[Schreibwettbewerb - Finale] Mantis / Scot d'Arnd

Wer hat die bessere Geschichte geschrieben?

  • Mantis

    Stimmen: 11 73,3%
  • Scot d'Arnd

    Stimmen: 4 26,7%

  • Umfrageteilnehmer
    15
  • Umfrage geschlossen .

Enigma

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Enigma

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Mantis

Spiele

I

In jeder Stadt gibt es sie, auch wenn die Machthaber ihre Existenz zu verbergen versuchen und das Wissen um ihr Bestehen oder gar die Beteiligung an ihren Geschäften stets leugnen werden.
Es sind Schandflecke im prächtigen Antlitz jeder Stadt, doch jeder Versuch ihr Dasein zu beenden ist zum Scheitern verurteilt: Verschwindet der eine, von Stadtwachen oder Söldnern ausgeräuchert, dauert es nicht einmal einen Tag bis ein anderer seinen Platz einnimmt, zwar an anderer Stelle, doch in Wesen und Klientel mit seinem Vorgänger identisch.
Es sind diese Knotenpunkte des Schwarzmarkts, Jahrmärkte der Kopfgelder, Heimat der Huren und Halsabschneider, Gassen in den dunkelsten Winkeln der Stadt in der jeder jeden zu kennen glaubt und niemand sein wahres Gesicht zu zeigen wagt.
An diesen Orten wird in jeder Nacht aufs Neue Antwort auf die Frage nach dem Wert eines Menschenlebens gegeben, doch weder Fragende noch Antwortende sind solche, die man als Philosophen zu bezeichnen pflegt.

~~~~~~~~~~ * ~~~~~~~~~~

Die Gestalt lehnte lässig an einer Hauswand, die Kapuze des langen dunklen Mantels tief ins Gesicht gezogen. In manchen Gegenden war es besser, unerkannt zu bleiben, und diese Seitenstraße in der Nähe des Hafenviertels von Niewinter gehörte eindeutig dazu.
Wer die Gestalt eines zweiten Blickes würdigte, erkannte bald, dass der erste Eindruck täuschte. Die lockere Körperhaltung war nichts weiter als eine nicht besonders sorgfältige Tarnung, unter der sich Anspannung und Aufmerksamkeit verbargen. Hätte man im Schatten der Kapuze die Augen erkennen können, sähe man sie beständig in Bewegung, im ruhelosen Versuch, die gesamte Umgebung zugleich im Blick zu behalten.
Selbst ein ungeübter Beobachter konnte erkennen, dass dies ein Mensch war, der genau weiß wo er sich befindet – und ganz offensichtlich lieber anderswo wäre.

Menschen gingen vorüber, ein jeder mit seinen eigenen Geschäften beschäftigt – zu dieser fortgeschrittenen Stunde sicherlich keine Geschäfte legaler Natur.
Zeit verging, die Sterne wanderten über den Himmel, und der wartenden Gestalt gelang es immer weniger, ihre wachsende Ungeduld zu verbergen. Schließlich seufzte der Verhüllte hörbar, und stieß sich von der Mauer ab, offenbar zu dem Schluss gekommen lange genug gewartet zu haben.
In diesem Augenblick trat eine weitere verhüllte Peson an ihn heran.

„Ein schöner Abend um die Sterne zu betrachten, Freund.“
„Ihr seid nicht mein Freund.“
„Oh, aber Ihr irrt Euch. In bin in dieser Zeit Euer bester Freund, auch wenn Ihr mich noch nie zuvor gesehen habt. Ihr habt meine Einladung erhalten und seid ihr gefolgt, sonst wärt Ihr wohl kaum hier.“
„Noch habe ich mich zu nichts bereit erklärt.“
„Ihr müsst mir nur Gelegenheit geben, mein Angebot näher zu erklären, Freund. Lasst mich Euch versichern, dass Ihr wie geschaffen seid für diese Aufgabe. Tatsächlich habe ich lange Zeit nach jemandem mit Euren Fähigkeiten gesucht.“
Die Gestalt erwiderte nichts.
„Aber Ihr seid gewiss nicht nur gekommen, um meinem Loblied auf Eure Person zu lauschen. Ihr seid hier, weil ich Euch etwas geben kann, was Euch bisher verwehrt blieb. Eine Belohnung, die mehr beinhaltet als Gold. Ich selbst sehe es gerne als eine kleine Hilfe meinerseits, mit der ich Euch bei Eurem… Problem zur Seite stehen kann. Denn ich“, sagte der Fremde, und Stolz schwang in seiner rauen Stimme mit, „kann Euch das zurückgeben, was Ihr schon immer wolltet. Und auch wenn Ihr mein Gesicht noch nie gesehen habt und zweifellos nie wieder sehen werdet, ich weiss, dass Ihr von mir gehört habt. Ihr wisst, dass ich ein Mann bin, der zu seinem Wort steht.“

Erneute Stille. Der Verhüllte schien angestrengt nachzudenken, bevor er schließlich zu einem Entschluss kam.
„Was muss ich tun?“
„Die Details des Auftrags sind… nicht für diesen Ort geeignet, doch seid beruhigt, bald werdet Ihr erneut Nachricht von mir erhalten. Bis dahin“ – der Fremde steckte seine Hand in die Tiefen seines Umhangs, und die Rechte der verhüllten Gestalt zuckte unter den ihren. Der Fremde lachte gutmütig. „Keine Sorge, Freund. Würde ich Euch Böses wünschen, wären wir beide nicht hier, und auch unser Gespräch wäre anders verlaufen.“
Die Gestalt zog die leere Hand langsam wieder unter dem Umhang hervor, noch immer angespannt. Der Fremde hielt nun einen kleinen goldenen Anhänger in der ausgestreckten Hand.
„Für Euren Auftrag werdet Ihr dies zweifelsohne nützlich finden. Es verbirgt Eure wahren Intentionen lange genug, um Euch dem Zielobjekt nahe zu bringen. Alles Weitere ist Eurer Kreativität überlassen – und Eurem Talent.“
Mit einem meckernden Lachen drehte der Fremde sich um und ging beschwingten Schrittes davon.
Der Verhüllte wartete eine Weile, zog den Umhang enger um den Körper, die Kapuze tiefer ins Gesicht und eilte in entgegengesetzter Richtung davon, nicht ohne immer wieder verstohlene Blicke über ihre Schulter zu werfen. Man konnte nie vorsichtig genug sein…

~~~~~~~~~~ * ~~~~~~~~~~

II

Seltsam, was Licht so alles bewirken kann, dachte Aramand, während er im Licht der Morgensonne durch das Adligenviertel Niewinters lief. Anwesen, die in der Nacht wie unbeschreibliche Ungetüme an den Straßenrändern emporragten, gewannen am Tage eine völlig andere Art der Imposanz, und nicht wenigen der Bürger, die zu dieser Stunde auf den Beinen waren, zauberten die frühen Sonnenstrahlen ein vermutlich ungewolltes Lächeln aufs Gesicht.
Und auch er selbst spürte es. An einem solchen Morgen, an einem solchen Tag war es unmöglich, über die Grausamkeiten und Abscheulichkeiten der Welt nachzudenken. Also ließ er es sein, und unterhielt seinen überlegenen Intellekt mit harmlosen Gedankenspielen.
Wohin ist dieser Bürger unterwegs? Woher kommt diese Edelfrau? Diese junge Dame sieht nicht aus, als wäre sie mit den Leistungen ihres Liebhabers zufrieden...
Es war nichts, was ihn lange Zeit beschäftigt halten konnte, doch das war auch gar nicht nötig. Nur nicht über den Auftrag nachdenken so lange er dorthin unterwegs war. Den Kopf frei kriegen, er hatte doch schon alles geplant – und alles Weitere würde sich ergeben. Das tat es immer.

Er liebte diesen Moment, in dem die Routine seine Handlungen übernahm und ihn das Richtige tun ließ, das Korrekte, das Angebrachte. Nach seiner Erkenntnis war er bereits mit dem Talent geboren worden, einem jeden möglichen Menschen mit der perfekten Mischung aus Respekt, Verachtung, Freundlichkeit, Entgegenkommen und Empathie zu begegnen, ganz gleich, ob dies seiner eigenen Meinung über diese Person entsprach oder nicht. Sich auf diese Art zu verstellen gehörte ebenso wie die Präzision und die Gründlichkeit zu der Kunst, die er aus seinen Aufträgen zu schaffen verstand – und in diesem Moment, in dem er die Hand erhob um an der Pforte zum Anwesen des Richters Gereth Einlass zu begehren, fühlte er sich wie sich wohl auch der Künstler vor der blanken Leinwand fühlen muss, der kurz davor steht den ersten Pinselstrich auszuführen: Gespannte Erwartung, Vorfreude, und auch ein zugegebenermaßen verfrühter Stolz, den die Tatsachen jedoch bald bestätigen würden.

Nach kurzer Zeit wurde ihm geöffnet. Wie erwartet wurde er sogleich hereingebeten und vom alten Hausdiener in das Büro des Richters geleitet. Der Diener verabschiedete sich mit einer stummen Verbeugung, und Aramand schloss die schwere Tür hinter ihm. Flüchtig glitten seine Fingerkuppen über das edle Eichenholz, ließen jedoch weit mehr zurück als nur den Anschein von Bewunderung. Kaum ein Laut war hörbar als das gut geölte Schloss sich verkeilte und die Tür auf unbestimmte Zeit mit dem Rahmen vereinte. Eine weitere Berührung sorgte dafür, dass während der nächsten Stunde kein Laut aus dem Arbeitszimmer hinaus dringen würde.
Ein Lächeln erschien auf Aramands Gesicht, ein Lächeln das zwar seine Züge, nicht jedoch seine Augen erreichte. Die meisten Menschen erkannten den Unterschied nicht einmal, wenn sie genauer hinsahen. Wenn man sie etwas sehen lässt, dass auch nur annähernd dem ähnelt, was sie sehen wollen, hat man sie schon in der Hand. So leichtgläubig, so naiv.
Und selbst wenn Gereth ihn genauer überprüfen würde, seine wahre Absicht würde er nicht erkennen – dafür war gesorgt.
Nur wenige Sekunden waren vergangen, seit der Problemlöser das Büro des Richters betreten hatte. Zeit ist von größter Wichtigkeit, erinnerte Aramand sich, und drehte sich zu seinem überraschten, doch erfreuten Gastgeber.

