die dann seltsamerweise auch noch auf den gleichen Ursprung verweisen.

D.h. der Schutz der Meinungsfreiheit ist für mich genauso Sicherheit wie der Schutz des Lebens. Schließlich wäre es ziemlich unsicher, wenn man dafür belangt werden könnte, seine Meinung zu sagen.

So, wie du den Begriff Sicherheit verwendest, wird er beliebig austauschbar mit Freiheit. Wenn man dafür belangt werden könnte, seine Meinung zu sagen (kann man übrigens), wäre das nicht unsicher, sondern ein Zeichen von Unfreiheit. Oder genauer, die Konsequenzen der wahrgenommenen Freiheit wären unsicher, was dem Rechtsstaatsprinzip entgegensteht - denn ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaates ist, dass die Bürger_innen wissen, welches Handeln welche Konsequenzen trägt. Passendes Beispiel: das Verbot der Holocaust-Leugnung: definitiver Eingriff in die Meinungsfreiheit mit klaren Konsequenzen - nur erzeugt das Verbot eben genau deswegen keine "Unsicherheit", sondern allenfalls Unfreiheit in der Äußerung der persönlichen Meinung.
Außerdem, wie das BVG mal so schön anmerkte, ist die Meinungsfreiheit konstituierend für eine Demokratie.

Ich finde aber nichts, was aussagt, daß im Zweifel der Schutz vor dem Staat Vorrang gegenüber dem Schutz vor den Mitmenschen hat.

Dass in den meisten Fällen der Schutz vor dem Staat Vorrang erhält erklärt sich aus dem extensiven Charakter der staatlichen Maßnahme. Die Vorratsdatenspeicherung z.B. betrifft den größten Teil der Bevölkerung, zumindest alle, die Telefon, Handy, Internet und was weiß ich was verwenden, während dem nur eine äußerst geringfügige Zahl an Betroffenen von "telekommunikationsbasierten" Verbrechen gegenübersteht. Um das zu verdeutlichen: eine Verhaftung ist zweifellos ein äußerst drastischer Eingriff, allerdings ist dank BGB klar, welches Verhalten diesen Eingriff "verursacht" und betroffen von diesem Eingriff sind (sollen sein) nur diejenigen, die sich eben diesem Verhalten schuldig gemacht haben.
Angewendet auf Absurditäten wie etwa Gesichtserkennung zur Verfolgung von Schwarzfahrer_innen: überhaupt nicht Betroffene, die sich keines Vergehens schuldig gemacht haben, sind von der Maßnahme ebenso betroffen wie die eigentlichen Schwarzfahrer_innen. Das ist bitte nicht falsch zu verstehen als Verteidigung der Denke, dass jede staatliche Maßnahme zu rechtfertigen ist, so sie nur "Kriminelle" betrifft. ;)

Und soweit ich das seh, kann der Staat ja die Grundrechte (bis auf die Würde des Menschen) per Gesetz einschränken, um bestimmte Ziele zu erreichen, wobei natürlich immer der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden muss. Sprich, wenn das Ziel "Schutz des Grundrechts auf Leben" (d.h. nach meiner Definition nichts Anderes als Sicherheit) lautet kann man eben auch die Rechte einschränken, die als Schutzrecht gegenüber dem Staat formuliert sind.

Zu "Schutzrechten gegenüber dem Staat" siehe oben. Die Ziele dürfen keine anderen als solche sein, die in der Verfassung formuliert oder aus ihr abgeleitet werden können, z.B. das "Allgemeinwohl". Das Allgemeinwohl ist allerdings so schwammig, dass sowohl die Maßnahme als auch die Ablehnung der Maßnahme damit verteidigt werden können. Zu anderen möglichen Zielen siehe Art. 74 ff. GG.
Ein anderer Schwamm sind die aus Art. 20 I GG hergeleiteten Staatsprinzipien, zu deren Verteidigung auch so einiges an staatlichen Maßnahmen ins Feld geführt wird. Und spätestens da wird dann auch die Diskrepanz zwischen solchen Schwammbegriffen und der konkreten Grundrechtsgarantie deutlich. Zum Beispiel G8: da wurde allen Ernstes damit argumentiert, dass gewisse Subjekte im Verdacht stünden, Aktionen vorzubereiten, die dazu geeignet sind, den Ablauf der G8 zu behindern und das nach außen präsentierte Bild der BRD zu beschädigen. Da muss schon die Frage erlaubt sein, ob die Staatsräson wichtiger ist als Demonstrations- und Meinungsrecht (und ob es nicht geradezu eine Auszeichnung für einen Staat ist, auch Demonstrationen zu erlauben, auf denen die Staatswappen verbrannt werden).


Auf das Beispiel der Vorratsdaten bezogen, heisst das doch nichts weiter, als daß es darauf ankommt, ob dieser Eingriff verhältnismäßig ist. Nur die Tatsache, daß das gegen die Schutzrechte gegenüber dem Staat verstößt, reicht nicht.

