Gala
Prolog
"Kommt", sagte Isillilta zu Ino und packte ihn am Arm: "Ihr ..."
"NEIN!", sagte Ino plötzlich in aller Entschiedenheit.
Isillilta spürte, wie der Dolch seinen Halsschutz durchschlug. Er wunderte sich, das er keinen Schmerz spürte. Er wollte etwas sagen, aber es ging nicht. Dann wurde alles schwarz.
Anfang
Er erwachte, doch nicht wirklich. Sein Geist war merkwürdig träge und langsam, schwebte in einem Zustand zwischen Wachen und Schlafen, unfähig, in eine der beiden Richtungen zu gehen.
Wo bin ich ?
Er blinzelte. Es war stockdunkel.
Er versuchte, sich die Augen zu reiben, und entdeckte, das irgend etwas ihn festhielt. Er wendete den Kopf, aber das Dunkel blieb undurchdringlich. Auch seine Beine waren fixiert.
Langsam wurde ihm klar, das er jetzt erschrecken müßte, und sich totstellen. So hielt er eine ganze Weile still und horchte angestrengt. Die Dämmerung, die über seinem Geist lag, klarte langsam auf. Er spürte, das er auf dem Rücken auf einer harten Unterlage lag.
Nach einigen Minuten begannen seine verschiedenen Sinne zu erwachen, und an Stillhalten war nicht mehr zu denken. Zuerst kündigten sich Kopfschmerzen an. Dann bemerkte er einen Bärenhunger und einen gewaltigen Durst. Und plötzlich begann er ganz erbärmlich zu frieren und zu bibbern, so, als hätte man ihn für eine Stunde in Eiswasser geworfen und erst im letzten Moment vor dem Kältetod wieder herausgeholt.
Und während seine Zähne schon laut klapperten, bemerkte er plötzlich, das seine Lunge wie mit Höllenfeuer gefüllt war, und bekam einen Hustenanfall wie noch nie in seinem Leben, hustete minutenlang staubigen Schleim und Rotz und schließlich Blut. Immerhin wurde ihm dadurch warm.
Völlig erschöpft und entkräftet lag er schließlich da, nur um zu bemerken, das die Luft immer schlechter wurde.
Wo bin ich ?
Er erinnerte sich, das er als Dunkelelf ja im Dunkel sehen konnte. Seine Augen glühten rot von der Rassenmagie auf. Erleichtert mußte er auflachen, als er erkannte, wo er lag.
Es war sein altes unterirdisches Labor im Unterreich. Er erinnerte sich jetzt auch, warum er hier lag. Er lag auf seinem Stasisapparat, einer magischen Maschine, welche seinen Klon am Leben hielt. Tatsächlich hatte er dieses Gerät in seiner Jugend einmal hergestellt. Die Herstellung des Klons war extrem schmerzhaft gewesen, weil man dafür eigenes Fleisch aus sich herausschneiden mußte, aber er hatte auch das hinbekommen.
Als er vorhin gestorben war, war seine Seele zu seinem Klon gewandert, und hatte diesen aktiviert. Auch die anderen Symptome waren ihm nun erklärlich. Die Lunge war mit der Zeit wegen Untätigkeit verstaubt, der Klonkörper war in der Stasis nahe dem Gefrierpunkt des Wassers gehalten worden, und dessen Lebensaktivität und Versorgung mit Nährstoffen blieb minimalst, um die Effizienz der Maschine zu maximieren. Tatsächlich hatte sie dadurch über zwei Jahrhunderte lang funktionieren können.
Seine rechte Hand suchte und fand den Schalter, der ihn befreite. Langsam erhob er sich und schob die Glaskugel, unter der er gelegen hatte, beiseite. Zu seiner bösen Überraschung roch die Luft außerhalb der Glaskugel auf eine trockene Art und Weise vermoddert und enthielt kaum mehr Sauerstoff als die in der Glaskugel. Er keuchte inzwischen schwer und stand kurz vor der Kohlendioxidvergiftung.
Er versuchte Magie zu wirken, um sich frische Luft zu verschaffen, aber sein Klonkörper enthielt nicht den kleinsten Funken magischer Energie. Er würde erst meditieren müssen. Aber bis dahin würde er wahrscheinlich schon erstickt sein.