„Aramand! Seid willkommen, willkommen!“ Der kleingewachsene, untersetzte Mann hatte sich aus seinem lederbezogenen Sessel gestemmt und wackelte just in diesem Augenblick um den imposanten Ebenholzschreibtisch, eine aufgedunsene, ringbesetzte Hand dem Problemlöser entgegengestreckt. „Welch unerwarteter Besuch, welche Ehre, Euch in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu können, werter Freund.“
Aramand unterdrückte den Drang, bedeutungsvolle Blicke auf die protzige Einrichtungsgegenstände zu werfen, die den Reichtum dieses Mannes (der ganz sicher nicht sein Freund war) nicht gerade dezent herausstellten. Stattdessen beschränkte er sich auf ein kurzes Nicken – das war seine Klientel ohnehin von ihm gewohnt, kurze, knappe, meist wortlose Antworten und eine unglaubliche, kühle Effizienz.
Der Richter schien unruhig. Ebendiese wortlose Effizienz seines vermeintlichen Verbündeten machte ihn nervös – auch wenn er die Dienste des Problemlösers selbst schon oft in Anspruch genommen hatte.
„Sagt, Aramand, was führt Euch hierher in diese schöne Stadt? Ich dachte, Eure Geschäfte zu dieser Zeit lägen im Süden?“ ...und weit von dir weg, elender Wurm, ergänzte Aramand in Gedanken, sagte jedoch: „Ein weiterer Auftrag größter Wichtigkeit. Ihr versteht sicher, dass ich keine Details nennen kann, denn wie Ihr zweifelsohne schon vermutet habt“ – hier zwinkerte er dem Mann zu – „unterliegt mein Auftrag absoluter Geheimhaltung und fordert das höchste Maß an Diskretion. Eines jedoch kann ich Euch verraten, werter Gereth“, fügte er hinzu, und sein Lächeln erreichte endlich seine Augen, „die Folgen dieses Auftrags werden für ganz Niewinter spürbar sein, bis in Euren Sektor hinein und weit darüber hinaus. Es ist Zeit für Veränderungen.“

Ein breites Grinsen legte das Gesicht des Richters in Falten, und für einen Moment war er zu sehr in seine eigene naive Vorfreude versunken, um den rapiden Temperaturabfall im Raum zu bemerken. Erst als sich eine dünne Frostschicht sich über seine Wildlederstiefel legte und langsam begonn seine Beine zu erklimmen, ging Gereth auf, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Sein rechter Arm bewegte sich unendlich langsam zu dem länglichen Zierdolch, der an seinem Gürtel hing, doch die Bewegung versiegte vollständig als das Eis auch seine Arme, Hände, und schließlich die Finger umschloss. Weiße Atemwölkchen bildeten sich vor seinem Gesicht, ihre immer schnellere Abfolge ein Spiegelbild seiner Todesangst.
Es muss ihm bewusst sein, dass er seine letzten Atemzüge vor Augen hat, dachte Aramand. Wie poetisch.
Des Richters Mund öffnete sich wie in Zeitlupe, zweifellos um um Hilfe zu rufen, doch ein Fingerzeig Aramands genügte, und eine dünne Eisschicht überzog auch seine Lippen, fror den Schrei noch in der Kehle ein. „Sssht“, machte Aramand. „Es ist bald vorbei.“

Und so war es. Aramand musste nicht lange warten – als er sicher war, dass der kleine, dicke Körper kein bisschen Wärme mehr abstrahlte (ein Trick, den er bereits in jungen Jahren gelernt hatte, und der ihm schon oft von Nutzen gewesen war), trat er näher an sein Zielobjekt heran. Ein behandschuhter Finger strich vorsichtig, fast zärtlich über die Konturen des gefrorenen Gesichts, als wäre der Richter schon immer Skulptur und niemals Mensch gewesen. Abrupt zog Aramand seine Hand zurück, und die Eisfigur, ihres Gleichgewichtssinns für immer beraubt, geriet ins Schwanken. Es brauchte kaum mehr als einen leichten Stupser seiner Hand, und die Statue Gereths kippte, schlug auf dem Marmorboden auf und zersplitterte in tausende glitzernde Einzelteile.
„Hoppla.“

Aramand erlaubte sich einen kurzen Moment der müßigen Betrachtung, in der er das Muster des zersplitterten Richters auf dem edlen Fußboden in sich aufnahm. Ein Anblick, an den er sich noch lange mit künstlerischem Stolz erinnern würde, dessen war er sich sicher. Doch Aramand wäre nicht Aramand, wenn er sich zu lange in solchen eitlen Betrachtungen verlieren würde. Der angenehme Teil des Auftrags war erledigt – jetzt begann die wirkliche Arbeit.

~~~~~~~~~~ * ~~~~~~~~~~

III

Die untergehende Sonne färbte den Horizont blutrot, als Aramand das Anwesen des Richters durch den Hinterausgang wieder verließ.
Er fühlte sich ausgelaugt, aber auf eine grimmige Art zufrieden. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal wirklich stolz auf sein Werk gewesen war, oder ob das überhaupt schon einmal der Fall gewesen war – doch das hier war etwas anderes. Natürlich war er immer gründlich bei seinen Aufträgen, hatte seine Kunst des Problembeseitigens über die Jahre perfektioniert, doch dies war ein Meisterwerk geworden. Dazu kam, dass dieser Mann, der sich einen Diener der Gerechtigkeit schimpfte, jene die er richtete, in kreativer Bösartigkeit um Längen übertraf. Kein Verbrechen, dessen er sich noch nicht schuldig gemacht hätte, und dessen Spuren er im Nachhinein wirksam hatte verschwinden lassen, nicht selten mit Aramands Hilfe. Aramand machte sich für gewöhnlich keine Gedanken über die Frage nach der Schuld, des Verdienens oder der Reue seiner Ziele, solange die Bezahlung nur stimmte – doch in diesem Fall war selbst er sich sicher, dass die Welt ohne den Richter Gereth ein besserer Ort war. Er verspürte ob dieser Gewissheit eine bisher ungekannte Befriedigung – nun war es nicht nur die Ausführung seines Werks, die ihn mit Stolz erfüllte, sondern das Werk an sich.
Und nicht nur das, vielleicht war dies auch das letzte Problem anderer Leute, dessen er sich jemals annehmen musste.
Warum sollte er weitermachen? Mit der Belohnung für diesen Auftrag würde er endlich genug Gold beisammen haben, um sich einen alten Kindheitstraum zu erfüllen. Dabei würde ihm nicht nur das Gold, sondern auch die Söldnertruppe helfen, die ihm sein letzter Auftraggeber zur Seite gestellt hatte. Loyal und effektiv, hatte er gesagt. Aramand lächelte freudlos. Er war nicht so weit gekommen weil er sich auf die Treue und Ehrlichkeit anderer Leute verlassen hatte, aber mit genügend Vorbereitung würde er Verrat und andere Unannehmlichkeiten verhindern können.

Und er würde es zu verhindern wissen. Dieses Projekt war zu wichtig, und er hatte immerhin zwanzig Jahre Zeit gehabt, es bis in alle Einzelheiten zu planen. Es gab nichts, was er nicht über jene Adligen in Erfahrung gebracht hatte, die in seiner Jugend sein Heim überfallen, seine Familie abgeschlachtet und das Fürstentum seines Vaters mitsamt des ansässigen Volks erobert hatten. Weder Liebschaften noch Fehden, weder Schlafgewohnheiten noch Patrouillenrhythmen waren seinen Informanten und seinen eigenen Nachforschungen entgangen. Bisher hatten ihm Gold und Schwerter zu seinem Rachefeldzug gefehlt, doch nach diesem letzten Auftrag würde auch dies kein Problem mehr sein. Er hatte genug beisammen, um eine kleine Armee aufzustellen und das Land zurück zu erobern, das rechtmäßig sein war.

Aramand blieb vor einem Anwesen stehen, das die meisten anderen Adelsgebäude im Schwarzseeviertel wie Bruchbuden aussehen ließ. Sein persönlicher Krieg konnte auch noch bis zum nächsten Morgen warten, umso mehr da dieses Haus seinem -bald wieder- eigenen Heim in Luxus und Exquisität in Nichts nachstand.
Für diese Nacht kam er bei einem alten Bekannten, ja, fast Freund unter; der alte Marcos war einer der wenigen, die seinem eigenen Intellekt nahe kamen, und deshalb von Zeit zu Zeit ein willkommener Gesprächspartner. Wann immer Aramand im Umgang mit den Tölpeln und Idioten dieser Welt an der allgemeinen Intelligenz und Daseinsberechtigung der Menschen zu zweifeln begann, genügte ein Gedanke an Marcos und seinesgleichen, um den Eindruck der überwältigenden Masse der Dummen zu relativieren. Wenigstens bin ich nicht der Einzige...

Tatsächlich lag ein fast warmes Lächeln auf Aramands Lippen, als er den schweren bronzenen Türklopfer anhob.

~~~~~~~~~~ * ~~~~~~~~~~

IV

Marcos hatte ihm eines der Gästezimmer im Westflügel zugewiesen. Der Alte besaß viel Einfluss am Hof, und es kam vor, dass sein Heim bis zum letzten Zimmer von ebenso einflussreichen Adeligen besetzt war. Die jährlichen Sommerfeiern des alten Marcos waren in bestimmten gehobenen Kreisen berühmt-berüchtigt, und seine Gastfreundschaft war makellos.
Zu dieser Jahreszeit jedoch war Aramand der einzige, der im Westflügel wohnte. Marcos selbst hatte seine Gemächer im zentralen Teil des Hauses, und nur im Ostflügel war ein weiterer Gast untergebracht, den Aramand beim gemeinsamen späten Abendessen kennen lernen sollte.
Er konnte nicht sagen, dass er auf neue Bekanntschaften brannte, und er war keiner jener Menschen deren Nerven und Geduld durch Müdigkeit unberührt blieben, doch Marcos zuliebe würde er sich zurückhalten, und zumindest ein Mindestmaß an Höflichkeit beibehalten.