Wurde auch nie behauptet; Begründung siehe oben.

Wie gesagt, die Frage ob das der Einstieg in den "Überwachungsstaat" ist hat für mich nichts mit der Frage zu tun, ob das wirklich sinnvoll ist.

Sinnhaftigkeit und unverhältnismäßige Eingriffe in Freiheitsrechte sind nicht auseinanderzudenken, denn Sinnhaftigkeit (sprich: Geeignetheit) ist nie ausschlaggebendes Kriterium bei der Bewertung über die Intensivität des Eingriffs.

Ich könnt mit beiden Entscheidungen des Verfassungsgerichts gut leben, dann herrscht wenigstens Klarheit für die Zukunft.

Das das BVG versucht (Betonung auf: versucht) über die Jahrzehnte einen roten Faden in seine Urteile zu stricken, wird es sich an der liberalen Rechtssprechung der vergangenen Jahrzehnte orientieren. Soll heißen, es kann nicht die 1983 im Volkszählungs-Urteil gefällten Entscheidungen rückwirkend für falsch oder ungültig erklären, sondern muss sich darauf berufen.
 

David

Moderner Nomade
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Im Grunde ist "wenn sowohl Freiheit als auch Sicherheit auf einmal mit derselben Grundrechtsmasse assoziiert werden" bzw. "So, wie du den Begriff Sicherheit verwendest, wird er beliebig austauschbar mit Freiheit" genau das, was ich die ganze Zeit meine: Im Grunde sind Freiheit und Sicherheit 'dasselbe', wenn man Sicherheit nicht als größtmögliche Aufklärungsquote 'um jeden Preis' sondern als größtmöglichsten Grundrechteschutz sieht und es noch andere Böse als den Staat gibt..
Und da hab ich halt manchmal das Gefühl, das hier die Rechte, die Richtung Datenschutz gehen (salopp als "Freiheit" bezeichnet) deutlich überbewertet werden im Vergleich zu Rechten wie Gesundheit oder Eigentum (salopp als "Sicherheit" bezeichnet). Also 'Datenschutz um jeden Preis' statt 'Aufklärung um jeden Preis'. Und wenn man Freiheit und Sicherheit nur mit dem Schutz verschiedener Gruppen von Grundrechten gleichsetzt, dann bedeutet Abwägen zwischen Sicherheit und Freiheit natürlich auch nur das Abwägen zwischen dem Schutz verschiedener Grundrechte. Das mag juristisch nicht 100%ig korrekt sein, aber das sind Begriffe wie "Überwachungsstaat" oder "Nicht-Demokratie" auch nicht. :D

Sehr gut zu sehen ist diese einseitige Betrachtung am Beispiel der Überwachungskameras (von Gesichterkennung und Speicherung der Route jedes einzelnen Bürgers war btw. nie die Rede): Kaum sagt man, das die in bestimmten Situationen sinnvoll sein können, wird einem unterstellt, das man am liebsten an jeder Laterne gleich mehrere davon anbringen würde. (Wie die Amis an ihrem Stützpunkt hier, das nenn ich mal echte Paranoia.. :D )
Mir persönlich wären an "gefährlichen" Orten mehr Polizeistreifen allemal lieber, aber da die ja gnadenlos weggespart werden, sind Kameras manchmal passable Notlösungen..
Nur mal als Beispiel: Ich hab neulich nen Bericht (ich glaub auf Spiegel TV) über die Berliner Polizei gesehen: Da gibts nachts teilweise einen(!) Streifenwagen für Viertel mit 100.000 Einwohnern. Solange solche Zustände herrschen, ist Terror wirklich die kleinste Gefahr für unsere Sicherheit. :rolleyes:

Und die Frage, was genau überhaupt ein Freiheitseingriff ist, ist auch manchmal ziemlich philosophischer Natur: Welches Grundrecht schränkt eine normale Kamera ohne automatische Auswertung ein, vor allem im Gegensatz zu ein paar Streifenpolizisten vor Ort?
Bei den Vorratsdaten ists ähnlich, außer der überschaubaren Gefahr des Datendiebstahls kann ich da nix sehen, was Grundrechte betreffen würde. Das wäre anders, wenn die Daten nicht nur passiv gespeichert, sondern automatisch ausgewertet werden sollten, was aber gar nicht zur Debatte steht. So sind diese Daten für mich aber ganz ähnlich wie eine Hausdurchsuchung zu bewerten: Der große Eingriff in die Freiheitsrechte passiert erst bei konkretem Verdacht, nicht bei jederman. Die Gefahr für die Unschuldigen beschränkt sich auf die Gefahr des Datendiebstahls und die Gefahr der falschen Verdächtigung, die aber auf alle Polizeimaßnahmen anwendbar ist. Insofern halte ich den Eingriff in die Freiheit für minimal.
Ob der Mehrwert beim Schutz anderer Grundrechte das rechtfertigt, kann ich schwer beurteilen. ZB werden ja auch jetzt schon Telefondaten zwecks Rechnungserstellung gespeichert und die Polizei hat darauf bei Verdacht Zugriff, was sich ja auch bewährt hat. Ob da der Gewinn von ein paar Wochen an Daten noch viel ausmacht ist die Frage.. Im Grunde ist das viel Dampf um nichts: Minimale Freiheitseinschränkungen auf der einen Seite, evtl. minimale Aufklärungschancen auf der anderen, während man gleichzeitig in der Warteschleifen hängen bleiben kann, wenn man ganz dringend und schnell Hilfe braucht. :rolleyes:

Btw.: Nur mal so ne Frage in Richtung "es betrifft (nicht) nur die Bösen": Wie passt das eigentlich zu den aberwitzigen Kontrollen am Flughafen? :confused:
So konsequent verdächtigt wie beim check-in wird man als Normalbürger an keiner anderen Stelle. Überall sonst würde das sofort einen heftigen Aufschrei auslösen.
Das Durchleuchten des Handgepäcks und den Metalldetektor kann ich ja noch nachvollziehen: Es sollen keine Waffen an Bord um Entführungen zu verhindern. Aber das auch die Koffer durchsucht werden können und man Flüssigkeiten wegwerfen muss, ist schon ziemlich heftig. Das zB jemand ein Flugzeug mit ner Bombe im Laderaum gesprengt hätte, während er an Bord war, wüsst ich jetzt nicht. Um normale Anschläge wie den in Lockerby zu verhindern, würde es völlig ausreichen, herrenlose Koffer nicht an Bord zu holen.
Ich mein, ich kann als Selten-Flieger damit leben, aber wenns um das salopp gesagte "Sicherheit contra Freiheit" geht, sollte das eigentlich auch ein Thema sein.
 
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Maus

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Mal David ein bisschen aufklärt:

Der Vorteil bei der Vorratsdatenspeicherung ist nicht, dass man die Daten von Person X, die sich verdächtig gemacht hat, heraussucht um den Verdacht zu erhärten oder entkräften. Es geht darum, in allen Datensätzen nach Auffälligkeiten zu suchen, bspw: da haben ja ne Menge Leute diese eine Telefonnummer in Saudi-Arabien angerufen (die Web-Site xy besucht... etc.), haben die sonstnoch was gemeinsam? Aha, von den Besuchern der Website xz sind 80% aus dem Personenkreis, die diese Telefonnummer angerufen haben. Mal schauen, was die weiterhin so machen...
Natürlich solls das alles nur unter richterlichem Vorbehalt geben, aber welcher Richter hat schon Ahnung, was sich hinter informationstechnischen Fachbegriffen verbirgt? Eben...

Wenn sowas vorhanden ist und der Zugriff möglich (unter welchen Einschränkungen auch immer), dann wirds gemacht. Gab vor nicht allzulanger Zeit eine Auswertung der Telefonüberwachungen. Fazit war so ungefähr: 3/4 haben nix gebracht und 2/3 hätten eigentlich nicht genehmigt werden dürfen (keine Ahnung, ob die Zahlen so stimmen). Bei mir ist nur hängengeblieben, dass solche Instrumente dann meist inflationär genutzt werden.
 

David

Moderner Nomade
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Äh Moment mal, das müssen wir schon aufklären:

Geht es darum, das Daten passiv gespeichert werden, und die tabu für Menschen und Software sind, bis ein Richter sagt "Die Daten von Person X müssen ausgehändigt werden, weil ein konkreter Verdacht besteht" oder gehts darum, das man die Daten speichert, um in allen Daten automatisch nach "verdächtigen Mustern" zu suchen, die dann überhaupt erst Ermittlungen auslösen? :confused:
Das ist nämlich ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Ich hab die Vorschläge, die in den Medien diskutiert werden, als erstere Variante verstanden, also die Daten wirklich nur bei Verdacht (der seine Ursachen NICHT in den Daten hat) rausholen, um diesen zu be- oder entkräften.
Auch bei der oft kritisierten Verwendung zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen wars doch so, daß der Verdacht nicht durch diese Daten, sondern zB durch die direkte Überwachung von Tauschbörsen etc. durch die Rechteinhaber zustande kam? (Die haben wohl ihre Leute, die den ganzen Tag am PC sitzen und sich Nutzer in Tauschbörsen rausgreifen, deren IP notieren und dann damit an die Adresse kommen können, weil sie Urheberrechtsverletzung ja live mitdokumentieren konnten, also Beweise haben)

Wenn Schäuble auch Variante b vorhat, kann ich die Aufregung nachvollziehen, denn das wäre nicht nur eine völlig sinnfreie Beschäftigungstherapie für die Polizei, sondern könnte auch Jeden verdächtig machen, der sich beim Surfen oder Wählen vertippt hat. Dann würde die Polizei mit automatisch generierten Verdächtigungen überschwemmt und käme zu nix Anderem mehr. :rolleyes:
(Ich glaub, eine ähnliche Datenflut war es, die den US-Geheimdienst vor 9-11 beschäftigt hat, und dann war Bin Laden so böse, kaum Technik zu benutzen..)