Langsam kroch er von dem steinernen Bett. Fürs Stehen fehlte ihm die Kraft. Mühsam drang er in den Hauptraum seines Labors vor. Dieser stand voller Regale, Schränke, Truhen und Tische, die sich vor magischer Gegenstände und Bücher bogen.
Isillilta sah sich nach etwas um, mit dem er an Sauerstoff kommen konnte. Vielleicht war irgend eine der magischen Spruchrollen, die überall lagen, eine der Zone frischer Luft, aber ihm fehlte jetzt die Kraft, sich aufzustützen und sie alle zu durchsuchen. Stattdessen kroch er weiter, auf den Ausgang zu.
Beim Ausgang stand ein Waffenständer mit einem Magierstab des Feuers und einem minimal verzauberten Bastardschwert - der ersten Waffe, die er je verzaubert hatte. Der Ausgang selbst war eine Öffnung im Fels. Der steinerne Verschluß war eigentlich leicht zu öffnen, aber für den schwer keuchenden Isillilta war er fast nicht mehr zu überwinden. Nachdem er den Weg endlich aufgestemmt hatte, klemmte er den Verschluß mit dem Schwert fest.
Er schnappte sich den Stab des Feuers und kroch in die Öffnung hinein. Langsam folgte er dem engen natürlichen Gang bis zu einem Felsbrocken, den er mühsam mithilfe des Stabes beiseite stemmte.
Er hatte den Hauptgang erreicht. Wie er erwartet hatte, war hier die Luft kein bisschen besser, denn sein Labor war durch Spalten mit dem Rest der Höhle verbunden. Er kroch in Richtung des Höhlenausgangs. Nach einer Weile erreichte er die letzte Biegung. Da, wo eigentlich der Ausgang sein sollte, war eine massive Mauer.
Isillilta untersuchte sie. Die Steine waren aus bestem Granit, wie die Höhlenwände. Der Mörtel allerdings sah eigentlich normal aus. Vermutlich konnte er ihn wegbrennen. Das war natürlich sehr gefährlich, weil man es auf der anderen Seiten merken würde, aber seine Lage war verzweifelt genug, das er es versuchen mußte.
Er kroch zurück zur Biegung und begann, gegen die Mauer den ersten Feuerball zu zaubern. Im nächsten Moment war er in magisches Feuer gehüllt. Ach ja, in geschlossenen Höhlen aufpassen mit Flächenzaubern. Zu seinem Glück hatte seine rassentypische Magieresistenz angesprochen. So war nur der heiße Boden ein Problem. Er kroch noch viel weiter zurück und zauberte stattdessen den Feuerball in die Wegbiegung hinein. Sein Gefühl sagte ihm, das der Feuerball bis zur Mauer reichen und diese weiter erhitzen würde.
Nach ein paar Feuerbällen begann der Fels, im dunklen Rot zu glühen. Dieses wurde mit jedem weiteren Feuerball immer heller, bis es in Orange und Gelb wechselte. Nach etwa zwei Dutzend Feuerbällen war die Felswand blendend weiß. Isillilta zauberte weiter, bis der Stab leer war. Dann kroch er von der Hitze weg. Irgendwann kurz darauf mußte er das Bewußtsein verloren haben.
Schwert
Als er erwachte, zauberte er sofort Wasser. In seinen geöffneten durstigen Mund landete nur viel zu wenig davon, aber sein überhitzter nackter Körper jauchzte von dem kühlen Naß auf.
Es gab hier eine winzig kleine Steigung zum Ausgang hin, wo das Wasser hinfloß. Isillilta hörte ein Zischen, und die Luft füllte sich mit Wasserdampf.
Isillilta beschloß, nicht sofort nach Hause zu teleportieren. Durch seine Aktion mit den Feuerbällen war wahrscheinlich irgendjemand auf ihn aufmerksam geworden. Er sollte also lieber die Sache mit der Mauer inspizieren. Stattdessen rief er seine Mondklinge zu sich. Obwohl er sie sogar von anderen Existenzebenen herrufen konnte, dauerte es sehr lange, bis sie endlich in seiner Hand erschien. Der helle Schein der heiligen Klinge erleuchtete den Gang. Sofort zauberte das Schwert Heilung auf ihn, was seine vielen Beschwerden linderte.