Zum wiederholten Male sah er sich in dem Gemach um. Er hatte mächtige Schutzzauber an allen Fenstern und Türen angebracht, Glyphen, die es einem unerwünschten, feindseligen Besucher unmöglich machten, seine Räumlichkeiten unbemerkt und unverletzt zu betreten. Und für die zweifelhaften, höflichen Fälle, die erst an der Tür zu klopfen pflegten und gesittet um Einlass baten, bevor sie ihm ein Stilett in Hals oder Herz rammten, zierte ein besonderer Hellsicht-Zauber die Eingangstüre. Das ´Auge´ erlaubte es dem Hexer nicht nur, einen unbemerkten Blick durch die geschlossene Tür zu werfen, es gab ihm auch einen ungefähren Eindruck von den Absichten seiner Besucher. Eine alte Angewohnheit, die ihm bereits mehrmals das Leben gerettet hatte – und er sah keinen Grund, ausgerechnet heute mit dieser Gewohnheit zu brechen.
Wenn er sich schon nach dem erledigten Auftrag erschöpft gefühlt hatte, so hatte er sich nun beinahe verausgabt – doch Sicherheit ging vor, und er erwartete nicht, dass der Abend ihm noch viel abverlangen würde.

Bis zum geplanten Abendmahl blieb ihm noch genügend Zeit, sich frisch zu machen. Für einen Moment blieb er in der Mitte des Raumes stehen und betrachtete sich in einem der vielen Spiegel. Die harte körperliche Arbeit des vergangenen Tages stand ihm gut, befand er. Vielleicht würde er sich, wenn er erst einmal sein Land zurück erobert hatte, doch einmal am Schwertkampf versuchen. Das Langschwert, das er stets umgegürtet bei sich trug, war ein Erbstück, doch er hatte nie damit umzugehen gelernt – und es war auch nie nötig gewesen, auf so etwas Banales wie körperliche Gewalt zurückzugreifen, um zu erreichen was er wollte. Doch zum Zeitvertreib... warum nicht?

Nach einem kurzen, aber erfrischendem Bad hüllte er sich in edle Kleidung, die Marcos´ Bedienstete ihm schon bereit gelegt hatten. Nur das Beste vom Besten, dessen war er sich sicher – Marcos kannte seine Bedürfnisse. Er fuhr sich noch einmal durch das Haar, und verließ das Zimmer. Das Schwert ließ er auf einer Kommode zurück – es wäre unhöflich gewesen, es mit in den Speisesaal zu nehmen, und darüber hinaus benötigte er es nicht.
Wenn es einen Ort in Niewinter gab, an dem er in Sicherheit war, dann war es dieses Haus.


Als er das Speisezimmer betrat, saß sein Gastgeber schon am Tisch. Er befand sich in Gesellschaft eines jungen Mädchen, in dem Aramand Marcos´ achtjährige Tochter Isabella erkannte. Ihre Mutter war im Kindbett verstorben, erinnerte er sich, und seitdem war Isabella Marcos´ Augenstern, sein Ein und Alles. Neben dem Mädchen saß eine junge Frau, sicher noch nicht viel älter als zwanzig. Das ideale Alter, dachte Aramand, und fühlte sich auf einmal wieder wach.
Marcos, ganz der zuvorkommende Gastgeber, erhob sich und stellte sie einander vor. Aramand verneigte sich vor der jungen Dame die ihm als Skeira Hati vorgestellt wurde, und gab ihr einen formvollendeten Handkuss. Sie errötete leicht, und für einen Augenblick sah er ihr an, dass sie sich am liebsten zur Seite weggedreht hätte um seinem Blick zu entfliehen. Jung, schüchtern, unerfahren... Aramand lächelte. Dies versprach ein guter Ausklang des Tages zu werden.

Im weiteren Gespräch erfuhr er, dass die junge Frau Isabella vor ein paar Tagen das Leben gerettet hatte. Diese war am Markttag ihrem unaufmerksamen Kindermädchen entwischt und auf die Straße gerannt. Skeiras beherztes Eingreifen hatte verhindert, dass das Kind von einem Eilboten niedergeritten wurde, und obwohl Aramand eher der Ansicht war, dass dies bestenfalls eine zufällige Begebenheit war, kannte Marcos Dankbarkeit keine Grenzen. Es handelte sich schließlich um seine einzige Tochter. Seit jenem Vorfall genoss die junge Frau Marcos´ Gastfreundschaft, und wie er den Alten kannte, konnte sie obendrein noch mit einer großzügigen Belohnung rechnen.
Ihm sollte es recht sein – besonders da ihre zufällige Heldentat ihn auf eine so angenehm unvorhersehbare Weise in die Nähe der jungen Frau gebracht hatte. Alles weitere würde sich von alleine ergeben – denn dieses Spiel beherrschte er wie kein Zweiter.

Während des gemeinsamen Essens beobachtete er sie unauffällig und überlegte, wann sich ihm eine Gelegenheit ergeben würde, mit Skeira allein zu sein. Denn hier, in Beisein ihres Gastgebers und dessen Tochter, konnte er das Gespräch kaum auf privatere Themen lenken, konnte er ihr nicht nahe genug kommen um den Abend in die von ihm bevorzugte Richtung zu leiten. So lange Marcos dabei war, konnte er dieses ihm altbekannte, doch stets von neuem aufregende und erregende Spiel nicht beginnen.
Doch der Alte schien an diesem Abend zur Abwechslung einmal seine promiskutiven Aktivitäten nicht sabotieren zu wollen. Bald schon erhob er sich, gemeinsam mit seiner Tochter, und bat seine beiden Gäste, ihn zu entschuldigen. Es sei ein langer Tag für ihn gewesen, und morgen stehe ihm ein ebensolcher bevor. Er hoffe jedoch, dass seine beiden hochgeschätzten Besucher den Rest des Abends auch ohne ihn bestehen würden – zum Beispiel im Wintergarten an der Südseite des Hauses, fügte er hinzu, bevor er sie verließ.