PS.:
Wenn jetzt nur Plan A eingeführt werden soll, ist die pure Möglichkeit, Plan B irgentwann oben drauf zu setzen, kein wirkliches Argument. Dann kann man mit der Aufregung warten, bis es soweit ist. Ins Maßlose übertrieben würden selbst harmlose Polizeistreifen zum Terror mutieren. (zB wenn an jeder Kreuzung ein Streifenwagen stehen würde zwecks Vollbeschäftigung :D )

EDIT.:
Ich les mir grad mal den Wiki-Artikel dazu durch: http://de.wikipedia.org/wiki/Vorratsdatenspeicherung
Da hab ich ganz oben schon was Interesanntes gefunden:
<i>"Für den Verbindungsaufbau mit dem Internet, die für diese Verbindung vergebene IP-Adresse des Nutzers. Nicht gespeichert werden die IP-Adresse und die URIs der im Internet aufgerufenen Adressen, sowie auch nicht die abgerufenen Inhalte selbst. Dies ist ein des öfteren verbreiteter Irrtum." </i>
Diesem Irrtum bin ich auch aufgessen, der ganze WWW-Teil fällt damit ja praktisch raus aus der Speicherung. (Was gespeichert wird, sind die Verbindungsdaten der Mails, schlaue Terroristen nutzen in Zukunft also TerrorVZ statt Outlook ;) )

Und zum Zugriff steht da Folgendes:
<i>"Genutzt und übermittelt werden dürfen auf Vorrat gespeicherte Verbindungsdaten nur
(1.) zur Verfolgung von Straftaten,
(2.) zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit
(3.) zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes an die zuständigen Stellen
(4.) zur Erteilung von Auskünften über die Identität von Telekommunikationsnutzern nach § 113 TKG.
Private Rechteinhaber haben keinen direkten Zugriff auf die auf Vorrat gespeicherten Daten. Sie können aber Strafanzeige erstatten und dann die Ermittlungsakten einsehen. Auf dem Gebiet der Strafverfolgung ist der Zugriff zur Verfolgung „erheblicher“ oder „mittels Telekommunikation begangener Straftaten“ zulässig (§ 100g StPO). Darunter fallen etwa in Internet-Tauschbörsen begangene Urheberrechtsverletzungen."</i>
Punkt 4 dürfte der Teil mit den Urheberrechtsverletzungen sein: Die Urheberrechtesverletzung wurde ohne die Vorratsdaten bewiesen, über die Daten kommt man nur an den realen Namen des Verletzers. Für den Beschuldigten macht das natürlich keinen großen Unterschied, aber das sieht mir nicht so aus, als würde da der Staat den Rechteinhabern automatisch Listen mit Urheberrechtsverletzern überstellen.

Und zum Zugriff ist auch der Absatz hier interesannt:
<i>"Am 19. März 2008 hat das Bundesverfassungsgericht auf Antrag der acht Erstbeschwerdeführer das Gesetz zur Massenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten per einstweilige Anordnung stark eingeschränkt. Zwar wurde die Speicherpflicht für Kommunikationsunternehmen nicht ausgesetzt, die Verwendung der Daten durch Ermittlungsbehörden ist aber nur mit Genehmigung eines Ermittlungsrichters und im Zusammenhang mit schweren Straftaten möglich. Bevor auf die gesammelten Vorratsdaten zugegriffen werden kann, muss ein durch Tatsachen begründeter Verdacht vorliegen, und andere Ermittlungsmöglichkeiten müssen wesentlich erschwert oder aussichtslos sein. Zudem soll die Bundesregierung bis zum 1. September 2008 dem BVerfG über die praktischen Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung berichten. Die Hauptverhandlung zur Verfassungsbeschwerde ist somit nicht vor Ende 2008 zu erwarten"</i>
Eine automatische "Verdachts-Generierung" per automatischer Datenauswertung hätte demnach vor dem Bundesverfassungsgericht nicht den Hauch einer Chance, darum gehts also gar nicht.

Man mag ja auch gegen diese Speicherung mit strenger Zugriffskontrolle sein, aber ein fieser "Überwachungsstaat" sieht def. anders aus. Ich glaub, das kann man getrost dem Gericht überlassen, so oder so wird das Urteil nichts daran ändern, das wir in einem Rechtsstaat leben, in dem man sich sicher und frei gleichzeitig fühlen kann..
 