„Hallo !“, meldete sich eine Stimme in seinem Geist: „Guten Morgen auch. Was ist denn mit dir passiert ? Eli hat versucht, deine Leiche zum Leben zu erwecken, aber es ging nicht. Wo sind wir hier ? Ich bin fast nicht durchgekommen.“
Eli war Isilliltas treue Dienerin in seinem Magierhort. Also seinem neuen Magierhort, das er gebaut hatte, nachdem er damals der Unterwelt entronnen war.
„Guten Morgen !“, antwortete Isillilta auf dem selben Wege seinem Schwert: „Ich hatte noch einen Klon; ein altes Experiment von mir in der Unterwelt. Dort befinden wir uns auch gerade.“
„Die Unterwelt ? Oh nein ! Und ist das mit dem Klon der Grund, warum du plötzlich so jung aussiehst ?“
„Ja.“
„Na prima. Wirst du jetzt nochmal 300 weitere Jahre alt werden ?“
„Ähm, vielleicht ? Wahrscheinlich ?“
„Na ganz Klasse. Ich hatte eigentlich gehofft, das diese Peinlichkeit, ausgerechnet einen Dunkelelfen als Träger zu dienen, in ein paar Dutzend Jahren endlich vorbei wäre.“
„Öhm, tut mir leid. Du wirst mich wohl noch ein paar weitere Jahrhunderte ertragen müssen.“
„Die anderen Mondklingen werden sich sowas von lustig über mich machen. Naja, schon gut, ich werds überleben. Zieh dir wenigstens was an. Warum rennst du hier splitternackt herum ?“
„Hatte erst andere Probleme zu lösen. Luftmangel und so. Wäre fast nochmal gestorben.“
„Ui. Zwei Jahrhunderte ohne Todeserlebnis und dann gleich zwei hintereinander ? Das wäre ja richtig fies.“
„Keine Angst, einmal reicht mir fürs Erste. Und … was war mit dem Durchkommen ?“
„Hier um diesen Ort sind gleich zweimal magische Barrieren drumherum, die man auf den meisten Ebenen gar nicht durchdringen kann. Hat mich alle Tricks gekostet, da durchzukommen. Ich schätze, du selbst hast da gar keine Chance.“
„Oh.“
„Ja.“
„Dann ist der schnelle Teleport nach Hause wohl ausgeschlossen.“
„Exakt.“
„Eigentlich werde ich dringend anderswo gebraucht.“
„...“
„Naja, in der Unterwelt war ich ja schon lange nicht mehr.“
„Richtig, das letzte Mal ist schon mindestens sieben lange Tage her.“
Isillilta kehrte in sein Labor zurück und zauberte sich auf einem der Tische Nahrung, die er verspeiste, während er sich eine alte Robe anzog. Nachdem er sich gründlichst gestärkt hatte, verschloß er sein Labor sorgfältig.
Der Eingang war noch viel zu heiß, als das er ihn einfach so durchtreten konnte. Er verwandelte sich also in einen Nebel und schwebte in gutem Abstand von Boden, Wänden und Decke hindurch. Durch die Mauerritzen, die sich geöffnet hatten, drang er mit größtmöglicher Geschwindigkeit. Dann wurde er, ganz gegen seine Absicht, auf der anderen Seite der Mauer wieder materiell. Es war stockdunkel – auch seine Dunkelsicht funktionierte nicht mehr.
„Nanu ?“, dachte er verdutzt.
„Antimagie.“, bemerkte das Schwert lakonisch.
Isillilta zog es aus der Scheide. Als mächtiges Artifakt aus fernen vergangenen Zeiten funktionierte es trotz dem Mangel an Magie. Der Schein der heiligen Klinge erfüllte den Raum und Isillilta erkannte, das er sich in einer Folterkammer befand. Dutzende sadistische Geräte waren hier über den Raum verteilt aufgestellt. In vier davon erkannte er bedauernswerte Opfer, die aber offensichtlich schon an ihren Qualen verendet waren.
Isillilta schlich zur Tür. Sie war verschlossen. Er steckte also schon wieder fest. Und zwar ziemlich vollständig. Das einzige Gerät, das er zur Hand hatte, war sein magisches Schwert, und das konnte leider nur durch lebendes und untotes Fleisch schneiden, aber keine Türen.