Aramand wartete, bis Marcos und Isabella verschwunden waren, bevor er sich an Skeira wandte.
„Darf ich Euch den Wintergarten zeigen? Marcos hat es sich zur Aufgabe gemacht, die schönsten Blumen der Reiche in seinem Garten zu versammeln – und mit Eurer Anwesenheit würde der Garten um eine weitere Schönheit bereichert.“

~~~~~~~~~~ * ~~~~~~~~~~

V

Erfahrung und Vorbereitung kamen ihm auch in diesem Spiel – wie in jedem anderen – wieder und wieder zu Gute. Aramand wusste genau, wo Marcos den Elfenwein aufbewahrte, den er zu den Mahlzeiten stets verdünnt servieren ließ, und so war es für ihn keine Schwierigkeit, auf der Südterrasse des Anwesens eine Flasche Wein und zwei kristallene Gläser hervorzuzaubern.
Das Anwesen war auf einem kleinen Hügel erbaut worden, sodass die beiden einen guten Blick auf die Lichter der Stadt hatten. Aramand füllte die beiden Gläser, behielt sie jedoch noch in den Händen.
Skeira blickte ihn fragend an. Er lächelte. „Erlaubt mir, meine Dame, dass ich Euer Getränk auf die perfekte Temperatur bringe. Es wird nicht lange dauern.“ Noch immer lag ein fragender Ausdruck auf ihrem Gesicht, doch er störte sich nicht daran. Es würde tatsächlich nicht lange dauern, und auch nur ein winziges Fragment seiner nahezu vollständig erschöpften Macht war nötig um die Flüssigkeit in den Gläsern abzukühlen. Aramand schloss für einen Moment die Augen und konzentrierte sich.
Als er die Augen wieder öffnete, schienen sie für einen Augenblick von einem bläulichen Schimmer erhellt. Mit einer angedeuteten Verbeugung reichte er ihr eines der Gläser, und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung als sich ihre Hand um das eisgekühlte Gefäß schloss.
„Auf Euer Wohl!“ Das leise Klirren der Gläser klang in der nächtlichen Stille wie der erste Ton seines Triumphs.

Später saßen sie nebeneinander auf einer der steinernen Bänke im Wintergarten. In einem entfernteren Winkel plätscherte ein künstlich angelegter kleiner Wasserfall und überbrückte die kurzen Pausen, die in ihrem Gespräch entstanden.
„Sag, was führt dich in diese Stadt, Skeira? Niewinter ist nicht unbedingt für seine Heilkunst bekannt, wie man seit der Seuche vor einigen Jahren weiß. Die Heiler und Priester hier waren hilflos gegen den ´Heulenden Tod´.“
Aramand selbst hatte die Seuche nicht miterlebt, doch selbst im entfernten Athkathla hatte man davon gehört und sich vor einem ähnlichen Schicksal gefürchtet.
„Ich bin nicht hier um zu lernen, und ich bin auch noch nicht lange in der Stadt. Vermutlich werde ich in wenigen Tagen schon weiterreisen.“ Sie klang keineswegs bedauernd.
„Magst du Niewinter nicht?“
„Keineswegs, aber es gibt noch viele andere Orte die ich gerne besuchen möchte. Vielleicht reise ich als Nächstes ins Eiswindtal, wer weiß.“ Sie seufzte kaum hörbar. „Es ist, als wäre ich auf der Suche nach etwas, ohne zu wissen was es ist. Und vielleicht finde ich irgendwo dort draußen“ – sie machte eine vage, allesumfassende Geste – „was ich suche.“
Aramand nickte. Auf eine gewisse Weise konnte er verstehen, was die junge Frau meinte. Diese Rastlosigkeit, das unbestimmte Gefühl, dass dort draußen noch irgend etwas auf dich wartet, etwas Wichtiges, etwas Prägendes, etwas, das den weiteren Lauf deines Lebens bestimmen wird. Auch er kannte dieses Gefühl, ihm war es ähnlich gegangen als er sich nach dem Fall seines Hauses auf die Suche nach sich selbst und seinem Platz in der Welt begeben hatte.
Bevor er sich dessen bewusst werden konnte – verfluchter Wein! – hatten die Worte seinen Mund verlassen, und er erzählte ihr von sich. Von seiner Verlorenheit, der Leere in sich, und der brennenden Hoffnung auf Veränderung, die schier unerträglich zu werden schien je näher der Tag des Neubeginns rückte.
Später sagte er sich, dass es an ihr liegen musste, nicht nur am Wein. Etwas an ihr, etwas in diesen grauen Augen sagte ihm, dass diese Frau ihm zuhörte, und, wichtiger, ihn verstand.

Als er geendet hatte, fiel wieder eine Stille zwischen sie, dieses Mal länger als alle vorigen.
Innerlich verfluchte er sich für diesen Moment der Schwäche, in dem er sein Innerstes nach Außen gekehrt hatte.
Er fühlte ihre Augen auf sich ruhen, und spürte, dass ihr Blick sich verändert hatte. Etwas anderes lag darin, etwas, das er vorher noch nicht wahrgenommen hatte und nicht zu deuten vermochte.
Was war aus seinem Spiel geworden, aus der wohlüberlegten Taktik?

Schließlich räusperte Skeira sich leise.
„Ich weiß, was du meinst... ein Neubeginn. Ich kann es nicht so schön ausdrücken wie du, aber das ist auch was, was ich mir schon lange herbeisehne. Ich fühle mich schon so lange nicht mehr wohl in meiner Haut.“
Ein Stichwort, und schon war er wieder zurück im Spiel.
„Ich verstehe nicht, wie du dich nicht wohl fühlen kannst in einer Haut wie der deinen.“ Behutsam streckte er einen Arm aus und berührte sanft ihre Hand. Er fühlte sie erschauern, doch sie zog die Hand nicht weg.
„Du verstehst nicht, wovon du sprichst“, antwortete sie, und Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit, „sonst würdest du das nicht sagen.“
„Dann gib mir eine Chance, zu verstehen. Du wirst es nicht bereuen.“
Skeira wollte etwas erwidern, doch er legte seinen Zeigefinger über ihre Lippen. „Sag jetzt nichts.“ Sein Finger löste sich von ihren Lippen, die Hand verweilte, strich behutsam über ihre Wange.
Im Licht von Mond und Sternen war sie zweifelsohne schön anzusehen, doch vielleicht war das auch nur der Wein, der ihrem Äußerem schmeichelte, oder der Reiz des Unberührten. Sein Instinkt hatte ihn noch nie getäuscht, und dieses Mal würde es keine Ausnahme sein.
Er spürte, wie sich ihr gesamter Körper anspannte, als er sich zu ihr hinüberbeugte und sie küsste.

Gerade so lange, dass die Anspannung sich etwas löste, und sich die junge Frau ihm mehr zuwandte. Aramand zog sich zurück und erhob sich. Er wusste, wann er gewonnen hatte, und er kannte die taktische Bedeutung eines scheinbaren Rückzugs.

„Aber lass uns nichts überstürzen. Nichts geschieht gegen deinen Willen. Ich lasse dir Zeit, darüber nachzudenken. Du weißt, wo du mich finden kannst – falls du es dir überlegst...“
Er zwinkerte ihr zu und ging ohne ein weiteres Wort.

~~~~~~~~~~ * ~~~~~~~~~~

VI

Frauen sind so berechenbar, dachte er, als es wenig später an seiner Tür klopfte.

Gewohnheit verlangte es von ihm, dass er trotz des körperlichen Verlangens das sich seiner zu bemächtigen drohte, bis zur Tür ging und mit Hilfe des ´Auges´ kontrollierte, ob es tatsächlich Skeira war, die da Einlass begehrte. Tatsächlich, vor seiner Tür stand die junge Frau, umgeben von einer Aura, die sowohl Unruhe als auch Bestimmtheit erahnen ließ. Die perfekte Mischung, wenn es nach ihm ging.
Er trat einige Schritte zurück.

„Herein!“

Sie kam herein und schloss die Tür hinter sich. Ihre Anwesenheit sagte ihm schon alles, was er wissen musste, und ein Blick in ihr Gesicht bestätigte ihn.

Er war wieder vollkommen in seinem Element. Auch dies war ein Spiel, und zwar eins, das er bis zur Perfektion beherrschte. Die richtigen Bewegungen, Berührungen, Worte zur richtigen Zeit, und sie war sein.
Aramand lächelte, während er sie langsam auszog und gleichzeitig in Richtung des Himmelbetts maneuvrierte. Alles in Allem ein perfekter Ausklang für einen erfolgreichen Tag.


Schweißglänzend drehte Skeira sich auf den Rücken, von Aramand herunter.
Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck der Zufriedenheit, die tiefer ging als die Befriedigung beim erfolgreichen Erledigen eines Auftrags. Zugleich verspürte er, wie die Müdigkeit ihn übermannte.
„Lass mich dir etwas zeigen.“, sagte Skeira in die Stille hinein, und richtete sich auf.
Aramand war erstaunt von ihrer plötzlichen Bestimmtheit, dem Selbstbewusstsein und der Entschlossenheit die auf einmal in ihrer Stimme lagen. Er wusste ja, dass er mitunter ganz erstaunliche Effekte auf Frauen hatte, aber eine solche Reaktion war selbst ihm neu. Träge, aber dennoch neugierig drehte er sich zu ihr um.

Die nächsten Schreie, die durch den Westflügel des Anwesens hallten, hatten mit Lust nichts mehr gemein und kamen zu einem abrupten Ende.
 

Enigma

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Scot d'Arnd

„Wie konnte er das überleben?“

„Das konnte er nicht. Es ist einfach unmöglich.“

„Aber er atmet doch.“

„Ja.“

„Was soll das heißen, Ja? Ist er untot?“

„Nein. Doch. Vielleicht. Ich glaube nicht. Ich weiß nur, dass er tot sein müsste.“

„Aber das ist er nicht.“

„Ach was. Hör zu: Dieser Mann müsste tot sein. Ich habe keine Ahnung, wie er das überlebt haben kann. Er ist nicht untot, es ist keine Illusion. Es ist einfach nur unmöglich.“

„Du hast gerade noch gesagt - . Hast du das gesehen? Seine Hand hat sich bewegt.“

„Ja, bevor du kamst, waren sogar seine Augen auf.“

„Er ist wach?“

„Schon die ganze Zeit.“

„Was zum... Warum sagst du nichts?“

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Skeira saß in ihre Decke eingewickelt und an die Wand gelehnt und zählte die Steine, aus denen die Zelle bestand. Es waren in den letzten Wochen nicht mehr oder weniger geworden. Zugegeben, erwartet hatte sie das nicht. Aber seitdem sich Chayp, der Wächter, vor zwei Tagen sogar bei ihr bedankt hatte, nachdem er sie wieder einmal in der Zelle besucht hatte, glaubte sie an Überraschungen. Auch was die Wände anging.

Sie hörte langsame Schritte vor der Tür. Sie lauschte genauer. Wen man als einzige Frau in ein Gefängnis eingeliefert wurde, lernte man bereits nach wenigen Tagen, den Gang der verschiedenen Männer vor der Tür zu unterscheiden. Dem Geräusch nach zu urteilen hatte Waigen Dienst. Gut, Waigen war in Ordnung. Er kam nie in die Zelle. Selbst ihr Essen schob er durch die kleine Klappe hinein. Alle anderen Wachen öffneten dafür die Tür. Waigen hingegen schien das egal zu sein. Vielleicht mochte er einfach keine Frauen.

Dann hörte sie stimmen. Viele Stimmen. Und sie näherten sich der Zelle. Bei den Göttern! Es mussten mindestens vier sein. Sie zog die Decke enger.

„Wenn ihr euch darum kümmern wollt, dann bitte“, rief jemand. Sie kannte die Stimme nicht, aber sie gefiel ihr gar nicht. „Mir ist es egal, ihr oder das Mädchen.“ Ein leises Murmeln. „Das dachte ich mir. Und jetzt macht die Tür auf, ich will sie mir vorher ansehen.“

Der Schlüssel fuhr ins Schloss, es schnappte auf. Sie zog die Decke so fest, wie sie nur konnte. Die Tür öffnete sich. Ein Mann betrat die Zelle, Waigen und der Neuling Tilten folgten ihm. Der Neuling hatte einen dunklen Beutel in der Hand. Sie versuchte, in ihrer Ecke unsichtbar zu werden. Den Mann kannte sie nicht, aber er sah nicht wie eine Wache aus. Er war groß und kräftig. Seine Haare waren sauber und saßen. Seine Kleidung war prunkvoll. Er trug eine prächtige Waffe um den Gürtel.

Sein Blick fiel auf Skeira. Sie konnte sein Gesicht im Dunklen nicht sehen, aber an der Spiegelung erkannte sie, dass seine Augen zu Schlitzen wurden. Dann nickte er. „Ja, das geht in Ordnung.“ Er drehte sich zu Tür. „Beeilt euch, ich will heute noch fertig werden.“ Waigen und Tilten traten von der Tür weg. Der Neuling musterte sie verlegen, aber wagte nicht, ihr in die Augen zu gucken.

Zwei weitere Männer betraten die Zelle. Mit sich schleiften sie einen Dritten, der schlapp in ihren Armen hing. Sie warfen ihn achtlos auf den Zellenboden. „Vorsicht, verdammt, das ist sensible Ware“, fluchte der Fremde. Die Männer entschuldigten sich leise und verzogen sich wieder. Der Fremde sah Tilten an. „Sag's ihr“, befahl er. Dann ging er, Waigen folgte ihm.