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Maus

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Ok, ganz konkretes Beispiel: Der Verfassungsschutz bekommt aus Land X den Hinweis, dass Person T in Deutschland eine Terrorzelle gegründet hat und einen Anschlag plant. Die Beweise sind ausreichend, um gegen T ein Verfahren einzuleiten und ihn evtl auch festzunehmen. Nur hat man dann das Problem nicht gelöst. Zur Abwehr muss aber die Terrorzelle gefunden werden, das der Anschlag wohl auch ohne T ausgeführt werden kann.
Jetzt bekommt ein Richter den Antrag auf den Tisch, dass man "die mit T verknüpften Daten aus der Datenbank ansehen möchte, um mögliche Mittäter zu ermitteln". Ich kann mir nicht vorstellen, dass nicht mind. 90% der Richter dem Antrag stattgeben. Und jetzt kann man mal schauen, was aus der Datenbankabfrage wohl rauskommt. Wer da alles unter Verdacht gerät und Ziel einer Ermittlung wird, weil die Querverweise in der Datenbank halt einfach nach einem Algorithmus Verbindungen ausspucken. Der Vorteil ist klar: statt tagelang konventionell zu ermitteln hat in einem Tag ne Menge Verdächtige ermittelt, gegen die auch ermittelt wird, weil sie "bei den Ermittlungen in einem Terrorfall als mögliche Beteiligte erscheinen und ausreichende Verdachtsmomente vorliegen". Für einen aussenstehenden Richter alles koscher. Der kennt nicht die Zusammenhänge, die bei der Datenbanksuche als "ausreichende Verdachtsmomente" klassifiziert werden. Die kennt meist auch nur derjenige, der die Datenbank programmiert hat. Und dass jetzt auch der Kommilitone, der sich mit T per Telefon öfter über die Übungsblätter austauscht, ins Visier der Fahndung gerät überrascht sicher keinen. Weil ja nur die Telefonverbindung gespeichert wird und nicht der Inhalt es Gespräches (was ja auch zu aufwändig wäre).

Das Problem bei allem ist, dass Gesetze nicht für Einzelfälle gemacht werden und daher in ihrer Formulierung immer sehr schwammig und ungenau sind. Wo ist z.B. definiert, was ein "ausreichendes Verdachtsmoment" ist? Ausreichend wofür? wäre ja die nächste Frage. Und um Davids Text zu benutzen: Was ist denn bitte schön ein "auf Tatsachen begründeter Verdacht"? Ist eine Zeugenaussage eine Tatsache? Nach der Definition von Tatsachen sicherlich nicht, aber im juristischen Sinne bestimmt.
Wenn man dieses Anlegen der Datenbanken und den Zugriff darauf zulässt, dann ist obiges Szenario ziemlich wahrscheinlich. Man kann dann noch argumentieren, dass in dem obigen Falle halt ein paar Leute leiden müssen, um einen bösen Terroranschlag zu verhindern. Solange man nicht betroffen ist, ist das ja noch ganz vernünftig. Nur tendieren solche Verfahren meist dazu, dass mit der Zeit die Hemmschwelle sinkt und man es dann mit den Begründungen nicht mehr zu genau nimmt. Vor allem: wie will man sich da gegen einen falschen Verdacht wehren... darüber hat bei den Gesetzen eh noch keiner nachgedacht...
 

Rudy

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Das ist ja schön und gut Maus, aber die Polizei wird sicherlich nicht gleich großzügig gegen alle Verdächtige ermitteln, die durch diese Datenbanksuche "ausgewählt" werden...das ist schon rein personalmäßig durch die Polizei gar nicht durchführbar.

Und selbst wenn gegen Unschuldige ermittelt wird...hey, das ist in den meisten Fällen wohl so.

Es ist eben so, dass das Internet und die übrige Telekommunikationselektronik Verbrechen ermöglicht, die vor einigen Jahren nicht gar nicht möglich waren. Und den Strafermittlungsbehörden bleibt gar nichts anderes übrig, als mit der Zeit zu gehen....innerhalb der von dem GG vorgegebenen Grenzen.

Und zu den übrigen Vorschlägen von Schäuble.
Ich halte es absolut für legitim, sich über solche Dinge zumindestn Gedanken zu machen.
Was machen wir, wenn ein Flugzeug entführt wird und droht, im Frankfurter Bankenviertel niederzugehen?
Was machen wir, wenn zunehmend Verbrechen durch das Internet ermöglich/begangen werden?
Was machen wir, wenn deutsche Staatsbürger Terrorcamps besuchen?
Usw.

und ich bin ziemlich sicher, dass das Innenministerium auch eine Handvoll Juristen beschäftigt, die die Vorschläge von Schäuble vorher verfassungsrechtlich unter die Lupe nehmen.
Insofern finde ich die Argumentation von Darkhand, dass das alles ohne Zweifel verfassungswidrig ist (Entschuldigung, wenn ich Dich da falsch verstanden haben sollte), schon etwas...selbstbewusst.
 