Isillilta prüfte den Zustand der Gefangenen. Es handelte sich durchgängig um Waldelfen, wahrscheinlich Opfer eines Raubzuges an der Oberfläche. Sie waren noch nicht lange tot. Vermutlich hatte man sie also nicht vergessen. Irgendwann würde jemand kommen, um die Leichen abzuholen. Bis dahin blieb ihm nur, zu warten. Isillilta machte es sich am Boden bequem.
Freund
Es geschah ein paar Stunden später. Plötzlich wurde Isillilta von einem fremden Geist erfaßt, der in seinen Kopf eindrang. Überrascht und wütend stieß er diesen zurück und hielt ihn fest.
Der Eindringling empörte sich: „Aua ! Böser Drow ! Was soll das ! Loslassen !“
„Wer ist denn das ?“, meldete sich das Schwert.
„Oooh, ein sprechendes Schwert ?“, reagierte der Eindringling: „Wie ist euer Name ?“
„Naja. Varnar, das ist elfisch und bedeutet Beschützer. Sehr beliebter Name für Elfenschwerter.“, antwortete die Mondklinge: „Und ihr ?“
„Ähm, Drauger. Ich bin so eine Art Geist. Angenehm !“
„Angenehm !“
„Jetzt ist aber mal gut !“, fuhr Isillilta ärgerlich dazwischen: „Was habt ihr in meinem Kopf zu suchen ? Könnte ich Magie wirken, ich hätte euch in einen Seelenstein gesperrt, damit ihr kein Unheil mehr anrichten könnt.“
Drauger schimpfte: „Warum seid ihr Drow immer so unfreundlich ! Eigentlich habe ich doch gar nichts getan ! Ich war nur neugierig !“
„Oh, also mir wolltest du gerade die Kontrolle über meinen Körper wegnehmen. Das ist ja wohl mehr als Grund genug, um jemanden in einen Seelenstein wegzusperren.“
„Aber das ist doch die einzige Art und Weise, wie ich überhaupt irgend etwas tun kann !“
„Wie, ihr macht das wohl sogar gewohnheitsmäßig ?! Dann könnt ihr kein sehr alter Geist sein. Früher oder später werdet euch jemand wirklich in einen Seelenstein sperren.“
„Oh.“
„Ja.“
„Naja, danke für die Warnung. Um, könntet ihr mich trotzdem wieder freilassen ? Ich verspreche auch, nie wieder zu versuchen, einen Dunkelelfen zu beherrschen … hat bisher sowieso nie geklappt. Warum seid ihr nur so widerständig ?“
„Nun - wir leben in der Unterwelt, gemeinsam mit Grauzwergen und Graugnomen ? Und hier unten gibt’s jede Menge unfreundliche Gesellschaft – zum Beispiel Gedankenschinder. Oder Betrachter. Wesen mit schwachen Geist halten hier nicht lange durch.“
„Hmm. Okay, das macht Sinn.“
„Könnt ihr mir etwas über die Umgebung sagen ? Ich bin hier nur durch einen … magischen Unfall geendet und bräuchte dringend ein wenig Orientierung.“
„Oh, ihr habt Probleme ?“
„Nun … jede Menge, fürchte ich.“
„Naja, es ist ein ganz normales Gefängnis hier.“
„Ein Gefängnis ?“
„Ja, oder ein Gefangenenlager, wie mans sieht. Aber wartet mal - ihr wißt nicht, das es sich um ein Gefängnis handelt ? Wie seid ihr denn hierhergekommen ?“
„Lange Geschichte. Erzähl mir lieber, wie man hier herauskommt.“
„Wenn ihr hier heraus wollt, könntet ihr vielleicht auch mir mit einem Problem helfen.“
„Ja sicher, mit was ?“
„Huch, ein freundlicher Drow ! Wo hat man das schon gehört !“
„Bin nicht von hier. Okay, das war falsch, ich bin hier geboren. Aber vor langer Zeit weggezogen und nur unfreiwillig zurückgekehrt. Also, was ist euer Problem ?“
„Einer der Gefangenen hier ist ein Mensch, und ich versuche schon eine ganze Weile, ihn zu befreien.“
„Irgend ein Grund, warum nur diesen speziellen Gefangenen ?“
„Nun … ich bin ein bisschen mit dran Schuld, das er hier gelandet ist.“
„Oha.“
Es ergab sich eine peinliche Pause.