Tilten legte den Beutel neben den leblosen Körper und drehte sich zu ihr um. „In dem Beutel ist Medizin“, sagte er leise. „Also für den da … ich meine, du kannst auch, aber … nein, nur für den da. Tut mir Leid. Ich meine... also, pass' auf, dass er wieder... ich meine, er muss wieder gesund werden. Sonst...“ Er ging.
Lange saß Skeira nur da und sah auf den Mann, der dort mit dem Gesicht auf der Erde lag. Er atmete, aber sonst gab er kein Lebenszeichen von sich. Bereits aus ihrer Ecke konnte sie erkennen, dass dieser Mann wohl keine Überlebenschance hatte. Sein gesamter Rücken war übersät mit Schnittwunden. Oberflächliche und tiefe. Das waren keine Peitschenmale, jemand war mit dem Messer daran gegangen. Nach allem, was sie sehen konnte, war es ein Wunder, dass der Mann überhaupt noch lebte.

Sie kroch aus ihrer Ecke hervor, griff nach dem Beutel und zog sich wieder zurück. Wer immer den Beutel gefüllt hatte, hatte wohl ein wenig davon verstanden. Sie hatte Material, um Wunden zu nähen, sie konnte sie desinfizieren und ein paar Kräuter zur Schmerzlinderung waren auch dabei. Natürlich war nichts magisches dabei, hier unten würde es sowieso nicht wirken.

Sie wickelte die Decke wieder um sich und kroch an den Mann heran. Sie erkannte, dass jemand bereits Magie auf ihn gewirkt hatte, wenn auch nicht besonders erfolgreich. Einige Wunden waren verschlossen, andere sahen frisch aus. Dennoch, wenn sie hätte raten müssen, hätte sie gesagt, dass alle Wunden etwa zum gleichen Zeitpunkt zugefügt worden waren. Sie zählte einundzwanzig allein am Rücken.

Sie hatte Krieger versorgt, die in der Schlacht schreckliche Wunden erlitten haben, schrecklich entstellte Unfallopfer gesehen und Menschen, die den Angriffen wilder Wolfsrudel oder anderer Bestien nichts entgegenzusetzen gehabt hatten. Solche Dinge passierten schnell. Was sie hier sah... Jemand hatte sich Zeit gelassen. Dieser Mann war gefoltert worden, aber nicht um an Informationen zu kommen. Jemand hatte ihm einen besonders schmerzvollen Tod bereiten wollen. Und hatte dabei wohl in großem Stil versagt.

Skeira seufzte. Das Gefängnis gebar kein Mitleid. Und irgendwie war dieser Mann auch nur ein Mann. Aber Tilten hatte gesagt: „Sonst...“ Sie wusste nicht, was er gemeint hatte, aber wahrscheinlich war es eine Drohung gewesen. Auch wenn Tilten es nicht so verkauft hatte. Und sie hatte wirklich nicht das Bedürfnis, irgendjemandes Zorn hervorzurufen. Nicht hier und unter diesen Umständen.

Also band sie sich die Decke notdürftig um die Brust und begann mit der Versorgung. Der Geschundene atmete schwach, aber gleichmäßig. Auch wenn ihre Erfahrung, gesunder Menschenverstand und eine ganze Menge Schnittwunden dagegen sprachen, schien er nicht in unmittelbarer Lebensgefahr zu sein. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gesagt, Magie war am Werk.

Es war fast meditativ. Während sie die immer wieder geübten Griffe tat, die ihr in Fleisch und Blut übergegangen waren, verblasste das Drumherum und sie war wieder eine Heilerin. Für einige – waren es Stunden? - fühlte sie sich nicht völlig unwohl. Sie hatte eine Aufgabe.

Es dauerte eine ganze Weile, dann hatte sie die Wunden am Rücken versorgt. Sie musste den Mann umdrehen, aber fürchtete, dass die Nähte reißen würden. Nun, was blieb ihr anderes übrig? Also griff sie, wie sie es in den früheren Jahren hunderte Mal gemacht hatte, unter ihn und drehte ihn um.

Skeira konnte nichts anders überrascht sein, als sie seinen Oberkörper sah. Dieser Mann war kräftig wie ein Krieger. Aber auch seine Muskeln waren nicht unversehrt. Er hatte auch hier viele Schnitte, wenngleich auch nicht so viele und sie waren besser versorgt. Seine Schulter sah sehr merkwürdig aus. Die Haut war dort irgendwie deutlich jünger als am Rest des Körpers, als wäre sie, nun ja, neu.

Sie sah in sein Gesicht und erschrak. Seine Augen waren geöffnet. Und er sah sie an.

Das Geräusch eines Schlüssels, die Tür hinter ihr öffnete sich. „Schatz, ich bin zu Hause.“ Es war Chayp.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Seit zwei Woche war er nicht mehr in ihre Zelle gekommen, dafür übergab sich Skeira jetzt jeden morgen.

Ihrem Patienten ging es merklich besser. Seine Narben würden nie ganz verschwinden, sein Oberkörper würde entstellt bleiben. Aber er bedurfte nicht mehr der Hilfe eines Wunders, um am Leben zu bleiben. Was auch immer ihn am Leben gehalten hatte, hatte seine Schuldigkeit getan. Zum Essen und für die Notwendigkeiten des Lebens brauchte er ihre Hilfe, ansonsten war er aber sehr pflegeleicht. Besonders deshalb, weil es in einer Zelle nicht viel gab, mit dem man sich ansonsten beschäftigen konnte.

Sie Klappe in der Tür öffnete sich, jemand schob etwas zu Essen herein. Für einen Augenblick erkannte sie Tilten durch das kleine Fenster, der ihrem Blick jedoch auswich. Sie kroch zu den zwei Schalen mit dem faden Haferschleim und nahm sie an sich.

Nachdem sie den Geschundenen an die Wand gelehnt hatte, wollte sie ihm gerade das Essen reichen, als sie eine Welle der Übelkeit überkam, gepaart mit heftigen Krämpfen im Bauch. Sie übergab sich in die Ecke und kehrte zu ihrer Aufgabe zurück. Der Löffel zitterte in ihrer Hand, als sie ihn zu seinem Mund führte. Eine Träne lief ihr über die Wange. Sie wusste, was los war.

Ihre Hand zitterte so stark, dass der Schleim auf die narbenversehrte Brust tropfte. Sie schluchzte.

Seine Hand griff nach der ihren. Sie schrak zurück und schaute ihn an. Er sah sie nicht an, wenngleich seine Augen geöffnet waren. Für einen Mann in seinem Zustand war er kräftig. Sanft, aber mit Nachdruck nahm er ihr den Löffel aus der Hand. Sie ließ ihn gewähren und musterte ihn nur. Er griff nach seiner Schale, zog sie heran und begann zu essen. Langsam, aber immerhin selbstständig. Sie sah ihm dabei zu.

Als seine Schale halb leer war, stellte er sie ab und nahm die zweite. Skeira wollte Einspruch erheben, ehe er sie zu ihr schob. Er aß wohl nicht gern alleine. Also aßen sie gemeinsam. Erst jetzt bemerkte sie, was für einen Hunger sie hatte. Sie schlang den Haferschleim herunter, immer wieder eine Blick auf den Mann werfend.

Sie wurden gleichzeitig fertig. Er stellte langsam seine Schale ab und sah Skeira an. Und zum ersten Mal sah sie ihn. Einst, vielleicht sogar vor Jahren, musste er ein schöner Mann gewesen sein. Er war es nicht mehr. Sein Ausdruck war leer, fast tot. Dennoch kam ihr irgendwas in seinen Augen bekannt vor, sie konnte es nicht einordnen.

„Du riechst nach nassem Hund“, krächzte er und sah dann weg.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Den ganzen Tag hatten sie nur da gesessen und aneinander vorbei gesehen. Was hatten sie auch groß besprechen können.

Gegen Abend vernahm Skeira wieder Schritte, zwei Männer, die sie nicht auseinanderhalten konnte. Als aber ein Schlüssel ins Schloss geschoben wurde, wusste sie, dass Chayp wiedergekommen sein musste. Sie würde es ihm sagen müssen, vielleicht hörte er dann ja auf. Oder vielleicht würde er sie töten, oder vielleicht sogar...

Doch es war nicht Chayp. Dort stand wieder der Mann in der teuren Kleidung und der sauberen Frisur, der vor zwei Wochen schon einmal da gewesen war. Mit einem Bündel in der Hand betrat die Zelle, seine Augen auf ihren Zellenpartner gerichtet. „Du sprichst also wieder. Gut.“ Ohne sie dabei anzusehen wickelte er das Bündel auf und warf es ihr zu. „Zieh das an.“

Es war ein einfaches Leinengewand. Das erste Kleidungsstück seit Wochen. Hastig zog sie es über. „Warte vor der Zelle.“ Wollte er etwas von ihr oder doch von ihm? Fragend sah sie ihn an, er beachtete sie nicht weiter. Also stand sie auf und ging unsicher zur Tür. Draußen warteten Waigen und Tilten. Ohne etwas zu sagen, packte Waigen sie am Arm und zerrte sie den schmalen Gang entlang, weg von ihrer Zelle. Sie wehrte sich nicht. Etwa auf halbem Weg zur Kammer der Wächter blieb er stehen und drückte sie unsanft gegen die Wand. Dann ließ er sie stehen.

Der gewaschene Mann wollte wohl nicht, dass man seinem Gespräch lauschte. Sie sollte nur hier warten. Also lehnte sie sich an die Wand und wartete. Waigen hatte seine Augen strikt auf ihre Hände gerichtet, Tilten auf ihre Füße. Sie sagten beide nichts.