David

Moderner Nomade
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Darüber nachzudenken, ist sogar Schäubles Job. Aber man kann halt auch betriebsblind werden.. :D
Das lebhaft darüber diskutiert wird und am Ende meistens Kompromisse rauskommen, ist für mich auch eher Zeichen für eine funktionierende Demokratie.

@Maus:
Das mit der Tatsache heisst für mich vor allem eins: Der Verdacht kommt nicht aus den Daten selber.
Und rausgegeben werden dann natürlich nur die Daten des Verdächtigen, wenn man dann zB sieht, daß er 10 mal mit jemandem telefoniert hat, reicht das nicht automatisch als Begründung, dessen restliche Daten auch gleich rauszurücken. (Sonst würde man nach 10 Stationen bei allen Daten sein..) Sondern erst muss auch gegen ihn ein handfester Verdacht vorliegen.

Der Verdacht kann natürlich falsch sein, aber mit einem falschen Verdacht kann es auch zur Wohnungsdurchsuchung, zur U-Haft und sogar zu einem Fehlurteil kommen. Und auch bei RL-Observationen können Unschuldige in Verdacht geraten. Insofern spricht das nicht für oder gegen einzelne Werkzeuge sondern für eine gründliche Arbeit bei Polizei und Justiz im Allgemeinen und notfalls auch zu spürbaren Strafen bei leichtfertigem Umgang mit Verdächtigungen. Nicht zuletzt wegen der Rufschädigung halte ich die Hausdurchsuchung btw. sogar für den wesentlich schwerwiegenderen Eingriff als das diskrete Abrufen der Daten.

Der einzige qualitative Unterschied zwischen Hausdurchsuchung und Datenspeicherung ist für mich zum einem die geringe (aber nicht = 0) Gefahr des Datendiebstahls und meinetwegen auch das "ungute Gefühl, daß da irgentwo Daten sind", auch wenn ich persönlich das nicht wirklich teilen kann.
Wie stark man das und im Gegenzug die Chancen der Vorratsdaten einschätzt, wirds meiner Meinung nach entscheiden, nicht die omnipräsente Gefahr von menschlichen Fehlern.
 
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Maus

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Na gut, da sehen wir die Sache halt unterschiedlich. Das Instrument einer Datenbanksuche nach Auffälligkeiten ist mMn nach einfach zu mächtig, als dass Polizei oder andere Dienste drauf verzichten werden. Und ich denke, dass Ihnen die Möglichkeit gegeben wird und daher schliesst sich für mich daraus, dass es gemacht werden wird.

Ich könnte dich jetzt noch naiv nennen und du mich dann paranoid, aber das hilft der Diskussion auch nicht weiter ;)
 

Darghand

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Was machen wir, wenn ein Flugzeug entführt wird und droht, im Frankfurter Bankenviertel niederzugehen?

Na, dem Ackermann 'ne Mail schreiben, dass er zu einem dringenden Meeting sofort in seinem Büro erscheinen muss.

:rolleyes:

Es ist eben so, dass das Internet und die übrige Telekommunikationselektronik Verbrechen ermöglicht, die vor einigen Jahren nicht gar nicht möglich waren.

Aufzählung dieser Verbrechen bitte. Solche Allgemeinplätze sind keine Argumente.
 

David

Moderner Nomade
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Neue Verbrechen wären zB Online-Betrügereien, zB mit versteckten Kosten für angebliche Gratis-Dienste, Betrügereien mit Online-Banking, Online-Industriespionage etc..
Daneben kann das Internet als Kommunikationsmittel für RL-Verbrechen dienen. Aber wenn Terroristen oder Mafia-Bosse persönlich miteinander reden und Notizzettel verwenden, hilft auch die beste Technik der Welt nichts mehr..

Das Frankfurter Beispiel ist btw. gut für das größte Sicherheitsproblem in Bezug auf Flugzeuge: Vom Flughafen zu den Hochhäusern sind es für ein Flugzeug wahrscheinlich kaum mehr als ein paar Minuten. In der Zeit kann man nie im Leben 100%ig sicherstellen, daß es sich um einen Angriff handelt. Und selbst wenn doch, wenn man das Flugzeug über nem Vorort runterholt, richtet man fast genauso viel Schaden an als wenn man es weiterfliegen lässt. Gegen solche Angriffe sind wir weitgehend machtlos. Alles, was man machen kann, ist wenigstens die Atomkraftwerke so zu verstärken, daß sie den Angriff überstehen können. (Theoretisch müsste man ja nur nen großes Stahlgitter um die Anlage bauen, an der das Flugzeug vor dem Aufprall zerstört werden würde, das wäre absolut sicher, besser als jede Flak, die im Zweifel im entscheidentem Moment Stromausfall hat)
Falls dann doch mal ein Terrorist lange genug über der Ostsee seine Runden dreht, ehe er sich in die Strandkörbe stürzen will, kann man sich immer noch auf den außergesetzlichen Notstand berufen, aber ich glaub, es gibt wahrscheinlichere Szenarien. :D