Isillilta fuhr fort: „Wißt ihr, wann die Wärter hier vorbeikommen werden ? Wißt ihr, wie weit diese Antimagiezone des Gefängnis reicht ?“
„Antimagiezone ? Äh, nein, entschuldige, davon weiß ich nichts. Aber hier wird leider tagtäglich gefoltert, spätestens in ein paar Stunden kommt sicher wieder jemand vorbei.“
„Dann hoffen wir, das sie einzeln kommen. Wieviele Wächter gibt es ?“
„Nur vier, aber sie sind immer zu zweit.“
„Wieviele Gefangenen ?“
„Dutzende, vielleicht mehr als Hundert. Alle in Einzelzellen, an die Wand angekettet. Ich kann die meisten beherrschen, aber sie können nicht viel tun.“
„Gut, ich glaube, das ist erst einmal alles, was ich wissen muß.“
„Laßt ihr mich jetzt frei ?“
„Ja, aber bleibt in der Nähe, ihr werdet mir noch den Weg zu eurem Gefangenen zeigen müssen.“
Veränderung
Der Geist verließ sie, und Isillilta wartete weitere lange Stunden. Endlich wurde die Tür aufgeschlossen. Isillilta versteckte sich hinter ihr. Zwei Wächter traten ein, die eine Waldelfe zwischen sich trugen und Isillilta erst bemerkten, als dieser schon mit einem einzigen weit ausholenden Schlag ihre beiden Köpfe vom jeweiligen Rumpf getrennt hatte.
Glücklicherweise trugen die Wächter Helme. Das würde es leichter machen, sich als einer der ihren auszugeben.
Die Elfe, die ihn Isillilta wohl nur einen weiteren Drow sah, war völlig unkooperativ und hörte ihm gar nicht zu. Isillilta wünschte sich, Drauger wäre in der Nähe und würde die Elfe übernehmen. Leider hatte sich der Geist zurückgezogen.
Mangels einer besseren Alternative schlug er die Elfe, die sich heftig wehrte und schrie, bewußtlos. Die Leichen der Wächter steckte er in zwei im Raume stehende eiserne Jungfrauen. Der Elfe nahm er die Fesseln ab und versteckte sie in einer Ecke.
Mit seiner neuen Verkleidung durchkämmte er das Gebäude. Die Angaben Draugers waren alle korrekt. Er bemerkte die anderen beiden Wärter bei einem Rundgang, wie sie Gefangene fütterten. Sie erkannten anscheinend nicht, das er keiner der ihren war. Isillilta näherte sich ihnen in ungezwungener Haltung, dann machte er sie blitzschnell nieder. Er schleppte auch diese Leichen in den Folterraum und brachte sie ebenfalls in eisernen Jungfrauen unter.
Endlich fand er eine Zelle, in der ein Mensch gefangen saß. Isillilta probierte die Schlüssel aus, die die getöteten Wärter bei sich gehabt hatte, und fand den Richtigen relativ schnell.
„Schnell, zieht das an.“, flüsterte er dem Menschen zu, als er ihn von seinen Fesseln befreit hatte und ihm die zweite Rüstung zuschob.
„Hallo !“, sagte der Mann und grinste spitzbübisch: „Ich bins, Drauger.“
Isillilta nickte. Jetzt galt es, herauszufinden, wie man die Stadt verlassen konnte.
Weg
Isillilta ließ Drauger im Gebäude zurück, denn der Mensch konnte im Dunkel nichts sehen, und das fehlende rote Glühen der Augen würde sie zu früh verraten.
Die Stadt hatte sich in den letzten zweihundert Jahren, seit er sie verlassen hatte, stark verändert. Sie war angewachsen. Sein Labor hatte er damals außerhalb der Stadtmauern eingerichtet. Jetzt lag es innerhalb.
Er wanderte für Stunden durch die Straßen, bis er eine gewisse Übersicht gewonnen hatte.
Es gab einen großen Sklavenmarkt, der die Stadt wohl zu einem Handelszentrum gemacht hatte. Das ergab Sinn, denn er wußte, das die Stadt an einer der Wege in die Oberfläche lag, so das viele Raubzüge der Dunkelelfen von ihr ausgingen.