Was auch immer gerade in der Zelle vor sich ging, es dauerte eine ganze Weile. Es kam ihr so vor, als würden sie Stunden warten. Irgendwann schien es Waigen auch zu langweilig zu werden. Kurz klopfte er Tilten auf die Schulter und nickte Richtung Wachkammer. Der Neuling nickte. Einen letzten Blick auf sie werfend, wand Waigen sich ab und ging in die Wachkammer. Das Licht des Feuers erhellte den Gang, Waigen ließ die Tür einen Spalt breit auf.

Sie erinnerte sich. Durch die Wachkammer, die lange Treppe herauf, irgendwann wäre der Bann gelöst. Dann könnte sie sich wieder verwandeln. Das war unmöglich zu schaffen. Was blieb ihr anderes übrig?

Sie rannte los. Die Tür kam näher, sie hörte Tiltens Ruf hinter sich. Die Tür kam näher, sie konnte bereits den Kamin in der Wachkammer sehen. Sie stieß die Tür auf. Eine eiserne Hand zertrümmerte ihre Nase. Sie fiel auf den Rücken und schlug mit dem Kopf auf harten Stein. Sie konnte vor Schmerz kaum Atmen, ihre Sicht war vernebelt. Verschwommen sah sie eine Wache über ihr stehen.

Jemand packte ihre Hand, sie wurde über den Boden gezerrt. Zurück in den dunklen Gang. Bald ließ die Wache sie los.

„Du Idiot!“, hörte sie jemanden brüllen, vermutlich Waigen. Sie hörte Schläge. Etwas Schweres sackte zu Boden. Dann hörte sie Tritte.

Ihr Schmerz ließ nach, ihre Sicht kehrte zurück. Als sie sich umdrehte, sah sie Tilten zusammengesunken auf dem Boden liegen und schluchzen. Waigen hatte sich wieder an die Wand gelehnt.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

„Was hast du getan? Warum bist du hier?“

Skeira erschrak, als sie plötzlich wieder die Stimme des Mannes hörte. Seit Stunden hatten sie sich wieder nur angeschwiegen. Kurz zögerte sie. „Ich soll jemanden getötet haben, mehrere sogar. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“

„Du bist ein Werwolf.“ Es war eine schlichte Feststellung. Woher wusste er das? Ihr Gesicht musste ihre Frage verraten haben, denn er erklärte: „Du kannst dich an deine Tat nicht erinnern. Du bist in einem magielosen Gefängnis gefangen. Und du riechst nach nassem Hund.“ Skeira nickte.

„Ich wurde viele Monate später gefangen. Mittlerweile kann ich es beherrschen.“ Sie verzog das Gesicht, als eine Welle des Schmerzes aus ihrem Unterleib kam. „Vermutlich hab ich es getan. Es macht keinen Unterschied. Unschuldig oder nicht, sie werden niemals einen Werwolf auf die Welt loslassen.“ Sie zuckte die Schultern, er nickte. „Und was ist mit dir?“

Er schwieg lange und sah dabei zur Zellentür. „Wenigstens eine Sache haben wir gemeinsam“, begann er schließlich. „Mich werden sie auch niemals auf die Welt loslassen.“

„Was hast du getan?“

„Dass mir diese Frage noch kein anderer gestellt hat...“ Er sah in die obere linke Ecke der Zelle und schien mehr mit sich selbst zu reden als mit ihr. „Es ist schon merkwürdig, bei dem Leben dass ich geführt habe.“ Er schaute wieder zu ihr. „Ich habe Probleme gelöst.“

„Du warst ein Auftragsmörder.“ Vor zwei oder drei Monaten hätte sie diese Erkenntnis erschüttert. Heute war sie vielleicht milde interessiert. Man unterhielt sich halt, weil man nichts besseres zu tun hatte.

„Nein, nein“, widersprach er. „Ich habe niemanden für Geld getötet oder mich überhaupt an anderen vergriffen. Es ist nicht so, dass man es mir nicht angeboten hätte. Ich habe es nur nie getan.“ Er lächelte. Es sah nicht gut aus. „Aber diesen Fehler machen viele einfache Gemüter. Sie hören ,Problemlöser' und denken an Mörder, Entführer und Folterknechte. Das ist nicht ihre Schuld, sie haben einfach kein Verständnis dafür, mit was für feinem Werkzeug man die Geschicke der Welt lenkt. Ein Lächeln an der richtigen Stelle ist meist mehr wert als eine Toter.“

„Und du hast ein Verständnis dafür?“ Sie mochte ihn nicht. Er nickte. „Wenn du kein Mörder bist, wenn du kein grausamer Verbrecher bist, keine Gefahr. Warum bist du dann hier?“

„Vor neun Jahren erschlug ein Mann aus Amn seine Frau und seine zwei Kinder im Schlaf. Niemand erfuhr je, dass er es war. Heute ist er Oberkommandierender der Flammenden Faust.“ Er hob einen Finger. „Vor sieben Jahren stahlen drei Diebe die Kronjuwelen des Königshauses von Niewinter. Als sie als glorreiche Finder zurückkehrten, beschenkte das Königshaus sie mit gut einem Drittel des gesamten Königsreiches als Finderlohn.“ Er hob den zweiten Finger. „Vor drei Jahren ersetzte ein genialer Mann alle Mitglieder des geheimen Konzils der Sechs von Atkatla. Das neue Konzil verabschiedete ein Gesetz, welches einige Männer sehr reich machte.“ Er hob den dritten Finger. „Stell dir vor, was passieren würde, wenn diese drei Fakten das Licht der Welt erblickten.“ Skeira verstand. „Und jetzt stell dir vor, dass ich seit siebzehn Jahren Probleme löse.“ Sie mochte ihn immer weniger.

„Wahrscheinlich hätte ich dich einfach umgebracht“

„Ja. Du hast eben kein Verständnis.“

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

In dieser Nacht schlief Skeira schlechter als sonst. In ihrem Traum rannte sie eine lange Treppe hoch, immer weiter und weiter. Das Ende kam nicht näher. Hinter ihr stürzte die Treppe in die Leere. Wenn sie anhielt, würde sie sterben. Sie rannte. Irgendwann stolperte sie. Sie fiel.

Umgeben von Schwärze fiel sie. Plötzlich wurde alles hell, sie prallte auf. Als sie aufstand, erkannte sie, dass sie in einem Tempel lag. Er hatte viele Ähnlichkeiten mit dem Tempel, in dem sie einst gelebt hatte. Doch statt der Embleme des Sonnengottes prangte das Allsehende Auge an jeder Wand. Es war der Tempel von Beregost, nur war er ein Tempel des Helm geworden.

Am Altar stand ein Mann, ihr den Rücken zugewandt. Er trug einen langen, blauen Umhang und nach allem, was sie sehen konnte, eine glänzende, silberne Rüstung. Er betete aber nicht. Sie ging auf ihn zu. Er erhob eine Hand, gebot ihr stehen zu bleiben.

„Du bist nicht mein Kind“, sagte der Mann. „Und ich liebe dich auch nicht wie ein Kind.“ Seine Stimme war sehr laut, aber dröhnte nicht. Es war die Stimme eines Generals, eines Anführers. „Du liebst keinen der meinigen, also ist dir ein Tod in Bitterkeit vorherbestimmt.“ Mit einem Mal wusste Skeira, vor wem sie stand.

„Aber heute brauchen wir einander, Skeira Hati.“ Helm schien etwas mit den Händen zu machen, sie konnte nicht sehen, was. „Der Mann, der deine Zelle teilt, ich brauche ihn. Aber dort, wo er ist, kann ich ihn nicht erreichen. Ich kann den Bann, der über euch liegt nicht brechen. Nicht lange genug.“ Sie hörte das Geräusch plätschernden Wassers.

„Wer ist er?“ Nie hatte sie gebetet, dennoch wusste sie, dass sie das Wort an einen lebenden Gott richtete.

„Der Mann, der in deiner Zelle liegt, heißt Aramand. Er ist ein mächtiger Hexer. Und Aramand stirbt.“

„Nein, es geht ihm besser.“

„Der Lebenspfaden Aramands ist zerrissen, er lebt gegen den Wunsch des Schicksals“, sagte Helm. „Doch es ist wichtig dass Aramand lebt. Mit seinem Tod wird ein Zauber gebrochen, der all die Wahrheiten, die er über die Jahre gesammelt hat, frei lässt. Wenn Aramand stirbt, wird Chaos über die Schwertküste hereinbrechen.“ Es schien, als würde Helm seufzen. „Deshalb schenkte ich ihm ein Leben, das zu haben er nicht auserkoren war. Ein Leben, das ich ihm wieder entreißen muss. Sein Tod und sein Leben dürfen nicht sein.“

„Was wollt Ihr von mir?“

„Aramand muss an einen Ort, an dem ich auf ihn zugreifen kann. Bring den Hexer heraus aus dem tiefen Verließ, heraus aus dem Bann. Ich werde ihn zu mir holen und tun, was getan werden muss. Und du wirst frei kommen.“

„Wie soll ich das schaffen?“

„Ich kann den Bann nicht brechen“, sagte Helm. „Aber ein wenig kann ich dir helfen.“ Der Gott erstrahlte in einem unglaublich hellen Licht und war verschwunden.

Auf dem Altar stand ein großer, goldener Kelch. Skeira ging auf ihn zu und trank. Kraft, und Wut, durchströmten ihren Körper.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Die Holztür stellte kein Hindernis dar. Sie zerstörte sie mit nur einem Schlag. Sie stürmte auf die Tür zur Wachkammer zu, ein Wachmann öffnete sie. Die Augen öffnete sich vor Panik, ehe sie ihm mit einem Hieb das Genick brach und ihn zurück in den Raum schleuderte. Dort saßen drei Männer, Tilten rutschte auf dem Hintern vor ihr weg.

Ein Krieger stürmte mit dem Schwert auf sie zu, sie riss ihm den Arm ab und warf ihn ins Feuer. Er schrie. Der zweite Mann hatte sein Schwert verloren. Er griff sie mit einer Fackel an. Sie hob ihn in die Luft und brach ihn in zwei Hälften. Der Dritte wollte fliehen. Sie biss ihm ein Bein ab, das andere zerfetzte sie bis auf die Knochen.