Um vielleicht mal wieder aus den Niederungen der deutschen Innenpolitik rauszukommen: Was haltet ihr denn von der Lage in Birma?
Auf den ersten Blick ist mir bei dieser beispiellosen Kombination aus Naturkatastrophe und menschlicher Beschränktheit der Vorschlag Frankreichs, notfalls ohne Einwilligung des Regimes zu helfen, nicht ganz unsympathisch. Aber es birgt eben auch unkalkulierbare Risiken von direkter Konfrontation inkl. Kollateralschäden bis hin zur Möglichkeit, daß die Junta Menschen, die frz. Hilfspakete aufsammeln, als "Verräter" bestraft..
 
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Rudy

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@DH:

Ne, ernsthaft. So ein Szenario ist ja nicht so unwahrscheinlich, wie es vor ein paar Jahren noch war...

Mir ist ja auch klar, dass Schäuble bewusst übertreibt/provoziert, aber wenn was passiert ist er der Depp. Und die, die am Anfang am meisten gemeckert haben, schreien anschließend am lautesten, warum man nicht vorbereitet war :rolleyes:

Zu den Verbrechen bzw. Möglichkeiten hat ja David schon was gesagt. Vor allem die logistische bzw. propagandistische Unterstützung sollte man nicht unterschätzen....wie zum Beispiel Geldwäsche, Kommunikation, Propaganda- sowie Hinrichtungsvideos, usw.

@Birma:

Das ist wirklich die Wahl zwischen Skylla un Charybdis.

Wenn man die Hilfslieferungen der Junta zum Umetikettieren überlässt, stärkt man das Regime, rette aber vermutlich auch Menschen das Leben (alles wird ja nicht an die Soldaten gehen :rolleyes:)

Macht man nichts, kostet das zwar Menschenleben, man kann aber auf einen Aufstand der Birmesen (?) hoffen, der das Regime hinwegfegt (kostet vielleicht auf lange Sicht weniger Menschenleben).

Oder man fährt die harte Linie mit den von David genannten Konsequenzen.

Leider ist die UNO ja ein zahnloser Tiger, sonst wäre ich für einen Blauhelm Einsatz. Das Katastrophengebiet abriegeln, das Milität draussen halten und die Menschen versorgen. Tja...heute ist ja Sonntag, da darf man vielleicht ein bisschen träumen.

So, jetzt muss ich aber in die Küche und das Muttertagsmenü vorbereiten ;)
 

David

Moderner Nomade
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Solange Länder wie China darüber miteintscheiden, ob man zugunsten der Menschenrechte intervenieren darf, würd ich auf die UNO ehrlich gesagt keine großen Hoffnungen setzen..

Aber andererseits haben wir mit Irak und Afghanistan schon 2 mustergültige Beispiele für totale Reinfälle hingelegt, insofern ist das eh keine Lösung. Das Letzte, was die Menschen jetzt brauchen, ist nen Bürgerkrieg. Und an Aufstand denken können die auch nicht, wenn sie nicht wissen, wie sie morgen satt werden sollen.
 

Theron

Kampfmagier
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Mal davon abgesehen das sich die Frage stellt, wie ein solcher Aufstand denn ablaufen sollte. Mit Stöcken und Steinen gegen Sturmgewehre? Die reine Masse wird es da sicherlich nicht ausmachen.

Ich weiß nicht was in diesen Militärs-Köpfen vor sich geht. Immer nur die eigene Macht? Hauptsache wir paar Leute sind stark und regieren dann über einen Trümmerhaufen? Einfach nicht zu verstehen.
 

David

Moderner Nomade
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Im Grunde ist das doch nur das, wovon die Mafia träumt: Statt Staat im Staate zu sein, einfach diesen lästigen Staat ganz abschaffen und selber die Macht übernehmen. Spart ne Menge Bestechungsgelder. :rolleyes:

In Simbabwe siehts ja auch nicht soviel anders aus, und jeder afghanische Warlord hat wahrscheinlich solche Länder als 'Vorbild'..

Die Chancen für einen Aufstand hätten letztes Jahr ungleich besser ausgesehen, aber damals hat die Welt ja auch nicht wirklich gehandelt. (Wobei ich das Ende damals nicht ganz mitbekommen hab, weil ich da grad 2 Wochen auf Exkursion war) Jetzt sind die Menschen erstmal mit dem Überleben beschäftigt.