Außerdem hatte er viele Kasernen gesehen, wo Soldaten untergebracht waren – offensichtlich Truppen für ebendiese Überfälle.
Und endlich, nach vielem Suchen, hatte Isillilta das Stadttor gefunden. Die Stadt war, wie viele Drowstädte, von massiven Fels umgeben, der, wenn er nicht schon natürlich vorhanden war, magisch herbeigezaubert wurde. Außerdem gab es ein magisches Schild, das vor Angriffen mit Teleport schützte. Wollte man also die Stadt verlassen, so ging das nur durch das einzige Stadttor.
Als er zurückgekehrte, hatte Drauger schon eine ganze Menge Waldelfen befreit.
„Ich habe einen Plan, wie wir hier herauskommen.“, sagte Isillilta.
„Ich auch ! Wir brauchen nur Waffen, dann brechen wir durch.“, unterbrach ihn einer der Waldelfen, ihn mit äußerstem Mißtrauen betrachtend.
„Oh, sonst nichts ? Und wo wollt ihr diese Waffen herbekommen ?“
„Nicht von euch !“, antwortete ein anderer Waldelf.
„Dem kann ich nicht widersprechen.“, brummte Isillilta: „Und wie sonst ?“
Von überall kamen Rufe: „Wir trauen keinem Drow ! Ihr wollt uns nur noch tiefer reinreiten !“
„Keinem Drow kann man trauen. Sie werden böse geboren und sterben böse, dazwischen wird’s nur schlimmer !“
„Nur ein toter Drow ist ein guter Drow !“
„Hey !“, unterbrach dann Drauger: „Ohne Isillilta wärt ihr alle immer noch gefangen !“
„Selbst das ist wahrscheinlich nur eine Täuschung.“
„Und wie das ?“, fragte Drauger: „Ich war in seinem Geist, ich hätte das doch gemerkt, wenn er lügen würde !“
Nun, das war freilich gelogen. Drauger hatte ja nie die Kontrolle übernommen. Aber vermutlich konnten das die Waldelfen nicht wissen. Und tatsächlich beruhigten sich diese langsam.
Isillilta konnte den Plan erklären.
Und man fand ihn sogar gut … besser als ohne Waffen gegen eine Stadt voller Drowsoldaten zu kämpfen.
Schicksal
Isillilta stand in seiner Robe vor der Wache. Hinter ihm standen die Waldelfen, und der immer noch von Drauger beherrschte Mensch. Die meisten waren zusammengekettet, um als Sklaven durchzugehen. Aber vier der Waldelfen hatten die Rüstungen der Wächter angezogen. Isillilta hatte eine Illusion geschaffen, durch die sie aussahen wie Dunkelelfen. Aber er hatte vergessen, auch das Aussehen der Rüstungen zu verändern.
Die Wache schimpfte: „Das sind eindeutig Uniformen unser Miliz. Wo habt ihr sie her ? Habt ihr sie etwa unseren Soldaten gestohlen ?“
Isillilta bemühte sich um die diplomatischste Stimme: „Aber nein, die sind ganz sicher nicht eure Uniformen ! Ich habe sie hier ganz legal hier auf dem Markt gekauft.“
„Von welchem Händler ?“, fragte die Wache mißtrauisch.
Isillilta hatte natürlich keine Ahnung, wie die Händler auf dem Markt hießen. „Den Namen weiß ich nicht, aber er hatte ein Zelt an der Nordseite.“
„Hmm. Okay, im Norden sind die Waffen und Rüstungen.“ Glückstreffer, dachte Isillilta. „Trotzdem muß ich das genauer prüfen.“
„Kann ich wenigstens die Wachen vorschicken ? Ich verpasse hier ein dringendes Geschäft !“
„Gut, wenn ihr als Sicherheit zurückbleibt, dann dürft ihr die Sklaven vorschicken.“
„Okay.“
Isillilta winkte die Anderen durch. Er hoffte, sie würden die Gesten richtig deuten. Denn natürlich hatten diese kein Wort verstanden, als er mit der Wache Drow sprach.
Mit gemischten Gefühlen sah er sie durchs Tor treten. Nun würden sie auf sich selbst gestellt sein.
Er hoffte, sie würden den Weg zur Oberwelt finden.