Tilten hämmerte gegen die Tür nach draußen. Sie kam auf ihn zu. Er drehte sich um. „Bitte.“ Sie nahm seinen Kopf. Und riss ihn ab.

Auch diese Tür zerbrach vor ihr. Auf allen Vieren sprintete sie die Treppe. Sie kam in der Höhle an, wo der Eingang zum Verlies versteckt war. Den Schutzstein zertrümmerte, am Ende der Höhle war der Bann vorbei. Ein Mann kam ihr entgegen. Chayp. Sie ließ sich Zeit und hinterließ in mehrfach.

Dann rannte sie aus der Höhle heraus und in den Wald. Der Bann fiel von ihr ab.

Als sie wieder zum Menschen wurde, war Kälte das erste, was sie fühlte. Sie stand nackt im Wald und fror. Dann jedoch spürte sie etwas anderes. Zwischen ihren Beinen blutete sie.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~.~

Aramand fand das Mädchen nackt und bitterlich weinend in einem Graben zwischen den Bäumen liegen. Er sah das Blut. „Mein Kind“, schluchzte sie. „Mein Kind. Für Helm. Und diesen Mann.“ Sie sagte es immer wieder. „Geopfert, wofür?“

Er trat an sie herein und tat etwas, das zu bereuen er keine Zeit mehr hatte. „Bist du in Ordnung?“

Hasserfüllt sah das Mädchen ihn an. Rannte auf ihn zu. Und zerfetzte seine Kehle.

Sollte Helm sein Chaos doch haben!
 

Lisra

Schmusekater
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Puhhh. :eek:

Vielleicht hab' ich gerade ne Einsicht gewonnen wie mein frühes Schreiben auf Andere gewirkt haben könnte, denn Scot wirft hier wirklich Grausamkeit, Unpleasentness und generelle Finsternis in einen Topf. Gewalt, noch mehr Gewalt, Mord, ein wenig mehr Mord, Vergewaltigung... das ist im Rahmen einer sehr kurzen Geschichte schon hart zu schlucken, dadurch verstärkt das es einem eigentlich sehr sympathischen Charakter zustößt (der zusätzlich Aramand den Fokus stiehlt). Immer wieder.
Das Ende allerdings gefiel mir dann wieder, weil via satellitengesteuerten Karma-Raketen eine gewisse Art von Gerechtigkeit passiert. Warum Skeiras größte Trauer jedoch über ein Monat altes Kind das aus Mehrfachvergewaltigung hervorgegangen ist - das erschließt sich mir nicht eindeutig, aber hey..

Ob das jetzt mit dem Stimmungswechsel zusammenhängt oder nicht, ich finde du kannst es eigentlich besser.

Mantis führt einen schön in die Irre mit dem schummrigen Treffen am Anfang, denn natürlich vermutet man Aramand den Problemlöser dahinter. Selbiger ist gut charakterisiert, tatsächlich ein Mensch und nicht eine Art wohlfrisiertes Monster wie ich ihn gezeichnet hab'. Er ist immer noch ein Arsch, aber ein sympathischerer als vorher. Trotzdem bekommt er am Ende was er verdient, und Skeira auch. Um so mehr wenn man sieht, was sie in Scots Geschichte durchmacht... ein bisschen Wohlfühlen is dann wohl das mindeste.

Der Dialog in dem Aramand sie ins Bett komplimentiert löste bei mir einen minutenlangen Kicheranfall aus. :D Allein dafür hätte Mantis den Punkt verdient, aber auch der Rest passt. Also bekommt sie ihn.

So.. nächstes Paar.
 
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Timestop

Running out of Time
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Tja....

Zu lesen fand ich beide Geschichten gut.
Allerdings überlagert der Schock- und Ekeleffekt bei Scot einiges. Ich find das realistische ausleben des Szenarios (ohne dabei ins Detail zu gehen) zwar einerseits gut, andererseits eben ...übel.:hae: Die Grundstimmung ist etwas zu düster für meinen Geschmack.
Dazu behandelt Aramand seinen eigenen Charakter zwar mies, aber Mantis noch schlimmer, vermutlich verstört das noch mehr, weil es eben nicht sein Charakter ist den er da wortwörtlich "vergewaltigt". Andersrum hätte ich es wohl eher geschluckt.
Das für die "Heldin" am Ende wenigstens sowas wie Gerechtigkeit dank Helm ex machina bleibt (@Karma-Rakete:D) ist dann befriedigend.


Mantis Inszenierung schlägt das aber locker, die Maskerade am Anfang, über den Overkillauftrag in der Mitte (Hoppla:D) und am Ende darf es etwas Softerotik sein mit haarigem Ausgang. Ende der Show.
Aramand wurde in meinen Augen viel besser eingefangen als die anderen Gegner von Scot das gemacht haben.
 

skull

Thronfolger
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:wunder:

Normalerweise soll man ja immer auch etwas positives sagen, das fällt mir bei Scots Geschichte diesmal (überraschender Weise!) echt schwer.
Die Geschichte erzeugt eine gewisse Atmosphäre (copyright by Lisra) aber das ist auch alles, was ich ihr zugute halten kann.

Die Rechtschreibung hakt, darüber könnte man hinwegsehen. (*Schweine schmeiss*) Leider ist der Stil diesmal auch sehr holperig.
Die, äh, Kampfszene am Ende ist ein schönes Beispiel:
Ein Krieger stürmte mit dem Schwert auf sie zu, sie riss ihm den Arm ab und warf ihn ins Feuer. Er schrie. Der zweite Mann hatte sein Schwert verloren. Er griff sie mit einer Fackel an. Sie hob ihn in die Luft und brach ihn in zwei Hälften. Der Dritte wollte fliehen. Sie biss ihm ein Bein ab, das andere zerfetzte sie bis auf die Knochen.

Tilten hämmerte gegen die Tür nach draußen. Sie kam auf ihn zu. Er drehte sich um. „Bitte.“ Sie nahm seinen Kopf. Und riss ihn ab.

Das liest sich als wäre es unter Zeitdruck und sehr unmotiviert geschrieben worden, zeichnet sich aber dennoch durch bemerkenswerte Grausamkeit aus. Nej nej.

Zur Handlung::wunder: Aramand als Auserwählter des Helm, ein Vergewaltigungs-Föten-Opfer als Deus ex M. und eine sehr merkwürdige Mordmotivation am Ende lassen mich ratlos zurück.
Dazu kommt, dass Aramand hier so gut wie gar nichts mit seinen sonstigen Inkarnationen gemein hat. "Sie mochte ihn nicht" ersetzt keine Charakterisierung.

Dagegen steht Mantis Geschichte, die Aramand mit einer gewissen augenzwinkernden Sympathie beschreibt.
Ganz weltmännischer Charmeur darf Aramand seine Moves ausführen, sich dabei toll fühlen, und merkt erst zuletzt, dass er diesmal wohl doch kein naives Vögelchen in sein Bett geholt hat.
Aramands Verführungskünste scheinen dabei von gewissen Ideen, die auch hier im Singletopic verbreitet wurden, beeinflusst:rolleyes:*hüstelpickuphüstel*, alles in allem sehr schön.;)

Und ein bisschen menschlicher wird er obendrein auch noch.;)

Von Skeira erfahren wir leider nicht sehr viel, wie in jeder Geschichte bisher wird der Charakter hier wieder einmal völlig neu interpretiert.
Diesmal also als schauspielerisch begabte Auftragskillerin, die weiß, was sie will und wie sie es bekommt.
Wie es dazu kam erfährt man leider nicht, dafür ist der Effekt, wenn man realisiert, dass es sich bei der "Gestalt" am Anfang eben nicht um Aramand handelte, sehr gelungen.

Stilistisch einwandfrei, sehr unterhaltsam, klarer Punkt für Mantis.
 

Scot d'Arnd

Irrsinniger Paladin
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Hehe, eine aramandwürdige Abreibung, die ich da kassiere. :D
 

Zelon Engelherz

Wachritter des Helm
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Punkt für Mantis.

Eine schöne Geschichte, auch wenn ich das Thema nicht wirklich gefunden habe(abseits von Aramands Ende). Gibt auch nicht viel zu sagen, es war kurzweilig, es war spaßig, was will man mehr?

Scot's Geschichte dagegen kam mir vor, als hätte er nicht wirklich Lust gehabt. Deswegen liest sich all die Gewalt und Grausamkeiten (wenn auch nur größtenteils angedeutet ) auch sehr gewollt und man (zumindest ich) gibt nichts auf den Plot um Helm und wie sehr er Aramand doch braucht ect., weil einen Skeira so leid tut.

Aber Aramand hatte ja, zumindest bei mir, immer das Anhängsel so unliebenswert zu sein und so endet es auch. Es kratzt mich nicht was mit ihm passiert, ich wünsche mir mehr ein anständiges Ende für Skeira.

Aber vielleicht ist das auch gut so. Scot musste sich viel anhören und ein ziemlich dickes Fell beweisen. So kann er in beiden Geschichten endlich ruhen.

Farewell Aramand.

Hoffentlich hast Du deinen Frieden gefunden.
 
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Rote Zora

Pfefferklinge
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Da ist er hin mein zweiter Platz... :( :c: ;)

Alles durfte passieren, nur kein KO Sieg bei den Rängen drei und vier. Also habe ich mir vorgenommen, für Scot zu stimmen, egal was kommt. Daraus, gleich vorweg, wurde nix.

Zunächst muss ich schmunzeln: Aramand kriegt auf jeden Fall den Preis für den am häufigsten gekillten Charakter dieses Wettbewerbs. Wurde am Anfang noch darüber sinniert, ob und wann und wie wohl die vermeintlich rote Linie überschritten wird, einen Mitspieler Charakter umzulegen, stirbt Aramand allein in dieser Runde drei Mal, und vorher ging es ja auch nicht immer gut aus. :D

Beide Erzähler wählen - auch hier zeigt sich, dass sie nicht zufällig in Reichweite eines Gesamtsieges antreten - die Erzählperspektive des Gegner-Chars.