EDIT:
Ich hab gestern Abend zufällig ne alte Nachrichtensendung von vor 25 Jahren gesehen, und meinen Ohren nicht getraut:
Da war doch tatsächlich von einer "Akadameikerschwemme" die Rede, und Kohl hat ne Rede gehalten, wonach es ganz ganz übel sei, daß für viele Abiturienten ein Studium praktisch die logische Konsequenz des Abis wäre und das man da dringend Alternativen zu anbieten müsste. :rolleyes:
Da wundern einen dann weder die Zustände an deutschen Unis noch die hohe Arbeitslosigkeit. :rolleyes:
 
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Gala

Labyrinth-Leichnam
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Ich möchte noch eine kleine Bemerkung einfügen. Meines Wissens gibt es keine "Nachfrageökonomie". Seriöse Ökonomie kann man nur betreiben, wenn man sowohl die Nachfrage als auch das Angebot gleichzeitig fördert, wenn man einen Markt fördern will.

Denn eine Volksökonomie ist ja ein Kreislauf. Lohn schafft Konsum, Konsum schafft Nachfrage, Nachfrage schafft Angebot, Angebot schafft wieder Lohn. Wer irgendwo in diesem Kreislauf einen Staudamm aufbaut, hält damit das ganze Gebilde auf.

Das es eine "Angebotsökonomie" gibt, die im großen Stil betrieben wird, rührt nur daher, das die Folgerungen dieser Ökonommie den Reichen gefallen. Wäre das nicht der Fall, wäre die Angebotsökonomie völlig bedeutungslos.
 

David

Moderner Nomade
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Nur gibts heute keine "Volksökonomie[n]" mehr, sondern nur noch eine "Weltökonomie".

Deshalb wird die Kette aus nationaler Sicht bei "Nachfrage schafft Angebot, Angebot schafft wieder Lohn" unterbrochen, indem dieses Angebot eben nicht mehr zwingend nennenswerten Mehrlohn schafft, sei es durch eine hohe Automatisierung oder (viel wichtiger) durch so niedrige Löhne in Asien, daß dieser keinen nennenswerten Mehrkonsum schaffen kann. Und selbst bei etwas höheren Löhnen dort wäre das nicht unbedingt Nachfrage nach unseren Produkten.

Eine auf nationaler Ebene betriebene Politik der hohen Löhne läuft damit ins Leere und schadet im schlimmsten Fall (d.h. wenn mans übertreibt) sogar noch der Wettbewerbsfähigkeit, was unterm Strich Jobs, und damit Löhne und Nachfrage kostet.
Da man aber gleichzeitig gar keine Chance auf wirklich wettbewerbsfähige Löhne in allen Bereichen hat, würde eine Lohnsenkungspolitik ganz genauso ins Leere laufen und zwar keine Jobs, wohl aber Löhne und Nachfrage kosten.
Das kleinste Übel wäre ein Lohnniveau, das unterm Strich für das ganze Land das höchste Einkommen produziert, also eine Kombination aus Lohnhöhe und der Anzahl der Jobs. Echte VWLer haben dazu bestimmt auch tolle Formeln, die auf furchtbar realistischen Modellannahmen beruhen. :D

Im Grunde hat damit individuell nachvollziehbares bis nötiges Handeln (Produktion ins billigere Ausland verlagern, billigere Importware kaufen) dazu geführt, daß wir uns erst als Produzent und auf lange Sicht vielleicht sogar als Nachfrager überflüssig gemacht haben. :rolleyes:
Das Grundübel ist, daß die klassischen Wirtschaftstheorien immer davon ausgegangen sind, das sich ein Großteil der Welt aussperren lässt. Wenn man diese Theorien weiter verwenden will, muß man sie auf den Großteil der Welt anwenden, nicht auf einzelne Länder. Was wir jetzt erleben, ist nur die logische Folge davon, das unser Lebensstandard viel zu hoch ist, als das er auf beliebig viele Menschen übertragbar wäre. Der Lebensstandart gleich sich durchaus modell-konform Stück für Stück an, nur eben auf globaler Ebene. Betrachtet man rein egoistisch nur unser eigenes Wohl, hätten wir vielleicht doch weniger von Freiheit reden und die Kolonien behalten sollen. :rolleyes:

Unser Glück dabei ist bis jetzt noch, daß ein guter Teils des Gewinns, den man durch billige Arbeit im Ausland gewonnen hat, noch zu uns zurückfließt und damit wenigstens besteuerbar ist. Wenn China und Co erstmal genug Firmen aufgekauft und deren Gewinne nach China verlagert haben, bleibt bei uns noch weniger zurück als jetzt.. Da wir nichtmal Rohstoffe haben, braucht dann eigentlich niemand mehr Deutschland oder andere europäische Länder für eine brummende Weltwirtschaft. Insofern ists vielleicht nen guter Zeitpunkt, geschlossen in Rente zu gehen und dann auszusterben. :D
 
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