Scot gelingt es, seinen Char tatsächlich nackt und wehrlos in ein magieloses Verlies zu sperren, und kann es Skeira überlassen, ihn da rauszubeißen.

Die Kampfszene ist vielleicht nicht der Brüller (ich vermisse Kraven :D), aber gerade in dieser schnodderigen Kürze temporeich, brutal und trotzdem auf eine fiese Art plastisch. Mit anderen Worten: noch immer um Längen besser als meine :D.

Der Auftritt von Helm ist meiner Meinung nach grandios. Das hat was wirklich herrlich ironisches, dass selbst die Götter nicht mehr ohne den Problemlöser klarkommen. Dass das Geflecht aus Lügen, schönem Schein, Intrige und Verrat so tief reicht, dass es Recht und Ordnung nicht etwa bedroht, sondern schon so durchdrungen hat, dass die ganze Fassade einstürzen würde, wollte man die tragende Substanz dahinter wegschlagen. Da ist auch so eine nette Prise Gesellschaftskritik drin, die ich durchaus zu schätzen weiß.

Diese Vergewaltigungs-/Schwangerschafts- Geschichte ist mir tatsächlich auch ein wenig zu lisra-mäßig düster und grausam. Aber in sich irgendwo stimmig. Und nein, es ist nicht paradox um ein verlorenen Embryo zu trauern, selbst wenn er so gemein zu stande kam. Widersprüchliche Gefühle sind da absolut nachvollziehbar. Aus der Praxis weiß ich, dass selbst bei gewollten Schwangerschaftsabbrüchen oft Trauerarbeit zu leisten ist. Und das Aramand da nicht der optimale Seelsorger ist, stimmt auch, und damit ist sein Ende auch wieder mal besiegelt. Und natürlich gerecht :fies:.

Alles in allem: Scots Geschichte hat mir gefallen, ich habe sie allerdings auch zu erst gelesen (weil ich ihm ja unbedingt meinen Punkt geben wollte :D), und verrät einiges von seinem erzählerischen Mut, seinem Einfallsreichtum und seiner Variabilität in Stil und Stimmung.

Aber Mantis! Für mich tatsächlich das beste, was sie bislang abgeliefert hat. Ihre Aussage, Aramand schätzen gelernt zu haben, spürt man jeder Zeile ab. Man hat den Eindruck Scot selber hätte Aramand nicht cooler, abgeklärter und doch irgendwo menschlicher schreiben können als sie. Seine totale Professionalität aus der sich erst seine Selbstsicherheit ergibt, die seine Aufträge und seine Liebesaffären zu 100%igen Angelegenheiten macht.

Und doch der Hunger der bleibt, dieses in der eigenen Routine irgendwo gefangen sein, dieses zwar alles nehmen können, aber nichts geben zu dürfen, um keinen Preis, das ihn letzlich einsam und verletzlich macht. Und wirklich abgeklärt, böse und herzlos erscheint plötzlich Skeira, die dieses Spiel nur mitspielt, sich sogar den Spaß gönnt, erst nach dem Liebesakt zum ernsten Teil der Verabredung überzugehen - Wahnsinn!

Das ist erzählerisch so dicht, da gehe ich bei jedem einzelnen Satz mit, da ist irgendwie keine Silbe zu viel und keine zuwenig. Meisterhaft!

Und das einzige, was mich über meinen verlorenen zweiten Platz tröstet, ist dass skull jetzt sogar um die Goldmedaille zittern muss. Denn wenn das hier unten eine so eindeutige Sache wird, und oben noch ein bisschen knapper, dann wird er noch von Mantis gevettelt.
:fies:

ZORA

(Das Kursivgedruckte bitte nicht ernst nehmen!!!)
 

Lisra

Schmusekater
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Diese Vergewaltigungs-/Schwangerschafts- Geschichte ist mir tatsächlich auch ein wenig zu lisra-mäßig düster und grausam.

Bei mir gab und gibt es immer einen Hoffnungsschimmer. Das finde ich wichtig.
 

Raldaf

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So, nachdem ich endlich auch mal die beiden Geschichten gelesen habe (bis wann kann man eigentlich abstimmen?), gibt es auch von mir ein bisschen Kritik.
Eines vorweg, ich habe nur einmal eine Geschichte gelesen, habe also absolut kein Vorwissen aus den Runden davor.
An Mantis Geschichte gefällt mir das Gesamtgefüge: Sie wirkt wie aus einem Guß, es sind keine Stilbrüche drin, keine Stimmungswechsel. Das Einzige, was mich stört, ist die geringe Menge an Information: Ich wusste bis zur zweiten Geschichte nicht, dass Skeira ein Werwolf ist und vor allem auch nicht, warum sie ihn umgebracht hat (also was ihre Motivation war). Aramand hingegen war wunderbar beschrieben, ein Mörder, aber nicht wirklich unsympathisch.

zu Scots Geschichte: Ich persönlich bin kein Freund von längeren direkten Reden in Texten (Ausnahme: Theater), zum Einen wegen der Übersichtlichkeit, zum anderen weil ihnen die Präzision einer umschreibenden Handlung fehlt. Ebenfalls weniger gut finde ich die recht blutigen und brutalen Szenen nach dem Ausbruch des Werwolfes, aber das kann auch wieder eine persönliche Vorliebe von mir sein.

Mein Punkt geht also an Mantis für ihre sehr gelungene Geschichte. :)
 

Timestop

Running out of Time
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Darüber, die Geschichten so schreiben dass sie für sich alleine stehen können, stolpert man wirklich häufig, weil es schwer ist gleichzeitig die Charaktere und vielleicht bisherige Ereignisse einzubauen ohne dass dauernd jemand "Was passiert hier?" fragen muss um die Sache aufzuklären, was den Fluss der Geschichte ja etwas hemmen würde und komisch wirkt ("Ach wie schön das niemand weiß, dass ich gern als Werwolf beiss.", summte Skeira vor sich hin). Sauber wenn man das nach Runde 2 noch hinbekommt, ich tus nicht.:D
 

Gala

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Schon die Geschichten von Runde 1 konnte man nicht verstehen, ohne die Charaktervorstellung gelesen zu haben.
 

Christa

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Mein Punkt ging an Mantis, weil mir die Geschichte einfach supergut gefallen hat. :up:

Scots Geschichte ist mir etwas zu - hmm - heftig.
 

Scot d'Arnd

Irrsinniger Paladin
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Das hätte ich fast vergessen:

Herzlichen Glückwunsch, Mantis, zum absolut verdienten Sieg!

Meiner bescheidenen Meinung nach war deine Geschichte schlicht die beste des ganzen Wettbewerbs. :up::up::up::up:
 

Mantis

Heilende Hände
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27.02.2003
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Danke, Scot :) *verneig*

und natürlich auch danke an alle, die mir ihren Punkt gegeben haben :)

Es war ja tatsächlich die Begegnung, die ich mir schon seit der Charaktervorstellung herbeigesehnt hab. :D

@ Lis: So arschig fand ich Aramand in meiner Geschichte gar nicht - wie gesagt, er ist mir übers Schreiben hinweg dann doch noch irgendwie sympathisch geworden :eek:, was ich ja (wie gesagt) vorher nie gedacht hätte.

@ Time: Softerotik mit haarigem Ausgang :D:up:

@ skull: Dass Skeira hier (und in jeder Geschichte) neu interpretiert wurde, finde ich eigentlich nicht. Aber gut, in meinem Kopf ist die Entwicklung der Figur ja etwas kompletter vorhanden als in den Geschichten. (aka "in meinem Kopf hat es noch Sinn gemacht!" :rolleyes: )
Aber naja, zumindest in dieser Geschichte hätte ich am Anfang nicht beschreiben können wie Skeira dazu kommt, den Auftrag anzunehmen, dann wäre die beabsichtige Doppeldeutigkeit weg gewesen...

@ Zelon: Das Thema? In der Lebenseinstellung Aramands, der alles als Spiel betrachtet, dessen Regeln er nicht nur beherrscht, sondern mitunter auch mal bestimmt. Und der davon so sehr überzeugt ist, dass er es nicht einmal bemerkt, wenn mit ihm ein Spiel gespielt wird das seinem Alltag (reihenweise Jungfrauen verführen und so) so sehr entspricht, dass er nicht anders *kann* als es als Realität anzusehen.
War so mein Gedanke dazu. Wenn der nicht rübergekommen ist, siehe skull: in meinem Kopf hat es noch Sinn gemacht :D

@ Zora: danke :) Aaber: Skeira ist nicht unbedingt "böse"... nun gut, das hängt von der Definition ab... Ihr ist es (in dieser Geschichte) wichtiger, von ihrem eigenen Fluch loszukommen, den sie nicht im Griff hat und der nicht nur sie, sondern auch ihre Umgebung immer wieder leiden lässt. Wichtiger zumindest als das Leben dieses ihr unbekannten Mannes, von dem sie allerdings schon so einige Geschichten gehört hat.
Und nach dem Liebesakt passiert der Mord aus zwei Gründen: einmal ist Skeira auch nur ein Mensch. Und zum anderen wollte ich meinem armen Charakter auch mal was "gönnen" - Aramand ist schliesslich, das wissen wir ja alle, gut in allem, was er tut :D :cool:

@ Raldaf: Naja, ich setze halt schon irgendwo voraus, dass zumindest die Charakter-Vorbeschreibungen gelesen wurden ^^
und davon ausgehend, dass Skeira Werwolf wider Willen ist, und in der letzten Geschichte auch erzählt, dass sie sich in ihrer Haut nicht wohl fühlt, dachte ich, das wäre genug Hintergrundinfo zu ihrer Motivation... ^^ (noch mal in aller Deutlichkeit; das, was ihr da als Belohnung angeboten wurde von dem Typen in der Gasse war die Heilung von der Lykanthropie...)
 
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